Newsletter 09. Oktober 2020

Newsletter vom 09.10.2020


Das muss man hinkriegen: eine Kommunalwahl verlieren und dennoch einen Erfolg erzielen.

Liebe Mitglieder des Kölner Presseclubs,
sehr geehrte Freundinnen und Freunde,

das muss man hinkriegen: eine Kommunalwahl verlieren und dennoch einen Erfolg erzielen. Der Kölner SPD (sie verlor) und ihrem OB-Kandidaten Andreas Kossiski (er zwang Oberbürgermeisterin Reker in die Stichwahl) ist das gelungen. Doch der Erfolg war nicht das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels. Es war vielmehr der Scheinwerfer der entgegenkommenden Lokomotive mit Namen Kölner SPD. Kossiski, dem die SPD zutraute Köln zu regieren, wollte man nicht die Rats-Fraktion anvertrauen. Mit solchen Genossen im Rücken braucht man weder Gegner noch Feinde.
Die SPD interessiert sie nicht? Sollen die doch machen? Das ist nach meiner Meinung zu kurz gedacht. Parteien spielen eine Rolle in der Politik. Je vernünftiger sie das tun, um so besser funktioniert auch unser Alltag. Politik besteht nicht aus Parolen. Beispiel „Wohnraum schaffen“. Es soll, ja es muss gebaut werden. Aber wie setzt man das Ziel „Wohnraum schaffen“ in politische Schritte um? Wie operationalisiert man das? Eigenheime bauen oder Hochhäuser? Baugenehmigungen vereinfachen? Baulücken schließen? Und wie kontrolliert man die Verwaltung? Solche Schritte werden in dem Bereich definiert, den man den „politischen Maschinenraum“ nennt. Es gibt gar nicht viele, die sich in ihm auskennen. Martin Börschel (SPD) war so einer, Jörg Frank (Grüne) oder Bernd Petelkau (CDU) fallen mir noch ein.
Fällt eine Partei aus, übernehmen vielleicht andere deren Feld. Vielleicht aber auch nicht. Was dann herauskommt, kann man im Großen in den USA beobachten. Donald Trump ist die Mensch gewordene Wut der Vergessenen und Abgehängten. Oder die „Gelbwesten“ in Frankreich. Das sind die, die die Mieten in den Städten nicht mehr zahlen konnten und mit ihren kleinen (Diesel-)PKW pendeln mussten. Bis man sie als Umweltsünder ins soziale Abseits stellte und den Preis für Benzin bzw. Diesel nach oben schraubte.
Deshalb ist eine vitale SPD Köln wichtig, insbesondere jetzt, wo die Grünen sich erstmals nicht mehr als regierende Opposition darstellen können, sondern liefern müssen. Verkehr, Wohnen, Arbeit, nachhaltiges Wirtschaften sind Bereiche, in denen es nicht mehr um das „Ob“ geht, sondern nur um das „Wie“.

Das macht die politische Ebene so wichtig und führt zurück zu Andreas Kossiski. Er hat von sich aus den Hut in den Ring geworfen und ist keinem der ominösen SPD-Flügel zuzurechnen. Er sei über die Monate der Kandidatur über sich hinausgewachsen, heißt es anerkennend und habe in den letzten Wochen noch trotz gesundheitlicher Einschränkungen jeden Tag Wahlkampf geführt. Köln habe er systematisch beackert und alle Facetten der Stadt, die sich wie Kontinente voneinander unterscheiden können, unmittelbar kennengelernt – sagen wir: vom Hahnwald bis nach Finkenberg. Fazit: „Er brennt für Köln“.

Alles verpufft. Dahin. Der Kandidat ist gedemütigt, die Partei ruiniert sich unter den Augen der Öffentlichkeit. So etwas hat kein RTL im Programm. Führung ist kaum erkennbar, vor allem fehlt der Versuch, Konflikte in einem Miteinander zu moderieren, zu managen und womöglich einvernehmlich zu lösen. Stattdessen spielt man, wie beim Boxkampf, den Ringrichter. Der nächste Fight ist schon terminiert: Ralf Heinen gegen Elfi Scho-Antwerpes. Wer wird Bürgermeister? Mancher Genosse blickt wehmütig zur CDU, die so etwas beherrscht, seit Bernd Petelkau die Partei führt.

Na und?, sagen Sie vielleicht. Ich würde Ihnen antworten, dass diese Stadt vor vielen Entscheidungen stehen wird, sollte sie tatsächlich ernsthaft regiert und nicht wie bisher, nur verwaltet werden. Bei diesen Entscheidungen wird eine Mehrheit die Richtung vorgeben. Doch wenn sie klug ist, wird sie das nicht ausreizen, denn die alles entscheidende OB-Stimme ist in einer Wahl mit lachhaft niedriger Wahlbeteiligung zustande gekommen.
Zukunftseinschätzungen in Köln bedürfen eines breiten Konsenses und es ist die Pflicht der Politik, sich in diesen Prozess zu begeben. Was in der SPD zur Zeit fehlt ist etwas, was wir auch im Größeren brauchen. Den Ausgleich, die Wahrnehmung anderer, die Versöhnung, wenn man hoch greift. das muss man hinkriegen: eine Kommunalwahl verlieren und dennoch einen Erfolg erzielenihrer Kräfte. Man kann das auch, wenn die Methode Nachahmer findet, mit einer ganzen Stadt so machen. Hoffentlich geschieht das nicht.

Walfische am Kölner Dom

Ein anderes Thema: Wollen Sie mal Walfische um den Kölner Dom schwimmen sehen? Dann schauen Sie sich diesen Film an, den die Kölner Wirtschaftsförderung produzieren ließ:

Er hat, schreibt der EXPRESS, 120.000 € gekostet und soll für Köln werben. Werbung, habe ich mal gelernt, gibt immer ein Produktversprechen. Es soll in etwa das drin sein, was außen versprochen wird. Wie sehen Sie das?

Der Film wirbt für Köln als Produktionsort für Filme. Er wurde aber in Leipzig produziert. Nanu, hat da mancher einheimische Filmschaffende gedacht. Sollte die Kölner Wirtschaftsförderung nicht auch Kölner Wirtschaft fördern? Was denken Sie?

Die Infektionszahlen steigen schneller, als das Thermometer fällt.

Bleiben Sie gesund und halten Sie sich warm!

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls

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