NEWSLETTER 23.08.2024

Kölsch in der Krise. Warum es in Köln nicht mehr gut läuft

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ja, wir müssen reden. Mal nicht über die Domplatte, nicht über den Verkehr, nicht über die Opernbaustelle, sondern über das flüssige Kulturgut dieser Stadt: das Kölsch. Auch das läuft offenbar nicht mehr so richtig. Der Bierkonsum in ganz Deutschland sinkt stetig. 2023 verzeichneten deutsche Brauereien einen Rückgang der Bierverkäufe um 4,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Rückgang betrifft auch unser Kölner Nationalgetränk. Zwar schrumpft der Gesamtbiermarkt in Deutschland schneller als der Kölsch-Markt, aber auch dieser kann sich dem Abwärtstrend nicht entziehen. Das ist besonders bemerkenswert in einer Stadt, die normalerweise keine Gelegenheit auslässt, ihre kölschen Eigenheiten zu feiern und zu preisen: Kölsch, Kirche, Karneval. Dieser Spruch prägt seit vielen Jahren das Image dieser Stadt. Und jetzt das: Köln trinkt weniger Kölsch!

Die Lage ist offenbar sehr ernüchternd. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Kölner Brauereien ist jetzt deswegen eine gemeinsame Aktion für unser lokales Bier gestartet: „Kölsch verbindet“, steht auf den Plakaten, auf denen zwei Kölschstangen anstoßen – und das ohne eine Markennennung, wie sonst üblich in der Werbung. Den Initiatoren geht es um mehr als nur ein Bier, es geht um ein Stück Köln, um Tradition, um Zusammenhalt. Im Grunde offenbart die Kampagne aber, dass ein wichtiger Wirtschaftszweig in Köln an Prosperität verliert. Kaum einer weiß noch, dass „Kölsch“ erst 1997 als geografisch geschützte Bezeichnung anerkannt wurde, was den Kölner Brauern damals half, ihre Existenz zu sichern. Davor gab es jede Menge Wildwuchs auf dem Biermarkt. Heute, mehr als 25 Jahre später, ist das Glas wieder halb leer.

Wer aus Köln kommt, ist mit Kölsch aufgewachsen. Keine Familienfeier, keine Hochzeit, kein Geburtstag, sogar keine Beerdigung ohne Kölsch. Und die Kinder mittendrin. Zapften, reichten den Kranz rum oder durften auch schon mal probieren. Da ist die Liebe zum Kölsch quasi in der Kölner DNA. Eine Verbundenheit, die „Immis“ erst noch lernen müssen, vor allem die jüngeren. Diese Generation greift auf Partys eher zu Lifestyle-Getränken statt zum Kölsch. Das Problem ist aber offenbar nicht nur eine Generationenfrage.
Die Gastronomie kritisiert mehr: Es fehle an Würdigung, an Aufmerksamkeit, an einer angemessenen Bühne für die lokale Spezialität.

„Kölsch darf nur in Köln gebraut werden“, klärt Melanie Schwartz-Mechler auf. Die 41-jährige Kölnerin ist nicht nur Geschäftsführerin der traditionsreichen Brauerei zur Malzmühle, sondern auch im Vorstand des Kölner Brauerei-Verbandes. Für sie ist das Besondere an Kölsch seine Leichtigkeit. Das passe einfach gut zur lockeren Mentalität unserer Stadt. Denn nirgendwo fühlen sich Fremde so schnell willkommen wie im Kölner Brauhaus. Übrigens hat die Domstadt nach München die höchste Brauereidichte. „Heimat ist da, wo Kölsch nicht nur gesprochen, sondern auch getrunken wird, und das müssen wir wieder stärker herausstellen“, meint Melanie Schwartz-Mechler. „Das schaffen wir aber nur, wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen – von der Stadtspitze, über die Brauereien bis zum einfachen Kölschkneipen-Gänger.“

In diese Aufbruchsstimmung mischen sich aber auch einige kritische Töne, die das Verhältnis von Kölsch und der Stadt hinterfragen. Für sie ist die Identifikation mit Kölsch und dem dazugehörigen Brauchtum ein Indiz dafür, dass Köln in bestimmten Bereichen zurückbleibt – sei es in Bezug auf Innovation, Stadtentwicklung oder gar Sauberkeit. Wenn das tatsächlich zutreffen sollte, schadet die Kölschduselei auch wichtigen Standortfaktoren. München wird beispielsweise auch nicht über Weißbier oder Berlin über Berliner Weiße definiert, und Düsseldorf nennt sich gerne Landeshauptstadt und nicht die Stadt des Altbieres. Über die „Marke Köln“ sollte wieder ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden, finde ich. Denn Köln hat viele Herausforderungen, die weit über die Frage von Kölsch und Kölner Selbstverliebtheit hinausgehen. Probleme wie Infrastruktur, Bauen oder Verkehr resultieren aus unseren komplexen städtischen Strukturen. Deshalb ist für mich Kölsch eher ein kulturelles Symbol, das die Identität unserer Stadt prägt und weniger der „Sündenbock“ für die Probleme. Wer unsere lokale Spezialität unterstützen will, muss halt öfter zum Glas Kölsch greifen, statt zum Glas Wein.

An eine der vielen Herausforderungen unserer Stadt schließt unsere erste Podiumsdiskussion nach der Sommerpause am Donnerstag, den 12. September 2024, um 19:30 Uhr im Hotel Excelsior an: „Aus für die Wunschkonzerte in Köln? Wieviel Kultur kann sich die Stadt noch leisten?“

Es diskutieren mit mir: Stefan Charles, Kulturdezernent der Stadt Köln, Annette Imhoff, Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums, und Dr. Matthias Hamann, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums. Wir gehen der Frage nach, ob Projekte wie die Historische Mitte, die anstehende milliardenschwere Sanierung der Philharmonie und eine fertige Oper Köln nur noch Wunschkonzerte bleiben. Wie kommt es, dass ein privatgeführtes Museum jährlich mehr Besucher hat als alle städtischen Museen zusammen? Gleichzeitig lenken wir den Blick aber auch auf das, was gut läuft und was angesichts knapper Haushaltskassen in Köln kulturell überhaupt noch Zukunft hat. Zur Anmeldung geht’s hier: info@koelnerpresseclub.de

Ich freue mich auf Sie und grüße Sie herzlich,

Ihre
Claudia Hessel