Das Industrieland NRW. Seine Klimapolitik und die Wirtschaft
Mona Neubaur, Vizeregierungschefin, Grüne
Ein Gespräch mit Michael Hirz und Peter Pauls
Fotos: Ulrike Brincker
Lützerath, eine kleine Ortschaft mitten im rheinischen Revier, bewohnt von etwa 150 Aktivisten. Im Januar soll der symbolträchtige Ort geräumt werden, wenn nötig mit Gewalt. Die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Innenminister Herbert Reul (CDU) haben dazu gemeinsam eine Räumungsverfügung auf den Weg gebracht. Ausgerechnet eine grüne Ministerin, die von Anhängern der Klimabewegung mit ins Amt getragen wurde.
Keine Kohle, keine Zukunft? Darüber diskutierte Mona Neubaur im bis auf den letzten Platz besetzten Kölner Presseclub mit Michael Hirz und Peter Pauls. Seit dem 29. Juni 2022 ist die gebürtige Schwäbin Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und Vizeregierungschefin des Landes NRW. „Vieles, von dem wofür wir geworben haben, konnten wir direkt umsetzen“ so Neubaur. Zum Beispiel einen früheren Kohleausstieg. Anstelle von 2038 sollen nun schon 2030 alle Kohlekraftwerke stillgelegt werden.
Aber dieses Ergebnis hatte seinen Preis. Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine soll die Braunkohle unter Lützerath noch abgebaggert werden. Ausgerechnet Lützerath, der Symbolort der Klimabewegung. Kritiker aus den eigenen Reihen werfen Mona Neubaur nun „Verrat“ vor. Die Ministerin beruft sich angesichts der „dramatischen Lage“ auf die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die Braunkohle unter Lützerath und auf den Rechtsstaat.
„Alle drei Gutachten kommen zu dem Schluss, dass der Erhalt nicht möglich ist“ so Neubaur und abgesehen davon hätten die Grünen „hart miteinander“ diskutiert und es habe eine Mehrheit für diese umstrittene Entscheidung gegeben. Sie selbst wünsche sich, dass sich eine Bewegung gründe, die für positive Ziele, zum Beispiel für die Errichtung eines Windrads demonstriere. „Denn wir brauchen eine Gesellschaft, die sagt: wir wollen grüne Energie und die das auch als europäisches Projekt begreift.“ Daraus könne dann eine neue Grundlage von Wohlstand entstehen. Die Klimabewegung habe doch schon jetzt viel erreicht. So habe zum Beispiel „Fridays for Future“ dafür gesorgt, dass die Frühstückstische überall in Deutschland von Diskussionen geprägt seien, ob jetzt überhaupt noch Fleisch nötig sei.
Die eigentliche Frage des Abends: Wie viele Kompromisse sind angesichts der vielen Krisen nötig und welche roten Linien müssen auch bei den Grünen überschritten werden, wenn sie denn politische Verantwortung tragen. Sie glaube nicht an die gesellschaftliche Revolution, so die Ministerin. Um die großen Krisen zu bewältigen, wolle sie lieber Allianzen schmieden. Aber dabei müsse die grüne Glaubwürdigkeit trotzdem gewahrt bleiben, auch im ambitionierten Spagat zwischen eigenen Idealen und einem Koalitionspartner, der nur wenig Sympathien für die Klimabewegung hegt.
Neben dem großen Thema Versorgungssicherheit in NRW (die Lage sei ernst, aber stabil), ging es um die Frage, wie die Zukunft des Landes Nordrhein-Westphalen nach der Kohle einmal aussehen könnte. Der Verlust von allein 50 000 gut dotierten Arbeitsplätzen droht der Region durch den Abbaustopp verloren zu gehen. Die Sorge vor Ort, in einem schlecht bezahlten Job zu landen, ist groß. Die Zukunft liege im Wasserstoff glaubt Mona Neubaur. „Die Region kann Energie und sie soll kein Museum werden. “ Man könne die Infrastruktur für Wasserstoff nutzen und diejenigen, die vorher in der Kohle gearbeitet hätten, könnten das nun in Kraftwerken für Wasserstoff weiter tun. 14,8 Milliarden Euro bekommt das Land NRW über das Strukturmittelfördergesetz nach dem Kohleausstieg. Viel Geld, aber einen konkreten Masterplan, wie es ausgegeben werden soll, gibt es nicht. Strich unter die bisherigen Pläne der Vorgängerregierung und ganz neu anfangen – davon träumt Mona Neubaur. Aber erstmal darf Lützerath nicht zum grünen Desaster werden.
Ein Kompromiss, auf den man sich an diesem Abend schnell einigen konnte: den verbalen Nahkampf vor der Weinbar fortzuführen.
Text und Bild: Ulrike Brincker
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Keine Kohle, keine Zukunft?
28. November, 2022 um 19:30 - 23:00
Das Industrieland NRW. Seine Klimapolitik und die Wirtschaft
Mona Neubaur, Vizeregierungschefin, Grüne
Ein Gespräch mit Michael Hirz und Peter Pauls
Fotos: Ulrike Brincker
Lützerath, eine kleine Ortschaft mitten im rheinischen Revier, bewohnt von etwa 150 Aktivisten. Im Januar soll der symbolträchtige Ort geräumt werden, wenn nötig mit Gewalt. Die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Innenminister Herbert Reul (CDU) haben dazu gemeinsam eine Räumungsverfügung auf den Weg gebracht. Ausgerechnet eine grüne Ministerin, die von Anhängern der Klimabewegung mit ins Amt getragen wurde.
Keine Kohle, keine Zukunft? Darüber diskutierte Mona Neubaur im bis auf den letzten Platz besetzten Kölner Presseclub mit Michael Hirz und Peter Pauls. Seit dem 29. Juni 2022 ist die gebürtige Schwäbin Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und Vizeregierungschefin des Landes NRW. „Vieles, von dem wofür wir geworben haben, konnten wir direkt umsetzen“ so Neubaur. Zum Beispiel einen früheren Kohleausstieg. Anstelle von 2038 sollen nun schon 2030 alle Kohlekraftwerke stillgelegt werden.
Aber dieses Ergebnis hatte seinen Preis. Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine soll die Braunkohle unter Lützerath noch abgebaggert werden. Ausgerechnet Lützerath, der Symbolort der Klimabewegung. Kritiker aus den eigenen Reihen werfen Mona Neubaur nun „Verrat“ vor. Die Ministerin beruft sich angesichts der „dramatischen Lage“ auf die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die Braunkohle unter Lützerath und auf den Rechtsstaat.
„Alle drei Gutachten kommen zu dem Schluss, dass der Erhalt nicht möglich ist“ so Neubaur und abgesehen davon hätten die Grünen „hart miteinander“ diskutiert und es habe eine Mehrheit für diese umstrittene Entscheidung gegeben. Sie selbst wünsche sich, dass sich eine Bewegung gründe, die für positive Ziele, zum Beispiel für die Errichtung eines Windrads demonstriere. „Denn wir brauchen eine Gesellschaft, die sagt: wir wollen grüne Energie und die das auch als europäisches Projekt begreift.“ Daraus könne dann eine neue Grundlage von Wohlstand entstehen. Die Klimabewegung habe doch schon jetzt viel erreicht. So habe zum Beispiel „Fridays for Future“ dafür gesorgt, dass die Frühstückstische überall in Deutschland von Diskussionen geprägt seien, ob jetzt überhaupt noch Fleisch nötig sei.
Die eigentliche Frage des Abends: Wie viele Kompromisse sind angesichts der vielen Krisen nötig und welche roten Linien müssen auch bei den Grünen überschritten werden, wenn sie denn politische Verantwortung tragen. Sie glaube nicht an die gesellschaftliche Revolution, so die Ministerin. Um die großen Krisen zu bewältigen, wolle sie lieber Allianzen schmieden. Aber dabei müsse die grüne Glaubwürdigkeit trotzdem gewahrt bleiben, auch im ambitionierten Spagat zwischen eigenen Idealen und einem Koalitionspartner, der nur wenig Sympathien für die Klimabewegung hegt.
Neben dem großen Thema Versorgungssicherheit in NRW (die Lage sei ernst, aber stabil), ging es um die Frage, wie die Zukunft des Landes Nordrhein-Westphalen nach der Kohle einmal aussehen könnte. Der Verlust von allein 50 000 gut dotierten Arbeitsplätzen droht der Region durch den Abbaustopp verloren zu gehen. Die Sorge vor Ort, in einem schlecht bezahlten Job zu landen, ist groß. Die Zukunft liege im Wasserstoff glaubt Mona Neubaur. „Die Region kann Energie und sie soll kein Museum werden. “ Man könne die Infrastruktur für Wasserstoff nutzen und diejenigen, die vorher in der Kohle gearbeitet hätten, könnten das nun in Kraftwerken für Wasserstoff weiter tun. 14,8 Milliarden Euro bekommt das Land NRW über das Strukturmittelfördergesetz nach dem Kohleausstieg. Viel Geld, aber einen konkreten Masterplan, wie es ausgegeben werden soll, gibt es nicht. Strich unter die bisherigen Pläne der Vorgängerregierung und ganz neu anfangen – davon träumt Mona Neubaur. Aber erstmal darf Lützerath nicht zum grünen Desaster werden.
Ein Kompromiss, auf den man sich an diesem Abend schnell einigen konnte: den verbalen Nahkampf vor der Weinbar fortzuführen.
Text und Bild: Ulrike Brincker
Details
Veranstaltungsort
Köln, 50667
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Köln, 50667
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