Touristen, mündig

Die strenge Stausberg

Touristen, mündig

Es geht um die angeblich „schönsten Wochen des Jahres“, so zumindest der klassische Slogan der deutschen Tourismusbranche, auf die längst die Definition „Industrie“ viel besser passt. Zu der Erkenntnis muss man jedenfalls kommen, wenn man sich herumtreibt auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin, der ITB.

Glaubt man einer Studie der „Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reise“ (FUR), dann haben die Bundesbürger im letzten Jahr so viel ausgegeben für ihren Urlaub wie noch niemals zuvor: Die Gesamtausgaben erreichten satte 88 Milliarden Euro – ein absoluter Rekordwert. Die Reiselust der Deutschen ist weiterhin ungebrochen – und liegt international an dritter Stelle hinter China und den Vereinigten Staaten. Allerdings gaben 38 Prozent der Befragten an, sich in ihrer Reiseplanung durch Terror beeinflusst gefühlt zu haben. Noch immer steht für den deutschen Tourismus die Pauschalreise mit 43 Prozent an erster Stelle. Aber der Wandel zugunsten von Individualbuchungen, Internetportalen und Online-Booking schreitet unaufhaltsam voran – vor allem unter jüngeren Kunden. Gerade die werden immer flexibler und fordern echte Nachhaltigkeit ein und dauerhaften Umweltschutz, was sich langfristig immer positiver auf die Tourismusbranche auswirken dürfte. Und natürlich braucht man auch keine offiziellen Boykottaufrufe gegen irgendwelche Staaten, die sich politisch in eine Richtung entwickeln, die man kritisieren kann, ja kritisieren muss.

Diese ITB zeigt, dass das Angebot so riesig ist, dass ein mündiger Tourist mühelos noch Länder findet, wo beides stimmt: das touristisch attraktive Angebot und ein gesellschaftspolitisches Umfeld, in dem man sich wohlfühlen kann. Im Endeffekt muss jeder selber entscheiden, wie viel ihm dies wert ist und in wie weit er mit seinem eigenen Geld zur Stabilisierung eines Regimes beitragen will. Beispiele oder konkrete Namen? Wir wissen ja sowieso alle, wer gemeint ist. Also: Länder, in denen die Kritik an Deutschland jedes Maß verliert und wo man uns etwa beschuldigt, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu begehen, oder Staaten, die europäische Nachbarländer besetzen und dort systematisch herumzündeln oder Nationen, deren arrogante Führung großmäulig herzieht über wehrlose Nachbarn und sie mit unfairen Handelspraktiken zu treffen sucht – all die braucht man nicht wirtschaftlich zu unterstützen, indem man dort hinfährt und sauer verdientes Geld ausgibt: Damit würde man Feinde belohnen.

von Dr. Hildegard Stausberg

Quelle: welt.de

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