NEWSLETTER 11.07.2025
Experte warnt: Warum die Marke Köln Schaden nimmt – In München setzt ein Kultur-Provisorium die Messlatte hoch
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs!
„Erst hatten wir kein Glück, dann kam noch Pech hinzu.“ Wenn ich an Köln denke, kommt mir dieser Fußballerspruch in den Sinn. Jüngstes Beispiel: Die Umbenennung von Spielplätzen. Aus dem Stand schaffte es das Thema in überregionale Medien wie Süddeutsche Zeitung und Neue Zürcher. Eine Flut von Empörung ergoss sich über Politik und Verwaltung. Nachdenkliches, vom Stadtjugendring NRW etwa, war erst gar nicht gefragt.
Unter den deutschen Großstädten ist Köln der Unglücksrabe. Immer gut für politischen Slapstick. Man traut der Stadt schnell alles zu. Richtig gemein kann das mitunter sein, kommt aber leider nicht von ungefähr. Verkorkste Verkehrsberuhigung, Dauerbaustelle Brücken, die nicht enden wollende Sanierung der Oper – da ist die „Spiel- und Aktionsfläche“ nur die Kirsche auf der Sahnetorte.
„Die Marke Köln nimmt Schaden“, bilanziert Alexander Rauch, geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Agentur „Spirit for Brands“. Mit seinem Team kümmert er sich um alles, was mit dem Thema Marke zu tun hat. Das reicht vom Flughafen bis zu Finanzprodukten der Sparkassen. Wie baut man Marken auf, wie pflegt man sie, wie ändert man die Markenbotschaft? Rauch fasst die Aufgabe für sich und sein Team so zusammen: „So wie ich sein möchte, will ich auch wahrgenommen werden.“
Und Köln? Nachdem ich mich lange mit dem Marken-Experten unterhalten habe, würde ich sagen: Köln ist ein Marken-Wildwuchs. Vor mehr als 60 Jahren bildete die Marke sich auf natürliche Weise aus Rhein, Kölner Dom, Karneval, 1. FC Köln und einem Modernitätsversprechen, das in der ersten Fußgängerzone Deutschlands, der Hohe Str., und der legendären grünen Welle wurzelte – Dauergrün für die wenigen Autofahrer, wenn sie sich an Tempo-Regeln hielten. Dieses Köln, das nach 1945 eine phänomenale Aufbauleistung hingelegt hatte, war trotz kriegsbedingter Lücken eine moderne Stadt, in der ich Lebensgefühl tankte, wenn ich in den 60er Jahren als Teenager zu Besuch war.
Heute erinnert mich die Marke von damals an einen überwucherten Schrebergarten. Irgendwo wachsen noch verwilderte Erdbeeren oder Bohnen. Lange schon überziehen aber die Brombeeren die ehemals kultivierten Flächen. Nein, niemand will heute mehr die grüne Welle. Aber was ist an deren Stelle getreten? Wo ist Köln besonders? Mir fällt wenig ein. Außer der Dauerklage, es sei kein Geld da.
Markenexperten haben einen Grundsatz: Wir müssen wissen, wohin die Marke soll! Im Fall von Köln ist das einfach und schwer zugleich. Köln ist Oberzentrum sowie Ziel von gut 300.000 Pendlern täglich und muss doch auch lebenswert für seine Bewohner sein, Wohnraum, Arbeits- und Ausbildungsplätze bieten. Köln würde wachsen, wenn man es denn ließe. Eigentlich sind das ideale Wahlkampfthemen für die OB-Kandidatin und -Kandidaten. Für welches Köln steht ihr? Bisher habe ich dazu wenig gehört.
Markenbildung ist auch Stadtentwicklung, wenn es um Köln geht, sagt Alexander Rauch. Wer wollen wir sein, wo wollen wir hin? In Bielefeld habe man viele gute Antworten gefunden, sagt der Experte beiläufig. Nicht falsch verstehen: Da wollen wir nicht hin! Ich weiß, wovon ich rede, denn ich komme aus Ostwestfalen. Aber vielleicht . . . Köln ersetzt durch Eigenliebe, wo es an realer Selbsteinschätzung mangelt. Der Stadt fehlt die bewusste Gestaltung, sagt der Marken-Experte, der wie ein Seismograph die Absenz von gesteuerter Entwicklung aufzeigt. Er beobachtet einen Rückzug der Bürger aus der City, die Wiederkehr der Veedel und eine sinkende Identifikation mit der Innenstadt.
Was kann man für Köln tun? Zurzeit entsteht eine neue City nicht nach den Wünschen von Investoren, sondern nach den Bedürfnissen eines Publikums, das sich dort nicht mehr wohl fühlt. Kann Köln Olympia-Stadt sein? Die Landesregierung in Düsseldorf wäre glücklich, käme solch ein Bekenntnis vom Rhein. Oder besticht Köln durch kreative Politik? Ohne Wagnis wird sich da nichts bewegen. „Ein fertiges Museum wäre eine feine Sache,“ sagt Alexander Rauch nüchtern und weist noch einmal auf den Wert einer Marke hin: Nach Innen gibt sie Identität, nach außen ist sie attraktiv.
Wir bleiben beim Thema, wechseln aber die Richtung. Lasst über den Bau eines Kölner Louvre nachdenken, forderte der frühere Wallraf-Museumschef Andreas Blühm im Newsletter vom 13. Juni und erzielte damit einen Reichweitenrekord. Nun zieht Blühm eine Bilanz (lesen Sie hier) und hat einen Rat, wenn es mal wieder an Geld mangelt. Es geht darum, dem mächtigsten Gestaltungselement dieser Stadt zu entgehen, dem Sachzwang. Der lautet: Sanieren, bis die Stadt in Schulden versinkt. Köln hat kein Problem mit seinen Kulturbauten. Köln hat ein Sanierungsproblem. Beispiel Mülheimer Brücke: 2018 begannen die Arbeiten, sie sollten 300 Millionen Euro kosten. 2025 ist die Rede von 500 Millionen Euro Kosten und einer kompletten Fertigstellung zehn Jahre nach Baubeginn – in 2028.
Was, wenn man preiswerter saniert oder ganz anders baut? München zeigt, wie kreativ man in ähnlicher Lage handeln kann. Dort muss der städtische Kulturkomplex Gasteig samt Philharmonie und Stadtbibliothek aufwendig für rund eine Milliarde Euro saniert werden. Doch die Interim-Lösung Isarphilharmonie hat sich nun zu einer denkbaren Dauerlösung entwickelt. Der Holz-Modulbau aus Stahl, Glas und Beton ist robust und auf langfristige Nutzung angelegt. Er besticht durch hochwertige Akustik und Großzügigkeit. Und kostet ein Zehntel der Sanierung. Improvisieren, neu denken, den Blickwinkel ändern – das geht – siehe Schauspiel im Schanzenviertel – auch hier.
Ob München tatsächlich beim Provisorium bleibt oder ein spektakuläres Neubau-Konzerthaus realisiert? Die Debatte läuft durch Politik, Kulturszene und Öffentlichkeit. Darüber wird öffentlich nachgedacht in München. Was ist hier möglich?
Wir vom Kölner Presseclub verabschieden uns jetzt in die Sommerpause. Nachdenkend!
Herzlich grüßt
Ihr
Peter Pauls
