NEWSLETTER 25.08.2023

Rheinenergie-Chef Feicht: Energiepreise nie mehr auf altem Niveau
Von vorsichtigem Optimismus, der Zukunft des Buchs und den Fans von Campingplätzen  

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

für Untergangspropheten ist der August nicht wirklich der ideale Monat. Er liegt einfach in der falschen Jahreszeit. Doch im vergangenen Jahr bot er sich an. Deutschland steuerte damals auf den Höhepunkt einer nie dagewesenen Energiekrise zu. Die düsteren Prognosen überschlugen sich: Stromabschaltungen, Kollaps der Wirtschaft, Zusammenbruch des öffentlichen Lebens. Ein Jahr später wirken diese Befürchtungen wie die Erinnerung an einen fernen Albtraum. Zumindest ist der Untergang erst einmal abgesagt.

Aber ist wirklich alles wieder gut? Schließlich ist der Gaspreis deutlich gesunken, er bewegt sich an den Handelsplätzen irgendwo zwischen 30 und 40 Euro pro Megawattstunde. Vor einem Jahr wurden noch mehr als 300 Euro aufgerufen. Jemand, der die Lage einschätzen kann, ist Andreas Feicht. Der Chef der RheinEnergie AG signalisiert vorsichtigen Optimismus: „Die Energiepreise haben sich etwas beruhigt, die Krisenszenarien liegen hinter uns.“ Die Speicherfüllstände näherten sich dem Maximum, es gebe für importiertes Gas genügend  Anlandeterminals, „insofern sind wir für den kommenden Winter erst einmal gut gerüstet.“

Aber gleichzeitig warnt er vor Sorglosigkeit. Die Preise seien auch deshalb so niedrig, weil der Verbrauch fehle. „Sie dürften spätestens dann wieder anziehen, wenn jahreszeitlich bedingt die Nachfrage steigt. Für die Zukunft gilt, Energiepreise werden nicht mehr das Niveau erreichen, das sie noch Mitte 2019 hatten, was am Weltmarkt und den steigenden Kosten für die Energiebereitstellung liegt.“ Deshalb rät der Kölner Energie-Manager auch unbedingt zu Sparsamkeit im Verbrauch. Das sei wichtig für die Energiesicherheit und nicht zuletzt für die Kundinnen und Kunden der Versorger. Schon ein kalter Winter macht Prognosen schnell zu Makulatur, dann gehen Preise rasch mal durch die Decke, von anderen Risiken – geopolitischen, Anschlägen auf die Infrastruktur – ganz abgesehen.

Mittel- und längerfristig arbeiteten, so Andreas Feicht, Stadtwerke und Kommunen an kommunalen Wärmeplänen. Sie sollen Sicherheit in der Frage bieten, auf welche Heizungsart man in den Häusern einer Stadt künftig setzen soll. „Solche Planungen entstehen nicht in drei Tagen“, bremst er die Erwartung auf schnelle Ergebnisse, „für Städte wie etwa Köln sollen sie, wie andernorts, bis zum zweiten Halbjahr 2026 vorliegen.“

Was drastisch gestiegene Energiepreise bedeuten, spürt eine Branche gerade ganz besonders: Die der Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage. Ihr besonderes Problem ist, dass sie gleichzeitig eine Strukturkrise bewältigen müssen, sich in einem epochalen Transformationsprozess befinden. Die Mediennutzung verändert sich rapide, die Tageszeitung und das Buch müssen einen Platz im schönen neuen und vor allem digitalen Alltag neu erkämpfen. Für den Kölner Presseclub Anlass genug, Kerstin Gleba in die Räume unseres Partners rheingold salon (29. August, 19.30 Uhr) einzuladen. Kerstin Gleba ist seit 2019 Verlegerin des renommierten Kölner Verlags Kiepenheuer & Witsch, der Heimat zahlreicher prominenter Autoren wie etwa des Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Der Verlag gehört seit Jahrzehnten zu den Leuchttürmen des geistigen und gesellschaftlichen Lebens weit über Köln hinaus. Kerstin Gleba wird Einblicke in das schwieriger gewordene Geschäft mit dem gedruckten Wort geben, über Rolle und Zukunft des Buchs, über Autoren und – ja, auch das – Skandale. Zwar ist der rheingold salon bereits ausgebucht, aber für die Abonnenten unseres Newsletters habe ich fünf Karten zurückgelegt (Anmeldung über info@koelner-presseclub.de). Diesen Abend im Kölner Presseclub sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

Nicht nur solche Veranstaltungen gehören zur liebgewordenen Tradition im Kölner Presseclub. Auch der Poetry-Podcast unserer Kollegin Susanne Hengesbach hat mittlerweile seinen festen Platz und seine treuen Fans. In der aktuellen Ausgabe geht es um eine Spezies, die die Gemüter bewegt und Menschen sortenrein teilt in begeisterte Befürworter und entschiedene Gegner: Die Campingplatz-Benutzer. Im Gespräch mit ihrem Neffen Conrad nimmt Susanne Hengesbach diese sehr spezielle, aber weit verbreitete Gattung aufs Korn. Vielversprechender Titel dieser Podcast-Ausgabe: „Freiwillig eingesperrt“. Ich freue mich drauf. Sie finden sie hier.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

 

 

NEWSLETTER 18.08.2023

Mehr handeln statt schönreden. Anwohner am Kölner Neumarkt wollen nicht mehr vertröstet werden und fordern Schluss mit der Kuschelpolitik.

 

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Köln ist schäbig. Die spontane Äußerung einer Frau neulich auf der Domplatte überraschte mich nicht. Die Dame musste ihrem Frust offenbar einfach Luft machen. Ich war an diesem Abend auf dem Weg zum Parkhaus. Ein Ort, an dem man besser keinen tiefen Atemzug nimmt. Eau de Cologne – der wahre Duft von Köln. Wenn das emsige Treiben tagsüber in Köln ruht, dann fällt es noch mehr auf, wie unattraktiv gerade die Innenstadt ist: Überquellende Mülleimer, lose Steine, hässliche Graffiti, geschlossene Kulturstätten, verlotterte Baustellen. Viele Kölner haben das Gefühl, dass die Stadt der Situation nicht mehr Herr wird. Das findet auch Konrad Adenauer. „Es ist doch erschütternd, dass erst Kölner Stadtführern der Kragen platzen muss, weil sie sich für unser Stadtbild vor Touristen schämen, bevor das Thema von der Kölner Oberbürgermeisterin zur Chefsache gemacht wird“, sagt mir der Vorstandsvorsitzende des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins.

Und wo bleibt die Chefsache Kölner Neumarkt? An dem zentralen Ort hält man sich eigentlich nur auf, um auf die Bahn zu warten. Doch es tut sich was. Bis Ende August soll ein gelber Pavillon mit Kulturprogramm auf dem trostlosen Platz zum Verweilen animieren. Lesungen, Konzerte, Zaubereien und Chill-out Musik zwischen tosendem Autoverkehr, kranken Junkies, kriminellen Dealern und betrunkenen Obdachlosen. Großstadtleben in Köln im Jahre 2023. Ob daran der historische Brunnen, der gerade für 1,5 Mio. Euro aufwändig renoviert wird, etwas ändert? Oder das schlicht gehaltene Gastronomiekonzept, das in Kürze zur besseren Aufenthaltsqualität beitragen soll? Mit niederschwelligen Angeboten für den Neumarkt also zu mehr Glanz, so plant es die Stadt.

„Glanz hat in Köln keine Chance.“, meint Henrik Hanstein zum Angebot der Stadt. Der 72- jährige ist Mitinhaber des Kunsthauses Lempertz am Neumarkt, des ältesten und größten Auktionshauses in Deutschland. Auch er leidet unter den jahrelangen üblen Zuständen am zentralen Platz. „Den alten Brunnen am Neumarkt wiederherzustellen, löst keine Probleme. Wir müssen endlich anpacken, erklärt er mir im Gespräch. „Die Situation ist immer noch abschreckend, nicht nur für Besucher und Anwohner, sondern auch für die Geschäftsleute rund um den Neumarkt. Gute Ladenlokale sind nicht mehr vermietbar mit dem Dreck und den menschlichen Hinterlassenschaften vor der Haustür.“ Er berichtet weiter, dass Hausbesitzer um ihre Mieteinnahmen fürchten.

Die Stadt Köln hat bereits etliche Maßnahmen ergriffen, um die Situation vor Ort zu verbessern: erhöhte Präsenz von Ordnungskräften, verstärkte Reinigungsmaßnahmen, ein Drogenkonsumraum, Förderprogramme für Obdachlose, soziale Unterstützung für Bedürftige, bis hin zu kulturellen Veranstaltungen. Wohlfahrtsverbände und ehrenamtliche Hilfsorganisationen unterstützen und leisten wertvolle Arbeit. Nichts davon greift nachhaltig, kritisieren Hanstein und Anwohner. Das Problem am Neumarkt sei nicht der Drogenkonsumraum und die Abhängigen, die ihn nutzen. „Es sind die Menschen, die sich ungehindert weiterhin ihre Nadel in aller Öffentlichkeit in den Arm drücken können.“, sagt er. Deren Hinterlassenschaften und das oft aggressive Verhalten betrunkener Obdachloser seien die Dinge, mit denen man sich nicht mehr abfinden wolle.

Schluss mit der Kuschelpolitik.“ sagt Henrik Hanstein und fordert auf dem Neumarkt endlich ein härteres Durchgreifen. Als gelungenes Beispiel zieht der renommierte Kunstfachmann immer wieder die Stadt Zürich heran: „Zürich hat sich den zentralen Platz zurückerobert, dort greift die Polizei rigoros durch“. Mithilfe von Prävention, Repression, Überlebenshilfe und Therapie ist es dort gelungen, dass die Drogen- und Obdachlosenszene weitestgehend aus dem Zürcher Stadtbild verschwunden ist. Warum gelingt das nicht auch in Köln, wundert sich nicht nur er.

In Köln gibt es schätzungsweise mehr als 6.000 Obdachlose. Die genaue Zahl kennt niemand. Tendenz steigend. In der Politik und in weiten Teilen der Gesellschaft herrscht die Auffassung: Obdachlose könne man nicht von ihren bekannten Treffpunkten – Josef-Haubrich-Hof, Wiener Platz oder Neumarkt – vertreiben. Sie seien Teil des großstädtischen Lebens. „Jeder Mensch habe das Recht auf Verwahrlosung“, wird eine Sprecherin des SKM in der Kölnischen Rundschau Ende Juli zitiert. Somit seien auch Fachkräften der sozialen Arbeit die Hände gebunden, wenn Menschen keine Hilfe annehmen möchten.“Der Kölner Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Wohnen, Dr. Harald Rau, spricht in einer Pressemitteilung zum Start des Förderprogramms „Weiterentwicklung der Kölner Hilfen für Menschen im Kontext Obdachlosigkeit“ im Jahr 2022: „Diese Verantwortlichengemeinschaften sollen auch obdachlose und suchtkranke Menschen einbeziehen, die gemeinsam den öffentlichen Raum und die Plätze unserer Stadt als ihr Wohnzimmer gestalten und wertvoll machen.“ Auch auf meine aktuelle Rückfrage bekräftigt er seine Aussage von damals: „Das gemeinsame Wohnzimmer muss wie das in einer WG gemeinsam geplant, gepflegt und bewohnt werden.“ Der Neumarkt als ein Wohnzimmer für alle?

„Ich dachte, ich höre nicht richtig“, reagiert Henrik Hanstein erstaunt, „ich habe den Sozialdezernenten noch nie bei unseren Rundgängen am Neumarkt gesehen.“ Der Dezernent bleibt den Anwohnern jedenfalls eine zufriedenstellende Antwort schuldig auf die Frage, wie man denn die unwürdigen Zustände  am Neumarkt endlich ändern will.  Gesamtkonzept? Fehlanzeige. Stattdessen wird auf die künftige Neugestaltung des Kölner Neumarkts  – inklusive Brunnen und Wohnzimmer  – verwiesen. Irgendwann.

Stückwerk, nichts tun oder schönreden – Mit dem gewohnten Kölner Schema kommt man den aktuellen Herausforderungen nicht bei. Dom, Neumarkt und auch andere Plätze in unserer Stadt wollen die Kölner in der verwahrlosten Form nicht mehr länger akzeptieren. Die Unzufriedenheit wächst. Stadt und Politik sind jetzt in der Pflicht, sonst spielt auch dieses Problem anderen in die Hände – spätestens bei der Kommunalwahl 2025.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte sich auch Susanne Hengesbach in ihrem neuen Poetry-Podcast. Es geht um ihre Partnersuche im Internet. Was sie auf den gängigen Internetportalen erlebt hat, erzählt sie hier. Etwaige  Namensgleichheit mit real existierenden Personen sind rein zufällig, möchte ich für diesen Truestory-podcast nicht unerwähnt lassen. Dennoch trifft Susanne Hengesbach mal wieder den Nagel auf den Kopf.

Viel Spaß beim Hören und bleiben Sie stets hoffnungsvoll in Köln gestimmt.

Es grüßt Sie Ihre

Claudia Hessel

NEWSLETTER 11.08.2023

Tag 535 des Überfalls auf die Ukraine – Was uns ein Rettungs-Rucksack über die Schrecken des Krieges sagt – Ein Besuch beim Blau-Gelben Kreuz

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

der heutige Erscheinungstag dieses Newsletters ist Tag 535 des Krieges, in dem die Ukraine sich befindet. 9.369 zivile Todesopfer sind durch die russischen Angreifer zu beklagen, darunter 541 Kinder. 16.646 Menschen wurden verletzt, darunter 1.139 Kinder, melden die UN. Da es sich dabei aber nur um bestätigte Opfer handelt, liegen die tatsächlichen Zahlen weitaus höher. US-Generalstabschef Mark Milley ging bereits Ende 2022 von allein 40.000 getöteten Zivilisten in der Ukraine aus. Leid, Grauen und Zerstörung jedenfalls sind unermesslich und Zahlen können es ohnehin nur unzureichend fassen.

Warum ich den ersten Newsletter nach der Sommerpause mit diesem bedrückenden Thema beginne? Weil eine Art von Alltag im Umgang mit dem Zivilisationsbruch eingetreten ist. Die Nachrichten aus dem Kriegsgebiet sind wiederkehrender Teil des Tagesablaufs geworden und von der Spitzenposition auf Zeitungsseiten oder in der Tagesschau verdrängt worden. Die mehr als eine Million nach Deutschland geflüchteten Menschen aus der Ukraine sind einigermaßen versorgt, die Willkommenszelte an den Bahnhöfen abgebaut. Allein unser Land hat mehr als eine Milliarde Euro an privaten Spendengeldern für die Opfer des russischen Überfalls aufgebracht. Aber der Krieg geht weiter und der obskure Vormarsch der Wagner-Söldner hat die unberechenbare Wesenhaftigkeit dieses Konflikts markiert. Niemand weiß, wohin er sich entwickelt.

Wenn man das deutsch-ukrainische Hilfswerk „Blau-Gelbes-Kreuz“ in der Kölner Südstadt (Marktstr. 27) besucht, dann ist der Krieg in seiner Zerstörungskraft unversehens nah. Auch die Helfer haben sich professionalisiert und Routinen entwickelt. Ford hat dem Verein mit Autos geholfen, mit Experten von Rewe wurden Packstraßen organisiert, um Hilfsgüter zügig umzuschlagen. Der IT-Experte Oleksii Makarenko hat die Bestände digitalisiert und kann mit einem Blick aufs Handy Auskünfte geben, Geschäftsführerin Julia Chenusha stellte mir die „Babybox“ vor, die Mütter in Kriegsgebieten unterstützt, ihre neugeborenen Kinder in den ersten vier Lebenswochen zu versorgen, auch wenn sie sie nicht stillen können. Das kommt häufig vor, wurde berichtet. Zur Box gehört auch eine Baby-Puppe. In der Kölner Lagerhalle blickte sie mich aus runden, großen Kulleraugen an. In Kürze wird dieses Symbol einer heilen Kinderwelt in das Kriegsgebiet geschickt.

Auf unserem Rundgang durch den Speicher für Hilfsgüter wurde schnell klar, dass es letztlich um Gerätschaften geht, die über Leben oder Tod entscheiden können, über medizinische Behandlung oder Siechtum. Julia Chenusha zeigte mir „Medizin Kits“ für Krankenhäuser. Das sind Erst- oder Notfallausrüstungen für zerstörte oder verlassene Hospitäler. „Wenn russische Truppen ein Krankenhaus aufgegeben haben, ist ohnehin meist alles gestohlen oder zerstört worden“, berichtet sie.

Der „Rettungs-Rucksack“ ist unscheinbar und robust, als wolle er mit seinem Träger auf Reisen an die Traumstrände dieser Welt gehen. Doch anhand seines Inhalts kann man die Schrecken dieses Krieges durchdeklinieren. Er dient dazu, Schwerstverletzte zumindest notdürftig zu versorgen. Einige Beispiele: Mit einem Spezialgurt können Beckenbrüche von verschütteten Menschen versorgt werden. Pressverbände bewahren Kriegsopfer vor dem Verbluten, wenn Geschosse Gliedmaßen abgerissen oder Explosionssplitter tiefe Wunden geschlagen haben. Großpflaster für den Brustkorb verhindern den Kollaps der Lunge und damit den Erstickungstod, wenn der Oberkörper getroffen wurde.

Stets und bei allem müssen die Helfer sich fragen, ob es nicht Freund, Freundin oder Verwandte sind, für die sie diese Überlebensmittel verpacken. So sind sie, obwohl in der Ferne, hautnah dabei. „Wir retten Leben und helfen unserer Heimat“, sagt Julia Chenusha.  

Wir gehen vorbei an Generatoren, Feuerlöschern und Stellwänden, die von Dankesbotschaften aus der Ukraine bedeckt sind sowie von aufmunternden Grüßen von Helfern, Spendern und Institutionen, die die Nothilfe zu ihrem Anliegen gemacht haben. Sie geben den vielen Ehrenamtlichen, die dort anpacken, Zuversicht und beeindrucken Besucher wie mich. Vor dem Gebäude des Blau-Gelben Kreuzes wartet ein kleiner Konvoi etwas betagter Notarztwagen, die kurz vor dem Aufbruch in die Ukraine sind, und in einer Ecke stehen mechanisch verstellbare Krankenhausbetten. „In Deutschland werden sie verschrottet und durch elektrisch betriebene Betten ersetzt“, erklärt Julia Chenusha. „Uns helfen sie, wenn wir Krankenhäuser neu einrichten müssen.“

Hat sie eine Nachricht an die Kölner? „Wir danken für die große Hilfe. Aber bitte macht weiter mit“, sagt die Juristin, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt. „Helft uns, die Arbeit fortzusetzen.“ Ob Geld-, Sachspende oder Mitarbeit im Lager – wer sich angesprochen fühlt, schreibt an info@blau-gelbes-kreuz.de. Zwei Termine habe ich notiert. In der Nacht zum 12. August finden auf dem Kölner Roncalliplatz bis morgens um 7.30 Uhr zahlreiche Aktionen und Diskussionen statt. Das Blau-Gelbe Kreuz will an die durchwachten Nächte der Ukrainer erinnern, die in steter Furcht vor Raketenangriffen leben. Am Sonntag, 20. August, ab 13 Uhr ist am Kölner Schokoladenmuseum Ukraine-Tag mit Musik, Wettbewerben für Kinder, Verkaufs- und Ess-Ständen. Mehr Informationen hier.

Ein Bild aus dem Käthe-Kollwitz-Museum der Kreissparkasse Köln hat mich kürzlich tief berührt. Wegen Sanierungsarbeiten sah ich es neben anderen ausgeliehenen Werken als Sonderausstellung in der Domschatzkammer. „Mutter, sich über ihre bedrohten Kinder stürzend (Fliegerbombe)“, ist der Titel des Werks von 1924/25. Der vergebliche Reflex der Mutter, ihre Kinder mit dem eigenen Körper vor einer Bombe schützen zu wollen, spiegelt zeitlos das Vernichtungswerk des Krieges. Ein Bild ewiger Gültigkeit der Künstlerin und Mutter Käthe Kollwitz, die einen Sohn im 1. Weltkrieg verlor, zur Pazifistin wurde und von den Nazis mit einem Ausstellungsverbot belegt wurde.

Ich wünsche Ihnen ein nachdenkliches Wochenende.

 

Herzlich grüßt
Ihr

Peter Pauls

 

NEWSLETTER 16.06.2023

Aus der Traum vom Wohnen in der Stadt? – Luxus Eigenheim Steigende Nachfrage trifft auf schrumpfendes Angebot

  

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

zu den großen Vorzügen Kölns gehört es, dass es so unglaublich viele Dinge gibt, über die man sich so richtig aufregen kann: die epidemische Plage herumliegender E-Roller, Sauf- und Feierexzesse im Friesenviertel, die Verkehrspolitik und vieles anderes mehr. Der dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Stadt gehört nicht dazu. Aber der Streit mit dem Investor Gerchgroup, der in Domnähe lieber profitablere Büroflächen statt der verbindlich zugesagten 64 Wohnungen (darunter 19 Sozialwohnungen) bauen will, könnte ein Vorgeschmack sein auf künftige Auseinandersetzungen um das Thema Bauen und Wohnen. Denn es häufen sich die Klagen von jungen Mittelschichtfamilien, die zwar mit ihren Jobs als Polizisten und Krankenhausärzte, als Lehrer und Pfleger die Stadt funktionsfähig halten, aber sich von ihrer qualifizierten Arbeit kaum eine halbwegs angemessene Wohnung oder gar ein Haus leisten können – es sei denn, sie verfügen durch kluge Wahl ihrer Eltern über ausreichende finanzielle Rückendeckung.

Der Bau von Wohnungen, die Schaffung von Wohnraum könnte hier Abhilfe leisten. 170.000 Wohnungen müssen nach einer Prognose des Landes bis 2040 in Köln entstehen, um die Nachfrage zu befriedigen. Eine Zahl, die Anton Bausinger für schlichtweg illusorisch hält. Der IHK-Vizepräsident und Bauunternehmer hält etwa 2.000 für realistisch. Das ist im Verhältnis noch deprimierender als die vom Kanzler versprochenen 400.000 Wohneinheiten fürs Bundesgebiet, von denen jetzt lediglich weniger als die Hälfte tatsächlich entstehen.

Ergebnis des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage sind steigende Preise bei Mieten und Kauf. So berichtete zum Beispiel gerade der Kölner Stadt-Anzeiger über Mieterhöhungen der GAG, einer überwiegend im kommunalen Besitz befindlichen Immobilien-Gesellschaft. Dabei wird teilweise die rechtlich zulässige Grenze von 15 Prozent Erhöhung maximal ausgeschöpft.

Eigentlich müsste nach den Gesetzen des Marktes die Bauwirtschaft boomen. Eigentlich. Tut sie aber nicht. Im Gegenteil, das renommierte IFO-Institut meldet sogar stornierte Aufträge im zweistelligen Prozentbereich – so viele wie seit Jahren nicht. Gleichzeitig gehen die Genehmigungen drastisch zurück. Die Geschäftserwartungen der Branche sind so niedrig wie noch nie, seit IFO diese Daten erhebt. Und das bei einem aktuell gemeldeten Fehlbestand von 700.000 Wohnungen in Deutschland. Giganten der Branche, wie die Vonovia, haben für dieses Jahr gar einen Stopp von Neubauten verkündet. Wie, so fragt man sich, will das Land die dringend benötigten fehlenden Fachkräfte ins Land holen, ohne sie in Zeltlagern unterzubringen?

Die Folgen einer solchen Entwicklung sind in ihrer Tragweite kaum anders als dramatisch zu nennen. Immerhin, daran erinnert Bausinger, ist Wohnen ein Grundrecht. Wird es, wie sich abzeichnet, massiv verletzt, wird das zum Stresstest nicht nur für einzelne Parteien und Regierungen, es stellt eine ganze Gesellschaftsordnung in Frage. Insofern verwundert, dass dieses Thema nicht längst im politischen Raum Priorität genießt. Gefördert wird durch dieses Versagen nicht nur der Wohnungsbau, sondern der politische Extremismus von links wie von rechts. „Ein ganz gefährliches Thema“, so Bausinger, „aber so ein sozialer Sprengstoff stärkt ganz klar die Randparteien, vor allem die AfD.“ Keine beruhigende Aussicht.

Was hat zu dieser unseligen Entwicklung geführt? Vor allem Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie, Inflation, aber auch die Zinssprünge der letzten Zeit sowie ausufernde Regulierungen macht Antwon Bausinger als Ursachen aus. Der Anstieg der Zinsen sei ein gewaltiges Problem, die Frage, ob ein oder fast fünf Prozent für einen Kredit gezahlt werden müsse, entscheide über Kauf oder Nicht-Kauf einer Immobilie. Der Bau von Wohnungen rechne sich schlicht nicht angesichts der explodierenden Kosten. „Das kriegt man nicht mehr rein, das gibt der Markt nicht her.“ Zwar sei in den vergangenen Jahren von „Leuten mit Geld viel gebaut worden, aber das habe nicht die gesamte Breite des Bedarfs abgedeckt“ – also gab es Defizite bei der Schaffung von günstigem und damit bezahlbarem Wohnraum.

Ein Wust von immer neuen Regulierungen begünstige den Abwärtstrend bei der Schaffung von neuem Wohnraum. Viele Vorschriften seien im Einzelfall zwar sinnvoll, aber in der Summe dann zu viel. Hier müsse es, zumindest befristet, eine Revision geben. Beim Blick auf Nachbarländer, die durchaus EU-Normen einhalten, scheint das plausibel. Auch müsse es wieder eine Förderung des vernachlässigten sozialen Wohnungsbaus geben. Nachdenken ließe sich ebenfalls über eine Kreditvergabe an Bauwillige über die bundeseigene KfW. Diese Förderbank käme mit einem Prozent Verzinsung klar, das wäre dann ein „Hammer-Instrument“. Klar ist auf jeden Fall, dass etwas geschehen muss – und das sehr bald!

Aber ich möchte Ihnen mit dem kletzten Newsletter vor der Sommerpause nicht die Laune verderben. Vielmehr lege ich Ihnen den Poetry-Podcast meiner Kollegin Susanne Hengesbach ans Herz, die sich in ihrer klug-humorvollen Art und Weise ihre Gedanken über diejenigen Eltern gemacht hat, deren schulpflichtigen Kinder nicht mit Bestnoten nach Hause kommen – also einer verschwindenden Minderheit, glaubt man den Party-Gesprächen mit Vätern und Mütter von lauter Vorzeige-Sprösslingen.

Und außerdem hier noch ein ganz besonderer Tipp: Am 28. Juli tritt eine der ältesten A-Capella-Gesangsgruppen der Welt in der Kölner Volksbühne auf, die HARVARD KROKODILOES – Sie sollten sich dieses Ereignis, gleichzeitig die Saisoneröffnung der Traditions-Spielstätte am Rudolfplatz, nicht entgehen lassen. Dieser Chor, der schon Weltstars wie Ella Fitzgerald begeistert hat, dürfte auch dem Kölner Publikum gefallen. Kommen Sie also gut durch einen erholsamen, sorgenfreien Sommer und bleiben Sie uns gewogen.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 9.06.2023

Zustände wie in Amsterdam? Bitte nicht. Warum die Cannabis-Freigabe ein Fehler ist, sagt der Kölner CDU-Fraktionschef

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

kürzlich war ich auf Städtetour in Amsterdam. Museen, Häuser, Grachten – touristisch ein Genuss. Parallelen zu unserer Domstadt sind aber nicht zu übersehen: So haben in Amsterdam Fahrradfahrer immer Vorfahrt, sind in einem Affentempo unterwegs und ignorieren Zebrastreifen. Rücksicht auf Fußgänger? Fehlanzeige. Und wer in der Stadt unterwegs ist, dem fällt es sofort unangenehm auf: Der penetrante Geruch von Marihuana liegt in der Luft. Eigentlich ist es verboten, öffentlich zu kiffen, aber kaum einer hält sich daran. Außerdem hat Amsterdam mittlerweile ein massives Problem mit Drogenbanden.

Seit Ende Mai zieht Amsterdam die Zügel an: In der Altstadt herrscht ein generelles Kiff-Verbot. Seit Jahren beschweren sich Anwohner dort über betrunkene, grölende und drogenkonsumierende Touristen, vor allem die lauten Junggesellen-Abschiede sind berüchtigt. Dass Amsterdam bei Jüngeren so attraktiv wurde, war dem  lockeren Umgang mit berauschenden Hanfprodukten geschuldet. Während Kiffer-Touristen in Amsterdam also nicht mehr willkommen sind, macht sich Köln bereit, sie in Empfang zu nehmen, fürchten Kritiker. Denn der Besitz und Gebrauch von Cannabis soll per Bundesgesetz in Deutschland schrittweise entkriminalisiert werden, und dafür möchte Köln Modellstadt werden.

In sogenannten Cannabis Social Clubs dürfen laut Lauterbachs Eckpunktepapier dann bis zu 500 erwachsene Mitglieder gemeinschaftlich ihren Rauschhanf anbauen. Ohne Gewinnabsicht. Der Besitz von 25 Gramm sogenanntem Genuss-Cannabis bleibt straffrei. Natürlich nur für den Eigenkonsum. Am Tag? Im Monat? Noch völlig unklar. Erste Clubs mit kreativen Namen wie „Hanf im Glück CSC Köln“ befinden sich laut Homepage momentan in der Vorbereitungsphase und planen neben der Zucht auch Backkurse, Kunst und Musikevents anzubieten. Kulturgenuss mal anders. Privat dürfen legal maximal drei Pflanzen auf Balkon, im Garten oder im Wohnzimmer angebaut werden.  Außerdem soll der Verkauf von Marihuana in lizenzierten Fachgeschäften mit einer wissenschaftlichen Begleitung getestet werden. Hierfür können sich Kommunen bewerben. Und so hatte kürzlich eine Mehrheit im Kölner Rat für eine Bewerbung Kölns als Cannabis-Modellstadt gestimmt. Die CDU nicht.

Warum wollte ich von Bernd Petelkau, Fraktionschef der CDU im Kölner Rat, wissen. Der 58-jährige Vater von vier Kindern im Teenageralter spricht offen die Bedenken vieler Eltern aus: „Ich fürchte, dass die Politik im Falle einer Legalisierung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit von Jugendlichen bewusst in Kauf nimmt. Man soll besser den Jugendschutz stärken, als Cannabis faktisch zu legalisieren.“

Auch aus der Landespolitik bekommt der Kölner Politiker und ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Rückendeckung. So sieht NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ebenfalls Gesundheitsgefahren vor allem bei Jugendlichen. Er spricht sich gegen eine Zulassung von Modellvorhaben in NRW aus. Der Minister hat die Ärzte auf seiner Seite, die schwere psychische Störungen bei Jüngeren durch den Konsum von Cannabis nicht ausschließen.

Wie will die Kölner Politik Jugendliche vom Cannabis-Konsum abhalten? Durch Kontrolle und Aufklärung, versprechen Grüne, SPD und FDP im Rat. Man werde „Vorkehrungen im Bereich Jugendschutz und Prävention treffen“. Klingt ziemlich vage. Fundierte Konzepte fehlen. Die sollen ja erst im Modellversuch erarbeitet werden. Weniger zuversichtlich sieht es Bernd Petelkau. Bernd Petelkau hielt Rücksprache mit dem  Kölner Polizeipräsidenten, der ihm mitteilte,  es werde der Polizei schwerfallen, vor Ort zu entscheiden, ob Cannabis aus legaler oder illegaler Quelle stammt. Nun fürchtet der Politiker, dass sich die schwierigen Zustände rund um den Neumarkt schnell auf die ganze Stadt ausweiten werden, wenn Köln zur Kiffer-Modellstadt wird.

Und tatsächlich fragt man sich, wie öffentliches Kiffen verhindert werden soll, wenn in Lauterbachs Eckpunktepapier unter anderem steht: „Der Konsum in den Räumlichkeiten der Vereine ist ebenso verboten wie der öffentliche Konsum nahe Schulen, Kitas o.ä. sowie in Fußgängerzonen bis 20 Uhr.“ Nach 20 Uhr soll Kiffen demnach in der City also erlaubt sein, sowie auf allen anderen Straßen schon vor 20 Uhr? Wer denkt sich Zudröhnen nach Zeitplan aus?

Bernd Petelkau lehnt nicht nur den nächtlichen Freifahrtschein für Cannabis-Konsum ab, er hält auch die generelle Freigabe an Erwachsene für einen Fehler. „Das ist die Kapitulation vor den Drogenhändlern.“ Es sei naiv zu glauben, dass eine Freigabe in diesem Geschäft zu weniger Kriminalität führt. Und weiter: „Polizei und Ordnungsamt haben keine Kapazitäten, den Jugendschutz sicherzustellen,“ konstatiert er. „Es zeigt sich ja schon im Karneval oder bei Festivals, dass übermäßiger Alkoholkonsum bei Jugendlichen nicht verhindert werden kann. Wie soll das bei Cannabis funktionieren? Eine Freigabe von Drogen nur an Erwachsene lässt sich nicht kontrollieren.“

Siehe Amsterdam. Dort fährt man gerade die liberale Drogenpolitik zurück. Die jahrzehntelange lockere Handhabung hat zu hoher Drogenkriminalität geführt.  Köln sollte als Großstadt eher mit anderen Themen voran gehen: Schulbau, Wirtschaftskraft, Innovation – da ist noch viel Luft nach oben. Aber bitte keine Cannabisfreigabe – das sollen mal andere Städte machen. Überhaupt hat die EU dazu noch gar nichts entschieden.  Köln als Cannabis- Modellstadt ist im Grunde ein Witz in Tüten. Sorry, aber der Kalauer bot sich jetzt an.

Kiffen – chillen – grillen. Susanne Hengesbach widmet sich in ihrem neuen Poetry-Podcast dem Grillmüll in öffentlichen Parks. Auch das Problem der Picknick-Abfälle ist in Köln noch immer nicht gelöst. Hier Modellstadt zu werden wäre doch ein sinnvolles Ziel. Wie sehen Sie das? Bin ich zu kritisch mit unserem Köln?

Herzliche Grüße sendet

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 2.06.2023

Wie die Verkehrswende in Köln das Klima vergiftet und zum Machtkampf wird – Der Poetry-Podcast: Radfahrer auf die Autobahn?

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Verkehrswende in Köln? Da fliegen die Fetzen. Geht es noch um Verkehr? Oder nur um die Macht, ums Rechthaben? Eine Text-Auswahl aus den Tageszeitungen: Autofreiheit spaltet Deutz, Eigelstein erhitzt die Gemüter, Verkehrswende mit Hindernissen, Vergiftete Stimmung im Viertel. Betroffene, ob dafür oder dagegen, sprechen von Dorfposse, Geschäftsschädigung, Anfeindungen. Was ist nur los?

Nicht allein Köln strebt eine „Verkehrswende“ an. Läuft sie hier aber besonders holprig? „Das ist leider so“, bestätigt Prof. Dr. Roman Suthold. Durch politischen Druck auf die Verwaltung gehe Tempo vor Sorgfalt in der Umsetzung von „Verkehrsversuchen“, ergänzt der Leiter des Bereichs „Verkehr und Umwelt“ beim ADAC in NRW. Das führe zu Fehlern. Gipfel sei der verkehrspolitische Irrgarten auf der Venloer Straße, der bundesweit Spott fand. „Dabei“, so Suthold weiter, „ist die Grundidee richtig.“ Nur sei die Stadt zu hektisch vorgegangen.  Politik, mahnt der Verkehrsexperte, solle sich nicht einmischen, sondern nur den Rahmen vorgeben. Die konkreten Maßnahmen aber müsse die fachlich geschulte Verwaltung umsetzen. Vergleichbar sei das mit einem Krankenhaus. Dieses bereitzustellen, sei ein politischer Beschluss. Doch in den Operationssälen müsste ärztliches Fachpersonal bestimmen. Stellen Sie sich nur vor, ein Politiker wollte Ihnen die Mandeln herausnehmen.

Die Politik dominiert die Verkehrswende, konkret: Die Grünen. Wundern muss das nicht. Es handelt sich ja um ein Kernthema. Was mich erstaunt, ist die handwerkliche Umsetzung. Durchsetzen um jeden Preis. Hau-Ruck und mit dem Kopf durch die Wand. Das ist nicht Kommunalpolitik, das ist Machtkampf.  Aufgefallen ist mir das erstmals am Eigelstein. Die örtlichen Geschäftsleute hätten „zu hundert Prozent hinter der Idee gestanden, den Eigelstein autofrei zu machen“, zitierten die Medien Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne). Das stimmt aber nicht: Es gab eine Gegenresolution mit 300 Unterschriften.

Ende April erschien in Kölner Zeitungen der Artikel „Eigelstein erhitzt die Gemüter“. Er berichtet von einer CDU-Versammlung mit Anwohnern und Gewerbetreibenden. Darin nennt ein Polizist den Eigelstein einen „rechtsfreien Raum“ für Schnell-Radler. Es sei heute gefährlicher als früher, als dort noch Autos fuhren. 30 Geschäfte stünden vor dem Abgrund, klagt eine Einzelhändlerin. Kein Mensch komme mit Bus und Bahn zum Einkaufen. Der Rewe-Markt indes macht gute Erfahrungen. „Keine Einbußen, steigende Kundenzahlen.“

Kurz darauf wendet Kölns Grünen-Parteichef Stefan Wolters fernab der Wirklichkeit die dortige Lage ins Gegenteil. Nach der Reduzierung des Autoverkehrs habe sich die Kaufkraft am Eigelstein verbessert, die Befürchtungen von Händlern seien nicht eingetreten, phantasiert er. Wäre ich Betroffener, ich würde jedes Vertrauen in solche Politik verlieren – ob das Parteibuch nun für grün, schwarz, gelb oder rot steht.

Die Vertrauensbasis sei dahin, sagt auch Verkehrsexperte Suthold. An der Deutzer Freiheit ist erlebbar, wohin das führt. Betroffene, die ihre Existenz in Gefahr sehen, holen sich juristischen Beistand. Sie sehen keinen anderen Weg, dieser Politik beizukommen, von der sie sich ignoriert sehen.

Zur Wirklichkeit auf Kölner Straßen gehört mittlerweile ein harter Ton. Darüber legt sich wie eine verbergende Decke das abstrakte Vokabular des Dezernats für Mobilität. Darin ist von Verkehrsversuchen die Rede, Lupenräumen und Labormaßnahmen, die „modellier- und skalierbar“ bleiben. Das klingt, als sei die Verkehrswende eine technische Angelegenheit, in der man nur die richtigen Knöpfe drücken muss. Aber so ist es nicht allein. Man muss miteinander sprechen, statt nur neue Verbotsschilder aufzustellen.

Der Stadt Köln habe ich Fragen zur Verkehrswende gestellt. Die Antworten können sie hier nachlesen. Ich habe einiges aus ihnen gelernt. Zusammengefasst: Die „Verkehrsversuche“ sind eher Experimente und erfolgreich dann, wenn die verkehrspolitischen Ziele der Politik erreicht sind. Die Stadtverwaltung gibt sich zudem Mühe, Bürgerbeteiligung umzusetzen. Digitale Befragungen, Handzettel in Briefkästen, Versammlungen. Zwar sehe ich hier eine jüngere, digital versierte und gut vernetzte Klientel im Vorteil, die stadtweit und nicht nur im betroffenen Veedel für lokale Anhörungen mobilisiert – doch die Anstrengung ist erkennbar.

Warum dennoch so viele Bürger von den Maßnahmen überrascht sind? Vielleicht, weil sie erschöpfende Arbeitstage hinter sich haben? Oder weil sie nicht mehr an ihre Einflussmöglichkeiten glauben? Wie es ist, kann es jedenfalls nicht weitergehen. Ein Unfall und eine gewalttätige Auseinandersetzung der einzelnen Verkehrsteilnehmer ist hier nur eine Frage der Zeit,“ fürchtet der Chef des Excelsior Hotels Ernst, Georg Plesser. Die momentane Situation sei geschäftsschädigend. „Unsere Gäste sind trotz von uns bereitgestellter Information verwirrt.“

Und nun? Laut städtischer Erhebung lassen immer mehr Kölner das Auto schon mal stehen. Guten Willen gibt es also bei den Bürgern, die sich dennoch wie irregeleitete Heranwachsende behandeln lassen müssen. Die neue Verkehrsordnung wird uns – Kosten eine halbe Million Euro – musikalisch nahegebracht, als ginge es um gute Laune und nicht um eine Notwendigkeit. Dass viele ihr Auto brauchen, weil sie pendeln oder der ÖPNV in Köln keine Alternative bietet, wird scheinbar nicht zur Kenntnis genommen.

Wie so häufig, vermisse ich Führung in der Stadt, eine Autorität, die zusammenführt. Zumindest die „Verkehrsversuche“ sind vorläufig eingestellt. Aber was, wenn erstmal das große Ganze dran ist? Geht es dann vielleicht um abgestimmte Lösungen und Konsens? 

Mobilität einmal anders: Eine ganze Fahrspur allein für Rettungsfahrzeuge oder die Pannenhelfer? Ist das wirklich nötig oder ist die kaum genutzte „Standspur“ angesichts sich verändernder Mobilitätsformen und Fortbewegungs-Präferenzen verzichtbar? Das überlegt, schelmisch wie stets, Susanne Hengesbach in ihrem neuen Poetry-Podcast. Im Gespräch mit ihrem Neffen Conrad wirft sie die Frage auf: Autobahn frei für Fahrradfahrer?

Danke vielmals! So kann der Verkehr uns am Ende doch noch ein Schmunzeln abringen.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 26.05.2023

KI und Chat GPT verändern die Arbeitswelt radikal – Sind wir darauf vorbereitet? Nein, sagt ein renommierter Kölner Digitalexperte

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

dies hier ist mein eigener Text. Warum erwähne ich das? Weil Sie in naher Zukunft nicht mehr sicher sein können, aus welcher Feder ein Artikel stammt. Der schreibende Konkurrent von uns Journalisten heißt ChatGPT.  Jeder kann es nutzen und damit komplizierte Matheaufgaben lösen, Texte, Präsentationen, Hausaufgaben, Drehbücher oder Doktor-Arbeiten schreiben lassen. Was daraus folgt, ist absehbar: Die neue KI-Technologie wird wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Auswirkungen für uns alle haben – ob wir wollen oder nicht.

Der berühmte Geist ist aus der Flasche. Aber es ist kein Märchen mehr. Und ein Zurück gibts nicht, meint der Kölner Karl-Heinz Land, Buchautor und Digitalexperte. Über Chancen und Herausforderungen der KI sprach ich mit ihm im Video-Call. „Wir haben es mit dem Dampfmaschinen Moment der Digitalisierung zu tun“, sagt er. „Die Technologie hat das Potenzial, die Welt erneut radikal zu verändern. Die KI ist die neue Antriebsfeder der Wirtschaft. Die Produktivität wird erheblich steigen und das BIP um 7-10 % nach oben gehen.“

Ökonomisch und ökologisch bietet Künstliche Intelligenz durch die Automatisierung eine ganze Reihe von Vorteilen. Monotone und zeitraubende Routinearbeiten beispielsweise werden von KI-Programmen übernommen „Unser Problem wird aber kein Technisches sein, wir werden ein Zeitproblem bekommen. Die Veränderung mit KI wird so schnell passieren, dass Gesellschaft und Wirtschaft sich kaum anpassen können.“, prophezeit Land.

Nach seinen Schätzungen stehen weltweit 200 bis 300 Millionen Arbeitsplätze auf der Kippe.Jobs wie Buchhalter, Journalisten, Juristen, Dolmetscher, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Versicherer – 30 bis 40 % der heutigen Büroarbeiten werden ersetzbar, und zwar in naher Zukunft.“ Eine Herausforderung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft. Was passiert, wenn so viel Arbeitsplätze wegfallen? Wer zahlt dann noch in unsere Sozialsysteme ein, wenn alles automatisiert wird? Und wer partizipiert an dieser neuen Wertschöpfung? „Darauf sind wir in Deutschland nicht vorbereitet,“ sagt Land und ergänzt: „Ich fürchte, unsere Politik hat die komplette Tragweite der neuen Technik überhaupt noch nicht verstanden.“

Und nicht nur diese Entwicklung bereitet Kopfschmerzen. Auch der sinnvolle Umgang mit KI und Chat-Programmen macht vielen Sorgen.  Was ist wahr und welcher Information kann ich noch vertrauen? Eigentlich ein Job von uns Journalisten. Ach ja, das soll der ChatGPT-Kollege übernehmen. Der „Geister, die ich rief“- Moment ist da.  Selbst der Erfinder von Chat-GPT, Sam Altman, warnen davor, dass die Sache mit KI und ChatGPT völlig schief gehen kann. Altman schlägt in den USA die Gründung einer Regierungsbehörde vor, die alle KI-Modelle auf den Prüfstand stellen soll. Denn tatsächlich gibt es bislang keinen transparenten Einblick in den Aufbau und in die Datengrundlage von Chat GPT. Das Programm lernt von Daten, mit denen es gefüttert wird. Und kommen aus dem World Wide Web. „Bei dem Datenmüll, der im Netz ist, habe ich mehr Sorgen vor der menschlichen Dummheit als vor künstlicher Intelligenz.“ konstatiert Land und fordert wie viele, eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Erzeugnisse. Ob ein Text, Bild, Musik oder ein Video durch KI erstellt – und damit aus dem Werk eines anderen Menschen im Netz -, muss auf den ersten Blick erkennbar sein. Diese Transparenz dient auch dem Urheberrecht. „Künstliche Intelligenz sollte wir immer nur unterstützend verwenden“, meint Land, „sie sollte uns nicht komplett ersetzen. Bei einer Steuererklärung mit Chat GPT wäre er noch sehr vorsichtig und schlägt eine kollaborative Methode vor: „Die KI bereitet vor, der Steuerberater prüft. Nur das Vieraugenprinzip zwischen Mensch und Maschine wird uns weiterbringen.“

Auf die Frage, wie digital die Stadt Köln aufgestellt ist, lacht er: „Wir sind hochgradig ineffizient. Köln ist zu bürokratisiert. Es gibt so viele nichtdigitalisierte Prozesse. Eine echte digitale Vision für die Kölner Verwaltung würde den Bürger in den Mittelpunkt stellen und den Service um ihn herum. Erst dann hätten wir in Köln einen Bürgerservice, der 24/7 erreichbar ist.“ Für die Stadt Köln plant er zurzeit einen KI-Kongress. Damit auch Köln vorbereitet ist auf das, was kommt und uns hoffentlich nicht überrollt. Die schöne neue Welt darf nicht zum Alptraum werden.  

Fest steht, der Flaschengeist ist längst entwichen. Jetzt gilt es, ihn rasch zu kontrollieren. Und wenn‘s tröstet: ChatGPT kann vieles, aber wirklich „intelligent“ ist das Programm und seine KI dahinter nicht. Es fällt ihm offenbar schwer, Sinnzusammenhänge  zu entdecken. Das ist und bleibt wahrscheinlich noch lange Zeit eine menschliche Domäne. Hoffentlich.

So wie die Poetry-Podcastreihe von  Susanne Hengesbach. Sie reimt noch selbst – gekonnt und humorvoll. Fans nennen ihre Alltagsgeschichten bereits  „Wilhelm Busch reloaded“. In der neuen Folge (Link) nimmt sie uns mit in den Urlaub, der zum Griff ins Klo wird. Wie ChatGPT dieses Erlebnis wohl erzählt hätte? Bestimmt nicht so lustig.

 

Also viel Spaß beim Hören und sonnige Pfingsten wünscht Ihnen

Ihre Claudia Hessel

 

 

NEWSLETTER 19.05.2023

Wie Köln aufs Ehrenamt und einen Sportverein pfeift – Wir gratulieren dem Excelsior Hotel Ernst zum 160-Jährigen – Demokratie im Supermarkt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

stille Helden kommen sympathisch rüber. Zumindest im Film finden Sie Aufmerksamkeit und es kommt zu einem glücklichen Ende. Die Wirklichkeit ist meist anders. Da wird der Leise mit seinen Argumenten nicht gehört. Wenn er geduldig ist, Verständnis zeigt und Vertrauen hat in Institutionen, kann das sogar ein Nachteil sein. Die Jahre gehen dahin und unversehens stellt sich die Existenzfrage. Das ist die Erfahrung der Ehrenamtler des RSV Rath/Heumar, eines mehr als 100 Jahre alten Sportvereins am Rande dieser Stadt, jedoch „mitten im Dorf“, wie die Rather selbst sagen.

Aufmerksam wurde ich, weil der Verein nun an die Öffentlichkeit geht. Rund 100 Mitglieder, vom Steppke bis zum Vorsitzenden Hans-Georg Offermann (66), protestierten jüngst mit den Schlachtrufen des RSV vor dem Kölner Rathaus. Im Karnevalszug marschierten die Mitglieder demonstrativ neben einem Sarg aus Sperrholz. Wer den Verein an einem Regentag besucht, versteht das: Der Asche-Sportplatz steht dann unter Wasser. Seit Jahren ist sein Zustand desolat. Wechselt das Wetter, drohen Spielabbrüche. Obendrein ist die Pacht gekündigt. Die Zahl der Mitglieder sank in zehn Jahren von 1200 auf 550.   

Dennoch ist das Gelände am Wochenende Treffpunkt für ganze Familien. Kinder lernen hier, was ein Handy nicht bieten kann: ein Team zu bilden, zu verlieren, aufzustehen und beim nächsten Mal zu gewinnen, andere zu respektieren oder sich einzuordnen, kurzum – sie lernen fürs Leben. An der frischen Luft sind sie außerdem.

Die Vereinsspitze hat über die Jahre alles richtig gemacht. Hans-Georg Offermann und Vize Gerd Gran sind sortierte und realistische Gesprächspartner. Vereinsheim und Umkleiden atmen Kostenbewusstsein. Rücklagen wurden gebildet, um bei Arbeiten Eigenanteile beisteuern zu können. Sogar ein umsetzungsfertiger Rettungsplan mit dem Pachtgeber wurde entwickelt, der mit einem Bauprojekt neue Sportanlagen finanzieren will. Bislang nicht mit Ruhm bekleckert hat sich jedoch die Kölner Politik.  

Fußball ist eine Integrationsmaschine. Das weiß ich von Salvatore Saporito, der an der Spitze von Borussia Kalk steht. Sein Vater zog aus einem Dorf in Sizilien nach Köln, wo er Arbeit in der Chemischen Fabrik Kalk fand. Heute ist Salva erfolgreicher Manager. Kalk hat er verlassen, doch Vorsitzender der Borussia ist er geblieben. „Wir haben 28 Nationen im Verein, 90 Prozent haben Migrationshintergrund“, berichtet er. Wenn er von seinen Jugendmannschaften spricht, wie sie sich entwickeln und Herausforderungen auch außerhalb des Spielfelds annehmen, leuchten seine Augen. Fußball spricht alle Sprachen, steht auf der Internetseite von Borussia Kalk.

Das muss stimmen. Denn der eher beschauliche Dorfclub RSV Rath-Heumar und die raue Borussia aus Kalk sind gute Nachbarn und Partner, wie auch Viktoria Köln. „Wir haben schon früher immer gerne in Kalk gespielt. Da war Feuer drin“, erzählt Hans-Georg Offermann. Aber: „Unsere Mitgliederstruktur ist anders.“ Doch auch Rath-Heumar spiegelt die aktuelle Entwicklung. „Im Karnevalszug sind Türken, Inder, Griechen, Italiener und Ukrainer mitgegangen.“

Anfang des Jahres schrieb gar der Fußball-Verband Mittelrhein wegen des TSV Rath-Heumar an die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Von einer „verheerenden Signalwirkung für das Ehrenamt, auch weit über die Stadtgrenzen von Köln hinweg“, ist in dem Schreiben zu lesen, vom Wert des Engagements, das in Köln auf €925 Mio. beziffert wird (https://www.ehrenamtatlas.de). Aber eigentlich weiß man das.

In seinem Plädoyer verweist Dr. Christos Katzidis, Präsident des Fußballverbands, auf die praktische Sozialarbeit von Vereinen, auf die Vermittlung von Werten. „Wenn das verloren geht, bröckelt der Zusammenhalt in der Gesellschaft.“ Dann wird es richtig teuer für die Stadt. Hoffen wir, dass diese Geschichte ein Happy End findet. Denn nun hatte der RSV Rath/Heumar einen Termin im Rathaus, der ein wenig Zuversicht gab. Schade, dass die Leisen erst laut werden müssen. Aber dieses Spiel dürfen sie nicht verlieren.   

Nun zu einem besonderen Ort: Dem Excelsior Hotel Ernst. Vor 160 Jahren, 1863, nahm es seinen Betrieb auf. „Zwei Jahre nach dem Wallraf-Richartz-Museum“ und „zu Füßen des Doms“, notierte Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeinen gedankenvoll, nachdem er eine Veranstaltung des Kölner Presseclubs im Gobelin-Saal besucht und dabei nebenbei eine Kölner Dreifaltigkeit markiert hatte, die uns stolz macht.

Denn im „Excelsior“ finden seit 20 Jahren unsere großen Veranstaltungen statt, dank unserer Ehrenpräsidentin Hildegard Stausberg, die einst die Bande knüpfte. Hier haben wir kürzlich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst interviewt oder Lionel Souque, Chef der Rewe Group, haben auch wir als „Presseclub“ erleben dürfen, dass dieses Haus gleichermaßen für Tradition wie Innovation steht. Sein klassischer Rahmen gibt Halt, wenn uns die Themen der Zeit zu schaffen machen, der Stil des Hauses bietet Orientierung.

Als im Zuge der Corona-Maßnahmen auch diese Institution gleichsam stillgelegt wurde, versorgte sie die Kölner umso verlässlicher mit Gänsen für die Vor-Weihnachtstage und versicherte ihrem Publikum, dass sie lebt, was nicht selbstverständlich war – zu viele gingen damals vom Markt. Auch wir vom Kölner Presseclub mussten uns bangen Fragen stellen und rückten näher an die, die wir leichthin Partner und Sponsoren nannten und die sich in diesen Tagen als Freunde, manche auch als Retter erwiesen.

Ganz sicher – das Excelsior Hotel Ernst ist für die meisten kein Ort für alle Tage. Es ist ein besonderes Haus und es bedarf eines Anlasses, es aufzusuchen – eine Feier, ein festliches Essen, ein besonderes Beisammensein. Oder eine unserer Veranstaltungen. Am Sonntag, 21. Mai, von 12 bis 18 h aber ist Tag der Offenen Tür. Dann ist das Excelsior sich selbst Anlass genug. Mittags wird von Eigentümer Charles Roulet und Hotelchef Georg Plesser eine gewaltige Geburtstagstorte angeschnitten, der Verkaufserlös dient einem guten Zweck.

Susanne Hengesbach macht sich derweil ihre eigenen Podcast-Gedanken darum, das Wahlalter herabzusetzen. Sollten bereits Kleinkinder den Einkauf bestimmen und vor den Supermarkt-Regalen entscheiden, was gekauft werden soll? Ist das gewissermaßen die Minimalform von Demokratie? Und wenn nicht – was ist es dann? Hören Sie selbst ….

Vielleicht sehen wir uns im Excelsior? Ein sonniges Wochenende wünscht Ihnen

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 12.05.2023

Vom Gendern, Raubkunst und einem bemerkenswerten Auftritt Hendrik Wüsts

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ob im Ukraine-Krieg ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt klug ist, darf man mit Fug und Recht bezweifeln. Aber beim gegenwärtig tobenden Kulturkampf täte zumindest eine Feuerpause mal ganz gut. Die Schauplätze dieses Kampfes heißen nicht Verdun oder Stalingrad, sie heißen Gendergerechtigkeit, Cancel Culture und sogenannte Wokeness. Da geht es dann um Rassismus und Feminismus, um Bevormundung und politische Korrektheit.      Auch wenn es, gottlob, keine Toten gibt, dieser Krieg um Worte und Haltungen wird mit erbitterter Härte geführt – und er eskaliert weiter, er polarisiert und spaltet die Gesellschaft.

Wie so vieles ist auch dieses Phänomen ein Exportartikel der USA. Geradezu meisterlich hat es der frühere (und nach eigener Einschätzung nie abgewählte) US-Präsident Donald Trump verstanden, diesen Konflikt zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen anzuheizen und dann auf einer so entstandenen vulgär-populistischen Erregungswelle ins Weiße Haus zu surfen. Links gegen Rechts, Provinz gegen Metropole, Alt gegen Jung, Schwarz gegen Weiß – das Konzept scheint praxistauglich. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn auf der anderen Seite des politischen Spektrums, bei Linken und Linksliberalen, genauso geholzt wird, wenn ein Regulierungsfuror tobt, der im Namen höherer Gerechtigkeit immer neue Vorschriften und Verbote schafft, wenn ein neues Jakobinertum eine ganze Gesellschaft mit ihrem Tugendterror überziehen will. Als gäbe es nichts Wichtigeres, über das sich zu streiten lohnt: Die Energiewende, der Fachkräftemangel, das Gesundheitswesen, unsere Verteidigungsfähigkeit undundund.

Zerrieben wird zwischen diesen polarisierten Gruppen eine bürgerliche Haltung, die von Maß und Mitte gekennzeichnet ist. Die abwägt, Argumente anhört, nachdenkt, bevor sie handelt. Die Fakten prüft, bevor sie eine eigene Meinung entwickelt. Insofern war es ermutigend, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst bei seinem Gespräch im Kölner Presseclub vor einem neuen Kulturkampf warnte, vor Hass und Unversöhnlichkeit. Weder das Gendern noch die deutsche Arbeitsmoral machten ihm Angst, bekannte er, und erteilte einschlägiger Wehleidigkeit und Defätismus eine deutliche Absage. Er plädierte für eine Gelassenheit, die nicht eifernd über jedes Stöckchen springt, dass ein Heißsporn ihr hinhält. Auch widerstand er bei Publikumsfragen der Einladung zu populistischen Ausfällen, blieb souverän, liberal und weltoffen.

Diese Gelassenheit wäre zu empfehlen beim Umgang mit der – ja, man muss es so nennen – kolonialen Raubkunst in unseren Museen. Kaum waren die ersten Benin-Bronzen, die auch zum Bestand des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums gehörten, an den Staat Nigeria zurückgegeben worden, übertrug offensichtlich der nigerianische Präsident die Eigentumsrechte an den König von Benin. Der will, so heißt es, in Benin-City ein Museum für diese Kunstschätze errichten. Ein kulturpolitisches Fiasko für die grüne Außenministerin, die maßgeblich an der Restitution mitgewirkt hat? Na ja, man muss kein Fan von Annalena Baerbock sein, um zu erkennen, dass es sich bei der Rückgabe dieser Artefakte zuallererst um das kulturelle Erbe anderer Länder und Völker handelt – über das sie jetzt wieder souverän verfügen können.

Allerdings nährt die plötzliche Begeisterung für diese koloniale Beute den Verdacht, dass es letztlich mehr um neue Munition im Krieg der Weltanschauungen geht, weniger um die Kunstwerke, die zuvor – vorsichtig formuliert – nicht gerade Gegenstand höchster öffentlicher Wertschätzung und Fürsorge waren. Dann schmerzt auf einmal auch der drohende Verlust von Gegenständen, von deren Existenz man zuvor kaum etwas wußte. Selbst der als eher konservativ beschriebene Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parziger, betont, dass die Rückgabe in der Sache gerechtfertigt und die Abwicklung richtig sei („Die Plünderung durch die Briten war eindeutig Unrecht“) und warnt vor Unterstellungen, die Benin-Bronzen würden unsachgemäß behandelt.

Man sollte meinen, mit der Sicherung und Bewahrung europäischer Kulturgüter gebe es ein genügend großes Betätigungsfeld. Vielleicht sollte man erst das eigene Erbe in Ordnung halten, bevor man auf fremdes Anspruch erhebt. Eines sollte aber auf keinen Fall zum zu pflegenden Kulturgut werden: Der emotional aufgeladene Kulturkampf.

Und last but not least: Am Sonntag wird – wie jedes Jahr – Muttertag gefeiert. Falls Sie das für selbstverständlich halten, sollten Sie den Poetry Podcast von Susanne Hengesbach hören. Spätestens dann wissen Sie, in bewegten Zeiten wie diesen ist gar nichts mehr selbstverständlich.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 05.05.2023

Der bittersüße Weg zur Klimaneutralität – wie ein engagiertes Kölner Traditionsunternehmen von der Politik ausgebremst wird

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

bitte nicht schmunzeln, heute schreibe ich über Zuckerrübenschnitzel. Wer hätte gedacht, dass die Zukunft eines wichtigen Industriezweiges auch von Zuckerrübenschnitzeln abhängt. Es geht um die eigenständige Energieversorgung der Zuckerindustrie und damit auch um einen Marktführer: das Familienunternehmen Pfeifer & Langen aus Köln, deren Verpackung mit den markanten zwei Dom-Zuckerhüten in fast jedem Haushalt zu finden ist. Da steht zwar mittlerweile Diamant-Zucker drauf, aber wir alle sind mit Kölner-Zucker großgeworden. Und jetzt wird’s bitter für die Süßmacher aus Köln.

Doch von vorne: Mit der Zuckerrübe begann am 19. April 1870 die erfolgreiche Geschichte des Kölner Familienunternehmens Pfeifer & Langen: Würfelzucker, Gelierzucker – alles Erfindungen der Gründungsväter Valentin Pfeifer und Eugen Langen und ihrer nachfolgenden Generationen. Darüber hinaus war Langen maßgeblich an der Entwicklung des Ottomotors in Deutz und der Wuppertaler Schwebebahn beteiligt. So viel kurz zum historischen Exkurs. Bis heute ist das Unternehmen in Familienhand und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  in Europa. Der Gesamtumsatz im Jahr 2021 betrug rund 975 Millionen Euro.  An sechs Standorten in Deutschland und weiteren zehn Werken in Europa wird alles rund um den Zucker produziert. Von der erdigen Rübe auf dem Feld bis zum weißen Zucker im Kuchen oder Kaffee wird viel Energie benötigt. Und bei den aktuellen Preisen ist es nachvollziehbar, dass sich das energieintensive Unternehmen unabhängig von fossiler Energie machen will, nicht zuletzt um wettbewerbsfähig zu bleiben.

„Wir könnten sofort Zucker klimaneutral produzieren, wenn die Rahmenbedingungen dies zuließen.“ sagt mir der Geschäftsführer Michael Schaupp im Gespräch am Firmensitz im Kölner Stadtteil Junkersdorf.  „Aus 50% – 70%  der Rübenschnitzel, die bei der Zuckergewinnung immer als Reststoffe anfallen, kann genug Biogas erzeugt werden, um den Energiebedarf aller Werke vollständig zu decken.“

Klingt gut, wo ist das Problem? Das lag zunächst in Brüssel. Dort wurde zwei Jahre lang bis April dieses Jahres die Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, RED III, erarbeitet. Darin sollten u.a. auch Zuckerrübenschnitzel als emissionsfrei eingestuft werden, damit sie ohne CO²– Abgabe zur klimaneutralen Energieerzeugung herangezogen werden können. Das hat in Teilen geklappt,  aber wie immer steckt der Teufel im Detail.

„RED III ist ein Bürokratiemonster.“ sagt Michael Schaupp.  Schon seit Jahren steht die Bagasse als fortschrittlicher, also emissionsfreier, Energieträger drin. Bagasse fällt als Reststoff an, wenn in Brasilien, Indien oder Thailand Zuckerrohr verarbeitet wird. Sie ist vergleichbar mit  Rübenschnitzeln der heimischen Zuckerindustrie. Und jetzt wird es völlig absurd: Würde Pfeifer & Langen Reststoffe zur Energiegewinnung aus Brasilien mit 10.000 km Transportweg verwerten, wären keine CO²-Zertifikate nötig und die Bagasse ist auch steuerlich bessergestellt als Erdgas. Die Wege der EU-Vorschriften sind manchmal unergründlich…

Ein solches Greenwashing kommt aber für das Kölner Familienunternehmen nicht in Frage. „Wir stehen zu unserem Ziel, klimaneutral zu werden und achten darauf, woher der Energieträger für unsere Fabriken kommt.“ versichert Schaupp. Er fordert die Gleichbehandlung von Reststoffen bei der Zuckerproduktion, denn sonst drohen Wettbewerbsnachteile für die heimische Zuckerindustrie, fürchtet der Geschäftsführer: „Wir kämpfen hier auf allen politischen Ebenen für ein Grundnahrungsmittel. Und das muss in Deutschland und in Europa verfügbar sein.“ Und am Ende auch bezahlbar, denn unsere Lebensmittelkosten werden nach Einschätzung von Experten auf hohem Niveau bleiben.

Noch ist bei der EU nicht alles verloren:  So haben mir die Europa-Abgeordneten Dr. Markus Pieper (EVP) und Tiemo Wölken (SPD) auf meine Nachfrage mitgeteilt, dass nach jetzigem Sachstand die Richtlinie RED III den EU-Mitgliedstaaten Spielraum gibt, Zuckerrübenschnitzel als emissionsfreien Biokraftstoff anzuerkennen.

Nun ist die Bundesregierung am Zug. Es geht jetzt um die Umsetzung der europäischen Richtlinie in deutsches Recht. Angesichts der bisherigen Ampel-Politik ist allerdings Zweifel angebracht, dass diese Chance für die deutsche Zucker-Industrie aufgegriffen wird. Denn auch an den aktuellen Überlegungen für ein Werbeverbot von zuckerhaltigen Lebensmitteln wird meines Erachtens deutlich, dass das Grundnahrungsmittel Zucker in der Bundesregierung offenbar nicht hoch angesehen ist. Mag sein, dass der Mensch nun mal bei Zucker schwach wird und 34 Kilo pro Jahr laut WHO zu viel sein mögen, aber der Grund des möglichen Werbeverbots ist, dass Kinder am Ende weniger Süßigkeiten essen sollen. Eigentlich eine Erziehungsaufgabe von Eltern und nicht vom Staat. Und da wird nun bei einem Werbeverbot alles in einen Topf geworfen mit Konsequenzen für viele – angefangen von der Werbeindustrie bis hin zu den Zuckerproduktherstellern. Werbeverbot für Süßes? Michael Schaupp ist sauer: „Das ist –  überspitzt formuliert – ein staatliches Diktat, was ich essen soll und was nicht. Wo leben wir eigentlich?“ 

Von Zuckerrübenschnitzel als fortschrittlicher Energieträger bis Werbeverbot für Süßes – die heimische Rübe muss ganz schön viel Politik aushalten. Hoffentlich schmeckt sie am Ende nicht bitter….

Mit süßen Grüßen wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende

 

Ihre Claudia Hessel