NEWSLETTER 01.11.2024

Rundfunk und Verlage streiten über die Aufteilung des Medienmarkts. Dabei verlieren sie ihre wahren Gegner aus dem Blick. 

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Sie lesen diesen Newsletter sehr wahrscheinlich auf dem Handy, am Computer oder Tablet. Denn in gedruckter Form gibt es diesen Newsletter gar nicht. Käme er nicht vom Kölner Presseclub, sondern von einer Rundfunkanstalt, so müsste ich ihn künftig erst als einen Radiobeitrag oder eine Fernseh-Dokumentation fürs Fernsehen produzieren. Warum? Damit soll die sogenannte „Presseähnlichkeit“ im Rundfunk verhindert werden.

Nun passt das Wort Presseähnlichkeit schon irgendwie nicht mehr ins Jahr 2024. Tatsächlich dauert die Diskussion über dieses Streitthema schon viele Jahre an. Zeitungsverleger kritisieren, dass ihnen Texte von Onlineangeboten der Rundfunkanstalten das Geschäft erschwere. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig vergangene Woche war das Thema allgegenwärtig.

Im Vorfeld der Konferenz haben die Länderchefs mehr als 16.000 Eingaben auf den Entwurf des sogenannten Reformstaatsvertrags erhalten. Selten dürften die geplanten Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so viel Resonanz erzeugt haben. Mehrere Spartensender im Fernsehen sowie bundesweit 17 Hörfunkprogramme sollen eingestellt werden. Außerdem geht es um das Dauerstreitthema Rundfunkbeitrag – und eben um die Presseähnlichkeit.

Die Onlineauftritte der Rundfunkanstalten sollen nicht aussehen wie eine Zeitung. Abgesehen von der Frage, wie im Internet überhaupt eine Zeitung aussehen kann, geht es beim Streit vor allem den reinen Text. Im Kern wird diskutiert: Wie viel Text wird veröffentlicht – und wann? Auf Onlineangeboten wie Instagram fragte beispielsweise die Tagesschau „Was ist denn hier los?“. Die Story bestand aus einem schwarzen Bild, als sei der Onlineauftritt der Tagesschau bereits abgeschaltet. Seit der Vorschlag zur Verschärfung der Presseähnlichkeit vor ein paar Wochen öffentlich wurde, herrscht in einigen Belegschaften der ARD große Unruhe. Besonders junge Leute, die erst seit kurzem überhaupt im Berufsleben stehen, sehen ihr Ende im Mediengeschäft schon vor sich.

Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt ist, dass es die gesetzliche Regelung im Reformstaatsvertrag möglicherweise gar nicht gebraucht hätte. Immer wieder habe ich aus verschiedenen Kreisen gehört, dass Politik, Verlage und Rundfunkanstalten nicht gut miteinander sprechen konnten, um das Thema hinter verschlossenen Türen in einen Konsens zu überführen. Dabei spielen wohl auch unterschiedliche Umgangsformen und Prinzipien eine wichtige Rolle. Es wäre für mich, der auch als Autor für den ÖRR tätig ist, schön zu sehen, wenn mit dem Wechsel des ARD-Vorsitzes vom SWR zum HR auch eine neue Gesprächskultur einzöge.

Die neue Regelung zur Presseähnlichkeit halte ich nicht nur für unnötig, sie lässt vor allem außen vor, dass die Probleme der Medienlandschaft in Deutschland ihre Wurzeln mittlerweile in den USA und Russland haben: Techkonzerne werden künftig ihre Artikel durch künstliche Intelligenz erzeugen und das Internet mit deutschen Texten fluten. Dabei wird niemand die Frage stellen, wie der Text denn überhaupt erzeugt wurde.

Auf der anderen Seite geht es darum, Fake-News und russische Desinformation in den Griff zu bekommen. Die Diskussion, ob dadurch nun ein Verleger einen wirtschaftlichen Nachteil erfährt, wird leider bislang zu wenig diskutiert. So ein Problem löst sich aber nicht auf einer Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig. So etwas müssten wir nach guter Kölner Tradition mit Gesprächen und gemeinsamen Zielen lösen.

In Vergessenheit gerät nämlich: schon 2016 kam es in der Medienlandschaft zu einem Bruch, gegen den sich die Medienschaffende nur gemeinsam entgegenstellen können: Brexit und Trump. In Großbritannien hatte das Analysehaus Cambridge Analytica die Facebook-Profile von Millionen Wähler ausgewertet. Auf diese Weise konnten politische Kampagnen und Fake-News gezielt gestreut werden – mit Erfolg. Der Brexit kam. Wenige Monate später folgte der Wahlsieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl, der auf ähnliche Weise über Social Media Wahlkampf führte.

Und heute? Da gehört ein Kurznachrichtendienst wie X (vormals twitter) einem Elon Musk, der sich als größter Wahlkämpfer für eine zweite Amtszeit von Donald Trump präsentiert. Währenddessen streiten Verleger und Anstalten über die Länge von Texten. Es passt für mich in die derzeitige politische Lage: Das Klein-Klein ist wichtiger als eine Gesamtstrategie.

Deshalb mein Aufruf: rauft euch bei Anstalten und Verlagen endlich zusammen!

Mit hoffnungsvollen Grüßen

Ihr
David Rühl