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Salongespräch: Günter Wallraff – Ich, der andere

5. Juni um 19:30 - 22:00

Zu Gast: Günter Wallraff, Deutscher Journalist und Schriftsteller

Peter Pauls, Vorstandsvorsitzender und Journalist

Fotos: Thomas Leege

 

Auch mit 80 macht Günter Wallraff weiter

Ein Gespräch mit dem Investigativ-Journalisten in der Reihe „Kölner Köpfe“ im „rheingoldsalon“

 

 Über 80 Jahre sei er und habe eine „abnorme Persönlichkeit“. Letztere wurde ihm während seiner Zeit bei der Bundeswehr bescheinigt, erzählt Günter Wallraff schmunzelnd im Salongespräch mit Peter Pauls, Vorsitzender des Kölner Presseclubs“, im Kölner „rheingold salon“. Noch immer mache er „alles mit dem Rad“. Bis nach Unkel fahre er, obwohl er nach einem Unfall dem „Rollstuhl nah“ gewesen sei. Sein Lauftraining absolviere er nachts, weil sein Stil inzwischen „wacklig“ geworden sei. Aber Aufhören? Keine Option. Das  gehört zu seinem Lebensmotto.

Ausgerechnet die Bundeswehr, die ihn wider Willen eingezogen hatte, sorgte dafür, dass aus dem gelernten Buchhändler schließlich ein Investigativ-Journalist wurde. Zehn Monate lang hatte er sich beharrlich geweigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen.  Von Heinrich Böll ermutigt schrieb er ein Bundeswehr-Tagebuch. Auszüge daraus waren für „Twen“, eine Zeitschrift für junge Erwachsene“, vorgesehen. Darauf machte der Kommandierende ein Angebot: wenn er die Veröffentlichungen unterließe, dann käme er frei. Aber Wallraff blieb und wurde daraufhin unter einem Vorwand in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen. Entlassen wurde er mit der ärztlichen Diagnose: “für Frieden und Krieg untauglich“ und mit dem Diktum der erwähnten „abnormen Persönlichkeit“. Seine politischen Gegner setzten das später immer wieder gegen ihn ein.

Feinde hat er sich mehr als genug gemacht in seiner journalistischen Laufbahn. Wann immer er in eine andere Rolle schlüpfte, musste er mit Angriffen und Diskreditierung rechnen, teilweise sogar um sein Leben fürchten. Die Fenster in seinem Haus waren schusssicher, die Familie musste teilweise ausquartiert werden, als er dem von Islamisten verfolgten Schriftsteller Salam Rushdie Zuflucht bot.

Die „schlimmste Schmutzrolle“ seines Lebens sei BILD gewesen. 1977 arbeitete er getarnt knapp vier Monate lang als Reporter Hans Esser. Damals war die BILD-Zeitung noch das auflagenstärkste Blatt Europas und wer sie zum Feind hatte, musste gut gerüstet sein. Schon die Verwandlung war eine Herausforderung: “Man musste einen Typus darstellen, wo die angebissen haben“. Wallraff änderte Frisur, Zähne und sein komplettes Outfit, verschaffte sich das Image eines strammen Rechten und gab vor, früher Leutnant bei der psychologischen Kriegsführung gewesen zu sein. Das zog, er wurde fester Freier. In „Der Aufmacher“, der ein Bestseller wurde, dokumentierte er die Methoden des Boulevardblattes. Damit wurde er zum Erzfeind. Der Springer-Konzern ließ ihn beschatten, hörte sein Telefon ab und startete eine öffentliche Hetzkampagne.

Einen jahrelangen Rechtsstreit über seine Methoden entschied Wallraff schließlich für sich. Der Bundesgerichtshof urteilte, dass die Veröffentlichung seiner Recherchen rechtens sei, da es um „gewichtige Missstände“ ginge. Der Springer Konzern veranlasste Jahrzehnte später eine Aufarbeitung und trat die Flucht nach vorne an. BILD-Chef Kai Diekmann überreichte Wallraff 2016 gesammeltes Material und trat gegen ihn zu einem Tischtennis-Duell an, das er trotz Spezialschläger krachend verlor.

„Ich ziehe noch aus den düstersten Situationen Situationskomik, sonst wäre ich heute verhärmt. Ich hatte aber auch Zeiten, wo ich gesagt habe, ich schaffe es nicht mehr,“ sagt Wallraff zurückblickend. Auf einer Insel im Atlantik habe er sich eine Höhle ausgebaut, dorthin zieht er sich zurück, wenn alles zu viel wird. In letzter Zeit war er nur noch selten dort. Er arbeitet viel für den Kölner Privatsender RTL, der ihm freie Hand gebe. In den öffentlich-rechtlichen Anstalten, in denen er früher häufig vorkam, seien zu viele Bedenkenträger unterwegs, kritisiert er.

So lange er noch etwas bewirken könne, mache er weiter. „Das gibt mir Daseinsberechtigung“. Heute betreibe er allerdings auch vieles im Kleinen und kümmere sich um Projekte vor Ort. Noch immer wohnt er in Ehrenfeld im Haus seiner Familie. Bei Einzug an Heiligabend 1974 gab es dort keine Heizung, „oben hausten die Tauben“. Aber heute sei es längst ein kleines Paradies geworden.

Ulrike Brincker

Details

Datum:
5. Juni
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

rheingold salon
Hohe Straße 160-168
Köln, 50667 Deutschland

Details

Datum:
5. Juni
Zeit:
19:30 - 22:00

Veranstaltungsort

rheingold salon
Hohe Straße 160-168
Köln, 50667 Deutschland