NEWSLETTER 16.5.2025

Wie Bücherschränke für soziale Welten stehen, Zeitungsleser einer Mutter und ihrem Sohn halfen und die Volksbühne Unterstützer braucht  

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

haben Sie auch einen öffentlichen Bücherschrank in der Nähe? Einen, in den Sie ausgelesene Bücher stellen? Oder aus dem der eine oder andere Titel Sie so angesprochen hat, dass Sie ihn mitnahmen? Ich kenne vier im näheren Umfeld. Die Schränke verdienen ihren Namen, denn sie sind eine langlebige Mischung aus Stahl, Glas, Basaltsockel (nur in Köln) und Tresor, doch trotz aller Robustheit zurückhaltend im Auftritt. Was ich nicht wusste ist, dass diese Schränke aus meiner Nachbarschaft kommen.

Im Kunstzentrum Sürther Wachsfabrik, einem wuseligen Ensemble alter Backsteinbauten, stellt der Stadtplaner und Architekt Hans-Jürgen Greve sie mit fünf festen Angestellten her. Weil mir jüngst nahegelegt wurde, mehr Positives zu schreiben, stelle ich Ihnen diese Initiative umso lieber vor. Rund 1200 öffentliche Bücherschränke hat Greve seit 2008 produziert. Man findet sie überall in Deutschland. Auch in einem ausführlichen Gespräch vor seiner verwunschen gelegenen Werkstatt, an die sich seine Wohnräume anschließen, weiß Greve nur Gutes zu berichten, seit er 2008 den ersten Schrank aufstellte (in Bonn) und 2010 den ersten in Köln (in Bayenthal).

Ob ihn nicht der Amtsschimmel behindere, wollte ich wissen? Nein, antwortete der 60jährige. Als Stadtplaner könne er mit Bürokratie umgehen. Vandalismus? Ganz selten. Einmal sei ein Lkw gegen einen Schrank gefahren, der sei umgefallen und wieder aufgerichtet worden. Alles passte weiter, dank der massiven Konstruktion aus Zehn-Millimeter-Cortenstahl. Vier Fünftel seiner Erfahrungen seien gut, bilanziert der gebürtige Sauerländer. Nichts könne das Bild ernstlich trüben. Eine Erfolgsgeschichte.

Das hängt auch mit Greve selbst zusammen, der ein methodisch vorgehendes Multi-Talent ist. Dem ersten Bücherschrank, den er überhaupt sah, haftete etwas Improvisiertes an. Die Bücher darin waren nass, einige vermodert. Doch sein Interesse war geweckt. Nur wollte er es besser machen und musste technische Fragen beantworten. Zum Beispiel: Wie schließen die Türen sauber? Wie kann dennoch die Belüftung der Bücher garantiert werden?

Das professionelle Produkt, das heute seine Werkstatt verlässt, verdankt sich dem Zusammenwirken verschiedener Berufsfelder, die Greve in sich vereint. In einer Schreinerei aufgewachsen, ist er von Herzen Handwerker – doch ebenso Architekt, Stadtplaner und Zeitgenosse mit wachem Blick. Neun Schranktypen umfasst die gesamte Produktionsbreite. Davon gibt es rheinabwärts nur ein einziges Modell, das in schickem Messing-Ton gehalten ist: Das Düsseldorfer Modell. In Köln hingegen besteht der Sockel aus Eifeler Basalt, wie bei den Romanischen Kirchen. Damit seien alle Vorschriften auch für denkmalgeschützte Plätze erfüllt, indem deren Formen- und Materialsprache aufgenommen wird.

Doch dann geht es erst los. Denn soll ein Bücherschrank gedeihen, muss er Teil eines sozialen Systems sein. Wie ein Pilz, der Fruchtkörper eines Netzwerks im Erdreich ist, des sogenannten Myzels: Passt der Bücherschrank auch stadtplanerisch, ist ausreichend Betrieb am Standort und gibt es eine Initiative, die ihn pflegt, dann ist dieses Myzel intakt. In Sürth sind das die Dorfgemeinschaft und der Verein für Sürth. Diese Paten sorgen dafür, dass der Platz nicht vermüllt, der Schrank regelmäßig aussortiert wird und Leben um ihn herum ist.

Greve verbringt viel Zeit damit, Standorte zu bewerten, deren Entwicklung zu verfolgen und Paten zu finden. Die Erfolgsgeschichte dieser Bücherschränke verdankt sich dem Streben ihres Erfinders, Leuchttürme für ein Viertel zu schaffen, soziale Welten also, wie es früher der Marktplatz war. Die Bücherschränke warteten nur darauf, von ihm entdeckt zu werden. Wenngleich im Wortsinn nicht völlig korrekt, finde ich diese Formulierung am treffendsten.

Mehr über seine Initiative hier oder an jedem ersten Sonntagnachmittag im Monat in der Wachsfabrik. Der Architekt verdient mit den Bücherschränken zwar Geld, ihm geht es aber auch um einen positiven Beitrag zur Gesellschaft. Daher nenne ich ihn einen Sozialunternehmer wie auch den Deutschen Eckhardt Dauck, der in Afrika aus Stroh Häuser baut, wie Sie hier lesen.

Noch eine positive Nachricht: € 22.500 für die Ferienbetreuung behinderter Kinder an der Belvedere Förderschule haben LeserInnen des Kölner Stadt-Anzeiger spontan gespendet. Der Anlass: In der Rubrik „Zwei Kaffee, bitte“ berichtete Susanne Hengesbach über den neun Jahre alten, schwerstbehinderten Henry, seine Mutter Eva Karbaumer und ihre Probleme, Ferien machen zu können. Hier lesen Sie den Artikel, der so anteilnehmend wie möglich und so sachlich wie nötig geschrieben ist. Zeitungsleser sind etwas Besonderes, folgert meine Kollegin. Ihr Fazit: „Derselbe Bericht auf Facebook gepostet hat 17 hochgereckte Daumen, einen freundlichen Kommentar und € 0,0 gebracht. Da soll noch mal einer was gegen die gute alte Tageszeitung sagen . . .“

Last but not least: Die Volksbühne am Rudolfplatz. Ihr Karma ist mit Händen greifbar. Kurz nach dem Krieg begann Willy Millowitsch auf Drängen von Bundeskanzler Konrad Adenauer hier zu spielen. Heute führen Axel Molinski und Birger Steinbrück die Geschäfte. Die Volksbühne ist non Profit. Getragen von gutem Programm und vor allem gutem Willen. In diesem Jahr feiert sie das Zehnjährige. Ziel im Jubiläumsjahr: Die Erneuerung des Gestühls mit seinen 400 Plätzen. Ein Sockelbetrag liegt bereit und die TheatermacherInnen bitten um Hilfe. „Leisten Sie sich ein Stück „Volksbühne am Rudolfplatz“, sagen sie. „Für € 300,– als Spende mit amtlicher Spendenquittung oder auf Rechnung über € 300,–/netto. Mehr hier.

 

Ein sonniges Wochenende, geprägt von gutem Willen, wünscht Ihnen

Ihr

Peter Pauls