Zu Gast: die frühere Kölner Cum-Ex Ermittlerin Anne Brorhilker
Moderation: David Rühl, Journalist und Mitglied des Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub
Lässt man die Großen laufen?
Ein Gespräch mit der früheren Oberstaatsanwältin über Finanzbetrug und Gerechtigkeit
Von Lewis Gropp
Der Andrang war groß und der Zuspruch enorm. Gleich zu Beginn war klar, dass die Ex-Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker das Publikum im Excelsior Hotel Ernst auf ihrer Seite. Das große Interesse an Thema und ihrer Person wusste die frischgebackene Steuergerechtigkeitslobbyistin im vollbesetzten Gobelinsaal anschaulich zu erklären: „Es geht um sehr viel Geld – um unser Geld!“, so die ehemalige Kölner Staatsanwältin. Im Verlauf des Abends wurde sie nicht müde zu betonen, wie viel besser das Zusammenleben in unserem von Krisen geschüttelten Staat verlaufen könnte, wenn die geschätzten 40 Milliarden Euro zur Verfügung stünden, welche durch die Cum-Ex- und Cum-Cum-Kriminalität den öffentlichen Kassen fehlen: „Stichwort Bahn, Infrastruktur, Bildung – was könnte man nicht alles mit diesen großen Summen bewegen!“
Nach ihrem Rücktritt als Cum-Ex-Chefermittlerin hatte ihr Satz „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ im April für Wirbel gesorgt. Im Verlaufe des Kölner Abends wurde indessen klar, dass sie damit nicht meinte, dass „die Großen“ in Sachen Wirtschaftskriminalität aufgrund von politischer Einflussnahme von oben (vulgo: Korruption) laufen gelassen würden – sondern einfach, weil es extrem schwer ist, in Sachen Steuerkriminalität mit Offshore-Geschäften zu ermitteln, und weil in den Fällen oft gut bezahlte Anwaltskanzleien den Behörden so große Steine in den Weg legten, dass diese oft sich oft gezwungen sähen, die Waffen zu strecken. „Sie sehen, dass sie nicht die Mittel haben, um die notwendigen Beweise für eine Verurteilung zu erbringen.“ Man könne also nicht davon sprechen, dass der Rechtsstaat versage; die Justiz sei einfach zu schlecht aufgestellt. In solchen Fällen werde der Prozess oft gegen ein Bußgeld und ohne Verurteilung eingestellt. Das sei frustrierend.
Anne Brorhilker verbindet ein sehr hohes Maß an Sachlichkeit mit Verve und Leidenschaft. Und da es um Recht und Gerechtigkeit sowie das Steuergeld von Bürgerinnen und Bürgern geht, erhielt die Co-Geschäftsführende der Bürgerbewegung „Finanzwende“ immer wieder spontanen Applaus. Schließlich kämpft sie um eine Sache, die alle unmittelbar betrifft. Und die Tatsache, dass sie eine Beamtenkarriere samt Pension aufgegeben hat, um als Lobbyistin mit dem Verein „Finanzwende“ gegen Wirtschaftskriminalität und für Steuergerechtigkeit zu kämpfen, nötigt augenscheinlich vielen Menschen großen Respekt ab. Das Thema bringt Menschen auf, weil es zeigt, dass durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Kriminalität nicht nur die Bürger, sondern auch der Staat betrogen wird.
Umso verwunderlicher erscheint es, dass Brorhilker in ihrem Amt als Staatsanwältin und Cum-Ex-Ermittlerin offenbar keinen ausreichenden Rückhalt mehr von Seiten der Landespolitik fand. NRW-Justizminister Benjamin Limbach von den Grünen hatte im September 2023 angekündigt, Brorhilkers Abteilung aufzuspalten. Sie sollte die Hälfte ihrer Fälle an einen Mann abgeben, der in Steuerstrafsachen wenig erfahren war. Im April dieses Jahres gab Brorhilker dann ihre Demission bekannt. Auf eine aktuelle Anfrage der FDP-Fraktion im NRW-Landtag hieß es laut Stephan Neuheuser (Chef der Staatsanwaltschaft Köln), dass Brorhilker als Staatsanwältin „inhaltlich unzugänglich“ gewesen sei, ihre Berichtsentwürfe „regelmäßig deutlich überarbeitungsbedürftig“ gewesen seien und dass sie „zentrale Pflichten nicht erfüllte“ habe. „So einen Chef wünscht man sich“, kommentierte Brorhilker den Vorgang trocken; doch auf Nachfrage erklärte sie lediglich, dass sie sich dazu nicht äußern wolle und aufgrund der Verschwiegenheitspflicht auch nicht dürfe. Dass die Behörden sich in ihrer Sache in solcher Form äußerten, verwundere sie allerdings. Die Empörung im Plenum darüber war deutlich vernehmbar. Am Ende wurde sogar die Forderung nach einem Rücktritt des Justizministers laut.
Warum aber ist ausgerechnet sie die „treibende Kraft“ geworden, die in der Öffentlichkeit für die Aufarbeitung der Cum-Ex-Wirtschaftskriminalität wahrgenommen werde? Das sei durch einen Zufall so gekommen. Der WDR habe das Thema auf die Agenda gesetzt und von ihrer Behörde Auskunft erbeten, und weil ihr das Thema wichtig war, habe sie sich geäußert. Klar wurde an diesem Abend, dass Brorhilker die Gabe hat, die Thematik Wirtschaftskriminalität – die vielen als kompliziert und öde gilt – mit einer Dringlichkeit zu vermitteln, die ihresgleichen sucht. Journalisten hätten ihr oft erklärt, dass bestimmte Themen die Leute nicht interessieren würden. „Aber ich bin der Überzeugung: Normale Menschen sind nicht doof“, sagt Brorhilker. Es gehe darum aufzuzeigen, was der Staat mache – und was gut funktioniert und was nicht gut funktioniert. Und es sei ohne weiteres möglich, alle Vorgänge so zu erklären, dass jeder sie verstehen kann. „Das ist Demokratie!“, so die Juristin.
Eine der Phrasen, die sie regelmäßig aufbringe, sei der Satz „Da kann ich nichts machen.“ „Aber das stimmt nicht. Jeder kann etwas machen! Jeder von uns hat einen Spielraum! Und wenn jeder diesen Spielraum nutzt, dann können wir in dieser Gesellschaft etwas verändern.“ Es ist unübersehbar: Die ehemalige Staatsanwältin hat Charisma und ist in der Lage, Menschen aufzurütteln. Am Ende kommt denn auch die Frage aus dem Plenum: „Frau Brorhilker – wie können wir sie unterstützen?“
In ihrer Antwort verweist sie wenig überraschend auf die Bürgerbewegung Finanzwende. Zerknirscht weist Brorhilker darauf hin, dass der 2018 gegründete Verein keine Gemeinnützigkeit genieße. Doch weil es anders als beim Umweltschutz keine einzige Organisation gab, die sich um Steuergerechtigkeit kümmerte, hat der Verein aus ihrer Sicht eine hohe Daseinsberechtigung. Außerdem wisse man, seit es das Lobbyregister gibt, dass die Finanzlobby noch stärker im Bundestag präsent sei als sogar die Autolobby. „Und das will was heißen!“ Bei der „Finanzwende“ gehe es um Aktivismus und Wirken in der Öffentlichkeit („Das Thema muss auf die Agenda“); zum anderen gehe es aber auch um sachliche, wissenschaftliche Tätigkeit, darum, faktenbasierte Informationen bereitzustellen.
Wie notwendig das ist, zeige die Tatsache, dass viele selbst in der Politik überhaupt nicht wüssten, mit welchen Hürden die Ermittlungsbehörden kämpfen müssten. Sie hätte sich im Rahmen ihrer Ermittlungen nicht einmal mit allen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern austauschen können: „Die einen dürfen nur über verschlüsselte E-Mails kommunizieren, bei den anderen funktioniert das aber gar nicht.“ Das gleiche gelte für Videokonferenzen – und weil keine einheitliche Software genutzt wird, gebe es schlussendlich überhaupt keinen Austausch. „Am Ende hat mein Abteilungsleiter gesagt: ‚Kopieren Sie halt alle Daten auf einen USB-Stick und schicken den dann mit der Post nach Bayern.‘“ Ungläubiges Gelächter im Saal. Doch die Lage ist ernst. „Sogar der Bundesrechnungshof attestiert wörtlich, sie ist ‚katastrophal‘“, mahnt Brorhilker.
Eines der wichtigsten Ziele sei es daher, die Behörden bei ihren Ermittlungen zu stärken. Sie habe Situationen erlebt, in denen ihr ein Investmentbanker gesagt habe: „Sie können hier alles durchsuchen. Wir haben kein einziges Blatt Papier bei den Unterlagen und alle Daten sind sowieso im Ausland.“ Da habe sie gedacht: „Unglaublich! Wer hat hier eigentlich die Hosen an?“ Es ärgere sie, dass der Staat in solchen Situationen zu machtlos erscheine, um seine Interessen durchzusetzen.
Dass es auch anders gehe, würden die USA beweisen: Hier seien die Ermittlungsbehörden knallhart. „Uns haben Insider berichtet, dass sie niemals in den USA versuchen würden, Geschäfte zu machen.“ Die Ermittler hätten dort viele Erfolge erzielt, und das sorge für nachhaltige Abschreckung. Bei Amtshilfeersuchen hätten die Behörden allerdings nicht reagiert. „In den USA werden die US-Banken streng kontrolliert, aber in Europa und Deutschland dürfen sie aus amerikanischer Sicht gerne ihre Geschäfte machen.“
An dem Abend im Kölner Hotel Exzelsior wurde abschließend ein weitverbreiterter Mythos entzaubert: Es gibt keine Rechtslücke in punkto Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäfte: „Das war schon immer illegal und strafbar“, erklärte Brorhilker. Die Frage hätten Strafgerichte und Finanzgerichte wie der Bundesfinanzhof und der Bundesgerichtshof eindeutig geklärt. Die Vorstellung einer „legalen Grauzone“ sei ein „Framing“, das von Anwälten der Beklagten erfolgreich lanciert worden wäre. „Man muss ja auch nicht Jura studiert haben, um zu wissen, dass ich mir nicht etwas erstatten lassen kann, was ich gar nicht geleistet habe“, brachte es denn auch eine Stimme aus dem Plenum zum Abschluss auf den Punkt.
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Finanzbetrug – Lässt man die Großen laufen?
19. November, 2024 um 19:30 - 22:00
Zu Gast: die frühere Kölner Cum-Ex Ermittlerin Anne Brorhilker
Moderation: David Rühl, Journalist und Mitglied des Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub
Lässt man die Großen laufen?
Ein Gespräch mit der früheren Oberstaatsanwältin über Finanzbetrug und Gerechtigkeit
Von Lewis Gropp
Der Andrang war groß und der Zuspruch enorm. Gleich zu Beginn war klar, dass die Ex-Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker das Publikum im Excelsior Hotel Ernst auf ihrer Seite. Das große Interesse an Thema und ihrer Person wusste die frischgebackene Steuergerechtigkeitslobbyistin im vollbesetzten Gobelinsaal anschaulich zu erklären: „Es geht um sehr viel Geld – um unser Geld!“, so die ehemalige Kölner Staatsanwältin. Im Verlauf des Abends wurde sie nicht müde zu betonen, wie viel besser das Zusammenleben in unserem von Krisen geschüttelten Staat verlaufen könnte, wenn die geschätzten 40 Milliarden Euro zur Verfügung stünden, welche durch die Cum-Ex- und Cum-Cum-Kriminalität den öffentlichen Kassen fehlen: „Stichwort Bahn, Infrastruktur, Bildung – was könnte man nicht alles mit diesen großen Summen bewegen!“
Nach ihrem Rücktritt als Cum-Ex-Chefermittlerin hatte ihr Satz „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ im April für Wirbel gesorgt. Im Verlaufe des Kölner Abends wurde indessen klar, dass sie damit nicht meinte, dass „die Großen“ in Sachen Wirtschaftskriminalität aufgrund von politischer Einflussnahme von oben (vulgo: Korruption) laufen gelassen würden – sondern einfach, weil es extrem schwer ist, in Sachen Steuerkriminalität mit Offshore-Geschäften zu ermitteln, und weil in den Fällen oft gut bezahlte Anwaltskanzleien den Behörden so große Steine in den Weg legten, dass diese oft sich oft gezwungen sähen, die Waffen zu strecken. „Sie sehen, dass sie nicht die Mittel haben, um die notwendigen Beweise für eine Verurteilung zu erbringen.“ Man könne also nicht davon sprechen, dass der Rechtsstaat versage; die Justiz sei einfach zu schlecht aufgestellt. In solchen Fällen werde der Prozess oft gegen ein Bußgeld und ohne Verurteilung eingestellt. Das sei frustrierend.
Anne Brorhilker verbindet ein sehr hohes Maß an Sachlichkeit mit Verve und Leidenschaft. Und da es um Recht und Gerechtigkeit sowie das Steuergeld von Bürgerinnen und Bürgern geht, erhielt die Co-Geschäftsführende der Bürgerbewegung „Finanzwende“ immer wieder spontanen Applaus. Schließlich kämpft sie um eine Sache, die alle unmittelbar betrifft. Und die Tatsache, dass sie eine Beamtenkarriere samt Pension aufgegeben hat, um als Lobbyistin mit dem Verein „Finanzwende“ gegen Wirtschaftskriminalität und für Steuergerechtigkeit zu kämpfen, nötigt augenscheinlich vielen Menschen großen Respekt ab. Das Thema bringt Menschen auf, weil es zeigt, dass durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Kriminalität nicht nur die Bürger, sondern auch der Staat betrogen wird.
Umso verwunderlicher erscheint es, dass Brorhilker in ihrem Amt als Staatsanwältin und Cum-Ex-Ermittlerin offenbar keinen ausreichenden Rückhalt mehr von Seiten der Landespolitik fand. NRW-Justizminister Benjamin Limbach von den Grünen hatte im September 2023 angekündigt, Brorhilkers Abteilung aufzuspalten. Sie sollte die Hälfte ihrer Fälle an einen Mann abgeben, der in Steuerstrafsachen wenig erfahren war. Im April dieses Jahres gab Brorhilker dann ihre Demission bekannt. Auf eine aktuelle Anfrage der FDP-Fraktion im NRW-Landtag hieß es laut Stephan Neuheuser (Chef der Staatsanwaltschaft Köln), dass Brorhilker als Staatsanwältin „inhaltlich unzugänglich“ gewesen sei, ihre Berichtsentwürfe „regelmäßig deutlich überarbeitungsbedürftig“ gewesen seien und dass sie „zentrale Pflichten nicht erfüllte“ habe. „So einen Chef wünscht man sich“, kommentierte Brorhilker den Vorgang trocken; doch auf Nachfrage erklärte sie lediglich, dass sie sich dazu nicht äußern wolle und aufgrund der Verschwiegenheitspflicht auch nicht dürfe. Dass die Behörden sich in ihrer Sache in solcher Form äußerten, verwundere sie allerdings. Die Empörung im Plenum darüber war deutlich vernehmbar. Am Ende wurde sogar die Forderung nach einem Rücktritt des Justizministers laut.
Warum aber ist ausgerechnet sie die „treibende Kraft“ geworden, die in der Öffentlichkeit für die Aufarbeitung der Cum-Ex-Wirtschaftskriminalität wahrgenommen werde? Das sei durch einen Zufall so gekommen. Der WDR habe das Thema auf die Agenda gesetzt und von ihrer Behörde Auskunft erbeten, und weil ihr das Thema wichtig war, habe sie sich geäußert. Klar wurde an diesem Abend, dass Brorhilker die Gabe hat, die Thematik Wirtschaftskriminalität – die vielen als kompliziert und öde gilt – mit einer Dringlichkeit zu vermitteln, die ihresgleichen sucht. Journalisten hätten ihr oft erklärt, dass bestimmte Themen die Leute nicht interessieren würden. „Aber ich bin der Überzeugung: Normale Menschen sind nicht doof“, sagt Brorhilker. Es gehe darum aufzuzeigen, was der Staat mache – und was gut funktioniert und was nicht gut funktioniert. Und es sei ohne weiteres möglich, alle Vorgänge so zu erklären, dass jeder sie verstehen kann. „Das ist Demokratie!“, so die Juristin.
Eine der Phrasen, die sie regelmäßig aufbringe, sei der Satz „Da kann ich nichts machen.“ „Aber das stimmt nicht. Jeder kann etwas machen! Jeder von uns hat einen Spielraum! Und wenn jeder diesen Spielraum nutzt, dann können wir in dieser Gesellschaft etwas verändern.“ Es ist unübersehbar: Die ehemalige Staatsanwältin hat Charisma und ist in der Lage, Menschen aufzurütteln. Am Ende kommt denn auch die Frage aus dem Plenum: „Frau Brorhilker – wie können wir sie unterstützen?“
In ihrer Antwort verweist sie wenig überraschend auf die Bürgerbewegung Finanzwende. Zerknirscht weist Brorhilker darauf hin, dass der 2018 gegründete Verein keine Gemeinnützigkeit genieße. Doch weil es anders als beim Umweltschutz keine einzige Organisation gab, die sich um Steuergerechtigkeit kümmerte, hat der Verein aus ihrer Sicht eine hohe Daseinsberechtigung. Außerdem wisse man, seit es das Lobbyregister gibt, dass die Finanzlobby noch stärker im Bundestag präsent sei als sogar die Autolobby. „Und das will was heißen!“ Bei der „Finanzwende“ gehe es um Aktivismus und Wirken in der Öffentlichkeit („Das Thema muss auf die Agenda“); zum anderen gehe es aber auch um sachliche, wissenschaftliche Tätigkeit, darum, faktenbasierte Informationen bereitzustellen.
Wie notwendig das ist, zeige die Tatsache, dass viele selbst in der Politik überhaupt nicht wüssten, mit welchen Hürden die Ermittlungsbehörden kämpfen müssten. Sie hätte sich im Rahmen ihrer Ermittlungen nicht einmal mit allen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern austauschen können: „Die einen dürfen nur über verschlüsselte E-Mails kommunizieren, bei den anderen funktioniert das aber gar nicht.“ Das gleiche gelte für Videokonferenzen – und weil keine einheitliche Software genutzt wird, gebe es schlussendlich überhaupt keinen Austausch. „Am Ende hat mein Abteilungsleiter gesagt: ‚Kopieren Sie halt alle Daten auf einen USB-Stick und schicken den dann mit der Post nach Bayern.‘“ Ungläubiges Gelächter im Saal. Doch die Lage ist ernst. „Sogar der Bundesrechnungshof attestiert wörtlich, sie ist ‚katastrophal‘“, mahnt Brorhilker.
Eines der wichtigsten Ziele sei es daher, die Behörden bei ihren Ermittlungen zu stärken. Sie habe Situationen erlebt, in denen ihr ein Investmentbanker gesagt habe: „Sie können hier alles durchsuchen. Wir haben kein einziges Blatt Papier bei den Unterlagen und alle Daten sind sowieso im Ausland.“ Da habe sie gedacht: „Unglaublich! Wer hat hier eigentlich die Hosen an?“ Es ärgere sie, dass der Staat in solchen Situationen zu machtlos erscheine, um seine Interessen durchzusetzen.
Dass es auch anders gehe, würden die USA beweisen: Hier seien die Ermittlungsbehörden knallhart. „Uns haben Insider berichtet, dass sie niemals in den USA versuchen würden, Geschäfte zu machen.“ Die Ermittler hätten dort viele Erfolge erzielt, und das sorge für nachhaltige Abschreckung. Bei Amtshilfeersuchen hätten die Behörden allerdings nicht reagiert. „In den USA werden die US-Banken streng kontrolliert, aber in Europa und Deutschland dürfen sie aus amerikanischer Sicht gerne ihre Geschäfte machen.“
An dem Abend im Kölner Hotel Exzelsior wurde abschließend ein weitverbreiterter Mythos entzaubert: Es gibt keine Rechtslücke in punkto Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäfte: „Das war schon immer illegal und strafbar“, erklärte Brorhilker. Die Frage hätten Strafgerichte und Finanzgerichte wie der Bundesfinanzhof und der Bundesgerichtshof eindeutig geklärt. Die Vorstellung einer „legalen Grauzone“ sei ein „Framing“, das von Anwälten der Beklagten erfolgreich lanciert worden wäre. „Man muss ja auch nicht Jura studiert haben, um zu wissen, dass ich mir nicht etwas erstatten lassen kann, was ich gar nicht geleistet habe“, brachte es denn auch eine Stimme aus dem Plenum zum Abschluss auf den Punkt.
Details
Veranstaltungsort
Köln, 50667
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Köln, 50667
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