Eine Frau kämpft sich durch den Kölschen Klüngel

Die strenge Stausberg

Eine Frau kämpft sich durch den Kölschen Klüngel
Die neue Oberbürgermeisterin tritt ihr Amt gegen Parteien-Filz und ein Heer von Freizeitpolitikern an. Wer denkt, nach dem Attentat auf sie könne es härter nicht kommen, kennt den Polit-Sumpf nicht.

Henriette Reker ist da. Endlich! Und die neue Kölner Oberbürgermeisterin hat ihren ersten öffentlichen Auftritt gleich mit Bedacht gewählt: Sie übergibt der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller den nach dem Kölner Literaturnobelpreisträger benannten Heinrich-Böll-Preis – großartig! Also kein billiger, niveauloser „kölscher“ Auftritt beim „Elften-im-Elften“ etwa, diesem Besoffenentreff der rheinischen „Party-Stadt“, sondern ein Termin mit Niveau!

Das hat nicht nur Stil, sondern ist ein Signal an diese Stadt, die einmal die wichtigste Kulturmetropole der alten Bundesrepublik war – lang, lang ist’s her. Frau Reker formuliert es so: „Es ist ein Bekenntnis zur Seele dieser Stadt“. Wer unter Köln leidet – und das sind nicht wenige hier am Rhein – ist positiv angetan, ja vielleicht sogar ein bisschen gerührt.

Zumindest keimt Hoffnung auf. Das feige Attentat auf Henriette Reker, damals noch parteilose Oberbürgermeisterkandidatin, liegt fünf Wochen zurück. Einen Tag später wurde sie mit satter Mehrheit von beinahe 53 Prozent zur ersten Kölner Oberbürgermeisterin gewählt. Aber hoppla: Die Wahlbeteiligung war nicht nur niedrig, sie war beschämend.

Sachbezogen regieren – schafft Reker das?

Dass Herta Müller dies kritisch anmahnt, war richtig. Jetzt wird es darauf ankommen, ob es Frau Reker gelingt, durch konkrete Erfolge auch Skeptiker zu überzeugen, dass ihr Ansatz eines sachbezogenen Regierens mit – wenn nötig – wechselnden Mehrheiten richtig ist. Leicht wird das nicht, weiß Gott. Unmöglich ist es aber auch nicht.

Reker kommt sicher zugute, dass sie als erfahrene Verwaltungsjuristin weiß, um was es geht: Eine Kommune von der Größe Kölns mit über einer Million Einwohner braucht eine funktionierende Verwaltung. Die aber braucht eine Führung, die auch sachbezogen zu agieren weiß.

Die extreme politische Zersplitterung im Kölner Rat macht die Lage nicht besser. Der Abstand von ehrenamtlich agierenden, häufig in konkreten Sachfragen eher inkompetenten Ratsmitgliedern und den Verwaltungsspitzen ist groß. Auch da muss Reker einen Spagat hinbekommen, der schwierig ist.

Werden die Sozis mauern?

Und dann erst die Kölner SPD, seit Jahrzehnten die allmächtige Regierungspartei in der Stadt, die das kölsche Lebensmotto „Da simma dabei“ beherrscht wie niemand sonst: Wird sie sich den Anweisungen einer parteilosen Henriette Reker korrekt beugen, oder diese eher unterlaufen, vielleicht sogar gegen sie mauern?

Man muss nicht alles gutheißen, was Bayerns Ministerpräsident in diesen Tagen erklärt. Aber Seehofer hat schon recht, wenn er sagt: „Das beste Rezept gegen Radikale von rechts und links sind echte Problemlösungen“. In Köln wartet man auf sie – sehnlichst!
Von Dr. Hildegard Stausberg
Quelle: welt.de

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