Trump und Putin im Angriffsmodus
Katarina Barley, Vize-Präsidentin des EU-Parlaments
Moderation: Peter Pauls (Vorstandsvorsitzender)
Spielball Europa?
Trump und Putin im Angriffsmodus
In Zeiten wie diesen dringt das Weltgeschehen auch bis in den Blauen Salon des Excelsior Hotels Ernst mit seiner vornehm gedämpften Atmosphäre vor: Kaum hatte Katarina Barley im voll besetzten Saal Platz genommen, war man thematisch auch schon bei den jüngst in Polen abgeschossenen russischen Drohnen. „Ich denke, wir müssten uns bei Polen entschuldigen“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die von einer Plenarsitzung aus Straßburg nach Köln gekommen war. „Denn Polen und die baltischen Länder haben uns immer gewarnt: Der russische Bär schläft nur.“ Über viele Jahre habe man die Warnungen der Nachbarn nicht ernst genommen. Jetzt wisse man es besser.
Obwohl Europa derzeit von vielen Seiten bedrängt werde – von Russland, China und auch den USA – sei es immer gestärkt aus seinen Krisen hervorgegangen, erklärte Barley. „Zum Beispiel bei der Bankenkrise von 2009.“ Damals habe man im Ernstfall gelernt, welche Sicherungssysteme für die Stabilität der Bankwirtschaft nötig seien. „Jetzt haben wir diese Systeme.“
Auch der Angriff Russlands auf die Ukraine habe Europa gestärkt und geeint. Innerhalb von drei Tagen habe man die Unterstützung für Kiew auf die Beine gestellt. „Damit hat Putin nicht gerechnet“, so die gebürtige Kölnerin.
Doch liege sicherheitspolitisch noch viel im Argen, merkte Peter Pauls an. „Von wem können wir lernen, wenn es um das Thema Landesverteidigung geht?“, wollte der Vorstandsvorsitzende des Kölner Presseclubs wissen. „Ja, wir können ja eigentlich fast von jedem lernen!“, entgegnete Barley prompt, was Raunen und Gelächter auslöste. Zum Beispiel seien Finnland und Polen sehr gut aufgestellt. Auch Großbritannien sei militärisch gesehen eine Größe. „Und deswegen sind wir froh, dass wir hier wieder eine sehr enge Zusammenarbeit und Abstimmung auf den Weg gebracht haben.“
Auch wenn die Bundeswehr aktuell heftige Kritik für diverse Unzulänglichkeiten einstecken müsse, dürfe man nicht vergessen, dass in der Vergangenheit bewusst große Summen auf diesem Gebiet eingespart wurden. „Und das ist mit ein Grund dafür, warum wir so wohlhabend geworden sind“, sagte Barley. „Und auch das russische Öl“, ergänzte die SPD-Politikerin beiläufig.
Aufschlussreich sei auch, welche Botschaften Ex-Präsident Medwedew „und die anderen Propagandisten“ in Russland nach innen senden und was dort beschlossen werde. „Die russische Duma hat beispielsweise erklärt, dass die Unabhängigkeitserklärung Litauens völkerrechtswidrig sei.“ Mit genau solchen „absurden“ Pseudobegründungen habe man auch den Angriffskrieg auf die Ukraine gerechtfertigt.
Russland führe zudem gezielte Desinformationskampagnen gegen Deutschland und Europa. „Das ist Teil der hybriden Kriegsführung“, erklärte Barley. Dazu gehörten neben den inzwischen täglichen Cyberattacken auch das Schüren von Hass gegen Europa und seine Politiker. „Was wir im Netz erleben, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, erklärte die Europapolitikerin mit Nachdruck. Das Internet sei bisweilen ein „Schlachtfeld“.
Doch nicht nur die „US-Tech-Bros“ wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg führten Böses im Schilde, indem sie beispielsweise mit Hass und Hetze im Internet immer mehr Geld anhäuften – auch China versuche mit TikTok, das politische System in Europa zu destabilisieren. „Eigentlich bekommen politische Kandidaten auf TikTok keine Reichweite“, erklärte Barley. In Rumänien sei man aber von diesem Grundsatz abgewichen. „Bei den letzten Präsidentschaftswahlen hat TikTok dem pro-russischen Kandidaten volle Reichweite gegeben.“ Und obwohl dieser vorher im Gegensatz zu allen anderen Kandidaten absolut unbekannt gewesen war, habe er die Wahl gewonnen, so Barley. „Und zwar deutlich!“ Allerdings hatte dieser Sieg keinen Bestand und wurde später vom Verfassungsgericht annulliert.
Gegen gezielte Manipulationen gehe das Europäische Parlament vor, unter anderem mit dem Digital Services Act. Genau diese Art von Regulierung sei aber auch dem US-Präsidenten ein Dorn im Auge. Deshalb habe er versucht, diese europäischen Regeln mit seinem „Zoll-Deal“ zu Fall zu bringen, erklärte Barley. Doch wenn Kommissionspräsidentin von der Leyen dem nachzukommen versuche, hätte sie das EU-Parlament gegen sich, sagte Barley vehement. „Dabei handelt es sich ja um europäische Gesetzgebung. Die kann man nicht mit einem ‚Deal‘ vom Tisch wischen.“
Die EU sei auch gegenüber den Tech-Giganten nicht machtlos. Zwar verweigere der ehemalige Trump-Berater Elon Musk im Zusammenhang mit Desinformationskampagnen die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. Das könne allerdings dazu führen, dass man seine Plattform „X“ (vormals „Twitter“) in Europa verbieten würde. „Wer sich nicht an unsere Regeln hält, fliegt raus!“, so Barley bestimmt.
Aus dem Publikum kam die Frage nach dem „EU-Querulanten“ Viktor Orban. „Wenn die EU solche Leute in ihren eigenen Reihen hat, dann braucht sie doch eigentlich keine Feinde mehr, oder?“, lautete die Frage. „Ah, Viktor Orban – mein ‚Problembär‘“, entgegnete Barley flapsig. Mit dem ungarischen Ministerpräsidenten verbinde sie eine ganz besondere Beziehung. „Er hat zum Beispiel in Budapest Bilder von mir aufhängen lassen – und direkt daneben war Adolf Hitler abgebildet.“
Wenn Orban sich auch als „Putins U-Boot“ geriere, wie der Fragesteller meinte, so könne man ihn doch zum Einlenken bringen, erklärte Barley. „Nämlich indem wir die Zahlung von EU-Geldern einfach einstellen.“ Denn an Geld sei er sehr interessiert. Gegen den ungarischen Regierungschef würden immer wieder Vorwürfe der Korruption, Bereicherung und Vetternwirtschaft erhoben.
Einmal habe man die EU-Zahlungen auch erfolgreich eingefroren, erklärte Barley. Bedauerlicherweise habe man die Gelder wieder freigeben müssen, damit Orban sein Veto gegen die russischen Sanktionen aufgebe. Barley zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass man den „Nein“-Sager aus Budapest bald wieder zum Einlenken werde bringen können.
Aber wofür brauchen wir Europa? Das war die letzte große Frage des Abends. „Das hätte ich vor zwei oder drei Jahren noch anders beantwortet“, so Barley. Doch Europa sei von allen Seiten unter Beschuss. Es sei sogar vorstellbar, dass die Europäische Union eines Tages nicht mehr existieren werde. „Dabei ist sie etwas absolut Einzigartiges.“ Sie habe Ländern wie Irland, Polen und Portugal zu einer nie dagewesenen Entwicklung verholfen – und zwar ohne, dass es Deutschland schlechter gegangen wäre, so Barley. „Was ist das für eine Kraft!?“
Noch wichtiger aber sei die Friedensgarantie der EU, einzigartig in der Geschichte. Gerade sie sei aktuell bedroht – sogar von innerhalb der EU. „Viktor Orban trägt bei öffentlichen Auftritten einen Schal, auf dem Großungarn abgebildet ist – mit Teilen von Kroatien und Rumänien“, sagte Barley. „Und genau so haben in der Geschichte immer Kriege angefangen – indem man sagt: ‚Dieses Territorium gehört mir!‘“ Auch der populistische Kanzler Österreichs, Sebastian Kurz, habe seinen Intimus Silvio Berlusconi vor den Kopf gestoßen, als er meinte: „Ist doch eine super Idee, den Leuten in Südtirol österreichische Pässe zu geben.“
Und dafür braucht man die EU, brauchen wir Europa – „weil es genau diese Konflikte gar nicht erst entstehen lässt.“ Die jüngeren Menschen hätten nicht aus erster Hand erlebt, was Krieg anrichten kann. „Ich hoffe, dass sie diese Botschaft Europas vernehmen und als Auftrag begreifen können“, erklärte Barley. Andererseits entstünden neue Allianzen, da Länder wie Australien, Indien, Indonesien und Kanada sich von den USA abwendeten und auf eine Zukunft mit Europa hofften.
Lewis Gropp
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Spielball Europa
11. September um 19:30 - 21:30
Trump und Putin im Angriffsmodus
Katarina Barley, Vize-Präsidentin des EU-Parlaments
Moderation: Peter Pauls (Vorstandsvorsitzender)
Spielball Europa?
Trump und Putin im Angriffsmodus
In Zeiten wie diesen dringt das Weltgeschehen auch bis in den Blauen Salon des Excelsior Hotels Ernst mit seiner vornehm gedämpften Atmosphäre vor: Kaum hatte Katarina Barley im voll besetzten Saal Platz genommen, war man thematisch auch schon bei den jüngst in Polen abgeschossenen russischen Drohnen. „Ich denke, wir müssten uns bei Polen entschuldigen“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die von einer Plenarsitzung aus Straßburg nach Köln gekommen war. „Denn Polen und die baltischen Länder haben uns immer gewarnt: Der russische Bär schläft nur.“ Über viele Jahre habe man die Warnungen der Nachbarn nicht ernst genommen. Jetzt wisse man es besser.
Obwohl Europa derzeit von vielen Seiten bedrängt werde – von Russland, China und auch den USA – sei es immer gestärkt aus seinen Krisen hervorgegangen, erklärte Barley. „Zum Beispiel bei der Bankenkrise von 2009.“ Damals habe man im Ernstfall gelernt, welche Sicherungssysteme für die Stabilität der Bankwirtschaft nötig seien. „Jetzt haben wir diese Systeme.“
Auch der Angriff Russlands auf die Ukraine habe Europa gestärkt und geeint. Innerhalb von drei Tagen habe man die Unterstützung für Kiew auf die Beine gestellt. „Damit hat Putin nicht gerechnet“, so die gebürtige Kölnerin.
Doch liege sicherheitspolitisch noch viel im Argen, merkte Peter Pauls an. „Von wem können wir lernen, wenn es um das Thema Landesverteidigung geht?“, wollte der Vorstandsvorsitzende des Kölner Presseclubs wissen. „Ja, wir können ja eigentlich fast von jedem lernen!“, entgegnete Barley prompt, was Raunen und Gelächter auslöste. Zum Beispiel seien Finnland und Polen sehr gut aufgestellt. Auch Großbritannien sei militärisch gesehen eine Größe. „Und deswegen sind wir froh, dass wir hier wieder eine sehr enge Zusammenarbeit und Abstimmung auf den Weg gebracht haben.“
Auch wenn die Bundeswehr aktuell heftige Kritik für diverse Unzulänglichkeiten einstecken müsse, dürfe man nicht vergessen, dass in der Vergangenheit bewusst große Summen auf diesem Gebiet eingespart wurden. „Und das ist mit ein Grund dafür, warum wir so wohlhabend geworden sind“, sagte Barley. „Und auch das russische Öl“, ergänzte die SPD-Politikerin beiläufig.
Aufschlussreich sei auch, welche Botschaften Ex-Präsident Medwedew „und die anderen Propagandisten“ in Russland nach innen senden und was dort beschlossen werde. „Die russische Duma hat beispielsweise erklärt, dass die Unabhängigkeitserklärung Litauens völkerrechtswidrig sei.“ Mit genau solchen „absurden“ Pseudobegründungen habe man auch den Angriffskrieg auf die Ukraine gerechtfertigt.
Russland führe zudem gezielte Desinformationskampagnen gegen Deutschland und Europa. „Das ist Teil der hybriden Kriegsführung“, erklärte Barley. Dazu gehörten neben den inzwischen täglichen Cyberattacken auch das Schüren von Hass gegen Europa und seine Politiker. „Was wir im Netz erleben, das können Sie sich gar nicht vorstellen“, erklärte die Europapolitikerin mit Nachdruck. Das Internet sei bisweilen ein „Schlachtfeld“.
Doch nicht nur die „US-Tech-Bros“ wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg führten Böses im Schilde, indem sie beispielsweise mit Hass und Hetze im Internet immer mehr Geld anhäuften – auch China versuche mit TikTok, das politische System in Europa zu destabilisieren. „Eigentlich bekommen politische Kandidaten auf TikTok keine Reichweite“, erklärte Barley. In Rumänien sei man aber von diesem Grundsatz abgewichen. „Bei den letzten Präsidentschaftswahlen hat TikTok dem pro-russischen Kandidaten volle Reichweite gegeben.“ Und obwohl dieser vorher im Gegensatz zu allen anderen Kandidaten absolut unbekannt gewesen war, habe er die Wahl gewonnen, so Barley. „Und zwar deutlich!“ Allerdings hatte dieser Sieg keinen Bestand und wurde später vom Verfassungsgericht annulliert.
Gegen gezielte Manipulationen gehe das Europäische Parlament vor, unter anderem mit dem Digital Services Act. Genau diese Art von Regulierung sei aber auch dem US-Präsidenten ein Dorn im Auge. Deshalb habe er versucht, diese europäischen Regeln mit seinem „Zoll-Deal“ zu Fall zu bringen, erklärte Barley. Doch wenn Kommissionspräsidentin von der Leyen dem nachzukommen versuche, hätte sie das EU-Parlament gegen sich, sagte Barley vehement. „Dabei handelt es sich ja um europäische Gesetzgebung. Die kann man nicht mit einem ‚Deal‘ vom Tisch wischen.“
Die EU sei auch gegenüber den Tech-Giganten nicht machtlos. Zwar verweigere der ehemalige Trump-Berater Elon Musk im Zusammenhang mit Desinformationskampagnen die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. Das könne allerdings dazu führen, dass man seine Plattform „X“ (vormals „Twitter“) in Europa verbieten würde. „Wer sich nicht an unsere Regeln hält, fliegt raus!“, so Barley bestimmt.
Aus dem Publikum kam die Frage nach dem „EU-Querulanten“ Viktor Orban. „Wenn die EU solche Leute in ihren eigenen Reihen hat, dann braucht sie doch eigentlich keine Feinde mehr, oder?“, lautete die Frage. „Ah, Viktor Orban – mein ‚Problembär‘“, entgegnete Barley flapsig. Mit dem ungarischen Ministerpräsidenten verbinde sie eine ganz besondere Beziehung. „Er hat zum Beispiel in Budapest Bilder von mir aufhängen lassen – und direkt daneben war Adolf Hitler abgebildet.“
Wenn Orban sich auch als „Putins U-Boot“ geriere, wie der Fragesteller meinte, so könne man ihn doch zum Einlenken bringen, erklärte Barley. „Nämlich indem wir die Zahlung von EU-Geldern einfach einstellen.“ Denn an Geld sei er sehr interessiert. Gegen den ungarischen Regierungschef würden immer wieder Vorwürfe der Korruption, Bereicherung und Vetternwirtschaft erhoben.
Einmal habe man die EU-Zahlungen auch erfolgreich eingefroren, erklärte Barley. Bedauerlicherweise habe man die Gelder wieder freigeben müssen, damit Orban sein Veto gegen die russischen Sanktionen aufgebe. Barley zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass man den „Nein“-Sager aus Budapest bald wieder zum Einlenken werde bringen können.
Aber wofür brauchen wir Europa? Das war die letzte große Frage des Abends. „Das hätte ich vor zwei oder drei Jahren noch anders beantwortet“, so Barley. Doch Europa sei von allen Seiten unter Beschuss. Es sei sogar vorstellbar, dass die Europäische Union eines Tages nicht mehr existieren werde. „Dabei ist sie etwas absolut Einzigartiges.“ Sie habe Ländern wie Irland, Polen und Portugal zu einer nie dagewesenen Entwicklung verholfen – und zwar ohne, dass es Deutschland schlechter gegangen wäre, so Barley. „Was ist das für eine Kraft!?“
Noch wichtiger aber sei die Friedensgarantie der EU, einzigartig in der Geschichte. Gerade sie sei aktuell bedroht – sogar von innerhalb der EU. „Viktor Orban trägt bei öffentlichen Auftritten einen Schal, auf dem Großungarn abgebildet ist – mit Teilen von Kroatien und Rumänien“, sagte Barley. „Und genau so haben in der Geschichte immer Kriege angefangen – indem man sagt: ‚Dieses Territorium gehört mir!‘“ Auch der populistische Kanzler Österreichs, Sebastian Kurz, habe seinen Intimus Silvio Berlusconi vor den Kopf gestoßen, als er meinte: „Ist doch eine super Idee, den Leuten in Südtirol österreichische Pässe zu geben.“
Und dafür braucht man die EU, brauchen wir Europa – „weil es genau diese Konflikte gar nicht erst entstehen lässt.“ Die jüngeren Menschen hätten nicht aus erster Hand erlebt, was Krieg anrichten kann. „Ich hoffe, dass sie diese Botschaft Europas vernehmen und als Auftrag begreifen können“, erklärte Barley. Andererseits entstünden neue Allianzen, da Länder wie Australien, Indien, Indonesien und Kanada sich von den USA abwendeten und auf eine Zukunft mit Europa hofften.
Lewis Gropp
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