NEWSLETTER 14.06.2024

Wie die Stadt Köln eine Technik verlernte und die Verwaltungsreform der Oberbürgermeisterin unberechenbar wurde

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wären Sie auf einer einsamen Insel gestrandet, könnten Sie dann ein Feuer machen? Mit Reibung, Funkenflug oder Feuerstein? Wahrscheinlich nicht. Früher ging das. Aber die Kulturtechnik des Erzeugens von Feuer ist über die Jahrhunderte verloren gegangen.

Vom Verlust einer anderen grundlegenden Fähigkeit in nur wenigen Jahren habe ich durch die „Kölnische Rundschau“ (KR) erfahren. Die Verwaltungsreform war Kernanliegen der 2015 gewählten Oberbürgermeisterin (OB) Henriette Reker. Tenor: Erst müsse die Grundlage geschaffen werden, mit der Reker Köln dann von Grund auf zum Besseren verändern würde. Schlanker, effektiver, attraktiver sollte die Verwaltung werden mit Einsparungen von über 35 Millionen Euro, die im Etat 2016/2017 sogleich veranschlagt wurden.

Im März 2022 wurde das Projekt Verwaltungsreform offiziell beendet. Ende 2023 stellte das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA) in seinem nicht-öffentlichen Bericht fest, die Reform habe lediglich €2,7 Millionen Kostenminderung ergeben. Die Projektkosten jedoch berechneten die amtlichen Prüfer mit 38 Millionen Euro. In einer von der OB gezeichneten Stellungnahme reagierte die Stadt auf das dicke Minus: Das Design des Reformprozesses gestatte eine klare Abgrenzung von Reform und Normalgeschäft nicht und schließe damit auch eine Messung von Aufwand und Nutzen in Euro aus, hieß es. Was also 2016/2017 noch als feste Größe galt, war nun unberechenbar. So schnell kann die Kulturtechnik des Rechnens abhanden kommen.

Die Aussicht auf eingesparte €35 Millionen kam seinerzeit zur rechten Zeit. Sie rettete die verschuldete Stadt, nämlich vor einem Haushaltssicherungskonzept – die Kommunalaufsicht hätte sonst die Finanzen der Stadt übernommen und wäre der eigentliche Chef in Köln geworden. Sehr konkrete „Effizienzgewinne“ in Höhe von €5 Millionen für 2017 sowie €10 Millionen ab 2018 ff. stellten die Verwaltungsreformer in das Zahlenwerk ein, „da zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war“, an welcher Stelle es zu den Einsparungen kommen werde.

Die Formulierung suggeriere, dass es noch eine Klärung geben werde. “ Dies ist jedoch nicht erfolgt“, stellt das RPA lapidar zu dem Bilanztrick fest. Den KR-Artikel von Ingo Schmitz mit weiteren Aspekten lesen Sie hier.

Ist das Kontrollorgan RPA womöglich ein U-Boot aus den Tagen sozialdemokratischer Stadtführung? Nein. Formaljuristisch gehört es sogar zum Amt der Oberbürgermeisterin. Sie ernennt dessen Vorsitzenden und die Mitglieder des Gremiums, muss diese Personal-Entscheidungen aber vom Rat billigen lassen. Eigentlich müsste das RPA wegen seiner dennoch unabhängigen Haltung für Zivilcourage ausgezeichnet werden. Als Verwaltungsorgan weiß es, wovon es spricht, und kann den Finger aus tiefer Kenntnis in die Wunde legen. Hut ab, kann ich nur sagen. Landes- oder Bundesrechnungshof sind übrigens deutlich unabhängiger.

Die Verwaltung in toto möchte ich keinesfalls kritisieren. Persönliche Kontakte sind freundlich und einen Anruf bei der städtischen Info-Hotline kann ich jedem empfehlen, der sich vernachlässigt fühlt – so zugewandt sind die Mitarbeiterinnen. Doch höre ich viel von unbesetzten Stellen, Gehältern, die nicht konkurrenzfähig sind, und von Überarbeitung.

Insider rühmen belastbare Strukturen, wenn die Richtigen unter den rechten Umständen zusammenkommen – wie beim Neubau des Stadtarchivs etwa, das geräuschlos und sogar zügig entstand.  Doch geht es bei Reformen der Verwaltung darum, solche begünstigenden Strukturen zu systematisieren und zu verstetigen, damit sie eben nicht dem Zufall oder glücklichen Umständen unterworfen sind. Wenn die eigenen Kolleginnen und Kollegen vom Rechnungsprüfungsamt, also keine externen Controller, zu einem derart vernichtenden Urteil kommen, wäre ein wenig Nachdenklichkeit angesagt. In der städtischen Stellungnahme kann ich sie jedoch nicht finden. Sie watscht vielmehr die eigenen Leute ab. Einen weiteren Bericht der Kölnischen Rundschau dazu – die Stadt kommt hier zu Wort – habe ich hier verlinkt.

Warum ich erst jetzt mit dem Thema komme? Sieben Monate nach Erscheinen der Berichte? Weil ich mich wundere, dass die Politik das Thema bisher beiseitegelegt hat. Die SPD sprach von einem teuren Flop, die FDP von „glattem Scheitern“ und gab die Note 6. Mehr kam seither nicht. Nun versackt das Thema langsam in der Melange aus Wurstigkeit, Reizüberflutung und Fatalismus, die zum Leben in Köln gehört wie der Rhein. Daher erinnere ich daran und bin einig mit Konrad Adenauer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins sowie leidenschaftlich kritischer Zeitgenosse.

Ausgebliebene politische Konsequenzen des Stadtrates nennt Adenauer „skandalös“. Der Verwaltung dürfe man „die nichtssagende Äußerung, die >erfolgreich abgeschlossene< Reform habe Fortschritte gebracht, nicht durchgehen lassen.“ Kostenersparnisse sowie deren Berechnung habe sie klipp und klar darzulegen. Adenauer wörtlich: „Ich fordere im Sinne der kommunalen Demokratie, die Berichte des RPA zu veröffentlichen, wie es der Bundesrechnungshof tut.“

Es geht nicht nur um viel Geld in einer klammen Stadt, sondern auch darum, wie gut sie für die Bürger arbeitet. Ein Beispiel: Die digitale Bau-Akte. Gibt es sie? Für die Antwort muss man Radio Eriwan bemühen. Im Prinzip gibt es die digitale Bauakte. Doch berichten befreundete Architektinnen und Architekten, dass sie leider bei ihren aktuellen Projekten noch nicht zum Zuge kommt.

Glauben wir also an morgen. Dann wird vielleicht auch das Wetter besser.

Herzlich grüßt
Ihr

Peter Pauls