NEWSLETTER 19.04.2024

Hannover schafft seine Umweltzone ab, weil die Luftqualität deutlich besser geworden sei. Wie sieht es in Köln aus?

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

kürzlich war ein Bekannter aus Polen seit mehr als 20 Jahren mal wieder in Deutschland und auf dem Weg in unsere schöne Stadt. Direkt an der A3 dachte er, Köln müsse sich zu einem Naherholungsgebiet gewandelt haben. Ein Kurort. Bad Köln, sozusagen. Dieses unglückliche Missverständnis hat mit einem Euphemismus zu tun, bei dem jeder PR-Berater feuchte Augen bekommen dürfte. Denn auf einem großen Schild am Stadtrand stand: „Umweltzone Köln“.

Zugegeben, ich habe sehr gelacht. Aber es hat mir ebenso deutlich gemacht, wie unsinnig das Wort an sich ist. Gleichzeitig kam zuletzt die Stadt Hannover in die Schlagzeilen, weil sie genau diese Umweltzone abschaffte. Wie „sauber“ ist die Luft bei uns also geworden? Im Januar 2008 führte Köln die Umweltzone ein – damals sorgten erhöhte Feinstaubwerte für Handlungsbedarf. Feinstaub entsteht vor allem aus Abgasen im Straßenverkehr und der Industrie. Tatsächlich haben sich die Feinstaubwerte schon vor Jahren bundesweit deutlich verbessert; sie sind fast überall unter die gesetzlichen Grenzwerte gefallen.

Können wir also die Umweltzone abschaffen? Entscheidungen in der jüngsten Vergangenheit sprechen dagegen: so wurde die Zone 2019 erst erweitert. Es gibt nach dem Feinstaub ein anderes Problem: Stickstoffdioxid, kurz NO2. Diese Werte sind auch in Köln an manchen Messstellen noch zu hoch oder nur leicht unter dem gesetzlichen Grenzwert von 40mg je Kubikmeter Luft.  Köln hat 20 Messstellen, die im gesamten Stadtgebiet verteilt sind – darunter sind zwei kritische Hotspots: die Station ‚Clevischer Ring‘ in Mülheim und die Station ‚Turiner Straße‘ in der Nähe des Hauptbahnhofs. Hier gilt: wenig Wind, aber viele Abgase.

Eine erste Auswertung des Landesumweltamtes LANUV für das Jahr 2023 fällt aber erstaunlich positiv aus. Alle Stationen, auch die beiden Hotspots, halten im Jahresschnitt die Grenzwerte ein, wobei die Werte für Luftverschmutzung in Mülheim höher liegen als in der Innenstadt. Woran das liegt, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Zu viele Einflussfaktoren gibt, von der Windrichtung bis zur benachbarten Industrie und dem Wetter im Allgemeinen. Und: 2023 hat es viel geregnet. Die Luft wurde vermutlich überdurchschnittlich sauber gewaschen.

In der Kommunalpolitik im Raum Köln gibt es im Umgang mit der Umweltzone mittlerweile eine Tendenz: es gebe „Anfragen aus unserem Regierungsbezirk, ob nicht einzelne Maßnahmen aus den Luftreinhalteplänen ausgesetzt oder abgeschafft werden sollen“, schreibt mir die Bezirksregierung Köln. Wie sind also die Chancen? „Sie freuen sich zu früh“, höre ich bei einem Telefonat mit dem Landesumweltamt LANUV in Duisburg. Zunächst komme es aus auf den politischen Willen an, eine Umweltzone abzuschaffen. An der Tonlage meine ich zu erkennen: der politische Wille dürfte nicht stark ausgeprägt sein. Denn die Diskussionen bei der EU in Brüssel ließen eine Diskussion über eine Abschaffung der Umweltzonen gar nicht zu.

Die Grenzwerte müssen verschärft werden, meint die EU-Kommission in ihren Plänen für eine neue „EU-Luftqualitätsrichtlinie“. So kann es also sein, dass Köln die Grenzwerte derzeit einhält, aber doch bald wieder überschreitet – obwohl die Werte in der Tendenz stetig sinken. Deshalb warte man erst einmal ab, heißt es in bei der Bezirksregierung und beim LANUV, welche europaweiten Vorgaben noch kommen könnten: „Eine landeseinheitliche Vorgabe aus dem zuständigen Landes-Umweltministerium (MUNV) gibt es noch nicht.“ Und so geht es erst einmal weiter wie gehabt. 

Und dann gibt es da einen Punkt, den ich kaum glauben mag. Obwohl es die Umweltzone Köln seit mehr fast 15 Jahren gibt, fahren immer noch viele Autos ohne die entsprechende grüne Plakette in die Stadt bzw. mit einer Plakette, die das Auto gar nicht haben dürfte. So kaufte mein Nachbar im guten Glauben einen gebrauchten Sprinter mit grüner Plakette, die laut Fahrzeugschein nie hätte aufgeklebt werden dürfen. Vorsicht Falle! Aus all dieses Gründen schmettert die Bezirksregierung Köln meine hoffnungsvolle Anfrage über die Zukunft der Umweltzone ab: „Es wäre unserer Sicht nach eher ein falsches Signal, einzelne Maßnahmen aus den Plänen auszusetzen oder abzuschaffen.“ Somit bleibt es fraglich, wann und ob überhaupt der Luftkurort Bad Köln jemals Realität werden könnte.

Somit verbleibe ich mit aufatmenden Grüßen

Ihr
David Rühl

NEWSLETTER 12.04.2024

„Ihr da oben – wir da unten“ am Kölner Eigelstein – Ein Riss geht durch das Viertel

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Rührei kann man nicht mehr trennen, ein Omelett nicht in ein Ei zurückverwandeln. Die schlichte Alltagsweisheit kommt mir in den Sinn, wenn ich lese, dass die Stadt anstrebt, fünf Holzkohlegrills in der Weidengasse stillzulegen. Die Nachricht kommt für mich überraschend. Die Wirte kooperierten und bauten freiwillig Reinigungsfilter ein, zu denen ihnen von Umweltamt und Bürgerverein Eigelstein (BV) dringend geraten wurde. Insgesamt muss ein sechsstelliger Euro-Betrag investiert worden sein. Nun aber geht es um die Existenz, weil amtliche Stilllegung droht und auch der BV Klagen ankündigt. Dabei hatte er noch vor gut einem Jahr geschwärmt: „Weidengasse schreibt Geschichte“. Köln sei Vorreiter in ganz Deutschland. In der Kölnischen Rundschau meldete der Verein an, den Vorgang „eng begleiten“ zu wollen. Verflogen sind die Superlative.

Es schmerzt zu sehen, wie das Eigelstein-Viertel zerfällt und der eigentlich zu lösende Streit um Holzkohlegrills zum polarisierenden Symbolthema gerät – ob einem persönlich die Grills nun stinken oder nicht. Manchen stinkt im übertragenen Sinn auch der Bürgerverein, der eigentlich ehrenamtliche Arbeit leistet, die Respekt verdient und der doch immer wieder über das Ziel hinausschießt. Nicht nur, wenn es um Grills geht.

Im Viertel fällt mir auf, wie selbst gestandene Zeitgenossen den Unmut des Vereins nicht wecken wollen und daher nicht zitiert werden möchten. Was sind die nächsten Schritte, sollten die Restaurants schließen müssen? Das fragen viele verunsichert.  Leider gibt es für dieses angespannte Klima keine Filter oder Messgeräte. Die Nadeln würden kräftig ausschlagen. Nicht von ungefähr spricht der Kölner Jochen Ott, Chef der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, von einem „schäbigen Spiel, das auf dem Rücken hart arbeitender Menschen ausgetragen wird.“   

Die Hauptkombattanten sind symbolisch wie in einer Versuchsanordnung arrangiert. In einer Top-Etage eines mehrstöckigen Wohnhauses wohnt die Spitze des Bürgervereins. Auf der dazu gehörenden üppigen Dachterrasse werden die Facebook-Fotos mit dem Kölner Dom im Hintergrund entstanden sein. Auf ihnen macht der Verein Rauchschwaden aus. Sie werden dem Grillrestaurant zugeschrieben, dessen Rückfront am Boden der schönen Aussicht in einem Hinterhof liegt. Der Wirt rackert unermüdlich, wie ich weiß. Er soll nun Ziel einer Zivilklage sein. Der Buchtitel „Ihr da oben – wir da unten“ von Bernt Engelmann und Günter Wallraff kam mir in den Sinn, als ich mir die Lokalität anschaute.

Den Kern des Konflikts nenne ich das Eigelsteinsche Paradoxon. Der Bürgerverein sagt, die Kohlegrills würden giftige Gase verbreiten. Das Umweltamt widerspricht dem. Amtlich thematisiert wird nun Geruch, der aber nichts über Gesundheitsgefahren sagt, die es aber ohnehin offiziell nicht gibt. Wer gewinnt, wenn der Streit vor Gericht geht? Niemand, vom Umweltamt abgesehen, das das stete Klagen des Bürgervereins offenbar nervt und nun an das städtische Rechtsamt übergeben kann. Eingeschritten wird übrigens nur, wo es Beschwerden gibt, wie die Stadt einräumt. Um Gesundheit kann es also nicht gehen. 

„Die Situation in der Weidengasse hat sich komplett verhakt und kennt nur Verlierer,“ meint der CDU-Politiker Florian Weber, Vorsitzender des Ortsverbands Innenstadt-Nord. Der Eigelstein stehe für ein friedliches Miteinander. Eine Weidengasse ohne die türkischen Restaurants sei für ihn nicht vorstellbar. Nun gehe ein tiefer Riss durchs Viertel.

Mannheim sei Modellstadt für Holzkohlegrills, sagten im Januar 2020 unisono Bürgerverein, Bezirksbürgermeister Hupke (Grüne) und ein Verkäufer kommerzieller Filteranlagen, der praktischerweise gleich mit dabei war. Ein Facebook-Eintrag zeigt das. Eine kleine Gesandtschaft war eigens an Rhein und Neckar gefahren. Danach glaubte man Bescheid zu wissen.

Tatsächlich leisteten die Filter in Mannheim gute Arbeit, wie meine Freundin Lale Akgün jetzt im Gespräch mit Yilmaz Akilmak, einem Mannheimer Restaurantchef, hörte. 70 Prozent der Geruchspartikel seien herausgefiltert worden. Doch habe die Anlage keine Zulassung vom Land gehabt – die Regeln wechseln je nach Region. Daher habe sie abgeschaltet werden müssen. Eine zugelassene und empfohlene Anlage mit höherer Reinigungskraft von 95 Prozent wiederum koste € 100.000,– und weitere € 3000,– Unterhalt pro Monat. Das aber gäbe sein Betrieb nicht her, sagte der freundliche Gastronom.

Nun lebt man in Mannheim wieder filterlos, berichtete Lale Akgün weiter aus dem Gespräch. Was bedeutet das für Köln? Eine Stilllegungsverfügung sei angesichts der Existenzgefährdung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, zumal die Stadt hier lediglich mit einer Geruchsbelästigung argumentiert, sagt die Kölner Rechtsanwältin Dr. Stefanie Beyer, die zwei Wirte vertritt. So taugt Mannheim, wenn nicht als Vorbild, so doch zumindest als Mahnung. Es kann immer noch schlechter kommen.

Nun wird es heiter. Die neue Episode aus Susanne Hengesbachs Poetry-Podcast-Reihe „Da reim‘ ich mir was drauf . . .“ hat den selbsterklärenden Titel ERWISCHT! Im Gespräch mit der Freundin wird etwas aufgedeckt, was viele Frauen kennen dürften! Mehr müsse man da im Vorfeld nicht zu sagen, meint die Autorin. Es lohnt sich reinzuhören! Auf mein Bitten hat Susanne mich schließlich lauschen lassen. Unbedingt hier klicken, kann ich nur sagen.

Am Wochenende erwartet uns ein Hauch von Frühling. Genau weiß man das zwar nicht. Aber ich hoffe es.

Erwartungsvolle Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 22.03.2024

Von unzuverlässigen Freunden, deutschem Tiefschlaf und dem großen Europäer Konrad Adenauer

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es gibt großartige Begabungen, die aber eine tragische Kehrseite haben können. Die griechische Königstochter Kassandra etwa hatte die unglaubliche Fähigkeit, die Zukunft vorherzusehen. Aber ihr Pech war, dass das von ihr zurecht vorhergesagte Unheil niemand glauben mochte – bis es eintrat. Ein bisschen erinnert in diesen Tagen der frühere Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer an Kassandra, wenn er sich zu Russlands aggressivem Großmachtstreben und den Folgen für Europa äußert. Ich habe Joschka Fischer im Rahmen der lit.Cologne getroffen, wo wir gemeinsam mit dem Zeitgeschichtler Prof. Herfried Münkler eine Veranstaltung hatten.

Fischer wäre nicht Fischer, wenn ihn seine düstere Realitätsbeschreibung von einem atomar bedrohten, weitgehend wehrlosen Europa in den Fatalismus triebe. Als Reaktion fordert er die Wiedereinführung der Wehrpflicht („die Abschaffung war ein Fehler“) und die nukleare Aufrüstung der Europäer: „Wir müssen massiv aufrüsten, atomar und konventionell.“ Für die erforderlichen finanziellen Mittel dürfe es keine Schuldenbremse geben, Putin lasse sich „von robuster Verteidigungsfähigkeit abschrecken, aber nicht von einer Schuldenbremse.“ Dass Putins Russland sich mit der Ukraine oder gar nur eines Teils zufrieden geben könnte, hält er für eine naive Vorstellung. „Das ist der erste Revisionskieg, weitere werden folgen“, prophezeit Fischer. Putins Ziel sei „eine neue Ordnung in Europa“ mit einem dominanten Groß-Russland als beherrschender Macht.

Auf die Hilfe der USA und deren atomarem Schutzschirm sei kein Verlass mehr. Mit einer Wiederwahl Trumps gebe es den faktisch nicht mehr und auch auf die Demokraten Joe Bidens sei längerfristig nicht zu bauen. „Die Amerikaner hatten schon unter Obama ihr Interesse an Europa gegen eine Fokussierung auf den pazifischen Raum eingetauscht. Der allmähliche Abschied war nur freundlicher formuliert“, so Fischer. Spätestens mit der Wahl Trumps 2017 hätte Europa zügig eigenständige Verteidigungskapazitäten aufbauen müssen.

Doch statt zu handeln, statt eine nenneswerte europäische Verteidigung aufzubauen, zeige sich Europa uneinig – vor allem die Achse Paris-Berlin sei erodiert, obwohl ohne einen Schulterschluss der beiden größten EU-Staaten nichts ginge – „eine Katastrophe“.

Ein Großteil der Schuld an der Wehrlosigkeit Europas trage Deutschland. „Aus gutem Grund“ habe es nach dem Krieg eine Abneigung gegenüber allem Militärischen gegeben. Das könne sich der fragile „Zipfel an der eurasischen Landmasse“ aber nicht mehr leisten. Die Deutschen seien „sicherheitspolitisch im Tiefschlaf“ und sich der realen Gefahr überhaupt nicht bewußt. Der Ruf nach Diplomatie sei ohne „Hard Power“ sinnlos, wenn man nicht im Bereich der Hard Power auch über ein relevantes Drohpotenzial verfüge. Auch die fatale Neigung, öffentlich und aufgeregt über Sicherheit zu reden („Das gibt es nur bei uns“) sei kein Beitrag zur Transparenz, sondern „gefährliches, unverantwortliches  Geschwätz“. Damit liefere Deutschland sich und die Europäer zusätzlich aus.

Eine große Gefahr sieht Joschka Fischer in dem Versuch Wladimir Putins, Deutschland aus der Westbindung herauszulösen. Die Westbindung, die Konrad Adenauer gegen große Wiederstände erfolgreich durchgesetzt habe, sei ein historisch nicht hoch genug zu schätzendes Verdienst. Das setzten vor allem AfD, Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit einer unterwürfigen Appeasement-Politik gegenüber Russland aufs Spiel. „Das wäre das Ende von Freiheit und Demokratie, das Ende Europas“, ist er überzeugt. Wer das nicht wahrhaben wolle, so Fischers Credo, sei entweder hoffnungslos-naiver Romantiker oder Opportunist, der aus der deutschen Friedenssehnsucht wahltaktisches Kapital schlagen will.

Joschka Fischer, mit dem ich in den letzten Jahren fünf mal gesprochen habe, ist ein bemerkenswert eigenständiger Kopf, der immer schon in kein Parteikorsett passte, inzwischen aber zum Elder Statesman gereift ist. Seine unbequeme Zeitanalyse fällt düster aus, aber sie überzeugt durch Klartext. Viele solcher Stimmen hat das Land nicht. Darum sollte sie gehört und ernst genommen werden.

Und wo bleibt das Positive, hätte Erich Kästner an dieser Stelle gefragt? Na, es ist Frühling, die dunklen Winterwochen haben wir hinter uns. Für viele (mich nicht!) Zeit, ihr Wohnmobil startklar zu machen. Doch auch da trübt bei Paaren der Umstand die Vorfreude, dass man mit einem schnarchenden Partner keine Ausweich-Couch hat. Über dieses Problem hat sich meine Kollegin Susannen Hengesbach Gedanken in ihrem Podcast gemacht (https://poetry-podcast.podigee.io/). Hören Sie doch mal rein. Es lohnt sich!

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

 

NEWSLETTER 15.03.2024

Über das erfolgreichste Museum in Köln, das jetzt sogar Time-Slots für den Einlass vergeben muss   

 

 

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

kennen Sie ein Museum in Köln, bei dem die Leute Schlange stehen,  um reinzukommen? Nicht für moderne Kunst, römische Artefakte, chinesische Vasen, afrikanische Bronzen oder  einen echten Rubens. Sie stehen an für: Schokolade.

Sie haben richtig gelesen. Das Schokoladenmuseum ist das erfolgreichste seiner Art in Köln.

Es legte mit 665.000 Besuchern im vergangenen Jahr einen Rekord in seiner 30-jährigen Geschichte hin. Das sind Zahlen von denen andere nur träumen können. Mit 283.000 Kunstinteressierten war das Museum Ludwig 2023 die besucherstärkste städtische Kulturstätte. Wer Interesse an den aktuellen Besucherzahlen aller städtischen Häuser hat, findet sie am Ende dieses Newsletters. Das kann man doch nicht vergleichen, denken Sie vielleicht? Darüber und warum das Museum so erfolgreich ist, habe ich mit der Geschäftsführerin Annette Imhoff gesprochen.

„Manchmal werden wir belächelt, weil ein Schokoladenmuseum doch kein richtiges Museum sei, aber da kann ich nur energisch widersprechen.“, sagt mir Annette Imhoff. Die 54-jährige leitet mit ihrem Mann Christian Unterberg-Imhoff das Museum, ihre Schwester Susanne die im Haus ansässige Imhoff-Stiftung. „Wir haben die größte öffentlich zugängliche Mittelamerika-Sammlung zur Geschichte des Kakaos in Deutschland, zeigen darüber hinaus viele tausend Exponate in unserer Sammlung zu ganz unterschiedlichen Themenbereichen. Außerdem sind wir  ein zertifizierter  außerschulischer Lernort für nachhaltige Entwicklung.“, zählt Imhoff auf.

Kein Museum im klassischen Sinne, aber ein Erlebnismuseum und die Besucherzahlen sprechen für sich: In der Spitze kommen mehr als  7.000 Gäste am Wochenende, Warteschlangen gehen bis zur Drehbrücke. Angesichts des Andrangs werden ab dem 18. März dauerhaft Zeitfenster-Tickets eingeführt. Wir sind das einzige Museum in Köln, das mit Time-Slots arbeitet.“ Im Abstand von 15 Minuten können dann bis zu 120 Gäste ins Gebäude. Das gab es außer in Coronazeiten mit den Kontaktbeschränkungen noch nie für ein Kölner Haus. Woher kommt der Erfolg des inhabergeführten Museums?

„Kakao und Schokolade und seine 5000 jährige Kulturgeschichte faszinieren die Menschen, die zentrale Lage direkt am Rhein funktioniert und die goldene Regel meines Vaters, die da lautet: Immer groß Denken.“, begründet Annette Imhoff. Im bekannten Kölner Klein-Klein hat sich die Kölner Unternehmerfamilie also nicht verrannt. Dabei steht bei den Imhoffs nichts still. Seit der Coronazeit wird das Haus Schritt für Schritt erneuert. Nacheinander wurden die gläserne Schokoladenfabrik, das Restaurant, das Foyer und die Dauerausstellung Weltreise des Kakaos neu eröffnet. Bis Ostern 2025 soll auch noch die kulturgeschichtliche Ausstellung des Schokoladenmuseums vollständig überarbeitet werden, kündigt die Museumsmacherin an und macht auch vor kritischen Themen nicht halt. Denn die lange Geschichte der süßen Schokolade hat auch einen bitteren Beigeschmack. Immer noch steht der Sarrotti-Mohr in der Ausstellung. Annette Imhoff kann die Kritik an der Figur nachvollziehen und will dies in der neuen Ausstellung noch deutlicher  als bisher  aufarbeiten: „Solche menschenwürdeverletzende Darstellungen müssen wir in den Kontext setzen und genau erläutern, aber wir werden sie nicht canceln.“ Das Schokoladenmuseum beschäftigt sich auch intensiv mit weiteren kritischen Aspekten rund um den Kakao: Themen wie Kinderarbeit, Umweltzerstörung, prekäre Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung in den Anbauländern werden nicht ausgespart.

Investitionen in Höhe von rund 10 Mio. Euro sind bisher erfolgt, verrät die Unternehmerin. Das selbsterwirtschaftete Geld wird ins Museum gesteckt. Ein Haus,  in dem nichts mehr ist, wie es einmal war und das seit 2019 – laut eigenen Angaben – klimaneutral ist. „Dafür ernten wir zwar viel Respekt und Bewunderung, aber es fragt keiner, wie habt ihr das hinbekommen.“, stellt Annette Imhoff fest. Dass die städtische Museumslandschaft zurzeit mit anderen Problemen zu kämpfen hat, ist ihr bewusst. Ihrer Meinung nach macht es aber einen Riesenunterschied, ob man in den städtischen Strukturen arbeitet oder ob man unternehmerische Freiheit hat. „Die Ausgangsvoraussetzungen für Erfolg sind viel einfacher, wenn man nicht mit knappen Budgets, komplizierten Beantragungswegen oder politischen Profilierungen zu kämpfen hat.“

Die Stadt schmückt sich bei Köln Tourismus auf der Internetseite sehr prominent mit dem Schokoladenmuseum. Neben dem Museum Ludwig, dem Museum für Angewandte Kunst und Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, zählt es zu den Top 4. „Die Stadt Köln kann gerne mit uns werben, die Besucher interessiert es nicht, ob wir städtisch sind oder nicht.“, findet Annette Imhoff. Und dann sagt sie einen interessanten Satz: „Wir können aber nur so gut sein, wie Köln auch attraktiv ist für die Besucher, denn das Schokoladenmuseum ist ein Teil der Stadt.“ Auch wenn es jetzt der ein oder andere kaum glauben mag – offenbar ist Köln attraktiver als angenommen. Das belegen die steigendenden Tourismuszahlen. Die Menschen von außerhalb kommen gern, und wenn sie schon mal in der Stadt sind, dann gehen sie auch ins Schokoladenmuseum. „Wir sind ein Museum für Jedermann“, fasst Annette Imhoff ihr Konzept zusammen.

Auch städtische Museen wollen für alle Menschen da sein. Ein befreundeter Kulturkritiker erzählte mir aber kürzlich, in der breiten Bevölkerung bestehe immer noch eine große Hemmschwelle gegenüber den „klassischen“ Museen. Sie gelten als elitäre Tempel, die man nur mit Abitur und Studium betreten kann. Hinzukommt, dass  die Besucherzahlen von einigen Kulturstätten noch nicht das Niveau von vor Corona erreicht haben. Der Ansporn der städtischen Institutionen muss es also sein, mit neuen Konzepten möglichst viele Menschen zu erreichen. Vielleicht wäre für die Verantwortlichen ein Besuch im Schokoladenmuseum mal ein Anfang. Da war nämlich bislang kaum einer.

 

Zum Vergleich mit dem Schokoladenmuseum und seinen 665.000 Besuchern finden Sie hier die aktuellen Zahlen der Kölner Museen aus 2023.

Quelle: Stadt Köln

 

  2023 Besucher
1. Museum Ludwig 282.350
2. Wallraf-Richartz-Museum 121.475
3. NS-DOK    76.563
4. Museum für Angewandte Kunst Köln    67.462
5. Rautenstrauch-Joest-Museum    63.921
6. Römisch-Germanisches Museum    49.227
7. Museum Schnütgen    40.248
8. Museum für Ostasiatische Kunst    22.978
9. Kölnisches Stadtmuseum    12.671
  Gesamt  736.895

 

 

Einen ernsten Blick in die Zukunft wagt Susanne Hengesbach. Viele sehen in einem Wahlsieg der AfD, einer weiteren Präsidentschaft Donald Trumps oder einem Abstieg des FC Köln die größte zu erwartende Katastrophe. Der Biologe Mark Benecke sieht indessen etwas viel Schlimmeres auf uns zukommen: Eine Sommerhitze mit kaum zu ertragenden Temperaturen. In ihrem neuesten Poetry-Podcast spricht Susanne Hengesbach über „Die noch größere Bedrohung“. Hier geht’s zum Anhören

 

 

Ich wünsche Ihnen trotz allem erst einmal

ein erholsames Wochenende

Es grüßt Sie Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 8.3.2024

Wie sich durch ARD-Arithmetik ein Millionenbetrag auf ein Fünftel reduziert und der WDR in Sachen Filmhaus am liebsten recht hat

 

 Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs, 

im Sommer 2025 könnte der WDR in Köln – endlich – sein saniertes „Filmhaus“ in Betrieb nehmen. 13 Jahre, nachdem die Betriebserlaubnis aus Brandschutzgründen befristet wurde. In der Chefetage müsste Erleichterung herrschen, wenn die avisierten und rasant gestiegenen Kosten von €240 Mio. reichen. Intendant Tom Buhrow wird dann nicht mehr an der Spitze stehen, da er Ende 2024 vorzeitig aus dem Amt scheiden will. Wer weiß, wer dann rote Bänder zur Eröffnung durchschneidet und was er oder sie zu sagen hat. 

Bereits jetzt muss man feststellen, dass diese Sanierung WDR und öffentlich-rechtlichen Rundfunk Ansehen gekostet hat. Früh sprach die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (sie verteilt die Rundfunkbeiträge an ARD und ZDF), von „erheblichen Transparenzdefiziten“, warf dem Sender vor, das Projekt „regelwidrig“ zu betreiben und bezweifelte dessen Wirtschaftlichkeit. Jüngst merkte zusätzlich der NRW-Rechnungshof „gravierende Versäumnisse“ an. Aus der vorläufigen Sperrung von €69,1 Mio. der Sanierungskosten machte die KEF wegen ihrer Bedenken nun eine dauerhafte. Sie zieht die Gelder zurück.  

„Diese erhöhen entsprechend die anrechenbaren Eigenmittel der ARD“, heißt es in der KEF-Fachsprache. Negativ formuliert: Der ARD fehlen nun diese €69,1 Millionen zur Finanzierung all ihrer neun Rundfunkanstalten. Da auf den WDR rund ein Fünftel des ARD-Gesamtetats entfällt, belasten ihn auch die gesperrten Millionen nur anteilig. Mit rund €14 Millionen schlägt der KEF-Schritt in Köln zu Buche. Der Rest verteilt sich auf die anderen Sender. Wie bei einem Abendessen zu neunt, nach dem die Rechnung geteilt wird. Die Austern und den Champagner, die einer unbedingt haben musste, zahlen am Ende alle. Es kann aber auch anders gehen. Als der WDR einmal kräftig und überplanmäßig sparte, wurden der ARD Mittel gestrichen und alle Sender bekamen weniger. Sparen kann nach dieser Binnenlogik bedeuten, dass man wohl zu viel Geld bekommen hat.  

Und die €69,1 Millionen, die dem Sender nun fehlen? Muss er sie selbst bezahlen, wie manche mutmaßen? Das hat der WDR offenbar nicht vor. Laut aktuellem Bericht beantragte er bei der KEF, in 2025 einen Kredit über €69,9 Millionen aufzunehmen (dazu ist er verpflichtet). „Selber zahlen“ passte am ehesten, würde er sich im laufenden Betrieb einschränken, wie das ein Großteil der Gesellschaft in ähnlicher Situation tun müsste. Doch verbietet sich der Terminus nach meiner Einschätzung ohnehin, denn für alle Versäumnisse steht die Vielzahl derer gerade, die den Rundfunkbeitrag zu zahlen haben. Vielleicht verwehrt die KEF den Kredit? Dann müsste der WDR ans Eingemachte.

Als besonders kritikwürdig hält die KEF fest, dass der WDR €24,2 Mio. der gesperrten Mittel dennoch ausgegeben hat. Das wird auch von Insidern gerügt. Aber mit seinem Namen dafür stehen möchte niemand. Der Sender ist so groß, dass man es sich mit ihm nicht verderben will.

 

Und dann gibt es die „Wir“-Tendenz. Sie beschreibt ein mauscheliges Miteinander von Aufsichtführenden und Akteuren des öffentlich-rechtlichen Systems. Viele glauben, die Sender schützen zu müssen und übersehen, dass sie sie erst recht angreifbar machen, wenn sie Fehler unter den Teppich kehren. Sie können den aktuellen KEF-Bericht übrigens hier selber nachlesen. Oben rechts auf dem PC ist eine Suchmaske, die sehr nützlich ist.

Seit fast fünf Jahren beschäftige ich mich mit dem Filmhaus und eines zieht sich durch die Jahre: Die Unbeweglichkeit dieses großen Rundfunksenders, dessen Programme ich als Kind und Heranwachsender gebannt verfolgt habe, der nach wie vor zu meinem Tag gehört und den ich als seriöse Nachrichtenquelle schätze. Mitunter grenzt sie an Rechthaberei Einrichtungen gegenüber, die zum gleichen System gehören wie er selbst. „Nicht nachvollziehbar“, nennt der Sender deren Kritik. Ausführlich kommt er zu Wort, wenn Sie hier klicken. Auch große Institutionen könnten mitunter zu kleinen Gesten fähig sein – Verständnis äußern, zumindest etwas einräumen oder gar ein Versäumnis zugestehen. 

Vielleicht deshalb hat man sich bei der KEF entschlossen, Bauvorhaben der öffentlich-rechtlichen Sender in einer Tabelle vergleichbar zu machen. Der Quadratmeter Nutzungsfläche kostet demnach im WDR-Filmhaus €16.283 (Sanierung) gegenüber €6.349 (Neubau), die der Bayrische Rundfunk für ein Haus mit ähnlichen Anforderungen ausgibt. Übrigens übertrifft ein Projekt in den Quadratmeterkosten Nutzung das Filmhaus: Es ist das Kölner Haus des Deutschlandfunks mit €16.799. Hier steht eine Sanierung unter Bedingungen des Denkmalschutzes an. Zurzeit wird sie mit €290 Mio. Kosten kalkuliert.

Eine Menge Geld? Ja. Und doch werden für WDR-Filmhaus und Deutschlandfunk in Köln in etwa nur halb so viel aufgewendet, wie insgesamt für die Sanierung von Oper und Schauspiel. Ein Milliardenspiel in Köln, das einen schwindlig machen kann.  

Sie werden gern „die oft verkannte Wirtschaftsmacht“ genannt und sind ein Lieblingsmotiv der Apotheken-Umschau: Unsere sogenannten Silver Ager – aktiv, fit, unternehmungslustig und zahlungskräftig. Frauen wie Rita Zimmermann, die nach vierzig Jahren Vollzeitarbeit von nicht mal €1000 leben, bildet hingegen kaum jemand ab. Altersarmut ist in unserer Gesellschaft ein Tabu-Thema, über das ungern gesprochen wird. Susanne Hengesbach hingegen tut dies in ihrem neuen Poetry-Podcast besonders eindringlich und berührend. Bitte hören Sie hier ihren Beitrag zum Weltfrauentag mit dem Titel: Altersarmut.

Nachdenkliche Grüße sendet
Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 01.03.2024

Das Fahrrad hat im Straßenverkehr in den vergangenen Jahren mehr Platz bekommen. Köln ist damit aber noch lange nicht fertig. Ein Zwischenstand.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

„Nein zur Stadtautobahn!“ Dieses Banner hing noch vor wenigen Jahren an den Fassaden der Richard-Wagner-Straße in der Innenstadt. Die Kölner Verwaltung hatte die Anwohner  kurz zuvor mit Plänen aufgebracht, wonach dort der Autoverkehr künftig auf vier statt zwei Spuren vor ihren Haustüren rollen sollte – im Gegenzug war angedacht, auf der parallel verlaufenden Aachener Straße gar kein Auto mehr fahren zu lassen. Dort befürchteten die Anwohner wiederum eine neue Partymeile.

Heute haben sich beide Straßen deutlich beruhigt. Autos fahren immer noch, aber je Fahrtrichtung gibt es nun noch eine Autospur und dafür einen breiten Radstreifen. Köln hat 2019 umgedacht und baut das Radwegenetz seitdem konsequent aus. Erstaunlich ist, dass trotz weitgehender einspuriger Verkehrsführung das große Stauchaos seitdem ausgeblieben ist. Teilweise wurde das Tempo zusätzlich auf 30 abgesenkt – und trotzdem kommt es nicht zum dauerhaften Exodus.

Die Kombination aus Auto- und Fahrradstreifen sowie einem separaten Fußweg soll in der Innenstadt ein Standard werden. Besonders auf den Ringen ist dies durchgehend geplant. In den Bezirken sind zusätzliche Radwege geplant, praktisch als Zubringer für das ausgebaute Innenstadtnetz.

Ist Köln damit nun besonders gut oder hat sich die Stadt nur anderen angepasst? Ungefragt haben mich im vergangenen Sommer mehrere Freunde angesprochen, die nicht in Köln leben, aber erstmals mit dem Rad in der Stadt unterwegs waren. Sie waren begeistert und ziemlich überrascht, wie viele Kilometer sie praktisch ungestört in der Stadt fahren konnten. Nur große Verkehrsknoten wie den Barbarossaplatz empfanden sie als unübersichtlich und unangenehm.

Die Radwege haben für mich als passionierten Fußgänger vor allem den Vorteil, mehr Platz zu haben. Die Radfahrer sind vom engen Gehweg verschwunden, das Unfallrisiko ist deutlich gesunken. Gerade an Kreuzungen und an KVB-Stationen hatte ich immer wieder Situationen, bei dem es fast zum Zusammenstoß gekommen ist. Das Problem hat sich gelöst. Auch für ältere Radfahrer sehe ich eine Verbesserung, weil auf den breiten Radwegen deutlich mehr Sicherheitsabstand zu Fußgängern und Autos gewährleistet ist.

Da nunmal aber nicht alle Einwohner Kölns in der Innenstadt leben, soll auch soetwas wie ein Rad-Highway durch das westliche Köln gebaut werden: der Radschnellweg Nr. 6. Er führt von Frechen direkt in die Innenstadt. Auf acht Kilometern soll es möglich sein, direkt, schnell und ohne große Stopps zu radeln. Diese Idee hatte allerdings nicht Köln sondern die NRW-Landesregierung auf den Weg gebracht, damals noch mit einem Verkehrsminister, der heute Ministerpräsident ist.

Die Umsetzung dieser Radschnellwege funktioniert im gesamten Bundesland bislang eher schlecht als recht. Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass es von Frechen nach Köln anders verlaufen sollte. Groß wurde der Radschnellweg 1 angepriesen, der durch das Ruhrgebiet geplant ist – vor allem von Duisburg bis Dortmund. Nach wenigen Jahren sollte er schon durchgehend befahrbar sein. Die Realität heute: ein Flickenteppich ist fertig. 500 Meter hier, 800 Meter da. Dazwischen Baustellen oder ungeklärte Grundstücksfragen; teilweise stellen sich die Kommunen quer und wollen an bestimmten Stellen gar keinen RS1 haben.

Der Vorteil in Köln, im Gegensatz zum Ruhrgebiet: die Stadt muss sich nur mit Frechen abstimmen. In andere Nachbarstädte ist bislang aber kein Radschnellweg geplant. Dabei böten Brühl, Erftstadt, Hürth und Pulheim eigentlich auch gute Möglichkeiten. Vielleicht kommen diese Ideen auf, wenn es in NRW erst einmal ein Radschnellweg zur Vollendung geschafft hat.

Loriot sagte schon, dass Männer und Frauen einfach nicht zusammen passen. was auch für andere Paarungen gilt: Hundehalter beschweren sich über Radfahrer, Radfahrer mokieren sich über trödelnde Spaziergänger, und das Ordnungsamt macht Jagd auf Hundehalter mit nicht angeleinten Hunden. Vor allem um Letztere geht es im neusten Poetry-Podcast von Susanne Hengesbach mit dem Titel: „Die machen doch auch nur ihren Job….“ Gute Unterhaltung!

Somit verbleibe ich mit rasanten Grüßen

Ihr
David Rühl

NEWSLETTER 23.2.2024

Über flauschige Versprechen,
ein aufklärendes Gespräch und
eine Frau, die sich nicht entmutigen lässt

 

 Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

eines der bekanntesten Politikerzitate stammt von Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Auf diese – zugegeben etwas sehr kantige – Art reagierte der Ex-Kanzler, wenn er aufgefordert wurde, seine Politik in eine Utopie einzubetten. Ihm, dem nüchternen Pragmatiker, waren wolkig-wohlige Zukunftsversprechen zutiefst suspekt. Nicht zuletzt deswegen hatte er eine unüberwindliche Skepsis gegenüber den Grünen, die aus der Anti-Atomkraftbewegung entstanden sind und für die entsprechend die Energiepolitik der Kern ihres Poltikansatzes ist. Für den 1918 geborenen Schmidt, den die Weimarer Republik, die Nazi-Zeit und der Wiederaufbau geprägt hatten, waren die Grünen ein Wohlstandsphänomen, eine Partei, deren Antrieb vielleicht eine sympathische, ihm aber illusionär erscheinende Weltsicht war.

Der knurrige Alt-Kanzler ist mittlerweile Geschichte und der Zeitgeist hat der grünen Partei die Chance eingeräumt, ihre Energiepolitik einem Realitätscheck zu unterziehen. Da fällt, Stand heute, die Bilanz eher gemischt aus. Niemand mit Verstand bezweifelt zwar, dass es perspektivisch eine Abkehr von fossilen Energien geben muss, schon weil diese Ressourcen endlich sind und der Klimawandel nicht mehr bestritten werden kann. Doch Politik ist nicht zuletzt Handwerk und das will beherrscht werden. Auch die Idee, der Umbau einer hoch entwickelten, energieintensiven Industriegesellschaft zu einem prosperierenden und ökologischen Musterland sei schmerzfrei möglich, erweist sich als unhaltbar. Das Leben hält sich bedauerlicherweise nicht, so lernen wir, an flauschige Wahlversprechen.

Zeit also, einmal genauer hinzuschauen, wo wir derzeit stehen auf dem angestrebten Weg zur Klimaneutralität. Haben wir – nicht irgendwann, sondern in naher Zukunft – sichere und bezahlbare Energie? Wie lässt sich der steigende Bedarf, der durch die Elektrifizierung des Verkehrs und durch die anschwellenden Datenströme entsteht, auch demnächst noch decken? Was ist mit dem Ausbau von Windkraft und Solarstrom, wie wird die notwendige Grundlast gesichert? Können wir nach dem Abschied vom Atomstrom schon 2030 raus aus der Kohle? All das sind Fragen, die ich im Gespräch mit dem Chef der RheinEnergie, mit Andreas Feicht, im Kölner Presseclub besprechen will. Sie sind herzlich eingeladen, am 27. Februar ab 19.30 Uhr live im Excelsior Hotel Ernst dabei zu sein (Anmeldung: info@koelner-presseclub.de).

Sorgen und Nöte ganz anderer Art haben derzeit die Menschen in einem europäischen Nachbarland, die Menschen in der von Russland überfallenen Ukraine. Seit auf den Tag genau zwei Jahren trotzen sie unter fürchterlichen Umständen barbarisch agierenden Invasoren, zeigen eine Kraft und einen Freiheitswillen, der uns Mitteleuropäer nur beschämen kann. Durchhalten lässt sie auch die Unterstützung des Westens, die Hilfsbereitschaft zahlloser Menschen, die nicht ungerührt auf die humanitäre Katastrophe reagieren. Organisationen wie das Blau-Gelbe-Kreuz Deutsch-Ukrainischer Verein e.V (BGK) stärken mit ihren Aktivitäten das Rückgrat der ukrainischen Zivilbevölkerung. Der Verein, dessen Schirmherr NRW-Minister Nathanael Liminski ist und der nach der russischen Eroberung der Krim 2014 gegründet wurde, hilft Verletzten vor Ort, hat bislang über 2.000 Tonnen Hilfsmittel mit mehr als 1.150 Transporten in die Ukraine geschafft, betreut allein in Köln mehr als 3.500 Verletzte und unterstützt Krankenhäuser in der Ukraine mit Medikamenten.

Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins Linda Mai ist immer wieder vor Ort. Gerade zurück aus der Ukraine, schildert sie die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung: „Da verändert sich was.“ Täglich gebe es geschätzt 1.000 teils schwer Verletzte, es fehle an Munition und kraftvollerer Unterstützung – nicht aber am Verteidigungswillen. Sehr genau werde registriert, dass das Interesse des Westens am Schicksal des Landes nachlasse. Dennoch, nach wie vor gebe es viele Geld- und Sachspenden, wofür sie „unendlich dankbar“ sei. Gerade die Kölner Bürgerschaft zeige Herz und tätiges Mitgefühl. Für den 24. Februar ruft ihr Verein um 13.30 Uhr auf dem Kölner Roncalliplatz zu einer Demonstration unter dem Motto „2014 – 2024 – Russischer Krieg gegen Europa“ auf. Wer mehr über die Aktivitäten des Vereins oder Spendenmöglichkeiten wissen will, findet Informationen unter www.bgk-verein.de. Nicht nur Linda Mai, die für ihr beispielloses Engagement von Ministerpräsident Wüst mit dem Verdienstorden geehrt wurde, wird sich über jede Form der Hilfe freuen.

Und zum Schluss, wie immer an dieser Stelle, der Hinweis auf die neuste Folge des Podcasts meiner Kollegin Susanne Hengesbach. Falls Sie kein Freund des ungefragten Duzens sind, das sich offensichtlich pandemisch ausbreitet, sollten Sie unbedingt mal reinhören.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

 

NEWSLETTER 16.2.2024

Frau an Bord! Wie die neue KD-Chefin Dampf macht und warum die MS RheinEnergie bald Geschichte ist.

 

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Schifffahrten über den Rhein zählen zu den Höhepunkten meiner Kindheitserinnerungen. Sonntags am KD-Anleger in der Altstadt oder damals noch in Porz Fahrscheine gekauft und dann ging es auf große Tour zum legendären Drachenfels nach Königswinter. An Bord gab es Kaffee und Kuchen, manchmal auch Musik vom Alleinunterhalter. Doch das Freizeitprogramm der 70er und 80er Jahre ist schon lange out, Fahrscheine heißen Online-Tickets und auch sonst ändert sich viel beim Traditionsunternehmen, der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt – kurz KD.  Zweieinhalb Jahre vor dem 200. Geburtstag hat die erste Frau das Kommando an Bord. 

Die Kölnerin Nina Luig ist seit dem 1. Juni 2023 neue Mitgeschäftsführerin der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt. Die 41-Jährige begann 2006 ihre Karriere im Hyatt Regency in Köln und war zuletzt stellvertretende Hoteldirektorin im Hyatt Regency in Düsseldorf. Sie ist die Nachfolgerin von Achim Schloemer, der Anfang 2023 überraschend zu neuen Ufern aufbrach. Nina Luig ist nun die Chefin von 14 Rhein-Schiffen und mehr als 300 Mitarbeitern. Ihren jährlichen Umsatz gibt die KD mit 37 Millionen Euro an. Tendenz steigend – laut eigenen Angaben.

Bevor Ostern die Hauptsaison mit mehr als 400 Schiffstouren wieder losgeht, habe ich mit ihr gesprochen. Der Umstieg vom Hotel auf ein Schiff ist ihr nicht schwergefallen: „Ich bin von Herzen gerne Gastgeberin und liebe es, mit Menschen zu arbeiten.“ Die Kölnerin will der KD ein modernes Image verpassen, ohne das traditionelle Publikum zu verschrecken. Es wird also weiter Panoramafahren den Rhein rauf und runter geben, sagt sie. Für die jüngere Zielgruppe geht es Richtung Event. „Die Jugend möchte einfach eine gute Zeit verbringen, und das Bedürfnis bedienen wir.“ Der Bedarf scheint auch nach Karneval groß. Die Partyschiffe der KD laufen gut. Sehr zum Ärger der Altstadtanwohner, die eine Ballermannisierung fürchten. „Ich kann gut nachvollziehen, dass die Partystimmung für Anwohner anstrengend ist, aber unsere Party-Schiffe gehen Punkt 22 Uhr in den Ruhemodus. Was danach in der Altstadt los ist, sind in der Regel nicht unsere Gäste und liegt nicht mehr in unserer Hand.“ Luig steht mit der Interessengemeinschaft Altstadt und den Anwohnern im Austausch und möchte eine „gute Mitte für alle Beteiligten finden.“ Wer die IG Altstadt und ihren umtriebigen Vorsitzenden kennt, weiß, dass man für eine einvernehmliche Lösung viel Überzeugungskraft braucht.

Eine große Portion Verhandlungsgeschick braucht die neue Chefin auch, wenn es um das traditionelle Ticketbüdchen in der Altstadt geht. Die Stadt Köln ist dagegen. Sie möchte es nach den Umbauarbeiten an der Kragplatte nicht wieder aufstellen. Zu unattraktiv – heißt es. Eine Kritik, der auch Nina Luig zustimmt. Aber sie will eine neue Ticketverkaufsstelle  im modernen Look, die den KD-Gästen und Touristen als Anlaufstelle dient. „Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, die Altstadt wieder zu einem Aushängeschild von Köln zu machenDas ist unser Hauptpanorama, die schönste Meile Kölns, da muss auf jeden Fall etwas positives passieren.“

Viel passieren wird auch bei der KD selbst: Ab April will die gelernte Hotelfachfrau ihr erstes eigenes Hotelschiff aufs Wasser bringen – mit Minikreuzfahrten nach Rotterdam, Loreley, Bingen oder ins schicke Düsseldorf! Die Kölnerin packt da ein traditionell heißes Eisen an und versucht die Städte Köln und Düsseldorf zu verbinden. So nimmt der Plan für eine KD-Landungsbrücke im Medienhafen mit ihr wieder an Fahrt auf. „Der Medienhafen in Düsseldorf ist eine tolle Adresse“, sagt sie, „schade, ich hätte mir gewünscht, dass sich unser Kölner Rheinauhafen auch mal so entwickelt wie der Medienhafen.“

Neue Besen kehren gut, und so unterzieht die Kölnerin einiges an Bord einer Modernisierungskur. Dabei legt sie großen Wert auf eine positive Ökobilanz. Schon jetzt arbeitet sie mit ihrem Team auf das ESG-Reporting (Environmental-Social-Governance) hin, heißt: Die Berichterstattung  zum Nachhaltigkeitsmanagement wird ab 2025 für viele mittelständische Unternehmen in ganz Deutschland zur Pflicht. Wie steht es also um die Hybridisierung der KD-Dieselschiffe? „Generell müssen auch unsere Schiffe nachhaltiger betrieben werden, bis 2030 wollen wir vier Schiffe auf Hybridantrieb umstellen.“ Trotz aller Dynamik ist auch hier das Gleichnis eines Tankers, der eine neue Richtung einschlägt, passend: Kursänderungen dauern lange, eine Wende braucht einen riesigen Radius.  Es ist am Ende offenbar nicht nur eine Kostenfrage für das Unternehmen, sondern auch die Verfügbarkeit von E-Tankstellen spielt eine wesentliche Rolle. Hier hat die Wasserstraße offenbar dieselben Herausforderungen wie der Straßenverkehr: Hybrid oder E-Fahrzeuge sind teuer und der Ausbau der Infrastruktur kommt nur schleppend voran. Das Sprichwort „Da fließt noch viel Wasser den Rhein runter“, liegt da nahe.

Aber große Ziele erreicht man, in dem man kleine Schritte geht. Schon jetzt nutzen alle liegenden KD-Schiffe Landstrom von der Rhein-Energie. Die Schiffe der Mitbewerber müssen allerdings auch bald folgen, klagen Anwohner und Umweltschützer.  Aktuelles Beispiel ist der Mülheimer Hafen. Dort laufen die Dieselmotoren der anlegenden Schiffe tagelang. Die Stadt Köln hat bislang noch nicht feststellen können – oder wollen –  ob die Installation von Landstromanlagen an dieser Seite des Rheins wirtschaftlich sinnvoll sei.

Zurück in die Altstadt, da heißt es bald Abschied nehmen von altbekannten Namen: So ist MS RheinEnergie ab April Geschichte. Laut Angaben des Energieversorgers passt ein Dieselschiff nicht mehr in das neue ökologische Konzept und tritt als Sponsor zurück. Aus „Energie“ wird jetzt „Magie“. Luig und ihr Team zaubern gleich noch weitere neue Namen aus dem Hut: Die Loreley heißt demnächst RheinVision, die Jan von Werth wird zur RheinHarmonie und die RheinEnergie eben zur RheinMagie.

Vision, Harmonie und Magie ein neuer Dreiklang für Köln? Gebrauchen kann unsere Stadt von allem was. Und wer weiß, vielleicht geschieht ja doch ein Wunder, wenn in Köln nichts mehr geht. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Der neuen Frau an Bord der KD wünschen wir jedenfalls allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.

Auf den Straßen der Stadt war Susanne Hengesbach wieder unterwegs. In ihrem neuen Poetry-Podcast widmet sie sich den Hinterlassenschaften von leergestehenden Läden und Lokalen – wie immer gut gereimt und auf den Punkt. Hier geht’s zum Anhören

 

Viel Spaß wünscht Ihnen

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 9.2.2024

Was funktioniert an der Innenstadt nicht? Warum die Kölner City für alle da ist und es kein Zurück ins Früher gibt, das es sowieso nie gab?

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

der Brontosaurus, ein Pflanzenfresser, war der Gemütliche unter den Dinosauriern, die uns in Hollywood-Produktionen wie „Jurassic Park“ begegnen. Am Ende – das war ein schleichender Prozess – fand das riesige Tier nicht mehr genügend Grünfutter, sagt eine der Theorien über sein Verschwinden. Die Kaufhäuser in den deutschen Innenstädten erinnern mich an diese mächtigen und harmlosen Saurier. Die alte Stärke ist dahin. Die Kunden werden weniger, das Management wechselt, Berater kommen und gehen, unter dem Personal entsteht Unruhe und wieder bleiben mehr Kunden weg.

Früher war das Kaufhaus allein einen Ausflug wert. Eintreten und staunen. Wuselig, aber nicht unübersichtlich. Üppig dekorierte Schaufenster, zur Weihnachtszeit ein Kosmos von Steiff-Tieren, knallig bunte, scheinbar unendliche Spielzeugwelten, erlesene Delikatessen in der Lebensmittelabteilung und ein ruhiges Café mit zivilen Preisen im obersten Stock. Alles hatte seinen angestammten Platz. Die Zeit läuft gegen diese großen Häuser.

Gibt es eine Krise der Innenstädte? In Köln ist es gefühlt immer voll. Fritten-, Würstchen- und Waffelbuden sowie Candy-Shops sind dicht umlagert. Aber woher kommen die Besucher? Mit Hohestraße (15,794 Mio. Passanten i. J.) und Schildergasse (21,739 Mio. Besucher i. J.) liegt Köln auf Platz fünf und acht der meistbesuchten Einkaufsstraßen in Deutschland. Aber Handel und Kaufhäuser profitieren nicht davon? Was muss sich ändern?

„Kann die City wieder einladend werden?“ – darüber wollen wir am Mittwoch, 6. März, 19.30 Uhr, im Excelsior Hotel Ernst (Trankgasse 1-5, 50667 Köln) sprechen. Unsere Gäste:

  • Isabel Apiarus-Hanstein leitet das Kunsthaus Lempertz mit ihrem Vater Henrik Hanstein.
  • Markus Greitemann ist Kölner Baudezernent.
  • Andreas Grosz (KAP Forum) hat bundesweit einen Namen als Architektur-Experte.
  • Kevin Meyer ist Geschäftsführer von James Cloppenburg Immobilien.

In beiden klassischen Kölner Einkaufsstraßen gilt die Formel nicht mehr, dass mehr Besucher für mehr Umsatz stehen. Institute haben das herausgefunden, indem sie Handydaten ausgewertet und nicht allein Passanten gezählt haben. Besucher kommen heute von weiter her als vor Corona, haben keine Bindung an die Stadt und bummeln eher.

Eigentlich müssen wir uns nicht wundern, dass die Gesellschaft sich radikal verändert, sagt Andreas Grosz. Schließlich stehe die Pandemie mit all ihren gesellschaftlichen Folgen, den Lockdowns, dem Homeoffice, dem Trend, zu Hause zu bleiben und Menschen zu meiden, für tiefe gesellschaftliche Brüche und Sprünge. Aber wir haben gelebt, als ging es immer so weiter. Als könne man nach Corona einfach weitermachen, wo man aufhörte.

Wie haben die Menschen sich verändert? Wer meidet die Stadt, was sucht er stattdessen? Marktforscher haben den Typus des „sophisticated Single“ entdeckt, der viele Eigenschaften in sich vereint, die heute von Bedeutung sind. Keine Sorge übrigens. Auch wenn Sie nicht Single sind oder sich in einer der zahlreichen Übersetzungen von „sophisticated“ finden – die KI bietet unter anderem an: anspruchsvoll, hochentwickelt, raffiniert, klug, durchdacht, weltgewandt, filigran, differenziert. Solche Beschreibungen sind Annäherungen oder Hilfsmittel, um eine gesellschaftliche Entwicklung zu umschreiben. Diesen Menschen trauen die Gesellschaftsforscher zu, Brücken zu anderen Gruppen zu schlagen, Vorbild zu sein und Impulse in alle Milieus zu senden, den Ton anzugeben. Wo sie hingehen, wollen auch die anderen hin. Zurzeit seien das jedoch nicht die Innenstädte, sagt eine Untersuchung von James Cloppenburg Real Estate aus, deren Geschäftsführer Dr. Kevin Meyer ist und die zu den Mitinitiatoren der Untersuchung gehören.

Isabel Apiarus-Hanstein hat eine klare Einschätzung der Kölner Innenstadt. „Meine Freundinnen und Freunde mögen mich hier nicht mehr besuchen“, sagt die 35 Jahre alte Mutter von drei Kindern. Zu unsicher sei es ihnen, zu schmutzig, zu chaotisch. Seit mehr als 100 Jahren liegt das Kunsthaus Lempertz, dessen Geschichte bis 1798 zurückreicht, an Neumarkt und Schildergasse. Die Rauschgiftszene macht Lempertz zu schaffen, wie den Nachbargeschäften auch. „Wenn jemand in unserem Eingang sitzt und sich Drogen spritzt, kann ich nicht erwarten, dass unsere Kunden daran vorbeigehen, als sei es Alltag für sie.“ Stadt und Polizei haben die Situation nicht unter Kontrolle, sagt Apiarus-Hanstein nüchtern. Die Neumarkt-Anwohner versuchen auf eigene Kosten und mit viel Energie, die Lage zu verbessern.

Markus Greitemann, der Kölner Baudezernent, ist mit der Frage konfrontiert, wie eine bereits strukturell langfristig ausgerichtete Baupolitik auf kurzfristige Umbrüche reagieren kann. Was kann die Baupolitik einer Stadtverwaltung möglich machen und wo liegen deren Grenzen? Schließlich hat man mit privaten Investoren zu tun. In welchen Zeiträumen plant eine Stadt und was soll sein, wenn sich wieder ein gesellschaftlicher Bruch ereignet? Reifen dann über Nacht ganz andere, neue Erwartungen und Wünsche?

Die Innenstadt ist für alle da – dieser Satz kann gemeinsamer Nenner sein. In den 70er Jahren konnte man ihn auf die Hohestraße anwenden, die ein Mix für alle Schichten war von der Kaufhalle für den schmalen Geldbeutel bis hin zum exklusiven Juwelier, vom Jagdausrüster bis zum Kino oder Jeansshop. Aber ein zurück ins Früher, das es nie gab, ist nicht möglich. Jede Zeit hat ihre Fragen, und vielleicht finden wir auf dem Podium und dem Gespräch danach Antworten? Was bedeutet das heute – die Innenstadt für alle? Wie kann sie erfolgreich sein? Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Abend.

Gleich noch einmal Wandel, diesmal mit Susanne Hengesbach: Jahrzehntelang hat man uns mit raffiniertester Werbung dazu animiert, einen coolen Schlitten zu kaufen und die Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie zu sichern. Nun haben wir die Kiste vor der Tür stehen und sollen demnächst dreimal so viel fürs Abstellen zahlen. Man wäre ja sogar bereit, das Kraftfahrzeug wieder abzuschaffen, wenn es einen funktionierenden Personennahverkehr gäbe. Wenn! Im neuen Poetry-Podcast https://poetry-podcast.podigee.io/ meiner Kollegin geht es ums Anwohnerparken . . .

 

Kommen Sie gut durch den Karneval. Das wünscht Ihnen

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 02.02.2024

Köln ruft die Wärme-Revolution aus: in Niehl entsteht die größte Wärmepumpe Europas und macht die Stadt damit zum Vorreiter der Wärmewende. Wie kann das sein? Ein Besuch vor Ort gibt Antworten.

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

was sich da an einem Wintertag bei Minusgraden in Niehl majestätisch aus dem großen Schornstein erhebt, sieht schon verdächtig aus: sehr viel heiße, flimmernde Luft. Rauch oder Dampf steigt aber keiner auf. Meine Vermutung: hier wird Gas verbrannt – und zwar nicht zu knapp. Und tatsächlich verheizt das Heizkraftwerk in Niehl ordentlich Gas, damit es in zehntausenden Kölner Haushalten schön warm ist; nicht nur im Winter in den Räumen, sondern auch das ganze Jahr das Leitungswasser.

Auf dem Kraftwerksgelände der Rheinenergie im Niehler Hafen soll nun ein Europa-Rekord aufgestellt werden: die größte Wärmepumpe des Kontinents. Es ist nicht nur ein Anfang vom Ende der Gasverbrennung, sondern direkt ein Meilenstein für die gesamte Energiewirtschaft erreicht.  Die erste Ausbaustufe soll 150 Megawatt (MW) groß und 2027 startklar sein. Ein weiterer Ausbau ist angedacht, aber noch nicht im Detail bekanntgegeben. Zum Vergleich: Bislang könnte das Heizkraftwerk, das aus zwei Blöcken besteht, theoretisch mehr als 600 MW an thermischer Leistung abrufen, sollte die volle Power einmal gebraucht werden.

Um zu verstehen, warum ausgerechnet Köln nun die größte Wärmepumpe Europas baut, dürfen Sie sich zunächst einmal gut festhalten: Köln hat seine Potentiale nicht nur erkannt, sondern schöpft diese auch noch voll aus! Das Gelände könnte kaum besser für die sogenannte Wärmewende geeignet sein. Die Wärmepumpe nutzt: die Wärme des Rheinwassers, das Hafenbecken als Quelle, die gute Infrastruktur des Stromnetzes vor Ort, die unkomplizierte Nachbarschaft sowie Wasserstoffpipelines, die noch in Planung, aber grundsätzlich vielversprechend für die weitere Wärmeversorgung sind.

Die uns bevorstehende „Revolution“ der Wärmegewinnung beginnt zunächst jedoch auf einem leeren, asphaltierten Platz auf dem Kraftwerksgelände, direkt dahinter befindet sich ein Becken des Niehler Hafens. Auf diesem Platz, auf dem problemlos 100 Autos stehen könnten, soll die erste Baustufe der Wärmepumpe umgesetzt werden, also die 150 MW-Anlage. Es wird sich dabei nicht um eine einzelne Anlage handeln, sondern um mehrere, die aneinandergeschlossen sind. Als Wärmequelle, dient das Rheinwasser. Es wird aber nicht aus dem Flussbett gepumpt, sondern kann ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem Hafenbecken gesaugt und wieder in den Rhein zurückgeleitet werden – nur eben kälter als vorher. Die Wärme wird dem Rheinwasser dank der Wärmepumpe nach dem Kühlschrank-Prinzip entzogen und in das Verteilnetz gespeist.

Fernwärme ist nach Angaben der Rheinenergie besonders in den vergangenen zwei Jahren noch einmal sehr stark in der Nachfrage gestiegen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der anschließenden Energiepreiskrise gibt es so viele Kunden, dass das Netz in der Innenstadt nicht ausreicht und weiter ausgebaut werden muss. Allein um 150 Kilometer soll es in den nächsten Jahren wachsen. Die Fernwärme aus Niehl sorgt dabei vor allem dafür, dass in der Innenstadt noch Luft zum Atmen bleibt. Man stelle sich vor, jeder betreibe in der engen Bebauung auch noch seinen eigenen Ofen.

Doch nun zur Gretchenfrage, die bereits bei Habecks Heizungsgesetz große Wallungen auslöste: Woher kommt der Strom für die Wärmepumpe, die bald Europas größte sein soll? Dabei gibt es doch noch nicht einmal genügend Kapazitäten in der Innenstadt, um ein Elektroauto schnell zu laden. Der nächste Standortvorteil ist eine Höchstspannungsleitung von 380 Kilovolt, die genau zum Kraftwerk in Niehl führt. Die Leitung verläuft oberirdisch bis zum Umspannwerk in Leverkusen-Opladen und gelangt von dort unterirdisch zum Kraftwerk bzw. Wärmepumpe.

Aus diesem Grund wird die Pumpe je größer sie wird auch zunehmend das fossile Gas als Brennstoff ersetzen. Je mehr Ökostrom im Stromnetz ist umso grüner die Wärme, die aus Niehl verteilt wird. Durch Umrüstung könnten die beiden Gasblöcke, die bislang treue Dienste leisten, ebenfalls in Zukunft grün werden. Der Wasserstoff würde per Pipeline zum Standort Niehl gelangen. Wie genau, dass steht noch nicht fest. Ein entsprechendes Kernnetz wird bundesweit gerade erst geplant und voraussichtlich bis 2032 gebaut sein. Der Kraftwerksstandort Niehl könnte den Plänen zufolge aber möglicherweise sogar von mehreren Seiten gut an entsprechende Pipelines angebunden sein.

Und auch aus der Südstadt soll Unterstützung möglich sein, falls es im Kölner Norden für die Wärme einmal nicht reicht. Dort steht auch noch ein historisches Kraftwerk, das ursprünglich als Wasserwerk in Betrieb ging. Deshalb kann von dort Brunnenwasser für eine Wärmepumpe genutzt werden. Der Gasverbrauch in Niehl dürfte schon mit Inbetriebnahme der Wärmepumpe spürbar zurückgehen. Denn für die Warmwassererzeugung im Sommer reicht bereits die erste Baustufe aus, um ohne Gasverbrennung klarzukommen. Mit den kalten Tagen werden die beiden Gasblöcke aber noch benötigt.

„Wer Fernwärme in Köln nutzt, bekommt ein Stück Wärmepumpe direkt in die Wohnung“, freut sich Kraftwerksleiter Andreas Bauer bei meinem Besuch vor Ort. Eine mögliche Lärmbelästigung durch die größte Pumpe Europas dürfte im Niehler Hafen verhallen. Und auch den Ärger um die Bürokratie erledigt in dem Fall die Rheinenergie. Die Förderunterlagen seien vor wenigen Tagen bei den Behörden eingereicht worden. Jetzt kann Köln also hoffentlich bald ordentlich aufdrehen!

Nicht überall läuft es so rund wie bei der Planung einer großen Wärmepumpe. Susanne Hengesbach plädiert in ihrem Podcast dafür, das Kölsche Grundgesetz um einen Paragraphen zu ergänzen: m’r krit dat vun d’r Zick un för dat Jeld net hin. Mehr dazu in der neuesten Episode ihres Poetry- Podcasts.