unsere Gäste:
Jean Asselborn, Luxemburgs ehem. Außenminister und Minister für Immigration und Asyl
Moderation:
Michael Hirz, Vorstand Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub
Überlebt Europa?
Jean Asselborn beeindruckt in der IHK mit Leidenschaft – „Nur gemeinsam haben die 27 EU-Staaten eine Chance, in der Welt gehört zu werden“
Von Ulrike Brincker
„Mr. Europa“ – 19 Jahre lang war er als Außenminister Luxemburgs in der EU unterwegs. „Danach hat man eine kleine Verantwortung, das, was man gesehen und erlebt hat, weiter zu geben“ so Jean Asselborn im Gespräch mit Vorstand Michael Hirz im Kölner Presseclub. Er wolle „ein bisschen was aus der internen Küche von Europa“ erzählen. Der passionierte Rennradfahrer fährt regelmäßig von Luxemburg aus mit dem Rad nach Frankreich. Einmal den Mont Ventoux hinauf kraxeln, dafür braucht es gut drei Stunden. Für Europa ist er als Sisyphos noch viel engagierter unterwegs. Er wolle den Staatenbund besser und verständlicher machen. Insbesondere vor den kommenden EU-Wahlen im Juni, bei denen so viel auf dem Spiel stehe, sei es wichtig, sich allen Unkenrufen zum Trotz weiter zu engagieren. Rechtspopulisten könnten – aktuellen Umfragen zufolge – in vielen Ländern an erster Stelle landen und die EU von innen zerstören.
Im vollbesetzten Merkens-Saal der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln traf Asselborn auf ein interessiertes Publikum, das dem begnadeten Erzähler folgte und ihm immer wieder mit spontanem Beifall Zustimmung signalisierte. Den prominenten Gast begrüßt hatte IHK-Präsidentin Nicole Grünewald. Die Notwendigkeit eines vereinten Europas sei unbestritten, doch dürfe dies kein Europa der Verordnungen sein, sondern eines der Ermöglichung, sagt die Unternehmerin in ihren einleitenden Worten.
Aber überlebt Europa überhaupt angesichts der vielen Krisen? Die EU sei immer schon ein Synonym für Krise gewesen, so Asselborn. Allein in den vergangenen zehn Jahren habe die EU mit dem Brexit, der Finanz- und Eurokrise, der Migrationskrise und auch noch der Coronakrise zu kämpfen gehabt. Und seit 2022 nun auch noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Ausgerechnet Russland, das einmal „ein großer Partner der EU“ war. Hinzu komme auch noch der Nahost-Konflikt, der zum Flächenbrand werden könne.
Viele betrieben nun EU-Bashing, dabei habe die EU doch fast 80 Jahre lang für Wohlstand und Frieden gesorgt. Die Kritik an der EU solle an die einzelnen Regierungen gehen, nicht an die EU als solche. „Wir müssen immer wissen, alles, was in Brüssel entsteht, ist mit Einverständnis der europäischen Länder geschehen, in Brüssel fällt nichts vom Himmel.“ Doch der Nationalismus einzelner Länder sei immer noch ein Problem, kleine Länder wie Ungarn behielten nur ihre eigene Perspektive und könnten auch wichtige Entscheidungen blockieren. Auch dies trüge zur Krise der EU bei. Wenn Europa bis 2050 noch bestehen bleiben wolle, müssten die 27 Mitgliedsstaaten Kompetenzen abgeben. Stattdessen solle „das Föderative vorangebracht“ werden. „Dass es Europa überhaupt noch gibt ist den Menschen zu verdanken, die weiter daran geglaubt haben.“
Die großen Krisen von außen seien 2016 zum Vorschein gekommen. Zunächst der auf „puren Lügen aufgebaute Brexit“, dann die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, „eine Schmach für die USA“ und eine Absage an die internationale Zusammenarbeit. Was, wenn er 2024 ein zweites Mal gewählt würde? Asselborn ist der Überzeugung, dass daraus eine „Zerreißprobe für Europa“ entstehen könne.
Auf der anderen Seite Putin, der mit allen Mitteln versuche das Sowjet-Imperium wieder aufzubauen und Kriege führe, nicht nur gegen die Ukraine. Die Kämpfe für unser aller Demokratie. Der Aggressor sei Putin, er sei der Einzige, der den Krieg beenden könne und nicht etwa die Ukraine. „Es ist ur-falsch, dass gesagt wird, wenn Europa keine Waffen liefert, dann ist der Krieg vorbei“. Kriegsentscheidend sei, dass die Ukraine Munition bekäme. Aber was braucht Europa, um sich selbst zu verteidigen? Eine Atomwaffe? Diese Diskussion sei schon in Gang.
Für Jean Asselborn ist Europa in weiten Teilen aber immer noch ein „Hort der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands“, für den es sich zu kämpfen lohnt. Sein Tipp für die kommende Wahl: „Wählt wen Ihr wollt, egal ob recht links oder grün, aber wählt nicht diejenigen, die Europa kaputtschlagen wollen und die Demokratie in Frage stellen.“
« Alle Veranstaltungen
Überlebt Europa?
11. April um 19:00 - 22:00
unsere Gäste:
Jean Asselborn, Luxemburgs ehem. Außenminister und Minister für Immigration und Asyl
Moderation:
Michael Hirz, Vorstand Kölner Presseclub
Fotos: Kölner Presseclub
Überlebt Europa?
Jean Asselborn beeindruckt in der IHK mit Leidenschaft – „Nur gemeinsam haben die 27 EU-Staaten eine Chance, in der Welt gehört zu werden“
Von Ulrike Brincker
„Mr. Europa“ – 19 Jahre lang war er als Außenminister Luxemburgs in der EU unterwegs. „Danach hat man eine kleine Verantwortung, das, was man gesehen und erlebt hat, weiter zu geben“ so Jean Asselborn im Gespräch mit Vorstand Michael Hirz im Kölner Presseclub. Er wolle „ein bisschen was aus der internen Küche von Europa“ erzählen. Der passionierte Rennradfahrer fährt regelmäßig von Luxemburg aus mit dem Rad nach Frankreich. Einmal den Mont Ventoux hinauf kraxeln, dafür braucht es gut drei Stunden. Für Europa ist er als Sisyphos noch viel engagierter unterwegs. Er wolle den Staatenbund besser und verständlicher machen. Insbesondere vor den kommenden EU-Wahlen im Juni, bei denen so viel auf dem Spiel stehe, sei es wichtig, sich allen Unkenrufen zum Trotz weiter zu engagieren. Rechtspopulisten könnten – aktuellen Umfragen zufolge – in vielen Ländern an erster Stelle landen und die EU von innen zerstören.
Im vollbesetzten Merkens-Saal der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln traf Asselborn auf ein interessiertes Publikum, das dem begnadeten Erzähler folgte und ihm immer wieder mit spontanem Beifall Zustimmung signalisierte. Den prominenten Gast begrüßt hatte IHK-Präsidentin Nicole Grünewald. Die Notwendigkeit eines vereinten Europas sei unbestritten, doch dürfe dies kein Europa der Verordnungen sein, sondern eines der Ermöglichung, sagt die Unternehmerin in ihren einleitenden Worten.
Aber überlebt Europa überhaupt angesichts der vielen Krisen? Die EU sei immer schon ein Synonym für Krise gewesen, so Asselborn. Allein in den vergangenen zehn Jahren habe die EU mit dem Brexit, der Finanz- und Eurokrise, der Migrationskrise und auch noch der Coronakrise zu kämpfen gehabt. Und seit 2022 nun auch noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Ausgerechnet Russland, das einmal „ein großer Partner der EU“ war. Hinzu komme auch noch der Nahost-Konflikt, der zum Flächenbrand werden könne.
Viele betrieben nun EU-Bashing, dabei habe die EU doch fast 80 Jahre lang für Wohlstand und Frieden gesorgt. Die Kritik an der EU solle an die einzelnen Regierungen gehen, nicht an die EU als solche. „Wir müssen immer wissen, alles, was in Brüssel entsteht, ist mit Einverständnis der europäischen Länder geschehen, in Brüssel fällt nichts vom Himmel.“ Doch der Nationalismus einzelner Länder sei immer noch ein Problem, kleine Länder wie Ungarn behielten nur ihre eigene Perspektive und könnten auch wichtige Entscheidungen blockieren. Auch dies trüge zur Krise der EU bei. Wenn Europa bis 2050 noch bestehen bleiben wolle, müssten die 27 Mitgliedsstaaten Kompetenzen abgeben. Stattdessen solle „das Föderative vorangebracht“ werden. „Dass es Europa überhaupt noch gibt ist den Menschen zu verdanken, die weiter daran geglaubt haben.“
Die großen Krisen von außen seien 2016 zum Vorschein gekommen. Zunächst der auf „puren Lügen aufgebaute Brexit“, dann die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, „eine Schmach für die USA“ und eine Absage an die internationale Zusammenarbeit. Was, wenn er 2024 ein zweites Mal gewählt würde? Asselborn ist der Überzeugung, dass daraus eine „Zerreißprobe für Europa“ entstehen könne.
Auf der anderen Seite Putin, der mit allen Mitteln versuche das Sowjet-Imperium wieder aufzubauen und Kriege führe, nicht nur gegen die Ukraine. Die Kämpfe für unser aller Demokratie. Der Aggressor sei Putin, er sei der Einzige, der den Krieg beenden könne und nicht etwa die Ukraine. „Es ist ur-falsch, dass gesagt wird, wenn Europa keine Waffen liefert, dann ist der Krieg vorbei“. Kriegsentscheidend sei, dass die Ukraine Munition bekäme. Aber was braucht Europa, um sich selbst zu verteidigen? Eine Atomwaffe? Diese Diskussion sei schon in Gang.
Für Jean Asselborn ist Europa in weiten Teilen aber immer noch ein „Hort der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands“, für den es sich zu kämpfen lohnt. Sein Tipp für die kommende Wahl: „Wählt wen Ihr wollt, egal ob recht links oder grün, aber wählt nicht diejenigen, die Europa kaputtschlagen wollen und die Demokratie in Frage stellen.“
Details
Veranstaltungsort
Köln, 50667 Google Karte anzeigen
Details
Veranstaltungsort
Köln, 50667 Google Karte anzeigen
Veranstaltungs-Navigation