Newsletter 17.03.2023

Warum ich nie Bauer sein möchte und wir über unser tägliches Brot sprechen sollten – Bühne frei für Susanne Hengesbach und ihren Poetry-Podcast

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

auf keinen Fall würde ich Bauer sein wollen. Das steht sowieso nicht zur Debatte. Diese jähe Erkenntnis überkam mich jedoch erst, als ich mit Jens Lönneker über die deutsche Landwirtschaft und deren Dilemmata sprach.

Was der Psychologe und Geschäftsführer von „rheingold salon“ erklärte, sagt mindestens so viel über uns Konsumenten aus wie über den Gegenstand seiner Forschung, die Bäuerinnen und Bauern in diesem Land. Corona und die Folgen des Ukraine-Krieges konfrontierten uns mit leeren Supermarkt-Regalen. Doch tatsächlich entstand nie gefährlicher Mangel, abgesehen von Mehl vielleicht. Aber da waren Verbraucher am Werk, denen die Sicherungen durchgebrannt sind.

In dieser Situation müsste eigentlich einer Berufsgruppe, die das Land versorgt und es buchstäblich satt macht, Dank, Wärme und Zuneigung zuteilwerden. Doch so war es, anders als in Frankreich etwa, nicht. Wir Menschen außerhalb der Landwirtschaft dankten statt den Bauern dem Handel dafür, dass die Regale nicht dauerhaft leer blieben. Mehr noch: Die Landwirte fühlten sich angegriffen und schon vor den Krisen häufig abgestempelt als Verweigerer von Tierwohl und Nachhaltigkeit. Daher bat deren Verband Jens Lönneker und sein Team um Hilfe.

Der „rheingold salon“ deckte einige Fakten auf: Bauern sind modern, effizient, sie arbeiten mit Drohnen (um Rehkitze vor Mähmaschinen zu retten), pflegen die Landschaft, aber sie schweigen darüber. Wir Verbraucher wollen zwar, dass es den Tieren, die wir essen, zu Lebzeiten gut geht. Dafür bezahlen möchte die überwiegende Mehrheit der Konsumenten aber nicht. Wir wollen übrigens auch alternativ erzeugte Energie, aber sie soll günstig sein. Und wir glauben unerschütterlich an den nächsten Lebensmittelskandal und ebenso, dass er nicht uns betrifft. Wir hätten gerne Qualität zum Discounter-Preis.

Die Krisen, die auf uns lasten, haben unseren Blick geschärft. Selbstverständliches ist nicht mehr selbstverständlich. Wer unter welchen Bedingungen unser täglich Brot produziert – darüber wollen wir vom Kölner Presseclub diskutieren am Dienstag, 28. März, 19.30 h im Excelsior Hotel Ernst, Trankgasse 5, 50667 Köln. Auf dem Podium sprechen miteinander: Susanne Schulze Bockeloh, Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes, Arndt Klocke (MdL-Grüne), langjähriger NRW-Fraktions- und Parteivorsitzender, sowie Jens Lönneker, Mit-Autor des Buches „Zukunfts-Bauer“.

In der Diskussion kommen wir nicht nur Missverständnissen, sondern auch eigener Widersprüchlichkeit auf die Spur. „Heutzutage ist es nicht mehr nötig, ein in sich konsistentes Verhaltensmuster aufzubauen“, hat Lönneker erkannt. Wer sich heute fürs Klima auf die Straße klebt, fliegt morgen nach Asien und fühlt den Widerspruch nicht.

Susanne Hengesbach trägt vor – ein Poetry-Slam zur Altersdiskriminierung. Foto: Martina Goyert

Der Handel inszeniert sich gekonnt. „Die von Rewe versorgen mich und setzen sich der Gefahr von Infektionen aus“, wurde den Psychologen gesagt. Die Bauern sind zu still. Da es kaum noch alltägliche Berührungspunkte zur Landwirtschaft gibt, reifen Vorurteile. Vielleicht sogar auf beiden Seiten? Wir werden darüber sprechen. Denn es geht um nicht weniger als um unser tägliches Brot. Früher war es so wenig selbstverständlich, dass es Bestandteil des Gebetes war, das jeder kennt, des „Vaterunser“.

Szenenwechsel: Artikel von Susanne Hengesbach (kurze Vita hier) haben Sie sicher schon im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gelesen. Unvergessen, wie die Kollegin vor vielen Jahren telefonisch in einem Edel-Restaurant reservierte, dort als Rockerbraut in Lederkluft aufkreuzte und aufschrieb, wie sich das Personal – nach meiner Erinnerung – tapfer schlug. Ihre Serie „Zwei Kaffee, bitte“ hat Kultcharakter: Sie lädt auf der Straße wildfremde Menschen ein und lässt sie darüber berichten, was sie bewegt.

Neulich schickte sie mir eine Sprachdatei und bat mich um eine Einschätzung. Als ich hörte, was sie in wenigen Minuten zur Altersdiskriminierung sagt und wie sie es bitter und böse und dann wieder heiter vorträgt, war ich begeistert. Wenn Sie auf „Play“ klicken, hören Sie den Poetry-Slam von Susanne Hengesbach und erfahren mehr über meine hochgeschätzte Kollegin. Ich zum Beispiel wusste nicht, dass sie Jura studiert hat und nur der Sprache wegen in den Journalismus wechselte. Gut, dass sie es getan hat.

 

An einer Stelle sagt sie zum Thema Alter: „Was das betrifft, würd‘ ich gern Influencerin sein, aber mit Ü 60 nimmt mich kein Schwein“. Nun – das widerlegen wir gerne.

Wenn die Sonne dieser Tage zwischen den Regen- und Schneeschauern einen ihrer kurzen Auftritte hat, verheißt sie Frühling. Hoffen wir, dass sie bald Ernst macht.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls