Newsletter 3. September 2021

Newsletter vom 03.09.2021

KÖLNGOLD ist ein Therapeutikum für alle, die an dieser Stadt verzweifeln – Warum der Westen sich mit den Taliban arrangieren sollte

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mitunter ärgere ich mich, wenn Außenstehende Köln auf das Knollendorf des Hänneschen-Theaters und dauerschunkelnde Jecken reduzieren. Narren hätten diese Stadt nach dem 2. Weltkrieg nicht aus Trümmern aufbauen können. Künftig habe ich noch bessere Argumente. KÖLNGOLD (www.koelngold.com) wird selbstbewusst als aufwendigstes Buch über diese Stadt vorgestellt, das es je gab, und seine Macher aus dem Verlag von Michael Wienand liegen richtig damit. Zwischen den zwei Einbänden sind in dichter Folge und opulenter Bebilderung Schätze aus Kunst, Kultur und Alltag der 2000-jährigen Geschichte von „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ versammelt sowie Essays zu Kernwerten der früheren römischen Siedlung.

Seit 35 Jahren geht dieses Herzensprojekt dem Kölner Verleger durch den Kopf. Wirklichkeit geworden ist es, weil er 2017 mit Matthias Hamann einen kongenialen Partner fand. Der Direktor des Kölner Museumdienstes gab diesem Jahrhundertprojekt Form und Gestalt, das der Bürgertradition entspringt, sich aus Liebe zu Köln zu engagieren. In dieser hochdosierten Form ist KÖLNGOLD ein Therapeutikum, das versucht, den Geist der Stadt über die Jahrtausende einzufangen. Kommentare zu zentralen Themen werden von Kölner Bürgern kommentiert und ich bin stolz, dass auch ich dabei sein und über die Zukunft schreiben durfte.

Einen Anstoß zur Erneuerung will Michael Wienand mit diesem ehrgeizigen Projekt geben. Verdienen wird er daran keinen Cent, doch er macht sich verdient um unsere Stadt. „Der Stolz auf die Vergangenheit birgt die Zuversicht zur Gestaltung der Zukunft“, sagt er, der sich hier über die Jahrzehnte immer wieder über Fehlentwicklungen und mangelnde Qualität ärgern musste. Köln, das wissen wir, leidet nicht an einem Mangel an Ideen, sondern an deren Umsetzung. Das wurde bei unserer Presseclub-Veranstaltung zur Kölner Innenstadt – Traum oder Trauma? – überdeutlich. In einem der nächsten Newsletter werden wir Projekte aus dieser abendlichen Ideenschmiede ausführlich vorstellen.

Als Kölner Zukunftsfeld identifiziert KÖLNGOLD die Via Culturalis. Auf einer Länge von 800 Metern bildet sie baulich die Erbmasse Kölns ab und ist einem DNA-Strang vergleichbar, der sich von der Hohen Domkirche im Norden bis zu St. Maria im Kapitol im Süden spannt. Das Vermächtnis der Geschichte Kölns ist hier sichtbar in Form von archäologischen Funden, altehrwürdiger Bausubstanz, Museen und Archiven, von sakralen Bauten und historisch gewachsenen Plätzen, von den Ruinen des römischen Statthalterpalastes über die Überreste eines der bedeutendsten jüdischen Stadtquartiere Europas bis zur frühromanischen Basilika, die über den Fundamenten des römischen Kapitoltempels entstand.

Nun erwartet Sie ein harter Schnitt: Wenige Tage vor dem Einmarsch der Taliban konnte Andrea Jeska Kabul gerade noch verlassen. Im Gepäck hatte die Journalistin eine Geschichte über Menschen, die im Elendsgürtel um die afghanische Hauptstadt herum auf Müllhalden leben. Hier sind Familien gestrandet, die vor dem Bürgerkrieg im Land geflohen sind oder bereits in Nachbarländer vertrieben wurden und nun diese Zufluchtsorte wieder verlassen mussten. „Ein solches Elend habe ich noch nicht gesehen“, sagt die Mutter dreier Töchter, die die Krisengebiete dieser Welt kennt und aufrüttelnde Reportagen darüber geschrieben hat. Sie berichtet von Jungen und Mädchen, die Säureverletzungen an den Fingern haben von ausgelaufenen Batterien und deren rote Haarfarbe Zeichen für schwere Unter- und Fehlernährung ist. Ein verzweifelter Vater erzählte der Journalistin, dass er drei seiner vier Kinder verloren habe. Sie seien krank geworden. Mehr weiß er nicht. Für seine Pfennige hatte er in der Apotheke nur Paracetamol, ein Schmerzmittel, bekommen.

Vor 20 Jahren war Andrea Jeska zum ersten Mal in Afghanistan. Etwa fünf Millionen Menschen seien damals von humanitärer Hilfe abhängig gewesen, berichtet sie. Heute ist es ein Mehrfaches von damals. Von 18 Millionen sprechen Hilfswerke. „Was habt ihr da gemacht“, fragt sie bitter. Aber wen? Die vier US-Präsidenten, die für diesen Krieg stehen? Er begann unter George Bush jr. als Feldzug gegen Al Kaida und unter Joe Biden fand er sein erbärmliches Ende. Der Friedensnobelpreisträger Barack Obama änderte die Taktik, Donald Trump leitete das Ende des Waffengangs ein. Doch einem jeden war die Bevölkerung Afghanistans vollkommen gleichgültig. Diese Hilfe darf nicht enden, mahnt Andrea Jeska. Um der Notleidenden willen müsse man sich mit den Taliban arrangieren.

„Der Winter steht vor der Tür, mit Schnee und eisigen Temperaturen“, bekräftigt Simone Pott. Die Sprecherin der Deutschen Welthungerhilfe begrüßt die Signale von Bundesregierung und EU, Gelder für Nothilfe in Höhe von Hunderten Millionen Euro bereitzustellen. Doch das ist bisher nur ein Signal, denn Helfen selbst bleibt schwer. Mittlerweile haben die landesweit fünf Büros des Bonner Hilfswerks zwar wieder geöffnet, ebenso wie die Banken. Doch immer noch sind keine Geldüberweisungen möglich, was rasche Nothilfe verhindert. Die Verunsicherung ist groß: Welche Rolle dürfen weibliche Kolleginnen noch spielen? Geöffnet ist bislang nur die Grenze ins benachbarte Pakistan. Das reicht nicht, um Nahrungsmittel und Material für den Wiederaufbau ins Land zu bringen.

Der Westen engagiert sich nicht uneigennützig. 2015 setzten sich Millionen Menschen in Marsch, weil in ihren Flüchtlingslagern entlang von Krisen- und Kriegsgebieten keine internationale Hilfe mehr ankam. Ein Politiker, der heute sagt, es dürfe „kein 2015 mehr geben“, wird hoffentlich wissen, worauf es ankommt.

Ich grüße Sie herzlich.

Ihr

Peter Pauls

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