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„Groß, Teuer, Überflüssig“

30. Januar, 2023 um 19:30 - 23:00

Ein Gespräch mit:
Jörg Schönenborn, WDR Programmchef

Moderation:
Michael Hirz, Vorstand und Journalist

Foto: Ulrike Brincker

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Krise

Mit seinen rund 680 000 Einwohnern ist Bremen das kleinste Bundesland. Auch das Saarland hat nur ein knappe Million Einwohner – weniger als Köln. Und doch haben beide Bundesländer einen eigenen Sender und natürlich auch eigene Tatort-Teams. Aber braucht es tatsächllich neun Landesrundfunkanstalten der ARD? Oder ließen sich Sendegebiete aus Kostengründen nichtzusammenlegen? „Das Saarland hat eine sehr eigene Identität. Es ist der Osten des Westens.“ sagt WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn im Gespräch mit Michael Hirz.“Und wollen wir das Saarland mit seiner eigenen Identität nicht besser unterstützen?“ Nach dem Krieg sei das föderale System aus guten Gründen so angelegt worden. Mit dem ZDF gebe es sogar zwei konkurrierende Syteme. Wäre der öffentlich rechtliche Rundfunk beispielsweise ein bundesweites Unternehmen mit Sitz in Berlin, dann sei zu befürchten, dass es auch bundesweit zu Zuständen wie im RBB gekommen wäre. Der RBB, inzwischen Symbol für Korruption und Vetternwirtschaft, hat die aufgeladene Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu entfacht. Eine Krise auf offener Bühne. Auf eine kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten ließ die Potsdamer Staatskanzlei kürzlich verlauten, dass die Landesregierung sogar bereit wäre, den RBB mit dem NDR oder MDR zu fusionieren, um den Fortbestand zu sichern. Die Kritik an der Vetternwirtschaft des RBB sei berechtigt, so Schönenborn. Doch eine grundsätzliche Diskussion um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens müsse man vor dem Hintergrund eines allgemeinen Vertrauenverlust der großen Institutionen sehen. Nicht nur die Sender, sondern auch die Bundesregierung und sogar die Stiftung Warentest würden zusehends kritischer gesehen.

Die aktuelle Kritik am gebührenfinanzierten Fernsehen betrifft nahezu alle Aspekte: zu groß, zu teuer, zu korrupt, zu einseitig und oft auch zu belanglos. Warum leisten sich die Sender teure Sportübertragungsrechte und mittelprächtige Unterhaltungsformate, obwohl sie doch einen Bildungsauftrag haben?

„Volksmusik gibt es nicht mehr, das ist die gute Nachricht“ so Schönenborn. Den Sport müsse man in Zukunft auf Grund explodierender Rechte weitgehend anderen überlassen. Und abgesehen davon, sei das Sportpublikum kein schlechteres Publikum als das WDR 3 Konzert Publikum. Viele Jüngere errreiche man eben nur über den Sport. Und auch die zahlen ihre 18,36 Euro im Monat.

Das Bundesverfassungsgericht habe auch darauf verwiesen, dass man sich nicht darauf beschränken dürfe, nur Ausschnitte der Gesellschaft zu zeigen, sondern man müsse sie in ihrer ganzen Vielfalt abbilden. „Und Stand heute ist Teil unseres Auftrags auch die Unterhaltung.“

Viele unterschiedliche Interessen und fast genauso viele Wege, Medien zu konsumieren. „Es gab eine Zeit , wo alle den gleichen Weg genutzt haben: die Fernbedienung, heute haben wir es mit einer täglich wachsende Form von Nutzungsmöglichkeiten zu tun“ erklärt Schönenborn. Ende des Jahrzehnts werden lineare Programme „stark ausgedünnt“ sein. Das Fernsehen findet dann fast ausschließlich in den Mediatheken statt. Und „Mediatheken kennen keine Grenzen“. Aber was unterscheidet die öffentlich rechtlichen Sender dann noch von den großen Plattformen wie Netflix oder Amazon? Für Schönenborn macht es einen Unterschied, ob Angebote noch verortet sind. Wie lasse sich sonst reale Heimat darstellen?

Eine weitere große Herausforderung für die Sender: Fakten basiert zu berichten. Der Club of Rome sieht die größte Gefahr für die Menschheit darin, dass viele nicht mehr zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden können. Stattdessen gebe es immer mehr „geschönte Wahrheiten“. Für die Newsrooms, die in immer höherem Tempo reagieren müssen, bedeute das einen großen Aufwand an Faktenklärung. In einem aktuellen Fall zur Berichterstattung in Lützerath habe der Stand im Laufe des Tages korrigiert werden müssen. Trotz aller Kritik sei die Zustimmung zum gebührenfinanzierten Fernsehen größer denn je. Denn in Krisenzeiten biete es den Zuschauern Orientierung. „Ich bin gerne Optimist“ so Schönenborn. „Alle westlichen Gesellschaften werden von den gleichen Entwicklungen eingeholt. Bei uns ist nicht alles wunderbar, aber ich sehe einen großten Teil der Gesellschaft, der noch erreichbar ist.“

Details

Datum:
30. Januar, 2023
Zeit:
19:30 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667

Details

Datum:
30. Januar, 2023
Zeit:
19:30 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667