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Kümmert uns die Armut der Welt nicht? Oder sind wir überfordert

26. September, 2024 um 19:30 - 22:00

Die überforderte Nächstenliebe – Können wir die Welt noch mit Spenden retten?

 

Ein Gespräch über Grenzen und Möglichkeiten mit:

Rebecca Trienekens, Unternehmerin

Clemens Mirbach Harff, Generalsekretär Malteser International

Franz Meuer, Pfarrer

Moderation: Peter Pauls

Fotos: Kölner Presseclub

 

Wenn die Hoffnung geht, haben wir schon verloren

 

Interesse und der Andrang waren so groß, dass man kurzfristig in den größeren Saal umziehen musste. Das Trio auf dem Podium war gleich zu Beginn auf Betriebstemperatur: Clemens Graf von Mirbach-Harff, Chef von Malteser International, war für den verhinderten Douglas Graf Saurma eingesprungen und erzählte eingangs, wie seine Kinder ihn mit Fragen bedrängen, was im Libanon passiere – wo er mit seiner Familie einige Jahre gelebt hat. Dort wie überall auf der Welt gebe es Menschen, „die aktiv Böses tun“, so Mirbach-Harff. Und jeder Mensch müsse sich überlegen, wie er dem begegnet. „Ihr müsst euch entscheiden“ – das präge er seinen Kindern ein. Diese Sentenz griff der Kölner Pfarrer Franz Meurer mit einem Verweis auf die Parabel von den zwei Wölfen auf: Darin erklärt ein Großvater seinem Enkel, dass in der Seele des Menschen zwei Wölfe miteinander kämpfen – ein Wolf sei böse und habgierig, der andere Wolf sei gut und fürsorglich. „Welcher Wolf gewinnt denn diesen Kampf“, möchte das Kind wissen. „Am Ende gewinnt der Wolf, den du fütterst.“ Eine Parabel, die zeigt, dass der Mensch frei ist in seinen Entscheidungen und in der Lage ist, den Gang der Dinge zu beeinflussen.

Neben tiefsinnigen Momenten dieser Art beschäftigte man sich am Abend auch mit konkreten praktischen Fragen von Hilfe und Nächstenliebe – und mit Lösungen: Franz Meurer ist seit 1992 Pfarrer in den Kölner Stadtteilen Vingst und Höhenberg, die als Problemviertel gelten. Dort würde er mit seinen Gemeindehelfern morgens „Happi-Happi“ für die vernachlässigten Schüler verteilen. „Denn nur, wenn man was im Magen hat, funktioniert das auch mit dem Kopf“, erklärte Meurer. Den Abend über betonte der Kirchenmann immer wieder, was alles möglich sei, wenn man es nur anpacke. Mit caritativer Hilfstätigkeit würde man außerdem nicht nur anderen helfen, sondern auch sich selbst. „Denn wer anderen hilft, kommt sicher in den Himmel“. Das Engagement würde sich also auch für einen selbst lohnen. „Schließlich hängen wir da oben viel länger ab als hier unten auf der Erde,“ erklärte Meurer in der ihm eigenen und mitunter schelmischen Art.

Auch bei Clemens Graf Mirbach-Harff drang der christliche Impetus immer wieder durch: „Wenn es Menschen gibt, die die Welt hauptamtlich zerstören, muss es auch Menschen geben, die hauptamtlich dagegenwirken“, so der Generalsekretär, der seit 2004 Malteserritter und seit 2015 Vize-Präsident des Deutschen Malteserordens ist. Zugleich betonte er, wie aufwändig es mitunter ist, diese Hilfstätigkeit zu organisieren: Weil auch Steuergelder im Etat der Malteser seien, prüft der Bundesrechnungshof die Verwendung von jedem einzelnen Euro, alles muss also haarklein dokumentiert werden. Gleichzeitig wäre dieses Modell auch ein guter Anreiz für Spender: „Sie wissen, dass jeder Euro, den sie spenden, durch öffentliche Mittel verzehnfacht wird.“ Jeder gespendete Euro für das Hilfswerk ist quasi zehn Euro wert.

Den unmittelbaren Wert von Hilfsarbeit erläuterte Rebecca Trienekens am konkreten Beispiel ihres Hilfsprojekts in Uganda: Dort ist sie dem Zusammenhang von Monatsblutungen bei Frauen und Bildungschancen auf die Spur gekommen. Weil es vor Ort bei vielen Schulmädchen keine Hygieneartikel während der Menstruation gebe – teilweise würde man versuchen, sich mit Pflanzenblättern und Papier zu behelfen – würden viele Schülerinnen während dieser Zeit nicht zur Schule gehen, auch weil die jungen Frauen verängstigt und nicht aufgeklärt seien. Es entstehe ein unglaublicher „Bildungsverlust“ durch die Fehlzeiten von mehreren Wochen im Jahr. Frauen ohne Schulabschluss würden zudem rund doppelt so viele Kinder bekommen wie Frauen mit Schulabschluss – nämlich sechs bis sieben Kinder im Durchschnitt. Allein das würde das Land vor große soziale Herausforderungen stellen. Dabei seien manche Lösungen einfach und lägen auf der Hand. Und so würden in ihrem Projekt inzwischen 26 Frauen arbeiten, die zigtausende Binden pro Jahr produzieren und verteilen stellen – nicht zuletzt dank der von den Maltesern koordinierten Hilfe.

Pfarrer Meurer nutzte im weiteren Verlauf des Abends jede Gelegenheit, um sein Mantra der Zuversicht zu verbreiten. „Wo es arm ist, darf es nicht ärmlich sein“, betonte er. Auch mit wenigen Mitteln könne man viel erreichen. Und mit Verweis auf den niederländischen Historiker und Autor Rutger Bregman erklärte er, dass der Mensch in seiner Natur nicht böse und niederträchtig sei, wie es zum Beispiel im Roman „Der Herr der Fliegen“ von William zum Ausdruck komme. Bregman würde in seinem Bestseller „Im Grunde gut“ empirisch belegen, dass der Mensch ein soziales Wesen sei und „der dünne Firnis der Zivilisation“ in einer Notsituation nicht brechen würde. Im Alltag gelte es, die entsprechenden Umstände zu schaffen, dass der Mensch sich auch gut verhalten könne. Und dafür seien Hilfsorganisationen unerlässlich.

Dass Hilfsorganisationen in manchen Fällen das Leben von Menschen vor Ort in grundlegend andere Bahnen lenken können, wurde gegen Ende der Veranstaltung deutlich, als Rebecca Trienekens von einer Begegnung mit einem Mädchen namens Pendo berichtete. Die tansanische Schülerin war jeden Tag über 10 km zu Fuß zu ihrer Schule gegangen und hatte durch eine italienische Fernsehreportage Bekanntheit erlangt, so dass größere Spendensummen zusammen kamen, mit denen eine Schule errichtet werden konnte – und zwar im Namen dieses Mädchens, Pendo. Eine erstaunliche und Mut machende Geschichte. Am Tag der Eröffnung der neuen Schule, weinte das Mädchen allerdings und erklärte, dass sie verheiratet werden solle und nicht mehr zur Schule gehen dürfe. Der Fall brachte alle an dem großen Projekt Beteiligten in helle Aufregung, und nachdem man mit vereinten Kräften sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, konnte man am Ende doch die Zustimmung der Familie erwirken, dass Pendo weiter den Unterricht besuchen dürfe.

Ein Leitmotiv des Abends war die Augenhöhe, auf der man den Menschen vor Ort begegnen wolle. Das alte Rollenverständnis des rettenden Helfers sei überholt. „Wir kommen nur, wenn man uns ruft“, betonten Rebecca Trienekens und Clemens Graf Mirbach-Harff. Die Augenhöhe könne man nicht immer praktisch herstellen, sie sei aber ein „hehres Ideal“, dem man sich annähern könne. Zudem sei die innere Einstellung entscheidend, mit der man den Menschen begegne, so Mirbach-Harff. Nur so könne Vertrauen entstehen, und nur so sei man überhaupt in der Lage, Menschen zu helfen. Im grausamen Konflikt zwischen Israel und der Hamas sei es den Maltesern beispielsweise durch vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber beiden Kriegsparteien gelungen, Hilfslieferungen am Norden des Gazastreifens zu organisieren – was unter den aktuellen Bedingungen eigentlich nahezu unmöglich gewesen sei.

In der das Podiumsgespräch anschließenden Fragerunde brach immer wieder das Thema der Überforderung durch. Auch die Tatsache, dass von Seiten der Politik – trotz akuter weltweiter Krisen – Hilfsgelder nicht nur nicht erhöht, sondern sogar gekürzt würden, traf mitunter auf Entgeisterung. Dabei hätte man ja gar kein Erkenntnisproblem, so Pfarrer Maurer. Man wisse eigentlich in vielen Krisen, was zu tun sei und wo die Lösung liege. „Wir sind ja auch alle sauber in der Birne.“ Umso wichtiger sei es, jetzt die Probleme vor Ort und in der Welt anzupacken. „Wenn wir die Hoffnung verlieren, Frieden in der Welt zu erwirken, haben wir jetzt schon verloren“, proklamierte Meurer mit Nachdruck. „Wir können es schaffen, wenn alle zusammenhalten.“

 

Von Lewis Gropp

Details

Datum:
26. September, 2024
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667

Details

Datum:
26. September, 2024
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667