Hausaufgabenfreie Gymnasien sind nicht die Rettung

Die strenge Stausberg

Hausaufgabenfreie Gymnasien sind nicht die Rettung
NRW schreibt vor, dass Schüler zuhause nicht mehr als 18,75 Minuten pro Fach und Woche arbeiten dürfen. Kein Wunder, dass dann später im Studium 40 Prozent der Erstsemester scheitern.

Das Erziehungsministerium von Nordrhein-Westfalen und die dort agierende Laienspielschar um Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) überraschen immer wieder. Vor wenigen Tagen erst ging es dabei um die Hausaufgaben. Man sollte meinen, das sei eine sehr individuelle Angelegenheit – schließlich braucht der eine länger, der andere kürzer, um sich etwas für immer ins Hirn zu „bimsen“. Aber was bedeuten schon die Gesetze des individuellen Lernens für eine regelwütige Ministerin?

Und so hat sich Frau Löhrmann auf die Fahne geschrieben, mit einem ministeriellen Erlass den Hausaufgaben gründlich den Garaus zu machen. Umgerechnet bleiben danach sage und schreibe noch 18,75 Minuten für jedes Fach übrig – und zwar nicht pro Tag, sondern pro Woche! Zwar sollen in der Oberstufe, dem anspruchsvollsten Teil der Gymnasialzeit, keine Einschränkungen gelten. Aber was bringt das alles, wenn man bis dahin nicht schon richtig „gebüffelt“ hat?

Frau Löhrmann wird im bevölkerungsreichsten Bundesland natürlich eingeholt von den Sünden der Vergangenheit – vor allem dem G8 genannten Turbo-Abitur, das man gegen den Rat erfahrener Pädagogen durchpaukte mit dem Ziel, immer mehr Schülerwellen gegen die Tore deutscher Universitäten branden zu lassen. G8 ist aber ein Überforderungsprogramm – und einige Bundesländer sind längst reumütig zum neunjährigen Gymnasialsystem zurückgekehrt, etwa Niedersachsen.

40 Prozent der Erstsemester scheitern

Denn wie nicht anders zu erwarten, haben nun immer mehr Schüler Probleme, sich den Lernstoff im Expressverfahren reinzuziehen. Und so weichen Lehrer dann darauf aus, ihren Schülern den noch nicht komplett bewältigten Stoff als noch durchzuarbeitende Hausaufgabe mitzugeben. Genau das will Frau Löhrmann aber vermeiden. Was fürchtet sie dabei mehr: den Unmut vieler Eltern oder den der überforderten Schüler – beides zusammen zahlenstarke Wählergruppen?

So oder so, die Qualität des in NRW absolvierten Abiturs leidet. Außerdem: Ist es wirklich erstrebenswert, dass mittlerweile aus den immer kleiner werdenden Jahrgängen jeder zweite Schulabgänger an eine Hochschule wechselt, dort aber 40 Prozent der Erstsemester scheitern? Wem nutzt eigentlich diese durch Nivellierung forcierte Akademisierungsschwemme? Sicher nicht den enttäuschten Uni-Abbrechern.

Seien wir ehrlich: Es ist eine gigantische Zeit- und Geldverschwendung! Die Stärke der Industrienation Deutschland war immer das duale Ausbildungssystem. Dessen Bedeutung muss massiv aufgewertet werden. Das – und nicht das hausaufgabenfreie Gymnasium – garantiert unsere Zukunft.

von Dr. Hildegard Stausberg
Quelle: welt.de

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