Zu Gast:
Prof. Karl Lauterbach, Gesundheitsminister
Moderation:
Michael Hirz, Vorstand des Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub / Reinhold Stegmayer
Wird Gesundheit unbezahlbar?
Der strapazierte Sozialstaat
von Lewis Gropp
Mit ein paar Minuten Verspätung kam Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zu Jahresauftaktgespräch des Kölner Presseclubs, um sich kritischen Fragen über das Gesundheitssystem zu stellen, für das er seit 2021 i Kabinett verantwortlich ist. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei gut, so Lauterbach, aber es sei zu teuer und nicht effizient genug. „Mittlerweile zahlen wir pro Kopf sogar mehr als in der Schweiz!“ Dennoch sei die Lebenserwartung in Deutschland niedriger als im EU-Durchschnitt. „Es ist schwer vermittelbar, dass man bis zu 900 Euro pro Monat für die Krankenversicherung bezahlt und dann trotzdem monatelang auf einen Facharzt warten muss.“ Krebsbehandlungen seien extrem teuer, doch sei die Überlebensrate gemessen daran viel zu gering. „Das muss traurig machen“, so Lauterbach. „Die Politik hat viele Jahre verschlafen und jetzt müssen die Bürger dafür die Rechnung zahlen.“
Das Land ist mitten im Wahlkampf und Lauterbach war nicht zuletzt in eigner Sache unterwegs, und wer ihm an diesem Abend in Köln in dem vollen Saal zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass nach jahrelangem Stillstand endlich ein Macher ins Bundesgesundheitsministerium eingezogen sei, entschlossen alle Probleme anzupacken und unermüdlich ein Gesetz nach dem anderen vom Stapel lasse, um jegliche Missstände zu beseitigen. „Wir sind im Amt, um Gesetze zu machen. Dafür werden wir bezahlt“, erklärte Lauterbach entschlossen.
Den kritischen Fragen von Moderator Michael Hirz wich er nicht aus. „Wir haben die höchste Krankenhausdichte in ganz Europa – aber ein Drittel der Betten darin stehen leer.“ Das könne so nicht funktionieren. Viele Krankenhäuser seien „in Lebensgefahr“ und müssten „endlich raus aus dem Hamsterrad“. Lauterbach monierte, dass manche Krankenhäuser Eingriffe durchführen würden, für die sie nicht wirklich ausgerüstet wären – nur, um die finanziellen Defizite auszugleichen: Mit der Folge, dass bei manchen Kliniken die Sterblichkeit nach den Eingriffen zehn mal höher sei als bei spezialisierten Kliniken. Deswegen sei die Krankenhausreform so wichtig. „Jedes Haus soll nur das machen, was es wirklich gut kann“ – und das müsse durch Qualitätskriterien nachgewiesen werden. „So etwas hat es vorher nicht gegeben“.
Den Unikliniken sei er besonders dankbar. „Sie haben erklärt: ‚Wir sagen es nur ungern, aber es ist richtig, was der Lauterbach vorhat.‘“ Somit habe quasi „die Wissenschaft“ seinem Kurs Recht gegeben. „Die Bundesländer waren natürlich empört. Aber sie hatten ja 20 Jahre Zeit und haben nix gemacht“, so der Minister. Es sei schon so, dass sie für die Organisation des Krankenhäuser zuständig seien. „Aber der Bund zahlt in diesem Bereich auch, also sind wir auch zuständig.“
Auf den Hinweis, dass für die Umsetzung der Reformen ja zunächst einmal rund 50 Milliarden Euro veranschlagt würden, entgegnete Lauterbach: „Ja, ohne Investitionen geht da nix.“ Aber mit dem Umbau würden ja schon bald Kosten eingespart. Und in zehn Jahren sei das Gesundheitssystem preiswerter, es gebe bessere Spezialisierung und eine bessere Behandlung.
Und was ist mit den exorbitanten Kosten bei der Pflege? Der wichtigste Faktor bei der Pflege sei die Demenz, erklärte Lauterbach. Und den wichtigsten Risikofaktor bei Demenz – Bluthochdruck – könne man gut behandeln. Außerdem habe man mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Anerkennung für Abschlüsse aus dem Ausland stark vereinfacht. Von 2022 bis 2023 habe man es geschafft, die Anzahl der Pflegekräfte aus dem Ausland um 50 Prozent zu steigern. „Es wäre aber kein Nachteil gewesen“, kommentierte er, „wenn wir dieses Gesetz schon vor fünf Jahren gehabt hätten.“
Auch die Frage nach der Absicherung der Renten drängte sich auf. Moderator Michael Hirz erinnerte an das schöne Zitat von Franz Müntefering. Der damalige SPD-Arbeitsminister hatte die vorgeschlagene Erhöhung des Renteneintrittsalters mit dem Spruch begründet: „Weniger Kinder, später in den Beruf, früher raus, länger leben, länger Rente beziehen: Wenn man das nebeneinander legt, muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland um zu wissen: Das kann nicht gehen!“ Und auch 20 Jahre später erklärt Parteikollege Lauterbach, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent unter den aktuellen Umständen nicht haltbar sei. „Man muss es zu Ende denken“, so der Gesundheitsminister. Er prophezeite in zehn Jahren eine Altersarmut gerade im Osten Deutschlands, die bei 40 oder sogar 45 Prozent liegen könnte. „Das Versprechen der sicheren Renten ist also nicht haltbar“, hakte Michael Hirz nach. „Das würde ich so nicht unbedingt sagen“, so Lauterbach. Bei einem entsprechenden Wirtschaftswachstum wäre es letzten Endes doch möglich, die Rente zukunftsfähig zu machen. Aber es zeigt sich: Eine Rentenreform wird eines der wichtigsten Projekte zukünftiger Regierungskoalitionen sein.
Immer wieder an diesem Abend ließ der Minister einfließen, was für gute Gesetze schon bereit lägen, die durch den plötzlichen Ausstieg der FDP aus der Koalition nicht mehr verabschiedet werden konnten. „Aber wir machen das in der nächsten Koalition!“ Wie selbstverständlich tat Lauterbach so, als ob es keine Alternative zu den von ihm konzipierten Reformen gäbe – und dass eigentlich alle Parteien die Reformen auch unterstützen würden.
Auf die abschließende Frage, ob er denn noch einmal an einer weiteren Legislaturperiode im Bundesgesundheitsministerium Interesse hätte, hatte Lauterbach eine klare Antwort parat. „Die Gesetze sind wichtiger als das Amt. Aber falls es die Möglichkeit gäbe, den Posten wieder zu übernehmen, hätte es den Vorteil, dass ich die Gesetze schon kenne.“
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Jahresauftaktgespräch: Wird Gesundheit unbezahlbar?
9. Januar um 19:30 - 22:00
Zu Gast:
Prof. Karl Lauterbach, Gesundheitsminister
Moderation:
Michael Hirz, Vorstand des Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub / Reinhold Stegmayer
Wird Gesundheit unbezahlbar?
Der strapazierte Sozialstaat
von Lewis Gropp
Mit ein paar Minuten Verspätung kam Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zu Jahresauftaktgespräch des Kölner Presseclubs, um sich kritischen Fragen über das Gesundheitssystem zu stellen, für das er seit 2021 i Kabinett verantwortlich ist. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei gut, so Lauterbach, aber es sei zu teuer und nicht effizient genug. „Mittlerweile zahlen wir pro Kopf sogar mehr als in der Schweiz!“ Dennoch sei die Lebenserwartung in Deutschland niedriger als im EU-Durchschnitt. „Es ist schwer vermittelbar, dass man bis zu 900 Euro pro Monat für die Krankenversicherung bezahlt und dann trotzdem monatelang auf einen Facharzt warten muss.“ Krebsbehandlungen seien extrem teuer, doch sei die Überlebensrate gemessen daran viel zu gering. „Das muss traurig machen“, so Lauterbach. „Die Politik hat viele Jahre verschlafen und jetzt müssen die Bürger dafür die Rechnung zahlen.“
Das Land ist mitten im Wahlkampf und Lauterbach war nicht zuletzt in eigner Sache unterwegs, und wer ihm an diesem Abend in Köln in dem vollen Saal zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass nach jahrelangem Stillstand endlich ein Macher ins Bundesgesundheitsministerium eingezogen sei, entschlossen alle Probleme anzupacken und unermüdlich ein Gesetz nach dem anderen vom Stapel lasse, um jegliche Missstände zu beseitigen. „Wir sind im Amt, um Gesetze zu machen. Dafür werden wir bezahlt“, erklärte Lauterbach entschlossen.
Den kritischen Fragen von Moderator Michael Hirz wich er nicht aus. „Wir haben die höchste Krankenhausdichte in ganz Europa – aber ein Drittel der Betten darin stehen leer.“ Das könne so nicht funktionieren. Viele Krankenhäuser seien „in Lebensgefahr“ und müssten „endlich raus aus dem Hamsterrad“. Lauterbach monierte, dass manche Krankenhäuser Eingriffe durchführen würden, für die sie nicht wirklich ausgerüstet wären – nur, um die finanziellen Defizite auszugleichen: Mit der Folge, dass bei manchen Kliniken die Sterblichkeit nach den Eingriffen zehn mal höher sei als bei spezialisierten Kliniken. Deswegen sei die Krankenhausreform so wichtig. „Jedes Haus soll nur das machen, was es wirklich gut kann“ – und das müsse durch Qualitätskriterien nachgewiesen werden. „So etwas hat es vorher nicht gegeben“.
Den Unikliniken sei er besonders dankbar. „Sie haben erklärt: ‚Wir sagen es nur ungern, aber es ist richtig, was der Lauterbach vorhat.‘“ Somit habe quasi „die Wissenschaft“ seinem Kurs Recht gegeben. „Die Bundesländer waren natürlich empört. Aber sie hatten ja 20 Jahre Zeit und haben nix gemacht“, so der Minister. Es sei schon so, dass sie für die Organisation des Krankenhäuser zuständig seien. „Aber der Bund zahlt in diesem Bereich auch, also sind wir auch zuständig.“
Auf den Hinweis, dass für die Umsetzung der Reformen ja zunächst einmal rund 50 Milliarden Euro veranschlagt würden, entgegnete Lauterbach: „Ja, ohne Investitionen geht da nix.“ Aber mit dem Umbau würden ja schon bald Kosten eingespart. Und in zehn Jahren sei das Gesundheitssystem preiswerter, es gebe bessere Spezialisierung und eine bessere Behandlung.
Und was ist mit den exorbitanten Kosten bei der Pflege? Der wichtigste Faktor bei der Pflege sei die Demenz, erklärte Lauterbach. Und den wichtigsten Risikofaktor bei Demenz – Bluthochdruck – könne man gut behandeln. Außerdem habe man mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Anerkennung für Abschlüsse aus dem Ausland stark vereinfacht. Von 2022 bis 2023 habe man es geschafft, die Anzahl der Pflegekräfte aus dem Ausland um 50 Prozent zu steigern. „Es wäre aber kein Nachteil gewesen“, kommentierte er, „wenn wir dieses Gesetz schon vor fünf Jahren gehabt hätten.“
Auch die Frage nach der Absicherung der Renten drängte sich auf. Moderator Michael Hirz erinnerte an das schöne Zitat von Franz Müntefering. Der damalige SPD-Arbeitsminister hatte die vorgeschlagene Erhöhung des Renteneintrittsalters mit dem Spruch begründet: „Weniger Kinder, später in den Beruf, früher raus, länger leben, länger Rente beziehen: Wenn man das nebeneinander legt, muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland um zu wissen: Das kann nicht gehen!“ Und auch 20 Jahre später erklärt Parteikollege Lauterbach, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent unter den aktuellen Umständen nicht haltbar sei. „Man muss es zu Ende denken“, so der Gesundheitsminister. Er prophezeite in zehn Jahren eine Altersarmut gerade im Osten Deutschlands, die bei 40 oder sogar 45 Prozent liegen könnte. „Das Versprechen der sicheren Renten ist also nicht haltbar“, hakte Michael Hirz nach. „Das würde ich so nicht unbedingt sagen“, so Lauterbach. Bei einem entsprechenden Wirtschaftswachstum wäre es letzten Endes doch möglich, die Rente zukunftsfähig zu machen. Aber es zeigt sich: Eine Rentenreform wird eines der wichtigsten Projekte zukünftiger Regierungskoalitionen sein.
Immer wieder an diesem Abend ließ der Minister einfließen, was für gute Gesetze schon bereit lägen, die durch den plötzlichen Ausstieg der FDP aus der Koalition nicht mehr verabschiedet werden konnten. „Aber wir machen das in der nächsten Koalition!“ Wie selbstverständlich tat Lauterbach so, als ob es keine Alternative zu den von ihm konzipierten Reformen gäbe – und dass eigentlich alle Parteien die Reformen auch unterstützen würden.
Auf die abschließende Frage, ob er denn noch einmal an einer weiteren Legislaturperiode im Bundesgesundheitsministerium Interesse hätte, hatte Lauterbach eine klare Antwort parat. „Die Gesetze sind wichtiger als das Amt. Aber falls es die Möglichkeit gäbe, den Posten wieder zu übernehmen, hätte es den Vorteil, dass ich die Gesetze schon kenne.“
Details
Veranstaltungsort
Köln, 50667
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Köln, 50667
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