NEWSLETTER VOM 21.09.2022

Der Alptraum des Handwerkers: Ein Notfall in der Innenstadt – Verbände und Bürger machen mobil gegen die Kölner Verkehrspolitik

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Marc Schmitz ist Handwerker. Wenn man mit ihm spricht, ist die Rede davon, dass er ein modern denkender Mensch ist. „Handwerker können über den Tellerrand blicken“, sagt er. Oder: „Wir sind nicht aus dem vorigen Jahrhundert.“ Für den Obermeister der Innung „Sanitär Heizung Klima“ ist Umweltschutz eine Verpflichtung. Er betont all das, weil ihm häufig das Gegenteil unterstellt wird.

Warum? Die neue städtische Verkehrspolitik bereitet Marc Schmitz große Probleme. Sie sind typisch für Handwerker, aber auch für Pflege, Apotheken- oder Ärztedienste: Der Kölner Stadtbereich wird für sie zur kritischen Zone, Tendenz steigend. Parkplätze fallen weg, es herrschen zeitliche Zufahrtsbeschränkungen, Sperrungen, Verpollerungen, autofreie Zonen, komplizierte Einbahnstraßenregelungen, durchschnittene Verkehrsachsen.

Einsätze im Stadtgebiet bedeuten für den 53jährigen akribische Vorplanung. Vor allem, wenn die großen Werkstattwagen zum Einsatz kommen und geparkt werden müssen. Es gibt keine geeigneten Service-Parkplätze für sie. „Maschinen und Ausrüstung allein wiegen mindestens 400 Kilogramm“, sagt Schmitz. „Und dann kommt noch die Ware hinzu.“ Die Wagen müssen also Volumen haben. Wenn er als Obermeister versucht, seine Probleme Politikern nahe zu bringen, dann kommen – siehe oben – Plattitüden wie „über den Tellerrand blicken“, „mal ein wenig modern sein“ oder „neu denken lernen“. Er suche nach Lösungen, erklärt der Unternehmer, finde aber keine Gesprächsbereitschaft. Probleme würden in der Politik klein geredet.

Handfeste Probleme mit der Kölner Verkehrspolitik haben Handwerker wie Marc Schmitz, Obermeister der Sanitär-Innung.

Bild: Peter Pauls

Ende der 90er Jahre machte Schmitz sich selbständig mit dem Ziel, ökologische Haustechnik anzubieten. Ein Pionier. Der Erfolg gab ihm recht. Heute hat er rund 60 Mitarbeiter. Für einfache und nahe Arbeiten setzt er – Stichwort Mikromobilität – auf Lastenfahrrad und Elektro-Antrieb. Und auch einer modernen Verkehrspolitik steht er offen gegenüber. Doch in ihr müssen Menschen wie er mit ihren Bedürfnissen überhaupt erst einmal wahrgenommen werden, zumal sie der Allgemeinheit dienen. Rohrbruch und Heizungsausfall lassen grüßen.

Marc Schmitz erinnert mich an Engelbert Schlechtrimen, den Bäcker und Konditor aus Köln-Kalk. Beide gehen achtsam mit Ressourcen um, setzen auf ökologisches Wirtschaften und grüne Werte. Doch stehen sie wegen ihrer Kritik unter Rechtfertigungsdruck, als seien sie Modernitätsverweigerer. Dabei sind nicht sie rückständig. Eher sind die politisch Handelnden rückständig, die ihr Bild vom Handwerk aus dem vorigen Jahrhundert schöpfen.

Marc Schmitz denkt nicht ans Aufhören. Aber Engelbert Schlechtrimen haben die sich überlagernden Krisen wie Corona oder der Ukraine-Krieg und dessen Folgen die Kraft genommen, sein Geschäft weiter zu betreiben. Das Fass zum Überlaufen brachte die geplante Umwidmung der Kalker Hauptstraße zur Einbahnstraße.

Von Ignoranz der Stadt Köln spricht Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln und gleichzeitig Präsident des deutschen Zentralverbandes Handwerk. Man werde nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht gehört. Ob Scheuklappen zur Grundausstattung der Kölner Verkehrspolitik gehören, frage ich mich. Sicher, die Grünen sind in der Kommunalwahl 2020 mit 28,5 Prozent Stimmenanteil stärkste Partei geworden. Doch sind sie zu schwach, um allein zu regieren. Trotzdem dominieren sie die Verkehrspolitik.

Beispiel „Ring frei“:

Die Gespräche von Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung haben sensationell geklappt, sagt Handelskümmerer Hans-Günter Grawe.

Zusätzlich zum Handwerk kommt die Kritik aus einem so breiten Feld, dass sie nicht einfach ignoriert werden kann. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Köln Bonn (DGB) etwa spricht von „kleinteiligen Maßnahmen zur Bedienung von Klientelinteressen“, die IHK Köln fordert Respekt für Mobilitätsentscheidungen. Geschäftsleute und Anwohner fühlen sich mitunter buchstäblich überfahren. Allein in Rodenkirchen sammelte eine Bürgerinitiative binnen weniger Tage 1400 Unterzeichner gegen die dort geplante Einbahnstraßenregelung.

„Hier wird etwas ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten übergestülpt“, kritisiert Hans-Günter Grawe, Geschäftsführer des Dachverbands Kölner Interessengemeinschaften. „Dabei ist jedes Viertel in dieser Stadt anders.“ Grawe wählt seine Worte sorgfältig. Spitzen vermeidet er. Ziele müssten gemeinsam erarbeitet und die Menschen mitgenommen werden, sagt er. Wer will da widersprechen? Aufenthaltsqualität in den Vierteln sei ebenso wichtig wie deren Erreichbarkeit. Schnittmengen finden, Interessensausgleich organisieren – sind das nicht ohnehin Grundanforderungen für ein vernünftiges Zusammenleben? Sollte Politik nicht werben, anstatt zu exekutieren?

Die Initiative „Ring frei“ hat gezeigt, wie ein Miteinander von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern auf getrennten Bahnen funktionieren und jeder seine Sichtweise einbringen kann, sagt Grawe. Es hat also schon einmal geklappt, alle mit ins Boot zu nehmen. Was eigentlich ist daran so schwer, liebe Verkehrspolitiker?

Spätsommerliche Grüße sendet
Ihr
Peter Pauls

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