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Spagat in NRW

4. Mai, 2023 um 20:00 - 23:00

Wie leidensfähig ist die CDU im Land?

Ein Gespräch mit:
Hendrik Wüst, Ministerpräsident NRW.

Fotos: Stefan Schaal

Spagat in NRW – Wie leidensfähig ist die CDU im Land?

Wenn Hendrik Wüst mit dem Fahrrad durch die Neubaugebiete im Münsterland fährt, kann er die Fortschritte der Energiewende konkret auf den Dächern sehen. Von Januar bis März 2023 gab es 40.826 neue Photovoltaik-Anlagen in seinem Bundesland. Damit ist NRW zahlenmäßig Spitzenreiter – noch vor Bayern. „Man kann sich um die Energiepolitik sorgen machen, vor allem beim Preis, aber beim Ausbau muss man sich weniger sorgen.“ so der Ministerpräsident im Gespräch mit Peter Pauls und Michael Hirtz. Der Abend im Kölner Presseclub stand unter dem Motto „Spagat in NRW – wie leidensfähig ist die CDU im Land?“

Bis zum Ende der Legislaturperiode soll es 1000 neue Windräder im Land geben, im gleichen Tempo soll am Ausbau der Radwege gearbeitet werden. Für den Ministerpräsidenten hört sich das nicht nach ausschließlich grünen Projekten an: „Ich möchte das doch auch.“ Windräder und Radwege seien nicht ausschließlich ein „grünes Ding“. Von wegen Spagat, auch die CDU wolle die Energiewende nach vorne bringen.

Krieg gegen das Auto führen, das will der ehemalige Verkehrsminister nicht. Man brauche eine „ordentliche Infrastruktur“ für alle. Dazu gehöre auch, dass Autobahnprojekte beschleunigt würden. Das sehe er ganz pragmatisch. Ob grün oder schwarz – Hauptsache die Themen würden angegangen. In den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sei am Ende ein „reichhaltiges Essen“ herausgekommen. Mit „ein bisschen Fleisch und ein bisschen Gemüse.“ Aber Kröten schlucken, so will es an diesem Abend scheinen, mussten eher die anderen: „Die Grüne haben in Lützerath Verantwortung übernommen an einem symbolischen Punkt, der nicht leicht gefallen ist.“

Der auf 2030 vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle stellt eine ganze Region auf den Kopf. Zudem muss die Versorgungssicherheit nun auch noch in der Energiekrise gewährleistet werden. Das Hochindustrieland NRW wird, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können, weiter auf billige Energie angewiesen sein. Und es müssen neue Arbeitsplätze für die Kohle-Beschäftigten geschaffen werden.

„Nervös? Nee, ich werde aktiv“, sagt Hendrik Wüst zur Vielzahl der Aufgaben. Im Ruhrgebiet habe es gute Erfahrungen mit dem Strukturwandel gegeben, warum dann nicht auch hier im rheinischen Revier. 14,8 Milliarden Euro stellt die Zukunftsagentur für den Umbau zur Verfügung. „Das löst Phantasie aus, das reicht aber nicht, es muss auch ein Projekt draus werden.“ Man müsse sich „sputen“, aber in sechs Jahren ein neues Gaskraftwerk zu bauen, das sei „kein Hexenwerk“.

Nach einer Berechnung der IHK Köln können die geplanten Kraftwerke drei Gigawatt Leistung erbringen, Erneuerbare ein Gigawatt. Damit fehlten bereits nach heutigem Verbrauch vier Gigawatt Leistung. „Es passt zwar nicht in die schöne Story aus Berlin, aber wir werden auch Energie importieren müssen“ so Wüst. Um Industrieland bleiben zu können, brauche es dringend einen Industriestrompreis. Das koste zwar Geld, aber Deindustrialisierung koste am Ende noch mehr. Die Industrie habe sich ohnehin immer verändern müssen. So eben auch jetzt wieder.

Auch die CDU muss sich im Bund nach 16 Jahren an der Macht in der Opposition neu erfinden. Eine „erzwungene Selbstvergewisserung“ für Hendrik Wüst. „Wie machen wir nun Wirtschaftspolitik?“  Die Mischung aus Förder- und Verbotsprogramm hält er für „toxisch“. Der Staat könne sich daran nur verheben. Lieber den Rahmen setzen und „nicht so viel reinfummeln als Staat.“

Die CDU solle weiter „Familienpartei“ sein und dabei auch die neuen Lebensformen berücksichtigen. Sich fragen: Werden auch die alleinerziehenden Mütter gesehen? Kümmern wir uns auch um sie? Ein weiteres Herzensprojekt: die Bildung. „In NRW kann es einem das Herz brechen. Was das Sprachverständnis angeht, ist nur noch Bremen schlechter als wir. Da ist Bildung am Ende, bevor sie überhaupt anfängt.“ Deshalb sollen Grundschullehrer besser bezahlt werden.

Von „früher war alles besser als heute“, möchte Hendrik Wüst nichts wissen. „Ich stimme in die aktuelle Larmoyanz nicht mit ein“ erklärt er. „Meine Mutter und mein Vater, die haben noch gearbeitet wie die Bekloppten. Mein Vater ist als Handelsvertreter durchs Land gefahren, der Opel ist immer wieder kaputt gegangen, bis er sich dann einen Mercedes 190 kaufen konnte.“

Seit zwanzig Monaten regiert die schwarz grüne Landesregierung in NRW nahezu geräuschlos. Ginge das nicht auch in Berlin? Mit Hendrik Wüst? „Ich habe genug Arbeit hier, abgesehen von kleinen gemütlichen Pausen,“ antwortet er unbestimmt. Bis zur nächsten Bundestagswahl ist es ja auch noch etwas hin.

Von Ulrike Brincker

Details

Datum:
4. Mai, 2023
Zeit:
20:00 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667

Details

Datum:
4. Mai, 2023
Zeit:
20:00 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667