Lufthansa adieu!

Die strenge Stausberg

Lufthansa adieu!
E
nde Juli 1956 – also vor gut sechzig Jahren – bin ich zum ersten Mal mit der Lufthansa geflogen. Es ging vom Flughafen Köln-Wahn nach Zürich Kloten – mit einem Zwischenstopp in Stuttgart Echterdingen. Das klingt heute wie ein fantastisches Flug- Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“.
Egal, es war für mich total aufregend und natürlich unvergesslich: Furchtbar nette Stewardessen zeigten mir, wie ich mich anzuschnallen hatte; es gab weiße Schokolade, die erste in meinem Leben, und das Glas Orangensaft wurde mit einem auf dem Rand fixierten Stückchen Apfelsine serviert. Toll. Seitdem habe ich mir eine emotionale Bindung an die Lufthansa bewahrt, sie ist „meine“ Luftlinie. Und da ich immer viel unterwegs war und außerdem mehr als ein Dutzend Jahre im außereuropäischen Ausland lebte, hat sich da schon einiges an Flügen und Flugerlebnissen zusammengeläppert.

Meine grundsätzlich positive Einstellung speiste sich bisher aus den Erfahrungen einer kalkulierbaren Verlässlichkeit. Bin ich nie andere Linien geflogen? Natürlich klar, darunter sogar Aeroflot nach Kuba. Aber wenn es ging, stieg ich ein in die Flieger mit dem blauen Kranich auf gelben Kreis. Dabei weiß ich seit Langem sehr wohl, dass gerade die Lufthansa die von mir regelmäßig angeflogenen Lateinamerika-Routen von Frankfurt nach Mexiko oder nach Buenos Aires erheblich teurer anbietet als die wichtigsten anderen europäischen Mitbewerber – und zwar in allen Klassen. Aber das verdrängte ich stets gern, denn die Lufthansa, die war einfach etwas Besonderes. Sie war anders. Der Pilotenstreik der zurückliegenden Tage hat mich jetzt aber endgültig aus meinem Dornröschenschlaf gerissen. Wie kann es sein, dass eine kleine Clique von 5400 blendend verdienenden Flugzeugführern – versorgt mit üppigen Übergangsrenten und Pensionszusagen – ein ganzes Unternehmen systematisch lahmlegt?

Im Vergleich zu anderen Mitarbeitern des Konzerns sowie ausländischen Konkurrenten werden die Lufthansa- Piloten mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von rund 120.000 Euro geradezu fürstlich entlohnt: Die ihnen zugestandenen Privilegien sind einmalig in der internationalen Luftfahrt. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist das alles ein böses Omen, denn dieser Streik rüttelt am immer noch bestehenden Nimbus unserer „deutschen“ Zuverlässigkeit. Das kann zum Todesurteil werden. Mit meiner Nibelungentreue zur Lufthansa ist jedenfalls Schluss.

von Dr. Hildegard Stausberg
Quelle: welt.de

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