Newsletter 5. Februar 2021

Newsletter vom 5.02.2021

Einladung zu einer besseren Zukunft

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

als ich vor vielen Jahren aus Norddeutschland nach Köln kam, fiel mir als erstes auf, wie stark die Stadt christlich-katholisch geprägt ist: Die Kirchendichte, das Brauchtum, bestimmte Redewendungen, in allem fand ich diese einschlägige Prägung. Aber klar, das Wort vom „Hillije Kölle“ musste ja irgendwo herkommen. Doch nicht unwesentlich haben auch Mitbürger jüdischen Glaubens zum Aufstieg und zur Bedeutung der Stadt beigetragen. Ob Jacques Offenbach, Salomon Oppenheim, Leonhard Tietz und viele, viele andere, sie alle haben mit ihren herausragenden Leistungen das Profil Kölns kulturell und wirtschaftlich gestaltet – und das seit fast 2000 Jahren.

Es ist nicht zuletzt das Verdienst von Jürgen Rüttgers, dem früheren Ministerpräsidenten, dass in diesem Jahr in hunderten von Veranstaltungen daran erinnert wird. 2021 jährt sich die erste urkundliche Erwähnung in einem Edikt Kaiser Konstantins, dass es hierzulande eine jüdische Gemeinde gab – und zwar, ja, in Köln. „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“ heißt ein eigens gegründeter Verein, der jetzt das Festjahr organisiert.

Anlass genug, mit Andrei Kovacs zu sprechen. Der Musiker und Unternehmer ist als Geschäftsführer Cheforganisator des geplanten Veranstaltungsmarathons. Denn trotz dieser langen gemeinsamen deutsch-jüdischen Geschichte, die in eine Zeit reicht, als es zwar Köln, aber noch kein Deutschland gab, wissen wir immer noch sehr wenig voneinander.

Doch was ist eigentlich jüdisches Leben heute? Sichtbar ist es bestenfalls, wenn jemand eine Kippa trägt oder die Tracht der streng orthodoxen Juden – die aber nur eine kleine Minderheit in der ohnehin kleinen Community sind. In Köln gibt es gerade einmal 4000 registrierte Gemeindemitglieder, insgesamt sind es geschätzt etwa 5000 oder 6000. „Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, ist größer, als auf der Straße einen Juden zu treffen“, scherzt Andrei Kovacs.

Was wollen die Initiatoren mit dem Mammutreigen an Veranstaltungen? Und warum sind 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte auch 1700 Jahre Antisemitismus? „Als Virus dauerhafter als Corona“ nennt Kovacs dieses Phänomen. Dennoch sieht er eine historische Chance für eine dauerhaft positive Entwicklung. Andrei Kovacs, der als Kind mit seinen Eltern aus Siebenbürgen ins Rheinland kam, steht mit seiner ebenso klugen wie unverkrampft optimistischen Art für die Möglichkeit, dass ein neues Kapitel in dieser langen, teils sehr leidvollen Geschichte aufgeschlagen wird. Das ganze Gespräch können Sie als Podcast nachhören oder auf unserem YouTube-Kanal auch ansehen.

Die Veranstaltungen des Festjahrs sind eine Einladung zum besseren Kennenlernen, zur Verständigung, zum fruchtbaren Miteinander. Eine Stadtgesellschaft, die wie die Kölner ihren jüdischen Mitbürgern so viel zu verdanken hat, kann eigentlich an so einem Angebot kaum vorbeigehen – und angesichts unserer Geschichte darf sie es auch nicht.

Ein Wermutstropfen dabei ist allerdings, dass wegen der Pandemie das derzeit kaum stattfinden kann, was wichtig wäre: Die unmittelbare Begegnung. Anders als die USA, anders als die abtrünnigen Briten oder Israel hat hierzulande ein Bündel von Gründen dazu geführt, dass wir bei der Impfung gegen Corona erschreckend hinterherhinken. Die kommunizierten Entschuldigungen überzeugen nicht wirklich, der Impfgipfel in dieser Woche wirkt auch nicht als Medizin gegen das wachsende Misstrauen – es ist allenfalls ein Placebo. Fatal, dass diese Umstände im Nachhinein Boris Johnsons Ausscheiden aus der EU zu rechtfertigen scheinen. Die Bekämpfung von Corona bleibt ein Trauerspiel im Dauermodus. Vor allem am Erwartungsmanagement müssen die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen noch arbeiten, denn schon als Kinder haben wir eingeimpft bekommen: Versprich nichts, was Du nicht halten kannst!

Das Versprechen und Versprechen halten zwei ganz verschiedene Dinge sind, weiß der lebenskluge Rheinländer allerdings seit vielen Generationen. Das lässt das ständige Auf und Ab des Lebens besser ertragen. Für die Freunde des in Köln weltbesten Fußballvereins 1. FC (Effzeh) ist das Teil ihrer DNA. Am Wochenende erst der Sprung aus dem Tabellenkeller nach oben, am Mittwoch das brutale Aus im Pokal gegen Regensburg. Zu dieser permanenten sportlichen Achterbahnfahrt gesellt sich dann noch die Geisterbahnfahrt um die Auswahl eines Kommunikationschefs, der nach monatelangem Auswahlprozess am Montag präsentiert und kurz darauf wieder zurückgezogen wurde. Will man auch dieser erneuten Blamage etwas abgewinnen, kann man sagen: Der so heiß geliebte Verein ist sich als verlässlicher Produzent von unterhaltsamer Aufregung treu geblieben.

In diesem Sinne grüßt Sie sehr herzlich

Ihr
Michael Hirz

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