NEWSLETTER 25.10.2024
Warum Olympia in Köln mehr als nur ein Traum sein kann und wir uns heute schon bei Paris bedanken können
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
stellen Sie sich das vor: Tausende Fans säumen den Weg der Radrennfahrer, die ihrem Namen alle Ehre machen. Mit hoher Geschwindigkeit zischen sie über Wallrafplatz, Trankgasse sowie An den Dominikanern vorbei, entschwinden Richtung Unter Sachsenhausen, den Dom im Hintergrund. Die Fotos gehen um die Welt. Jubel der Massen an Zuschauern begleitet sie. Die stehen dicht gedrängt am Straßenrand oder sitzen auf Tribünen vom Rosenmontagszug. Eine Million Besucher aus aller Welt melden die Veranstalter später. Kein Wunder. Die Strecke liegt günstig am Kölner Hauptbahnhof.
Verzeihung – ich habe nur geträumt. Der Anlass? Bilder, wie sie von den Olympischen Spielen in Paris um die Welt gingen, könnte auch Köln liefern. Sicher auch die Region „Rhein Ruhr City“, die sich gut gerüstet sieht und mit der Idee flirtet, sich um die Austragung der Sommerspiele 2036 oder 2040 zu bewerben. Köln ist Teil dieses Verbunds und liefert mit seinem Rosenmontagszug neben dem Frohsinns- auch ein Management-Testat ab. Aber auch Hamburg, Berlin, Leipzig und München gelten als mögliche deutsche Kandidaten, sagt Torsten Burmester, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Vor mehr als 25 Jahren erlebte ich in kurzer Folge erst den EU- und danach den G 8-Gipfel im Schatten des Doms. Seit Bill Clinton in der Malzmühle ein Kölsch trank und witzelte, er sei ein solches, weiß ich, wozu Köln imstande ist. Darin wurzelt mein Glaube an diese Stadt, die damals eine regelrechte Wesenhaftigkeit annahm, in der sich alles vereinte: Menschen, Offenheit, die Freiheit, die ein Fluss bringt, das Erbe von Römern und Franzosen, der eigene Dialekt und die kulturelle Prägung, Kanten zu glätten. „Unser Bill“-Rufe gehörten auch dazu. Solche Erfahrung kann Vorbehalte entkräften, die Olympische Spiele sonst immer wieder verhindern. Köln ist selber ein Großereignis. Jedenfalls denken seine Bewohner das gerne.
Moderne Spiele sind keine Neubauorgien mehr. Sie setzen auf den Bestand an Stadien, Parcours, Wasserflächen und Großhallen wie die Lanxess Arena. 95 Prozent der für die Spiele benötigten Sportstätten sind in NRW bereits vorhanden. Heute gehe es eher darum, Menschen breit zu beteiligen für ein niedrigschwelliges Olympia, erklärt Torsten Burmester.
Wir sollten uns bei den Franzosen bedanken, dachte ich nach einem Gespräch mit ihm und dem deutschen Botschafter in Paris. Denn sie haben uns gezeigt, wie es gut ausgehen kann. Stephan Steinlein berichtete von den enormen Bedenken im Vorfeld der Spiele, von der angedrohten Massenflucht Pariser Bürger. Und davon, wie die Stimmung sich dann drehte. Es muss dieses Moment im Spiel gewesen sein, dass ich damals beim G 8-Gipfel spürte und das Köln in einen facettenreichen, freundlichen Gastgeber verwandelte.
War es die grandiose Eröffnungsfeier in Paris, die um die Welt ging? War es, dass die Bürger überrascht von sich selbst waren? Von Erfolg, Sicherheit und der Magie des sportlichen Wettbewerbs? Dass die Pariser ihre Stadt neu entdeckten, weil sie sich in den Augen der internationalen Besucher spiegelte? Sind Begeisterung und Freude ansteckend? Natürlich sind sie das. Ich weiß, wovon ich rede. Als gebürtiger Ostwestfale habe ich das in Köln beobachtet: Begeisterung bringt Begeisterung hervor.
Stephan Steinlein ist ein besonderer Diplomat. Er war, als Botschafter der ersten tatsächlich vom Volk gewählten Regierung, gleichzeitig letzter Botschafter der DDR in Paris. Vorher lernte er Stahlwerker und machte dabei sein Abitur, studierte Theologie und legte darin das 2. Staatsexamen ab. Sein Lebenslauf führt geradlinig durch eine Zeit von Brüchen. Da nimmt es nicht Wunder, dass er die Bürgermeisterin von Paris begleitete, als diese demonstrativ in der Seine schwamm – obwohl er damals erkältet war. „Ich stand im Wort und konnte keinen Rückzieher machen,“ erinnert er sich an die Aktion mit Anne Hidalgo, die für den belasteten Fluss werben wollte. Dort fanden Schwimmwettbewerbe statt.
Am Beispiel Frankreich lässt sich weiter durchdeklinieren, was demokratische olympische Spiele auszeichnet. Man müsse die Menschen mitnehmen, sagt Stephan Steinlein, aber auch etwas wagen und einig sein. Hilfreich war, dass die Politik in einer „ganz großen Koalition“ zusammenfand. Innovativ und nachhaltig müssten die Spiele sein. Es sei nicht viel gebaut und manchmal auch unkonventionell geplant worden mit einem Stadion für Basketball in der einen und Handball in der anderen Hälfte.
Das olympische Dorf wurde in Saint-Denis errichtet, einem berüchtigten Vorort von Paris. Abgehängt und gefährlich, urteilten Medien und bescheinigten dem Viertel hernach, ein guter Mitgastgeber gewesen zu sein. Das Dorf war von vornherein für Sportlerfamilien geplant, was die Nachnutzung erleichtert, die hier Sozial- und Mietwohnungen ebenso wie Wohneigentum vorsieht. Nachhaltig und innovativ, befindet Torsten Burmester. Die Spiele brachten auch eine verlängerte Metro-Linie bis zum Flughafen und eine neue Schwimmarena. Die Investitionen stammen übrigens aus nicht-staatlichen Quellen.
Von „bleibenden Effekten“ spricht Botschafter Steinlein, was auch für das Selbstverständnis im Land gilt. Befreit von Klischees der Vergangenheit erstrahlt ein neues Bild des Sehnsuchtsortes Paris, frisch und zeitgemäß. Eine Wirkung, die sich über Jahrzehnte spannt, wie viele hoffen.
Demokratisch sind solche Spiele, wenn sie ein Gegenentwurf sind zum befohlenen Jubel in autoritären Staaten, wenn diese sportliche Großereignisse veranstalten. Dort, wo man nicht weiß, ob Begeisterung echt ist oder ein Regime sich reinwaschen will, wie in China, Russland, Katar oder Saudi-Arabien. Jubel, der aus der Begeisterung für den Augenblick entsteht ist etwas anderes als Jubel auf Bestellung. Und auch hier muss ich sagen: Frei Jubeln kann Köln ziemlich gut und gerne aus gutem Grund.
Olympia, um einen Schritt weiter zu kommen, um zu sehen, was in einem steckt und um selbstbewusster voran zu gehen? Ein solches Olympia wünsche ich mir. Es könnte eine Region zusammenschweißen, die sich bisher nicht als Region erlebt. Was für ein Ziel!
Nun zu Susanne Hengesbach. Allein wegen eines einzigen Satzes würde es sich lohnen, noch einmal ins Kino zu gehen, wenn der 50 Jahre alte Film Alexis Sorbas läuft: „Hast du jemals etwas so bildschön einstürzen sehen?“ Woran liegt es, dass einem dieses Filmzitat so vertraut erscheint? Darüber diskutiert sie in ihrem neuen Poetry-Stück UNTERIRDISCH mit ihrem Neffen Jan . . .
Herzlich grüßt
Ihr
Peter Pauls
P.S.: Was halten Sie von Olympia an Rhein und Ruhr, vor allem aber in dieser Stadt? Gerne schreiben Sie uns unter info@koelner-presseclub.de