Newsletter 4.11.2022

Newsletter vom 4.11.2022

Alarm im Rheinland – Ruinieren uns die hohen Energiepreise? — „Corona in der Südstadt“: Ein Musiker schreibt ein kölsches Fotostück

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

dank der Herbstsonne ist es nicht frisch in meiner Wohnung. Dass es mir dennoch hin und wieder kalt den Rücken herunterläuft, hat andere Gründe. Ich frage mich: Ruinieren uns die hohen Energiepreise? Den Mittelstand zwingen sie in die Knie, sagte mir Dr. Wilhelm Krebs. Ein Bäcker etwa könne die Kostensteigerungen nicht vollständig auf seine Produkte umlegen. Das gelte ebenso für Fleischer, KFZ-Betriebe und Maschinenbauer wie auch für die vielen versteckten Weltmarktführer im Umland, so der Energie-Effizienzexperte. Produktion rechnet sich häufig nicht mehr. Krebs erläutert das an einem Beispiel: Für €1000 Warenwert habe man früher in der Chemieindustrie mit fünf Prozent Energiekosten kalkuliert. Heute seien es 30 Prozent. Großkonzerne mit internationalen Standorten und einer guten Kapitaldecke seien noch flexibel. Kleinere Betriebe nicht. „Über Nacht sind ganze Industriezweige auf sich selbst gestellt, wenn keine Hilfe kommt“, konstatiert Krebs.

Von „Alarmzeichen“ spricht Thomas Schauf, der neue Geschäftsführer der Metropolregion Rheinland. Er sieht eine schleichende Standortverlagerung, denn bereits jetzt werde Produktion aus dem Rheinland ins Ausland verschoben. Faktisch führe das zum Verlust von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsleistung in der Region. Schauf fordert eine Strukturpolitik, die Unternehmen die Transformation, den Wandel vor Ort ermögliche. Dazu gehörten leistungsfähige Verkehrsinfrastrukturen – für Menschen wie für Güter.

Damit verweist er auf einen wunden Punkt. Die Preis-Konkurrenz aus China hat eine solche Transportstruktur. Vom eigenen Terminal im belgischen Seehafen Zeebrügge schafft der chinesische Staatskonzern Cosco (der sich gerade im Hamburger Hafen einkauft) im Pendelzug seine Waren in den Duisburger Hafen, der ein Drehkreuz für Lkw, Güterzug und Binnenschiff ist. Peking hat, was wir noch brauchen: die auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Infrastruktur.

Davon kann im Rheinland keine Rede sein. Einige Schlaglichter: Seit 2016 ist die Leverkusener Autobahnbrücke für Lkw über 3,5 Tonnen gesperrt. Zahlreiche Betriebe, die sich wegen der ehemals günstigen Anbindung für das dortige Gewerbegebiet entschieden, müssen nun weite Umwege in Kauf nehmen, allen voran die Firma Ford, die in Köln – noch vor der Stadtverwaltung – die meisten Menschen beschäftigt. Gleichzeitig gibt es die Achillesferse des gewaltigen Güterterminals Köln-Eifeltor mit der Kreuzung von Straßenbahn, Militärring und Luxemburgerstraße. Sie blockiert den Güterverkehr seit vielen Jahren effektiv. Eine Unterführung? Zukunftsmusik. Oder: Will einer der riesigen Colonia-Kräne in Bonn den Rhein überqueren, muss er dies mangels tragfähiger Brücken in Düsseldorf oder Neuwied tun. Aktivisten müssen sich hier sicher nicht auf den Asphalt kleben. Die Mischung aus amtlicher Trägheit und politischem Wunschdenken bringt den Verkehr ohnehin zum Kollaps, fürchte ich.

Wären wir in der Energiekrise doch so erfahren wie in der Pandemie. Wenn ich über etwas geschrieben, es also in Worte und Sätze gefasst habe, stellt sich hernach ein Gefühl ein, als sei eine Situation fassbarer geworden. Auch aus diesem Grund wohl führen viele Menschen ein Tagebuch.

Die Südstadt im Wandel der Pandemie-Zyklen – von der leer gefegten Severinstraße bis zum Corona-Karneval mit den Brausen.

Fotos: Richard Bargel

Kurz vor Ende des dritten Pandemiejahres hat Richard Bargel mir rund 1400 Fotos geschickt. Seit Anfang 2020 hat er sie mit seinem Handy in der Kölner Südstadt geschossen. Bargel ist ein Multitalent. Anerkannt als Bluesgitarrist, schreibt und malt er auch. Das Foto-Tagebuch ist seine Art, mit der Krise umzugehen. Das Virus hat sein Leben, wie das vieler Künstler, auf den Kopf gestellt. Keine Auftritte, Rückzug aus dem Ehrenfelder Theater, in das er Arbeit und Herzblut gesteckt hat, lange Zeit keine Konzertabende im Alten Pfandhaus mehr.

Ein Hauch von Melancholie liegt über seinen Bildern. Das hat mit den Coronaregeln zu tun, denn selbst eine Severinstraße wirkt öde, wenn sie leer ist. Zum anderen gibt es als Fotograf auch Stimmung vor. Welche Motive und Ausschnitte aus dem Leben wählt er? Bargel ist Anfang 70. Weise, kenntnisreich und altersmilde blickt er durch den Sucher. Entstanden ist eine Bestandsaufnahme.  

Hinter einer spiegelnden Glasfläche erkennt man auseinandergenommene Schaufensterpuppen, die wie Zombies wirken. Graffity ist in der grundberuhigten Südstadt noch einmal greller. „Halt die Fresse“ steht auf dem Rollo, das die Kneipe Kajtek verriegelt, „Pandemie, ich kann nie mieh“ auf einer Hauswand und nebenan „Triage, leckens am Arsch.“ Anderes mag man gar nicht widergeben. Die lakonische Derbheit dieser Stadt spiegelt sich in den Bildern. Ebenso aber auch die kleinen Fluchten. Der Kaffee auf der Straße, die Begegnung, wenn Viele ihre vielen Hunde Gassi führen.

All die Südstadt-Menschen begegnen einem – Wilfried Schmickler, Gerd Köster, Hans Mörtter, Cornel Wachter oder Ralf Richter sind nur einige. Aber auch die, die man nicht auf den ersten Blick erkennt wie Marion Radtke, die Viva la Diva auf ihrem Harley-Rad, der Psychoanalytiker Wolfram Kreutzfeld oder der Tontechniker Jogi Kreek. Je mehr man blättert, um so stärker erkennt man die Textur des Viertels, das nicht hierarchisch ist und damit für Fluch und Segen dieser Stadt steht.

Ihren Höhepunkt findet die Bilderschau im jüngsten Karneval. Die Menschen lachen wieder, über FFP2-Masken blitzt Lebensfreude in den Augen und Die Brausen“, Kölns erster weiblicher und maskierter Shanty-Chor, halten ein „Fuck Putin“-Schild empor. Was wie eine Abfolge von Bühnenszenen wirkt, schreibt in der Gesamtschau ein kölsches Stück. Wer den Maestro in seinen Veröffentlichungsplänen unterstützen will, schreibt an ihn (richard.bargel@web.de) oder geht am Filos in der Merowingerstraße vorbei, wo er verlässlich seinen Kaffee trinkt.

Haben Sie ein schönes Wochenende! Vielleicht hat Richard Bargels Geschichte Sie auf andere Gedanken gebracht? Trotz aller Rückschläge schaut er optimistisch in die Welt. Dafür danke ich ihm.

Herzlich grüsst

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 28.10.2022

Newsletter vom 28.10.2022

Pekings gefährlicher Griff nach der Weltherrschaft
Experte: Konflikt mit China gefährlicher als der mit Russland

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

erinnern Sie sich noch an Kurt Georg Kiesinger? Muss man auch nicht, denn über den Kanzler der ersten Großen Koalition lässt sich wenig Berichtenswertes sagen. Aber seine Warnung bekommt in diesen Tagen eine beunruhigende Aktualität: „Ich sage nur China, China, China!“ Denn das Reich der Mitte hat sich vom nach außen friedlichen Armenhaus zu einer aggressiven Weltmacht gemausert, die sich anschickt, zur beherrschenden Kraft des 21. Jahrhunderts aufzusteigen.

Wandel durch Handel? Das hat schon mit Russland nicht funktioniert. Im Gegenteil: Wie Süchtige sind wir Deutschen existentiell abhängig vom Gas, das der Dealer im Kreml uns gerade vorenthält – kalter Entzug vom heißbegehrten Stoff, der hierzulande bislang Prosperität und sozialen Frieden garantiert hat. Während wir noch mit aller Kraft – und gigantischer Verschuldung – gegen den dadurch drohenden Kollaps ankämpfen, droht bereits die nächste Gefahr. Und die ist größer als die durch Russland, deutlich größer, wie der britische Wissenschaftler und international renommierte Sicherheitspolitiker Prof. Peter Neumann warnt. Für Kritiker wie ihn ist es sträfliche Blauäugigkeit, etwa chinesischen Staatskonzernen strategisch wichtige Teile unserer Infrastruktur wie Häfen zu überlassen. Der Konflikt mit Moskau werde im Vergleich zu dem, der sich mit Peking abzeichnete, nur eine Fußnote sein.

Das betont auch der bekannte chinesische Autor und Publizist Shi Ming, der mit seiner Expertise Politik und Wirtschaft berät. Noch ist China für deutsche Waren als Absatzmarkt eine Goldgrube, noch produzieren deutsche Autokonzerne und Mittelständler erfolgreich im bevölkerungsreichsten Land der Welt.  „China denkt langfristig und strategisch“, sagt Shi Ming, während Deutschland und der Westen eher an relativ kurzfristigen Gewinnen orientiert sei. Dabei ist durch die Verflechtung längst eine einseitige Abhängigkeit entstanden, die sich bitter rächen könnte: „China war vom Westen, von Know How und Technologie abhängig. Das hat sich umgekehrt.“ Aus ökonomischer werde gefährliche politische Abhängigkeit.

Aber was bedeutet das? Was bedeutet das für Mittelständler und Großkonzerne aus Deutschland? Was bedeutet es für unseren Wohlstand, unsere Sozialsysteme, die längst am Tropf chinesischer Interessenspolitik hängen? „China strebt Autonomie, Unabhängigkeit vom Westen ab und treibt das kraftvoll voran“, sagt Shi Ming. Oder, mit den Worten Peter Neumanns: „Wenn nichts passiert, dann ist die Geschichte des 21. Jahrhunderts nicht nur eine vom Aufstieg Chinas, sondern gleichzeitig die vom Niedergang des Westens.

Für die deutsche Wirtschaft sieht Shi Ming dunkle Wolken aufziehen. Detailliert wird der gefragte China-Experte am 9. November zu all diesen Fragen im Kölner Presseclub Stellung nehmen, wenn er auf Risiken, Hintergründe, aber auch inneren Widersprüche dieser atemberaubenden Entwicklung eingehen wird.

Eine Zeitenwende hat Olaf Scholz genannt, was wir gerade erleben. Originell ist das Kanzlerwort natürlich nicht, aber es ist zutreffend. Das Vormachtstreben Chinas, der russische Überfall auf die Ukraine, die epochale Herausforderung des Klimawandels, die neue Völkerwanderung – lauter Fragen, aber bislang keine wirklich befriedigenden Antworten.

Wohlstand, soziale Sicherheit, Frieden in Europa – nichts scheint mehr gesichert. In rasender Geschwindigkeit lösen sich scheinbare Selbstverständlichkeiten auf oder erodieren, Geschlechtergrenzen ebenso wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Autoritäten, Formen des Zusammenlebens. Denn nicht das Spiel ändert sich, es ändern sich die Regeln des Spiels.

Sind wir für das 21. Jahrhundert überhaupt gerüstet? Der Kölner Presseclub versucht in diesen wirren Zeiten, in seinen Veranstaltungen mit Expertinnen und Experten wenigstens stückweise Orientierung zu geben, eine Plattform für den Diskurs über die drängenden Themen zu bieten: Lokal, national, international. Wie mit dem Abend am 9. November. Das löst Probleme zwar nicht, aber es erhellt sie. Und schafft damit die Voraussetzung, klüger damit umzugehen.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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NEWSLETTER VOM 21.09.2022

NEWSLETTER VOM 21.09.2022

Der Alptraum des Handwerkers: Ein Notfall in der Innenstadt – Verbände und Bürger machen mobil gegen die Kölner Verkehrspolitik

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Marc Schmitz ist Handwerker. Wenn man mit ihm spricht, ist die Rede davon, dass er ein modern denkender Mensch ist. „Handwerker können über den Tellerrand blicken“, sagt er. Oder: „Wir sind nicht aus dem vorigen Jahrhundert.“ Für den Obermeister der Innung „Sanitär Heizung Klima“ ist Umweltschutz eine Verpflichtung. Er betont all das, weil ihm häufig das Gegenteil unterstellt wird.

Warum? Die neue städtische Verkehrspolitik bereitet Marc Schmitz große Probleme. Sie sind typisch für Handwerker, aber auch für Pflege, Apotheken- oder Ärztedienste: Der Kölner Stadtbereich wird für sie zur kritischen Zone, Tendenz steigend. Parkplätze fallen weg, es herrschen zeitliche Zufahrtsbeschränkungen, Sperrungen, Verpollerungen, autofreie Zonen, komplizierte Einbahnstraßenregelungen, durchschnittene Verkehrsachsen.

Einsätze im Stadtgebiet bedeuten für den 53jährigen akribische Vorplanung. Vor allem, wenn die großen Werkstattwagen zum Einsatz kommen und geparkt werden müssen. Es gibt keine geeigneten Service-Parkplätze für sie. „Maschinen und Ausrüstung allein wiegen mindestens 400 Kilogramm“, sagt Schmitz. „Und dann kommt noch die Ware hinzu.“ Die Wagen müssen also Volumen haben. Wenn er als Obermeister versucht, seine Probleme Politikern nahe zu bringen, dann kommen – siehe oben – Plattitüden wie „über den Tellerrand blicken“, „mal ein wenig modern sein“ oder „neu denken lernen“. Er suche nach Lösungen, erklärt der Unternehmer, finde aber keine Gesprächsbereitschaft. Probleme würden in der Politik klein geredet.

Handfeste Probleme mit der Kölner Verkehrspolitik haben Handwerker wie Marc Schmitz, Obermeister der Sanitär-Innung.

Bild: Peter Pauls

Ende der 90er Jahre machte Schmitz sich selbständig mit dem Ziel, ökologische Haustechnik anzubieten. Ein Pionier. Der Erfolg gab ihm recht. Heute hat er rund 60 Mitarbeiter. Für einfache und nahe Arbeiten setzt er – Stichwort Mikromobilität – auf Lastenfahrrad und Elektro-Antrieb. Und auch einer modernen Verkehrspolitik steht er offen gegenüber. Doch in ihr müssen Menschen wie er mit ihren Bedürfnissen überhaupt erst einmal wahrgenommen werden, zumal sie der Allgemeinheit dienen. Rohrbruch und Heizungsausfall lassen grüßen.

Marc Schmitz erinnert mich an Engelbert Schlechtrimen, den Bäcker und Konditor aus Köln-Kalk. Beide gehen achtsam mit Ressourcen um, setzen auf ökologisches Wirtschaften und grüne Werte. Doch stehen sie wegen ihrer Kritik unter Rechtfertigungsdruck, als seien sie Modernitätsverweigerer. Dabei sind nicht sie rückständig. Eher sind die politisch Handelnden rückständig, die ihr Bild vom Handwerk aus dem vorigen Jahrhundert schöpfen.

Marc Schmitz denkt nicht ans Aufhören. Aber Engelbert Schlechtrimen haben die sich überlagernden Krisen wie Corona oder der Ukraine-Krieg und dessen Folgen die Kraft genommen, sein Geschäft weiter zu betreiben. Das Fass zum Überlaufen brachte die geplante Umwidmung der Kalker Hauptstraße zur Einbahnstraße.

Von Ignoranz der Stadt Köln spricht Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln und gleichzeitig Präsident des deutschen Zentralverbandes Handwerk. Man werde nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht gehört. Ob Scheuklappen zur Grundausstattung der Kölner Verkehrspolitik gehören, frage ich mich. Sicher, die Grünen sind in der Kommunalwahl 2020 mit 28,5 Prozent Stimmenanteil stärkste Partei geworden. Doch sind sie zu schwach, um allein zu regieren. Trotzdem dominieren sie die Verkehrspolitik.

Beispiel „Ring frei“:

Die Gespräche von Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung haben sensationell geklappt, sagt Handelskümmerer Hans-Günter Grawe.

Zusätzlich zum Handwerk kommt die Kritik aus einem so breiten Feld, dass sie nicht einfach ignoriert werden kann. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Köln Bonn (DGB) etwa spricht von „kleinteiligen Maßnahmen zur Bedienung von Klientelinteressen“, die IHK Köln fordert Respekt für Mobilitätsentscheidungen. Geschäftsleute und Anwohner fühlen sich mitunter buchstäblich überfahren. Allein in Rodenkirchen sammelte eine Bürgerinitiative binnen weniger Tage 1400 Unterzeichner gegen die dort geplante Einbahnstraßenregelung.

„Hier wird etwas ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten übergestülpt“, kritisiert Hans-Günter Grawe, Geschäftsführer des Dachverbands Kölner Interessengemeinschaften. „Dabei ist jedes Viertel in dieser Stadt anders.“ Grawe wählt seine Worte sorgfältig. Spitzen vermeidet er. Ziele müssten gemeinsam erarbeitet und die Menschen mitgenommen werden, sagt er. Wer will da widersprechen? Aufenthaltsqualität in den Vierteln sei ebenso wichtig wie deren Erreichbarkeit. Schnittmengen finden, Interessensausgleich organisieren – sind das nicht ohnehin Grundanforderungen für ein vernünftiges Zusammenleben? Sollte Politik nicht werben, anstatt zu exekutieren?

Die Initiative „Ring frei“ hat gezeigt, wie ein Miteinander von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern auf getrennten Bahnen funktionieren und jeder seine Sichtweise einbringen kann, sagt Grawe. Es hat also schon einmal geklappt, alle mit ins Boot zu nehmen. Was eigentlich ist daran so schwer, liebe Verkehrspolitiker?

Spätsommerliche Grüße sendet
Ihr
Peter Pauls

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Newsletter 21. Oktober 2022

Newsletter vom 21.10.2022

Zwischen E-Scooter, Selfies und Außenpolitik – das neue Leben des Beinahe-Kanzlers. Was Armin Laschet ein Jahr nach der verlorenen Wahl macht.

Sehr geehrte Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wie viele Leben hat ein Politiker? Die meisten verschwinden nach Niederlagen in der Versenkung.  Es gibt nicht viele, die ihren Weg weitergehen. Armin Laschet jedoch ist so einer.  Er ist ein Stehauf-Politiker. Viele Aufs und Abs ziehen sich durch seine lange politische Karriere. In allen Parlamenten hat er schon gesessen: Stadt, Land, Bund, Europa. Und nun ist wieder der Bund dran: Der Beinahe-Kanzler ist seit einem Jahr CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag.

In der Hauptstadt wird seine politische Fallhöhe deutlich. Alles ist mehrere Nummern kleiner. Sein Büro, die Anzahl seiner Mitarbeiter, selbst seine Art sich fortzubewegen: Statt mit Staatskarosse und Fahrer, kommt der ehemalige NRW-Ministerpräsident jetzt mit dem E-Scooter zum Termin. Es war keine Sinnestäuschung, als wir uns in Berlin trafen. Im Pulk der Scooter-Fahrer düste einer der bekanntesten deutschen Politiker-Köpfe mit wehendem Mantel über die Spree.

„Ist praktischer“, sagt Laschet lapidar. Mag sein, aber auf jeden Fall ist es bürgernah. Monatelang war er als Kanzlerkandidat einer der prominentesten Politikerköpfe des Landes mit zahlreichen Fernsehauftritten, Veranstaltungen, Talkshows. Ein Jahr später erkennen ihn die Menschen auf der Straße immer noch sofort. „Hallo Herr Laschet, darf ich ein Foto mit Ihnen machen?“ Mehrmals bei unserem Termin erlebe ich, wie er angesprochen wird. Das sei jeden Tag so, wenn er unterwegs ist, sagt er. Er freut sich darüber, nimmt sich Zeit für ein Selfie und wechselt ein paar nette Worte. Oft mit jungen Leuten. Laschets lockere Art nimmt die Sorge, abgewiesen zu werden. Wer würde schon Merz ansprechen und um ein Selfie bitten?

Selfie-Lieferant Laschet. Immer noch wollen viele junge Menschen ein Foto mit dem Beinahe-Kanzler

Foto: Claudia Hessel

Laschet „klebt“ an seinem Handy. Wörtlich. Er kann telefonieren, ohne seine Hände zu benutzen. Fotos mit dem schwebenden Handy an seiner Wange beherrschten im Wahlkampf den Blätterwald von Seriös bis Boulevard. Ein Trick? „Nein, das leg ich einfach so dran,“ lautet seine simple Erklärung und klebt das Handy an die Wange.  Immer noch nutzt er die kuriose Art zu telefonieren. Überhaupt ist das Smartphone Laschets ständiger Begleiter. Er hat zwei, checkt oft Whatsapp und Twitter. Da liefert er sich schon mal gerne rhetorische Scharmützel mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach oder er schießt gegen – seiner Meinung nach – stillose Äußerungen von CSU-Chef Söder. Markus Söder – zu ihm könnte er viel sagen, aber er schweigt lieber.

Magic-Laschet: Den Trick mit dem schwebenden Handy an der Wange beherrscht nur er.

Foto: Claudia Hessel

Spätestens da komme auch ich nicht um die Frage herum: Warum ist der Traum vom Kanzler geplatzt? Laschet ist überzeugt: „Es fehlte die Geschlossenheit in der CDU/CSU. Mit mehr Gemeinsamkeit hätte die Union die Wimpernschlag-Wahl geschafft.“  Das Wahlergebnis war knapp. Nicht ohne Grund rief Laschet bei seiner Abschiedsrede als Bundesvorsitzender zu innerparteilicher Solidarität und Vertraulichkeit auf. „Wir müssen wieder lernen, seriös zu arbeiten.“ Ein Wink in Richtung Sondierungsgespräche, die ja auch wegen Durchstechereien gescheitert waren.

„Als Kanzler hätte ich mich in der Krise mehr mit Präsident Macron abgestimmt, europäischer gehandelt.“ Mehr sagt er nicht dazu, er will nicht zurückblicken. „Mir war der schnelle Abschied wichtig“. Nicht nachtreten, seinen Abgang sachlich regeln und sich mit dem abfinden, was nicht mehr zu ändern ist.

Aber wo eine Tür zugeht, geht oft eine andere auf. In Berlin hat er ein anderes Betätigungsfeld gefunden: die Außenpolitik. Als Ministerpräsident hatte er immer die Internationalität von Nordrhein-Westfalen im Blick, erklärt er und zählt auf: Die Unterzeichnung des Aachener Vertrages mit Macron, sein Mandat als Bevollmächtigter Deutschlands für die kulturellen Beziehungen zu Frankreich bis hin zu der Errichtung einer NRW-Vertretung in Tel Aviv. „Besonders Israel und der Wandel in der arabischen Welt beschäftigen mich seit Jahren.

Sein außenpolitisches Ziel: Das sogenannte Abraham Abkommen in Deutschland und der EU bekannter zu machen. Das Abraham Abkommen ist ein diplomatisches Dokument, das von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel im Jahr 2020 unterschrieben wurde. Es soll den Dialog stärken und den Friedensprozess im Nahen Osten fördern. „Deutschland hat nicht nur eine besondere Verpflichtung für die Existenz des Staates Israel einzutreten, sondern Deutschland hat gleichzeitig in der arabischen Welt eine hohe Legitimität zu agieren.“ Um dieses Vorhaben voranzubringen, hat er gerade ein neues Institut gegründet.

Ein Jahr nach der verlorenen Bundestagswahl. Was macht der ehemalige Kanzlerkandiadat heute?

Claudia Hessel hat für den Kölner Presseclub mit ihm gesprochen

Außenpolitik im Auge, Heimat im Herzen: Das letzte Stück geförderte Kohle aus der Zeche Prosper-Haniel steht in seinem Berliner Büro, ebenso eine Statue von Karl dem Großen, aber auch ein Stück Köln: Eine Domspitze. Es ist das Geschenk der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu Laschets 60sten Geburtstag. Wie er auf Köln blickt, will ich wissen: „Köln wird von den Kölnern oft unter Wert wahrgenommen. Die Stadt ist reich an Geschichte und Kultur und sie ist wirtschaftlich stark. Sie kann locker mit Städten wie Hamburg, Berlin und München mithalten, denn sie ist immerhin eine von nur vier Millionenstädten in Deutschland.“  Interessant zu hören, wie ein Außenstehender auf Köln blickt, und das ausspricht, was der Kölner an sich nicht so wahrhaben will: Köln kann mehr.

In der Versenkung verschwunden ist der Bergmannsohn noch lange nicht. Ich habe in Berlin einen Politiker getroffen, der auch zu seinen Fehlern steht. Ernsthaftigkeit im Amt, Lockerheit bei den Menschen auf der Straße. Laschet bleibt ein Rheinländer, dem das Lachen trotz Niederlagen nicht vergangen ist. Sein Lebenslauf und seine Eigenschaften legen es nahe: Von ihm wird noch zu hören sein.

Von der Spree an den Rhein zurück grüßt Sie herzlich

Ihre Claudia Hessel

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Newsletter 14. Oktober 2022

Newsletter vom 14.10.2022

Müssen die Heinzelmännchen wieder Köln übernehmen? – Wo Intriganten mächtiger als Leistungsträger sind

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

vor 20 Jahren benannte der Architekt Oswald Mathias Ungers in der Innenstadt eine Kulturachse als „Via Culturalis“. Wie ein DNA-Strang zieht sich die bauliche Erbmasse Kölns vom Dom zu St. Maria im Kapitol. Derzeit aber tritt das Vermächtnis 2000jähriger Geschichte zurück hinter Sanierungen, Abrissen und Stillständen, die seinen Pfad säumen. So spiegelt er auch das aktuelle Köln, das sich gern in seinen guten Absichten verheddert.

Das Römisch-Germanische-Museum (RGM) am Beginn der Via wurde 2019 wegen einer Generalsanierung geschlossen. Geschlagene sieben Jahre sind dafür veranschlagt. Frei von Ehrgeiz wird es erst 2026 wieder eröffnet. Wo endet Bedachtsamkeit und beginnt Apathie, frage ich mich. Das Dom Hotel soll dann seit drei Jahren wieder in Betrieb sein. Nach zehn Jahren Sanierung. Wenn nicht alles doch noch anders kommt, wie manchmal in Köln.

 Am Kölner Dom beginnt die „Via Culturalis“. Gesäumt ist sie von Sanierung, Abriss, Neubau, Stillstand und Hängepartie. So spiegelt sie neben der 2000jährigen Vergangenheit die aktuelle Verfassung der Stadt.

Foto: Peter Pauls

Und die geplante „Historische Mitte“, die den Roncalli Platz säumen soll? Zwar wäre die Katholische Kirche Bauherr und die Stadt nur Juniorpartner. Doch auch hier ist die Zukunft ungewiss. Köln stellt zurzeit alle Großprojekte auf den Prüfstand. Wie ein Mensch mit Burnout, für den Alltagsgeschäfte bereits unüberwindliche Hindernisse darstellen. Dabei müssen Großstädte, die Schritt halten wollen, fraglos zentrale Projekte parallel stemmen können. Sie verkommen sonst zu Gebilden, in denen der langsamste das Tempo vorgibt.

Am künftigen Laurenz-Carré zumindest tut sich etwas: Das frühere Carlton-Hotel ist abgerissen und Hoffnung keimt, dass der Investor rasch seine Pläne umsetzen kann. Anders steht es um die „Miqua“, einige Schritte weiter. Die für 2024 geplante Fertigstellung dieses Jüdischen Museums muss nach einem Streit mit dem Stahlbauer verschoben werden – auf wann auch immer. Wie ein Fanal des Stillstands ragt ein Metallgerüst empor, auf das man einen guten Blick hat vom Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud (WRM & FC).

Das älteste Museum Kölns residiert seit 2001 in einem markanten Neubau und sollte praktisch vom ersten Tag an erweitert werden. Doch ist die Planung seither überschattet von Pleiten, Pech und Pannen. Dabei hat das Projekt beste Fürsprecher wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Baudezernent Markus Greitemann.  Aber Köln funktioniert nicht hierarchisch. Auch Vertreter der Bürgergesellschaft, die verstorbenen Alfred Freiherr von Oppenheim und Alfred Neven DuMont, kamen nur langsam voran.

Seit Jahren verfolgt nun der Unternehmer Peter Jungen, Vorsitzender des Stifterrates vom WRM & FC, die Erweiterung. Der frühere Strabag-Chef ist ein Weltbürger und hartnäckiger Verhandler. 1990 erreichte er im direkten Gespräch mit Iraks Diktator Saddam Hussein die Freilassung hunderter Geiseln, darunter auch viele aus seiner Firma. Selbst er wird immer wieder kalt von der Verwaltung erwischt, die eine Art von Eigenleben zu führen scheint.

Wie also geht es weiter mit den großen Kölner (Kultur-)Bauten?  Darüber wollen wir im Kölner Presseclub diskutieren am Donnerstag, 3. November, 19.30 Uhr, im Excelsior Hotel Ernst. Neben Peter Jungen auf dem Podium sind Kulturdezernent Stefan Charles, der in der Schweiz derartige Projekte begleitet hat, sowie die Architektin Stefanie Ruffen. Das FDP-Ratsmitglied plädiert dafür, der Verwaltung keine Großprojekte mehr zu überlassen. Sie sei überfordert. „Warten auf die Heinzelmännchen?“ haben wir den Abend etwas defätistisch überschrieben und freuen uns auf Ihre Anmeldung (info@koelner-presseclub.de).

Übrigens: Als wäre Köln ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, in dem man gegen- und nicht miteinander antritt, hat die Verwaltung – bewusst, wie sie sagt – erst jetzt mit einer Bodenuntersuchung für eine Erweiterung des Wallraf-Museums begonnen. In einer Stadt, deren Grund von römischen Spuren durchsetzt ist, wäre das vor 20 Jahre geboten gewesen. In der freien Wirtschaft würden nun, zurückhaltend gesagt, Verantwortlichkeiten neu verteilt. Gibt es für Behörden keine Hinweis- und Mitwirkungspflicht, keine Bringschuld, frage ich mich? Muss man für alles und jedes auf Anweisungen warten? Frei nach der Devise: Fällt der Soldat ins Wasser, hat er sofort Schwimmbewegungen auszuführen.

Im öffentlichen Bereich wird Leistung ohnehin anders definiert als in der zivilen Arbeitswelt, vermute ich. Der Gedanke kam mir in zwei Fällen. In seinen 16 Jahren als Kölner Flughafenchef formte Michael Garvens einen modernen Airport. Dann kamen Heckenschützen und stachen im Schutz der Anonymität Mutmaßungen und Verdächtigungen durch. Schon von Amts wegen ermittelte die Staatsanwaltschaft. Nun, fünf Jahre später, teilte sie mit, dass sich keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Handeln von Garvens ergeben hätten, der 2017 verbittert ausschied. Intriganten haben in dieser an Machern nicht eben reichen Stadt offenbar mehr Macht als Leistungsträger.

Ein weiterer Fall ist Jürgen Mathies. Nach der Kölner Silvesternacht 2016 übernahm er das Amt des Polizeipräsidenten in der aufgewühlten Stadt. Der gradlinige Mann stand für Ruhe und Verlässlichkeit. Auch später meisterte er kritische Situationen überlegt und ruhig. Dass der damalige Ministerpräsident Armin Laschet ihn als Staatssekretär ins Innenministerium berief, wunderte mich nicht. Für Köln aber war es ein Verlust. Den liberalen Laschet störte nicht, dass Mathies kein Parteibuch hatte und unabhängig bleiben wollte. Unter Nachfolger Hendrik Wüst aber war für ihn kein Platz mehr. Er wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Auch hier gilt: Menschen wie Mathies sind rar gesät. Wie gesegnet mit Talenten muss NRW sein, wenn es auf ihn verzichten kann. Oder wie blind.

Das passt zur Schlussbetrachtung. Nach Lage der Dinge ruft am Freitag der Muezzin von der Kölner Zentralmoschee. Das wird den türkischen Präsidenten Erdogan freuen, der 2018 eigens zur Einweihung angereist war. Eines Tages werde dieser Ruf weltweit erklingen, hatte er versprochen. Köln hilft ihm in heiliger Einfalt nun, diesen Wunsch umzusetzen.

Lale Akgün findet klare Worte für den Vorgang. „Der Muezzinruf mag in Köln leise sein, aber in der Türkei, aber auch in Deutschland erklingt er sehr laut. Weil damit klar ist, dass der politische Islam auch in Köln hörbar ist“, sagt sie. Wie das Kopftuch sichtbares Symbol des politischen Islam sei. Die SPD-Politikerin denkt im Gegensatz zu anderen über Stadtgrenzen hinaus.

Nachdenklich grüßt

Ihr

Peter Pauls

 

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Newsletter 7. Oktober 2022

Newsletter vom 7.10.2022

Köln – eine Hängepartie
„Dass Köln nichts entscheidet, ist ein Problem“. Was der neue Dezernent für Stadtentwicklung und Digitales ändern will.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Heiligen Drei Könige, das Dreigestirn und als Brauchtum gilt schon alles, was dreimal stattgefunden hat. Die Zahl drei lässt Köln nicht los. Drei Anläufe hat es jetzt gebraucht, um den Chefposten für Wirtschaft, Stadtentwicklung, Digitales und regionale Zusammenarbeit zu besetzen. Seit August ist also Andree Haack der Neue im Kölner Verwaltungsvorstand. Erfahrungen hat er in Duisburg als Beigeordneter für Wirtschaft und Strukturentwicklung, Sicherheit und Ordnung gesammelt. Dort digitalisierte er auch das komplette Duisburger Hausaktenarchiv. Das braucht Köln, dachten sich wohl die Verantwortlichen. Zudem galt Haack in Duisburg als zukunftsorientierter und exzellenter Stratege.

Als erstes hat der MSV Duisburg-Fan in Köln den Zoo besucht. Lässt das tief blicken? „Nein, der Wunsch für einen Zoobesuch kam von meinen ehemaligen Mitarbeitern“, sagt Haack. Die Entscheidung sich für den Job in Köln zu bewerben, hat der 48- jährige Familienvater schnell getroffen. Köln ist für den Duisburger eine Stadt mit viel Potenzial und Kraft. Dass er beim Thema Stadtentwicklung mitgestalten kann, das macht ihn ein bisschen demütig und zugleich stolz, verrät er mir im Gespräch in seinem Büro im Stadthaus in Deutz mit Blick auf die schnellwachsende Baustelle Messe-City.

Die Kölner Wirtschaft und die Stadtentwicklung im Blick: Der Schreibtisch des neuen Dezernenten.

Foto: Claudia Hessel

Schnell? Köln ist doch eher dafür bekannt, die Langsamkeit für sich entdeckt zu haben. Alles dauert im Grunde länger. Eine typische Kölner Eigenschaft, die der neue Dezernent bereits in wenigen Wochen schnell ausgemacht hat. Es stimmt, Planungs- und Genehmigungsverfahren sind in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Das führt zu längeren Entscheidungswegen – nicht nur in Köln. Aber hier kommt noch oftmals eine Entscheidungsunfreudigkeit hinzu, die ihm von vielen Seiten, insbesondere von Investoren, geschildert wird. Im Grunde ein Verwaltungsthema, aber auch manchmal ein politisches Thema, räumt er ein. Beispiele für Nichtentscheidungen gibt es tatsächlich genug: Das Tauziehen zwischen dem Versicherer DEVK und der Stadt Köln. Weil ein geeignetes Höhen- bzw. Hochhauskonzept fehlt, wird lange rumgeeiert. Nach dem gleichen Muster verweigert man die Entscheidung zum U-Bahnbau. Das hat Haack erkannt und will sich für mehr Entschlossenheit einsetzen: „Auch wenn wir als Stadt vielleicht nicht immer in die Richtung gehen, die öffentlich oder von einzelnen Kräften gefordert wird, ist es manchmal besser, eine klare Entscheidung als keine Entscheidung zu treffen.“

 Manchmal besser, eine klare Entscheidung als keine Entscheidung zu treffen. Andree Haack zeigt im neuen Presseclub-Newsletter, wo es für ihn in Köln langgeht

Foto: CoellnColoer

Dass etwas in Köln lange dauert, bekommt auch der Kölner Bürger zu spüren, wenn er mal aufs Amt muss, um einen Ausweis oder den Führerschein zu beantragen. Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen ist ein dickes Brett in Haacks Zuständigkeit. Eine der Herausforderungen dabei wird sein, dass Städte und Gemeinden nicht isoliert arbeiten können. Zahlreiche andere Behörden, wie Finanzämter, Polizei oder andere Landes- und Bundesbehörden sind eingebunden und oftmals sind die Prozesse nicht aufeinander abgestimmt. Haack will aber in Köln loslegen: „Wir haben auch den Mut zu sagen, die eine oder andere Leistung machen wir jetzt einfach mal digital, auch wenn wir noch nicht wissen, ob das in zehn Jahren noch Bestand haben wird.“ Genau das erwarten viele Bürger von ihrer Stadt: Nicht warten, sondern machen!

Ein weiterer Beleg für Langsamkeit in Köln sind die Plätze: Ebertplatz, Barbarossaplatz, Neumarkt – alles Orte mit zentraler Bedeutung, aber wo sich keiner gern länger aufhält, ganz zu schweigen von Besuchern oder Touristen. „Es ist ja nicht so, dass sich dort nichts tut, aber in der Tat müssen wir da schneller werden“, fordert der neue Stadtentwicklungsdezernent. Köln hat sehr viele Plätze und man arbeite auch schon seit Jahren an dem einen oder anderen Platz. „Ich weiß auch, dass es da Probleme gibt, und das ist genau das, was ich schon ansprach: Dass Köln manchmal nicht entscheidet, weil man viel zu lange über die eine oder andere Gestaltung nachdenkt.“

Diese kölschen Hängepartien – egal in welchem Bereich – sind keine gute Werbung für einen Standort und damit für den neuen Dezernenten ein Kernproblem. Noch ist Haacks Dynamik aus Duisburg spürbar und Abstimmungen mit den Kolleginnen und Kollegen in seinen Bereichen Wirtschaft, Stadtentwicklung und Digitales für ihn kein Problem. Doch mindestens drei andere Dezernenten und zahlreiche Amtsleiter von Umwelt, Ordnungsamt und Bauen sowie letztlich die Politik – alle wollen und werden in Köln mitreden.

Hoffen wir, dass Andree Haack die Arbeit so schwungvoll angeht und genauso sportlich nimmt, wie er zurzeit als Fahrradfahrer in der Stadt unterwegs ist. Aber auch da wird er wahrscheinlich schnell merken: Köln ist ein Marathon und kein Sprint.

Geduld und herzliche Grüße sendet Ihnen
Ihre
Claudia Hessel

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Newsletter 30. September 2022

Newsletter vom 30.09.2022

Krankenhäuser am Tropf – Droht ein Kliniksterben?
Explodierende Energiekosten bedrohen unser Gesundheitswesen existentiell

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Diagnose ist ebenso banal wie besorgniserregend: Für Krankenhäuser gibt es keine Intensivstationen. Dabei kämpfen sie nach zwei zehrenden Pandemiejahren gerade um ihr Überleben – und die Prognose ist in vielen Fällen nicht gut. Personell ausgeblutet, finanziell am Tropf, sind sie jetzt von einem weiteren lebensgefährlichen Virus befallen: Der Kostenexplosion. Die Preise für Energie, für Medizinprodukte und Dienstleister wie etwa Wäschereien explodieren. Aber anders als in den meisten anderen Branchen können die Kosten nicht einfach weitergegeben werden, die Preise für die Leistungen sind gedeckelt. Das heißt schlicht, dass erheblicher Mehraufwand nicht finanziert wird. Droht ein Versorgungskollaps im Gesundheitswesen?

„Dramatisch“ nennt Gunnar Schneider die Entwicklung. Er muss es wissen, denn er ist Geschäftsführer der Krankenhäuser der Augustinerinnen, zu denen das sog. Severinsklösterchen in der Südstadt gehört. Schon die Pandemie war eine Herausforderung, die die Erlöse bei gleichbleibenden Kosten geschmälert haben, weil ohnehin knappes Personal in Quarantäne musste und Operationen verschoben wurden. Jetzt sorgen verdreifachte Strom- und teilweise verzehnfachte Gaspreise für die nächste Schockwelle. Die von ihm verantworteten Häuser der Augustinerinnen (zu denen auch das Hildegardis-Krankenhaus in Lindenthal gehört) sind zwar ans Fernwärmenetz angeschlossen, sodass die aus dem Ruder laufenden Gaspreise erst mit zeitlicher Verzögerung zu Buche schlagen. Schneider rechnet bei den Energiepreisen nach 1,7 Millionen Euro im vorigen Jahr mit 4,5 Millionen im kommenden Jahr.

Gunnar Schneider, Geschäftsführer der Augustinerinnen Krankenhäuser

Quelle: Krankenhaus der Augustinerinnen

Eine besondere Krux ist natürlich, dass Energiesparen bei Kliniken äußerst begrenzt möglich ist. In den Krankenzimmern die Raumtemperatur zu senken verbietet sich ebenso wie das Ausschalten lebenserhaltender Geräte. Dennoch will Gunnar Schneider versuchen, mit Maßnahmen noch bis zu zehn Prozent einzusparen, aber „das wird man spüren.“ Allerdings  soll das im „patientenfernen Bereich“ geschehen, ergänzt er schnell. „Das kann allerdings kein Krankenhaus über längere Zeit durchhalten.“

Ein Thema, nach Gunnar Schneider „das Problem schlechthin“, ist die Personalsituation. Während der Bedarf an medizinischer Versorgung durch den demografischen Wandelimmer mehr Alte bei immer weniger Jungen – wächst, fehlen zunehmend Fach- und Arbeitskräfte. Das trifft die Kliniken hart. „Wir haben große Schwierigkeiten, die freien Stellen zu besetzen“, sagt Schneider. Eine andere Verteilung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung sieht er als Schlüssel, mit diesem Mangel durch den Alltag zu kommen, zumal es schon in den letzten Jahren den Trend gab, dass die Verweildauer im Krankenhaus kürzer geworden ist dank des medizinischen Fortschritts.

Das Severinsklösterchen im Herzen der Südstadt

Bild: Michael Hirz

An die Zauberkraft der Digitalisierung, die alles billiger und besser machen soll und auf die Gesundheitsminister Karl Lauterbach setzt, mag Gunnar Schneider nicht so recht zu glauben: „Die Telematikinfrastruktur, die seit ungefähr 15 Jahren aufgebaut wird, ist ein Rohrkrepierer.“ Über dieses System, eine Art Datenautobahn, die alle Akteure des Gesundheitssystems vernetzen soll, laufe nichts. Offensichtlich nutzt Lauterbach dieses Instrument aus der politischen Illusionskiste, um Beitragszahler wie Leistungserbringer erst einmal zu beruhigen.

Für das Severinsklösterchen (und auch das Hildegardis-Krankenhaus) ist Gunnar Schneider nicht pessimistisch. Die Häuser seien gut und solide aufgestellt. Aber es bleibt die Erkenntnis, dass es ohne finanzielle Hilfe der Politik nicht geht – und Politik heißt in diesem Fall, dass die Staatskasse für einen finanziellen Rettungsschirm sorgen muss. Hoffen wir, dass das rechtzeitig gelingt.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,Ihr

Michael Hirz

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Newsletter 23. September 2022

Newsletter vom 23.09.2022

Der Alptraum des Handwerkers: Ein Notfall in der Innenstadt – Verbände und Bürger machen mobil gegen die Kölner Verkehrspolitik 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Marc Schmitz ist Handwerker. Wenn man mit ihm spricht, ist die Rede davon, dass er ein modern denkender Mensch ist. „Handwerker können über den Tellerrand blicken“, sagt er. Oder: „Wir sind nicht aus dem vorigen Jahrhundert.“ Für den Obermeister der Innung „Sanitär Heizung Klima“ ist Umweltschutz eine Verpflichtung. Er betont all das, weil ihm häufig das Gegenteil unterstellt wird.

Warum? Die neue städtische Verkehrspolitik bereitet Marc Schmitz große Probleme. Sie sind typisch für Handwerker, aber auch für Pflege, Apotheken- oder Ärztedienste: Der Kölner Stadtbereich wird für sie zur kritischen Zone, Tendenz steigend. Parkplätze fallen weg, es herrschen zeitliche Zufahrtsbeschränkungen, Sperrungen, Verpollerungen, autofreie Zonen, komplizierte Einbahnstraßenregelungen, durchschnittene Verkehrsachsen.

Einsätze im Stadtgebiet bedeuten für den 53jährigen akribische Vorplanung. Vor allem, wenn die großen Werkstattwagen zum Einsatz kommen und geparkt werden müssen. Es gibt keine geeigneten Service-Parkplätze für sie. „Maschinen und Ausrüstung allein wiegen mindestens 400 Kilogramm“, sagt Schmitz. „Und dann kommt noch die Ware hinzu.“ Die Wagen müssen also Volumen haben. Wenn er als Obermeister versucht, seine Probleme Politikern nahe zu bringen, dann kommen – siehe oben – Plattitüden wie „über den Tellerrand blicken“, „mal ein wenig modern sein“ oder „neu denken lernen“.  Er suche nach Lösungen, erklärt der Unternehmer, finde aber keine Gesprächsbereitschaft. Probleme würden in der Politik klein geredet.

Handfeste Probleme mit der Kölner Verkehrspolitik haben Handwerker wie Marc Schmitz, Obermeister der Sanitär-Innung.

Bilder: Peter Pauls

Ende der 90er Jahre machte Schmitz sich selbständig mit dem Ziel, ökologische Haustechnik anzubieten. Ein Pionier. Der Erfolg gab ihm recht. Heute hat er rund 60 Mitarbeiter. Für einfache und nahe Arbeiten setzt er – Stichwort Mikromobilität – auf Lastenfahrrad und Elektro-Antrieb. Und auch einer modernen Verkehrspolitik steht er offen gegenüber. Doch in ihr müssen Menschen wie er mit ihren Bedürfnissen überhaupt erst einmal wahrgenommen werden, zumal sie der Allgemeinheit dienen. Rohrbruch und Heizungsausfall lassen grüßen.

Marc Schmitz erinnert mich an Engelbert Schlechtrimen, den Bäcker und Konditor aus Köln-Kalk. Beide gehen achtsam mit Ressourcen um, setzen auf ökologisches Wirtschaften und grüne Werte. Doch stehen sie wegen ihrer Kritik unter Rechtfertigungsdruck, als seien sie Modernitätsverweigerer. Dabei sind nicht sie rückständig. Eher sind die politisch Handelnden rückständig, die ihr Bild vom Handwerk aus dem vorigen Jahrhundert schöpfen.

Marc Schmitz denkt nicht ans Aufhören. Aber Engelbert Schlechtrimen haben die sich überlagernden Krisen wie Corona oder der Ukraine-Krieg und dessen Folgen die Kraft genommen, sein Geschäft weiter zu betreiben. Das Fass zum Überlaufen brachte die geplante Umwidmung der Kalker Hauptstraße zur Einbahnstraße.

Von Ignoranz der Stadt Köln spricht Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln und gleichzeitig Präsident des deutschen Zentralverbandes Handwerk. Man werde nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht gehört. Ob Scheuklappen zur Grundausstattung der Kölner Verkehrspolitik gehören, frage ich mich. Sicher, die Grünen sind in der Kommunalwahl 2020 mit 28,5 Prozent Stimmenanteil stärkste Partei geworden. Doch sind sie zu schwach, um allein zu regieren. Trotzdem dominieren sie die Verkehrspolitik.

 Beispiel „Ring frei“: Die Gespräche von Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung haben sensationell geklappt, sagt Handelskümmerer Hans-Günter Grawe.

Zusätzlich zum Handwerk kommt die Kritik aus einem so breiten Feld, dass sie nicht einfach ignoriert werden kann. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Köln Bonn (DGB) etwa spricht von „kleinteiligen Maßnahmen zur Bedienung von Klientelinteressen“, die IHK Köln fordert Respekt für Mobilitätsentscheidungen. Geschäftsleute und Anwohner fühlen sich mitunter buchstäblich überfahren. Allein in Rodenkirchen sammelte eine Bürgerinitiative binnen weniger Tage 1400 Unterzeichner gegen die dort geplante Einbahnstraßenregelung.

„Hier wird etwas ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten übergestülpt“, kritisiert Hans-Günter Grawe, Geschäftsführer des Dachverbands Kölner Interessengemeinschaften.  „Dabei ist jedes Viertel in dieser Stadt anders.“ Grawe wählt seine Worte sorgfältig. Spitzen vermeidet er. Ziele müssten gemeinsam erarbeitet und die Menschen mitgenommen werden, sagt er. Wer will da widersprechen? Aufenthaltsqualität in den Vierteln sei ebenso wichtig wie deren Erreichbarkeit. Schnittmengen finden, Interessensausgleich organisieren  –  sind das nicht ohnehin Grundanforderungen für ein vernünftiges Zusammenleben? Sollte Politik nicht werben, anstatt zu exekutieren?

Die Initiative „Ring frei“ hat gezeigt, wie ein Miteinander von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern auf getrennten Bahnen funktionieren und jeder seine Sichtweise einbringen kann, sagt Grawe. Es hat also schon einmal geklappt, alle mit ins Boot zu nehmen. Was eigentlich ist daran so schwer, liebe Verkehrspolitiker?

Spätsommerliche Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls

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Newsletter 16. September 2022

Newsletter vom 16.09.2022

Kein Ballermann-Image mehr für die Altstadt – Wer seine Stadt liebt, macht so was nicht – Dr. Joachim Groth über die Zustände im Herzen Kölns

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wann waren Sie zum letzten Mal in der Kölner Altstadt? Bestimmt ist es länger her, denn im Grunde fühlt sich der Kölner mit seiner Altstadt kaum verbunden oder darin wohl. Wen wundert es: ständig neue Baustellen, hässliche Graffitis, Werbeschilder grell und groß an historischen Gebäuden und dann immer wieder abendlicher Lärm. Aber offenbar kümmert es keinen. Ein Zustand, der schon jahrelang hält. Hat der Kölner seine Altstadt aufgegeben?, frage ich mich.

Nicht ganz. Nach dem Motto: Frage nicht nur, was Deine Stadt für Dich tun kann. Frage auch, was Du für Deine Stadt tun kannst, setzt sich seit 1994 eine Bürgergemeinschaft für eine lebenswertere Altstadt ein. Ortstermin mit Dr. Joachim Groth, Vorsitzender des Vereins. Wir gehen durch die vielen Gassen der Altstadt: Er kritisiert: „Die Altstadt ist eigentlich die Visitenkarte von Köln. Der Rheingarten beispielsweise wurde als Kultur- und Erholungszone erschaffen. Hier sollen Bürger und Bürgerinnen sich wohlfühlen.“ Naja, wohlfühlen in zugemüllten und zugestellten Gässchen, Plätzen und Durchgängen fällt aber tatsächlich schwer. „Wenn ich das sehe, und wie Wände mit Graffiti-Tags zugeschmiert sind, dann ist das mehr als ärgerlich. Tags sind keine Kunst. Wer seine Stadt liebt, macht so was nicht.“

„Kein Ballermann-Image mehr für die Kölner Altstadt“, fordert Dr. Joachim Groth, Vorstandsvorsitzender der Bürgergemeinschaft-Altstadt. „Wer seine Stadt liebt, macht so was nicht.“

Foto: Claudia Hessel

Besonders negativ fällt auf: Die überdimensionierten Werbeanlagen vieler Lokale, insbesondere die der Fast-Foodläden an historischen Gebäuden. Offenbar hält sich kein Inhaber an die Qualitäts-Kriterien aus der Werbesatzung der Stadt Köln. So hat die Stadtverwaltung festgestellt, dass von 292 angebrachten Reklameschildern 261 der Werbesatzung nicht entsprechen. Sie sind im Grunde illegal angebracht. Nach Auffassung von Groth müsste die Stadt konsequenter agieren, „denn seit 20 Jahren ist so gut wie nichts passiert.“

Das gängige kölnische Laissez-faire macht die Altstadt wahrlich nicht zum Aushängeschild Kölns. Dabei gibt es gerade hier eine reiche Kultur-Landschaft mit Philharmonie, Museen, Kirchen – allen voran der Dom  – historischen Häusern und Bühnen wie Hänneschen und Senftöpfchen. Und Lokale, von den berühmten Brauhäusern bis zu Küchen aus aller Welt und dazu ein babylonisches Sprachengewirr. Die Kölner Altstadt ist ohne Zweifel „et Hätz vun Kölle“ und Millionen Touristen aber auch Partygänger strömen jährlich dorthin. Und letzteres ist auch das Problem.

„Köln ist eigentlich nicht für Millionenbesuche gebaut. Es gibt keinen Platz, wo Großveranstaltungen in der Innenstadt problemlos möglich sind, geschweige denn einen Bebauungsplan, der das erlaubt. Trotzdem wird eine Großveranstaltung nach der anderen genehmigt, weil es Publikum in die Stadt bringt,“ erklärt Groth.

Grelle Werbeschilder an historischen Gebäuden, Dreck, Müll, Lärm, Schmierereien und die ewigen Baustellen. Hat Köln seine Altstadt aufgeben?

Foto: Claudia Hessel

2024 soll die Altstadt zur Fußball-EM in ein riesiges Fußball-Dorf umgebaut werden. Die Stadt plant ein Public-Viewing-Stadion für 8.000 Fußballfans auf dem Heumarkt. Die Bürgergemeinschaft, die von der Oberbürgermeisterin immer als wertvoller Mahner gelobt wird, bringt hier eine 150 Seiten starke Dokumentation mit konstruktiven Vorschlägen zur Fußball EM in die Diskussion. Der Text ging an alle entscheidenden Stellen in der Verwaltung und Politik und ist bald auf der Website des Vereins zu lesen.

Groth und sein Verein fürchten: „So wie der Fußball im Moment aufgestellt ist, man denke an die Krawalle von Nizza, schaffen die Kölner Pläne einen gigantischen Hotspot für Ausschreitungen in der Innenstadt. Was passiert danach, wenn 8.000 Fans – egal ob Sieg oder Niederlage – in die Altstadt strömen? Randale oder Euphorie – das werden Zustände, die kaum noch zu bewältigen sind.“

Seit dem beharrlichen und oft zähen Austausch mit Politik und Verwaltung sowie der akribischen fotografischen Dokumentation der Missstände, bewirkt die Initiative Verbesserungen. „Uns geht es auch darum, das Kulturgut Altstadt mit seinen Sozialstrukturen zu erhalten. Wir wollen kein Ballermann-Image mehr für die Altstadt, die in einem schlechten Zustand ist, auch weil Kulturinstitutionen wie das Römisch-Germanische Museum und sein Publikum fehlen oder Projekte wie das MiQua noch nicht eröffnen können.“

Das Netzwerk hat sich noch weitere Ziele gesetzt: Auch die kulturellen Schätze der Altstadt sollen wieder mehr Beachtung erfahren. „Die Stadt könnte ihr Welterbe wesentlich besser vermarkten“, sagt er. „Mit der Via Culturalis und all den damit zusammenhängenden  Planungen wie dem Laurenz Carré,  dem Dom Carré , den Museumsbauten,  einer wiederbelebten Hohe Straße soll Köln wieder zu seiner alten Stärke  im  Kunst und Kulturbereich  zurückfinden. Eine kreative Mischung aus jung und alt, mit Menschen aus allen Nationen. Köln als Trend-City in Deutschland, die nach vorne geht.“

Nach unserem Rundgang durch die Altstadt und vielen spannenden Ideen und konstruktiven Vorschlägen bin ich zuversichtlich: Dies ist bürgerschaftliches Engagement, für das Köln bekannt ist und auf das es stolz sein kann. Allerdings reicht es nicht, wenn nur einige Engagierte ehrenamtlich in dieser Stadt an den Verbesserungen arbeiten. Wichtig ist, eine breite Bewegung in der Kölner Bevölkerung zu erreichen. Den Schriftzug „Liebe deine Stadt“ kennen alle. Ihn gilt es, im Miteinander umzusetzen und nicht auf andere zu warten.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich Ihre

Claudia Hessel

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Newsletter 9. September 2022

Newsletter vom 09.09.2022

Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung sinkt – Aber: Versorgung mit Gas scheint gesichert

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mit dem 4. September beginnt eine neue Zeitrechnung: Lange, allzu lange haben sich die Menschen geduckt und gefügt. Doch dann wird aus dem stillen Widerstand Täter Protest. Das Maß an Bevormundung durch den Staat, das Misstrauen gegenüber der Regierung, die sich verschlechternde Versorgungslage – stirb Demonstration in der Leipziger Innenstadt markiert den Anfang vom Ende, das Staatswesen kollabiert. Das geschaht 1989, nur kurze Zeit später verdampfte die DDR und wurde Geschichte.

In diesem September gehen Bürgerinnen und Bürger wieder montags auf die Straße in Leipzig, wieder treibt sie Unmut über die Verhältnisse, Wut auf die Regierenden in Berlin. Sterben Sanktionen gegen Russlandsterben drastisch steigenden Preise für die Lebenshaltungsterben galoppierende Angst vor einer Versorgungskrise, vor unbezahlbaren Energiekosten werden zu einem explosive Mischung. Schon warnt der Verfassungsschutz vor einem heißen Herbst, in dem vor allem rechte wie linke Extremisten versuchen werden, den Staat mit gewaltsamen Protesten zu delegitimieren. Na sicher, so wie Bonn nicht Weimar war, ist die Bundesrepublik nicht die DDR. Aber wie steht es um die Stimmung im Land, wie sieht die Bevölkerung ihre Regierung in der sich ausweitenden Krise?

Das habe ich den Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner gefragt, der der Gesellschaft seit Jahrzehnten den Puls fühlt. Er sieht, durchaus beunruhigend, den „Glauben an die Handlungsfähigkeit des Staates drastisch eingebrochen“. Hier besteht für den Meinungsforscher auch ein großer Unterschied zur Corona-Phase, wo dem Staat noch mit deutlicher Mehrheit zugetraut wurde, die Entwicklung in den Griff zu bekommen. Ein weiteres Phänomen kann auch nicht beruhigen, dass nämlich nämlich radikale Parteien nicht von dem Unmut profitieren: „Dieser Unmut drückt sich in Nichtwähler-Zahlen aus“ – also einer Abwendung vom System der parlamentarischen Demokratie. Als Beleg zitiert Güllner die jüngste Landtagswahl in NRW, an der sich nur 55 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt haben.

„Keine schlüssige Strategie“ schreibt Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner aufgrund seiner Umfagen Wirtschaftsminister Robert Habeck zu. Das war noch vor Habecks irritierendem Talkshow-Auftritt, in dem er Insolvenzen und Betriebsschließungen durcheinanderbrachte.

Bild: Forsa

Der Ampelkoalition scheint diese Stimmung durchaus bewußt zu sein. Ein Ergebnis ist das dritte sogenannte Entlastungspaket, das die Folgen der Krise abmildern soll. Viel Geld macht der Finanzminister locker, wohl auch, um drohenden „Volksaufständen“ (Annalena Baerbock) entgegenzuwirken. Doch zumindest derzeit scheint die Medizin noch ohne Wirkung zu bleiben. Güllner: „Die Leute haben nicht das Gefühl, dass die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind“. Selbst beim bisherigen Umfrage-Liebling Robert Habeck scheint die Zuneigung brüchig zu werden, konstatiert der Forsa-Demoskop, bei ihm sähen die Befragten mehrheitlich „keine schlüssige Strategie“. Das war noch vor Habecks irritierendem Talkshow-Auftritt, in dem er Insolvenzen und Betriebsschließungen durcheinanderbrachte.

Wirklich zuversichtlich vermag dieser Blick auf die Seelenlage der Nation also nicht zu stimmen, vor allem angesichts der Tatsache, dass das Ausmaß der Krise sich erst zeigen wird, wenn die Preise für Gas und Strom im Herbst weiter steigen, Inflation und Wirtschaftsentwicklung ihre Wirkung voll entfalten. Die ohnehin strapazierte Kassenlage begrenzt zusätzlich die lange praktizierte Möglichkeit der Politik, sich die Ruhe im Land durch finanzielle Wohltaten zu erkaufen, wie das in der Finanz- und der Coronakrise noch funktioniert hat. Für die Regierung Olaf Scholz gilt ganz offensichtlich die zeitlose Fußballer-Weisheit: Erst hatte sie kein Glück, dann kam noch Pech dazu. Denn nach den Zinsentscheidungen der amerikanischen Fed und der EZB hat Geld plötzlich wieder einen Preis, also werden aufgenommene Kredite teurer.

Alles düster also? Nein, natürlich nicht. Trost habe ich mir geholt bei Dr. Marie-Luise Wolff, der Präsidentin des Verbandes der Energiewirtschaft. Als Kölnerin ist sie ohnehin zum Optimismus verpflichtet, aber sie ist auch täglich mit der Sicherung der Energieversorgung beschäftigt, sie ist Ansprechpartnerin der Politik in Berlin und Brüssel, sie kann die Situation und Akteure so genau wie nur wenige einschätzen. Und sie sagt: „Die Versorgung mit Gas ist mittlerweile beherrschbar.“ Auch der Politik mag sie kein schlechtes Zeugnis ausstellen. Sie habe mit enormer Geschwindigkeit und viel Geschick entschlossen gehandelt. Das Energiesparen bleibe „weiterhin ein ganz wichtiger Beitrag“ und ansonsten hoffe sie auf „Regen, damit die Wasserstraßen als Transportwege“ für Kohle wieder problemlos  funktionieren.

Indem ich mich dieser Hoffnung nur anschließen kann, grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

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