Newsletter 16. April 2021

Newsletter vom 16.04.2021

Söders großer Fehler und das wüste Gemetzel um die K-Frage

Liebe Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Lebenserfahrung zeigt: Erben will gekonnt sein. Andernfalls bleibt vom Nachlass nämlich nichts mehr übrig. Das könnte der Union blühen, in der die Spitzen von CDU und CSU einen fassungslos machenden Kampf um die Nachfolge Angela Merkels im Kanzleramt austrägen. Ein zunehmend entsetztes Publikum sortiert gerade in hoher Geschwindigkeit seine Partei-Präferenzen um. Profiteure sind die Grünen, die das Etikett einer Chaostruppe an die Union weitergereicht haben und als ebenso diszipliniert wie konstruktiv auf den Wahltag hinarbeiten. Drei Prozent, darauf weist Friedrich Merz hin, trennen in einigen Umfragen noch Union und Grüne. Als Ruhekissen taugt ein solch dünnes Polster kaum. Und mit jedem Tag wird es dünner.

Bevor man angesichts dieser dramatischen Selbstzerfleischung der einzig verbliebenen Volkspartei, die über Jahrzehnte ein Stabilitätsanker für das deutsche Politiksystem war, in depressive Sorge um die Zukunft des Landes gerät, sollte man vielleicht mit jemandem wie Gerhart Baum sprechen. Der Wahl-Kölner, Ex-Bundesinnenminister und Vorsitzende des Kulturrats NRW, verfügt nicht nur über präzise Kenntnisse der politischen Mechanik, er ist immer noch bestens vernetzt und scharf in seinem Urteil, das nicht mehr von eigenem Ehrgeiz gelenkt wird. Die parteipolitischen Scheuklappen hat der ehemalige FDP-Spitzenpolitiker längst ausgemustert – was die Liberalen immer mal wieder zu spüren bekommen.

Auch er sieht mittlerweile die Union dauerhaft beschädigt: „Für die Republik ist das alles andere als gut.“ Angesichts der epochalen Herausforderung durch die Pandemie dürfe man sich „diese Grabenkämpfe nicht leisten.“ Dennoch, eine ernsthafte Gefährdung der Stabilität des Landes durch den öffentlich ausgetragenen Showdown zwischen CDU und CSU sieht er nicht. Baums Urteil über Armin Laschet fällt positiv aus. „Ich bin eindeutig für ihn als Kandidat. Er hat eine hohe Sensibilität für die Befindlichkeit der Gesellschaft, für den Zusammenhalt. Auch ist er ein engagierter Europäer, was in dieser historischen Phase außerordentlich wichtig ist, mit einem intakten Vertrauensverhältnis zu Präsident Macron“, diagnostiziert Baum und ergänzt: „Das Land regiert Laschet gut, das sage ich auch als Kulturpolitiker.“

Mit dem Lob für den NRW-Ministerpräsidenten verbindet sich natürlich auch eine Aussage über Markus Söder: Trotz seines Umfrage-Höhenflugs, die Eigenschaften Laschets bringt der Bayer nicht mit. Nur eins attestiert Gerhart Baum ihm: Nach dem einmütigen Votum der höchsten CDU-Gremien zugunsten Armin Laschets nicht den eigenen Verzicht erklärt zu haben. „Wenn Vorstand und Präsidium einschließlich der Kanzlerin und des Bundestagspräsidenten sich erklären, hätte Söder den Weg frei machen müssen. Das nicht getan zu haben, war sein ganz großer Fehler.“

Während die Union also noch in ein wüstes Gemetzel zur Klärung der K-Frage verstrickt ist, hat Köln die I-Frage vergleichsweise geräuschlos geklärt: Mit Hein Mulders hat die Stadt einen designierten Intendanten für die Oper. Nach der Unruhe, die das überraschende Aus der bisherigen Intendantin Birgit Meyer bundesweit verursacht hatte, präsentierte Oberbürgermeisterin Henriette Reker jetzt Meyers Nachfolger. Obwohl man sich daran gewöhnt hat, Köln für seine oft genug fahrlässig-ignorante Kulturpolitik zu kritisieren, hat den Musikliebhaber und Kulturratsvorsitzenden Gerhart Baum diese Auswahl überzeugt. Vor allem die harmonische Zusammenarbeit mit dem Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth, dessen Arbeit ein außerordentliches Niveau bescheinigt wird, scheine mit Mulders Berufung gewährleistet zu sein. Und außerdem:„Mulders ist einer, der mit Geld umgehen kann. Auch nicht ganz unwichtig.“ Angesichts der explodierenden Kosten für die Sanierung des Gebäudes, das ursprünglich 2015 abgeschlossen sein sollte, ist es erfreulich, dass zumindest im künstlerischen Betrieb jemand auf verantwortungsvolles Wirtschaften achtet.

Aber nach den vielen kleineren und größeren Pannen der Kölner Politik sollte man jetzt nicht nörgeln, sondern sich auf Spielzeiten freuen, die in ihrer Qualität den verblassten Glanz der Kulturmetropole Köln wieder aufpoliert. Manchmal gilt vielleicht doch noch: Von Köln lernen heißt Siegen lernen.

In diesem Sinne hoffnungsvoll gestimmt grüßt Sie sehr herzlich

Ihr

Michael Hirz

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