Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

Salongespräch: Zwischen Krise und Kollaps

20. Mai um 19:30 - 22:00

über die Grenzen des Sozialstaates mit Uwe Ufer, Chef der Diakonie Michaelshoven,

Moderation: Michael Hirz

 

Fotos: Kölner Presseclub

 

Prof. Uwe Ufer über den Sozialstaat: „Man kann die Politik nicht für alles verantwortlich machen“

 

Tue Gutes und rede darüber – unter diesem Motto berichtete Prof. Uwe Ufer von der erfolgreichen Arbeit der Diakonie Michaelshoven. Der Chef dieses Sozialunternehmens war Gast beim Salongespräch des Kölner Presseclubs, das im RheingoldSalon von Ines Imdahl und Jens Lönneker stattfand. Dabei erklärte Ufer im Gespräch mit Michael Hirz, wie er mit den Mitarbeitern seiner Diakonie den Bürokratieaufwand reduziert, um sich wieder auf die eigentlichen Ziele der sozialen Arbeit zu konzentrieren: Die Arbeit am Menschen.

„Uns geht es sehr, sehr gut“, erklärte Uwe Ufer dem interessierten Publikum im RheingoldSalon. Die Diakonie Michaelshoven sei von einem Betrieb mit rund 1.000 Mitarbeitern auf aktuell 3.400 Mitarbeiter angewachsen. „Wir zählen mit rund 200 Standorten in Köln um Umgebung zu den 15 größten Unternehmen der Stadt“, so Ufer. „Wir sind so etwas wie der Reparaturbetrieb der Gesellschaft“, so Ufer. Natürlich sei es kein Ruhmesblatt für den Sozialstaat, wenn die Dienste eines sozialen Hilfsbetriebs so stark nachgefragt würden. Andererseits betonte Ufer an diesem Abend mehrfach zufrieden und selbstbewusst, dass die Diakonie Michaelshoven zeige, was alles möglich sei, „wenn man einfach nur ins Tun kommt“. Seiner Ansicht nach sollten die Leiter sozialer Einrichtungen „aufhören zu jammern“ und ein bisschen innovativer und unternehmerischer denken und handeln – allen Regularien zum Trotze.

Aber was macht die Diakonie Michaelshoven so anders als andere Einrichtungen ihrer Art? Sie baut Pflegeheime, unterhält ein Berufsförderungswerk und mehrere Frauenhäuser, sie kümmert sich um Obdachlose und ist in der Flüchtlingshilfe aktiv. Und sie ist mit ihrem Jahresabschluss laut Ufer unter den fünf oder sechs erfolgreichsten deutschen Unternehmen dieser Art. „Wir haben in den letzten Jahren für 200 Millionen Euro Gebäude in Köln gebaut beziehungsweise bauen lassen“, erklärte Ufer. „Das ist eine sehr segensreiche Geschichte.“

Dies alles ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Diakonie Michaelshoven keine Steuergelder über die Kirchen erhält wie andere diakonische Einrichtungen. „Wir sind nicht direkt der Kirche unterstellt, wir sind ein gemeinnütziger Verein“, so Ufer. Und trotzdem sei die Diakonie sehr gut aufgestellt, wie Ufer nicht müde wird zu betonen. „Wir arbeiten wie eine gewerbliche GmbH, wir müssen Gewinn machen, anders geht es nicht. Aber es geht – und zwar sehr gut sogar“. Michaelshoven verfüge auch über einen eigenen Gebäudeservice, einen Cateringservice und sogar eine Zeitarbeitsfirma. Als er bei einem Treffen gemeinnütziger Vereine von der Zeitarbeitsfirma berichtet habe, sei das Entsetzen groß gewesen. „Aber bei uns funktioniert das wunderbar“, erklärt Ufer mit Nachdruck. „Ja, bei uns tanzen die Leute vom Betriebsrat sogar vor Begeisterung auf dem Tisch!“

Manche der Erfolgsgeschichten von Uwe Ufer klingen geradezu unglaublich. Bis er die Erklärung nachliefert – und man sich fragt, warum man nicht mehr solche Geschichten von pragmatischer und lösungsorientierter Innovationskraft gibt, und wie viele Probleme sich in diesem Land wohl damit lösen ließen. Nicht umsonst spricht Professor Ufer auch mehrfach vom im Deutschland prävalenten „Know-Do-Gap“, also der Tatsache, dass wir oft wissen, welche Lösung wir brauchen, diese aber trotzdem nicht umsetzen würden.

Bei der Zeitarbeitsfirma erklärt sich das Phänomen jedenfalls wie folgt: Bei einer Umfrage der Pflegekräfte von Michaelshoven kam heraus, dass viele Mitarbeiter unzufrieden damit waren, dass sie oft am Wochenende einspringen müssten und die Freizeitplanung und die Beziehung zu Freunden und Familie darunter litt. „Und mit der Zeitarbeitsfirma können Menschen am Wochenende einspringen, die den Job gerne sporadisch und nicht in Vollzeit ausüben – und unsere festangestellten Kräfte haben so die Sicherheit, dass sie an ihren freien Tagen wirklich frei haben.“ Die schlechte Bezahlung sei übrigens so gut wie kein Thema gewesen: Bei der Befragung von 800 Pflegekräften hätten lediglich vier angegeben, bei ihrer Arbeit sei das Gehalt ein negativer Faktor.

Ein weiterer Kritikpunkt sei allerdings die ausufernde Dokumentationspflicht gewesen: Die Pflegekräfte monierten mehrheitlich, dass immer weniger Zeit für die Menschen da sei, um die sie sich ja eigentlich kümmern wollen. „Wir haben dann eine Firma gebeten, eine KI-Software für uns zu entwickeln, die den Aufwand der Dokumentation reduziert.“ So sei eine App für Handys entstanden, die sich einfach per Sprachsteuerung bedienen ließ – die Software wandele dann die Sprachnachrichten in eine Dokumentation um, welche den rechtlichen Vorgaben genüge, erklärt Ufer.

Und wie haben die Mitarbeiter dann die freigewonnene Zeit genutzt? „Indem sie das taten, worauf es in diesem Beruf eigentlich ankommt: Sie haben sich wieder Zeit für die Menschen genommen, die sie pflegen und mit ihnen Kaffee getrunken, geredet oder gespielt.“

Mehrach kommt Ufer auf den Wert sinnstiftender Arbeit zu sprechen und wie positiv sich diese auf das Leben von Menschen auswirken könne. „Wir sehen das bei den Menschen, die über Jahre nicht arbeitsfähig waren: Wenn die hier bei uns um Punkt 7 Uhr aufstehen und in der landwirtschaftlichen Arbeit tätig sind, empfinden sie das nicht als Belastung, im Gegenteil.“ Die Menschen würden froh sein, endlich wieder einer regelmäßigen sinnvollen Beschäftigung nachgehen zu können. Mit sinnvoller Arbeit würden Menschen wieder zurück ins Leben finden.

„Leider hat Arbeit heutzutage ein schlechtes Image“. Er sei erschüttert, welche Vorstellungen von Arbeit bei manchen jüngeren Menschen vorherrsche, „teilweise werden normale Tätigkeiten wie Strafarbeit angesehen“. Dabei sei offensichtlich, dass der in Deutschland erarbeitete Wohlstand auf Arbeit, Bildung und Fleiß beruhe. „Das darf nicht verspielt werden.“

Zwar müssten sich Arbeitgeber darauf einstellen, dass sie Arbeit für jüngere Menschen flexibel gestalten und attraktive Angebote machen sollten. Aber es komme auch darauf an, dass die Menschen Verantwortung übernehmen. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, aber sie sei nicht für alles verantwortlich, was in der Gesellschaft schief laufe. „Der Sozialstaat ist keine Vollkaskoversicherung für alles.“ Die Gesellschaft müsse manche Dinge eben auch selber richten, so Ufer. „Jeder müsse das tun, was er oder sie tun kann – und das ist manchmal sehr viel.“

 

Lewis Gropp

Details

Datum:
20. Mai
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

rheingold salon
Hohe Straße 160-168
Köln, 50667 Deutschland
Google Karte anzeigen

Details

Datum:
20. Mai
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

rheingold salon
Hohe Straße 160-168
Köln, 50667 Deutschland
Google Karte anzeigen