Newsletter 14. Mai 2021

Newsletter vom 14.05.2021

 Die süße Seite Kölns liegt still, der Schokoladen-Brunnen ist trocken

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

die Schokoladenseite Kölns, die süße Seite unserer Stadt – das Schokoladenmuseum im Rheinauhafen lädt zu Wortspielen ein. Doch auch die können nicht verdecken, dass „die wunderbare Schokoladenwelt“ stillgelegt ist, wie Geschäftsführerin Annette Imhoff bedauernd in unserem Podcast sagt, den Sie hier hören (sie finden uns auch in allen gängigen Podcast-Apps). Fast 600.000 Besucher zählte noch in 2019 das Museum, das 1993 in Betrieb ging und im Besitz der Familie Imhoff ist. Und dann kam Corona. Der berühmte Schokoladenbrunnen, Sinnbild kindlicher Träume, ist trocken.

Von Lage (unmittelbar am Rhein) und Thema (Köln war durch die Firma Stollwerck eine Schokoladenstadt) ist das süße Museum einzig. Kein Wunder, dass es das mit Abstand erfolgreichste Haus in dieser Stadt ist. Es trägt sich selbst, bekommt weder Zuschüsse noch irgendwelche Subventionen. Das Rezept ist einleuchtend. „Wir hätten nicht so viele Besucher, wenn wir uns nicht ständig in deren Lage versetzen würden“, sagt Annette Imhoff, die 2016 die Leitung von ihrer Mutter Gerburg Imhoff übernahm. Die legte ihrem 2007 verstorbenen Mann, dem Schokoladenfabrikanten und Kölner Ehrenbürger Hans Imhoff, den exponierten Bauplatz im Hafengebiet, das damals weitgehend unerschlossen war, ans Herz. Eine dieser Familienangelegenheiten, von der die Bürgerstadt Köln durch die Jahrhunderte immer wieder profitiert hat.

„Wir alle sind müde, fühlen uns wund“, sagt Annette Imhoff, die als Managerin, Mutter zweier Kinder und als Bürgerin gleich mehrfach von der Pandemie betroffen ist und schildert im Podcast eindringlich deren Folgen. Unsere weiteren Gesprächsthemen: Wie wächst man mit einem großen Vater auf? Warum stoßen Frauen in den Vorstandsetagen deutscher Firmen immer wieder an gläserne Decken? Wie steht sie zu Alice Schwarzer, die unweit vom Schokomuseum im Kölner Frauenturm sitzt? Zuhören lohnt bis zur letzten Sekunde, ist aber streckenweise herb wie gute zartbittere Schokolade, wenn Annette Imhoff etwa auf veraltete Frauenbilder aufmerksam macht.

Warum läuten Kirchenglocken eigentlich so laut? Damit man sie besser hört. Das gilt auch für die Wortmeldung von Werner Spinner. Der ehemalige Bayer-Vorstand und Präsident des 1. FC Köln hat den Ruf, ohne Umschweife zu formulieren (siehe Wortlaut im Anschluss an den Newsletter). Und das tut er auch in Sachen Corona. „Obwohl wir Alten die Gefährdeten waren, haben die Kinder, jungen Erwachsenen und Familien die größte Last getragen, und tragen sie noch immer“, urteilt der 72jährige. Politisch sei es „unsere Generation, die insbesondere in einem Wahljahr die Politik treibt“. Der Ruf „Kinder zuerst“ habe sich als Lippenbekenntnis entpuppt. Wir riskieren gerade eine Spaltung der Gesellschaft in Jung und Alt, und es ist die Verantwortung von uns Alten, dies zu verhindern, schließt Werner Spinner sein leidenschaftliches und mutiges Plädoyer. In einer solchen Klarheit habe ich solche Gedanken bislang nicht gelesen.

Die politische Situation im Land beschreibt Forsa-Chef Manfred Güllner nüchtern und fast ein wenig bissig, wenn man in die Tiefe seiner Worte steigt. Das aktuelle Politikerranking gebe Hinweise, warum Union und SPD in der Gunst der Wähler nicht sonderlich gut dastehen. „Die zwei politischen Akteure, denen die Menschen das größte Vertrauen entgegenbringen – Angela Merkel und Markus Söder – können im Wahlkampf der Union keine oder eine nur auf den Freistaat Bayern begrenzte regionale Rolle spielen“, schreibt der 79jährige. Das Vertrauen zum SPD-Kandidaten Olaf Scholz sei eigentlich passabel. „Doch wo Scholz ist, taucht auch Saskia Esken auf, die neben den beiden Führungsdamen der Linken und den AfD-Vertretern zu den unbeliebtesten politischen Akteuren gehört.“

In der jüngsten Forsa-Umfrage liegen die Grünen mit 27 Prozent drei Punkte vor der Union, die SPD dümpelt abgeschlagen bei 15 Prozent, gefolgt von der FDP mit 11 Prozent, AFD mit zehn und Linke mit sechs Prozent. Letztlich würde am Wahltag Armin Laschet doch gewählt, raunt man sich in der Union zu, was ein wenig an das Pfeifen im dunklen Wald erinnert. Die Wirklichkeit folgt in der Regel nicht solchen Gedankenspielen. Siehe Köln. Hier geschah das Unerhörte. Plötzlich waren die Grünen die Nummer Eins.

Annalena wer? Das wäre wohl vor ziemlich genau drei Jahren noch die Reaktion auf die Frage nach Annalena Baerbock gewesen. Heute ist die gebürtige Niedersächsin (chancenreiche) Kanzlerkandidatin einer ehedem chaotischen Partei, die das Chaos inzwischen der Konkurrenz überlässt. Das erste längere TV-Gespräch mit der damals weitgehend unbekannten Grünenpolitikerin hat im Januar 2018 mein Kollege Michael Hirz für den Sender Phoenix geführt. Inzwischen hat sie ihre Partei umgekrempelt – und will das nun mit dem ganzen Land tun. Interessiert Sie der Auftritt der Kanzlerkandidatin zu Beginn ihres Aufstiegs? Klicken Sie hier.

Herzliche Grüße

Ihr

Peter Pauls

Wir riskieren eine Spaltung der Gesellschaft in Jung und Alt

Zum Newsletter vom 30.4.2021 (Strategien im Kampf gegen Corona) schreibt Werner Spinner, Manager und viele Jahre Präsident des 1. FC Köln, im Wortlaut:

Nachkriegskinder wie ich (Jahrgang 1948) haben vermutlich in ihrem Leben zwei Fragen gestellt. An die Eltern, wie sie so etwas zulassen konnten, und an sich, wie man selbst wohl in einer epochalen Krise reagiert hätte. Doch es kam keine, in der man sich hätte beweisen können, so blieb die Antwort für die meisten im Westen reine Theorie. Mit der Pandemie kam zumindest eine Minikrise – verglichen mit denen unserer Eltern – doch die Antwort ist ernüchternd. Obwohl wir Alten die Gefährdeten waren, haben die Kinder, jungen Erwachsenen und Familien die größte Last getragen, und tragen sie noch immer.

Teile davon waren unausweichlich, alle mussten sich einschränken. Aber politisch ist es unsere Generation, die insbesondere in einem Wahljahr die Politik treibt und was ist das Ergebnis? „Kinder zuerst“ hat sich als Lippenbekenntnis entpuppt, denn selbst simpelste Maßnahmen, wie in jeden Klassen- und Kita-Raum einen Luftfilter zu stellen, waren uns zu teuer, von einem umfassenderen Programm zur Bildungssicherung ganz zu schweigen.

Öffnungsschritte vollzogen sich selten zu richtigen Zeitpunkten und nach den Prioritäten der Jungen und Familien. Eltern, die beide berufstätig sind, wurden mit ein paar zusätzlichen Kinderkrankentagen und Krokodilstränen der Bundeskanzlerin vertröstet. Bei der Impfung spielte es überhaupt keine Rolle, ob man Kinder hat oder nicht. Überhaupt Impfung: wenn Politiker*innen sagen, sie wollten bis zum Sommer allen ein Impfangebot machen, haben sie dann wirklich vergessen, dass Kinder auch Bürger*innen dieses Landes sind, für die – Stand heute – noch kein Impfstoff zugelassen ist?

Und warum glaubt meine Generation, einen Impfstoff wie den von AstraZeneca ablehnen zu dürfen (obwohl er für uns sicher und effektiv ist) und damit die Jungen dazu zu zwingen, sich trotz höheren Risikos diese Impfung zu spritzen? Man glaubt es kaum: Nachdem sich die junge Generation für uns über ein Jahr in die Bresche geworfen hat, nehmen wir ihnen auch noch den Impfstoff weg.

Wir riskieren gerade eine Spaltung der Gesellschaft in Jung und Alt, und es ist die Verantwortung von uns Alten, dies zu verhindern! Die nächsten Jahre müssen im Zeichen einer Wiedergutmachung stehen. Warum nicht statt eines „Aufholprogramms“ von €2 Mrd. – das sowohl in Umfang als auch Bezeichnung eine Beleidigung der Kinder ist – einen Kinder-und Bildungsfonds mit €150 Mrd. füllen? Denn das sind die jährlichen Bildungsausgaben in Deutschland und sie entsprechen einem für die Kinder verlorenen Jahr.
Warum nicht Eltern von minderjährigen Kindern in 2022 den doppelten Urlaubsanspruch geben und aus Steuergeldern finanzieren, und ein großzügiges staatliches Urlaubsgeld obendrauf, denn Familien haben so viel aufzuarbeiten und aufzutanken? Was können wir jungen Erwachsenen, die ihre Lebensträume auf Eis legen mussten, anbieten, damit sie Teile davon nachholen können? Das kostet alles Geld, ja. Aber die letzten Bundesregierungen haben den Großteil der finanziellen Überschüsse für Rentengeschenke ausgegeben. Wenn wir nach dieser Pandemie nicht die Jungen Menschen radikal in den Fokus rücken, dann hat unsere Generation in der einzigen wirklichen Krise ihres Lebens versagt.

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