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Wie produzieren wir künftig unser täglich Brot?

28. März, 2023 um 19:30 - 23:00

Ein Gespräch mit:
Susanne Schulze Bockeloh, Vize-Präsidentin des Deutschen Bauernverbandes,
Arndt Klocke, MdL-Grüne, langjähriger NRW-Fraktions- und Parteivorsitzender,
Jens Lönneker, Geschäftsführer rheingold-salon und Mitautor des Buches „Zukunfts-Bauer“,

Moderation:
Peter Pauls, Vorstandsvorsitzender und Journalist

Fotos: Ulrike Brincker

 

Von Ulrike Brincker

„Bauernstand ist Ehrenstand, erhält die Stadt, erhält das Land“ so hieß es noch vor wenigen Jahrzehnten. Heute hat die Landwirtschaft ein Imageproblem: die Bauern gelten als Giftspritzer, Tierquäler und notorische Beschwerdeführer. Sie schimpfen gleichermaßen auf die in Brüssel mit ihren unzähligen Verordnungen und auf die Verbraucher. Wie viel haben diese Stereotype mit der Landwirtschaft von heute zu tun? Zu Gast im Kölner Presseclub: Susanne Schulze-Bockeloh, Vize-Präsidentin des deutschen Bauernverbandes. Die studierte Landwirtin betreibt einen Hof mit Schwerpunkt Ackerbau im Münsterland. Sie ist der Meinung, dass die harte Arbeit auf den Feldern kaum noch wertgeschätzt wird. Aber die Bauern seien oft auch selbst schuld am Verbraucher-Bashing, weil sie die Kommunikation vernachlässigt hätten.

Jens Lönneker vom Kölner „rheingold salon“ betreibt tiefenpsychologische Marktforschung und hat ein Konzept entwickelt, wie Landwirte und Verbraucher wieder zueinander finden. Die negativen Stereotype seien nur ein Teil des Problems. Auch die positiven Bilder vom roten Trecker, der samt Pfeife rauchendem Landwirt den Horizont entlang tuckert, hätten dem ohnehin schon schwierigen Verhältnis eher geschadet als genutzt. Arndt Klocke sitzt für die Grünen im Düsseldorfer Landtag. Als Kind verbrachte er viel Zeit bei den Großeltern, die im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben. Moderation: Peter Pauls, Vorstand Kölner Presseclub.

Im Jahr produziert die deutsche Landwirtschaft in 260 000 Betrieben Güter für 54 Milliarden Euro. Mit 600.000 Beschäftigten liegt sie deutlich über der Chemie-Industrie mit 400.000 Stellen. Die Landwirtschaft sei eine Riesenwirtschaftsbranche, die sich gar nicht auf einen Nenner bringen lasse, so Susanne Schulze- Bockeloh. Im Münsterland gebe es zum Beispiel viel Tier- und Schweinehaltung, im Osten Deutschlands sehr große Agrarbetriebe und in Bayern eher noch den traditionellen Bauernhof.

Was die meisten Landwirte verbindet: harte Arbeit, wirtschaftliche Sorgen und der Klimawandel vor der eigenen Haustür, zu dem sie auch ihren Teil beigetragen haben. Schlechte Voraussetzungen für nachfolgende Generationen. „Die Hofnachfolge ist fest verankert, niemand will der Letzte sein, der einen Hof zumacht“ erläutert Jens Lönnecker.

Das Höfesterben habe sich zwar in den letzten Jahren etwas verlangsamt, so Arndt Klocke. Aber im Bereich Biolandwirtschaft hinken wir den Vergleichsländern hinterher. In Deutschland kommen nur neun Prozent des Gesamtangebots aus biologischem Anbau, in Österreich sind es schon 22 Prozent. Man könne von den Landwirten jedoch nicht erwarten, dass sie den Wandel in Eigenregie leisteten.

Aber auch die Verbraucher haben ihren Anteil an der Misere. Der Prozess der Herstellung sei dem ein oder anderen schon wichtig, glaubt Susanne Schulze-Bockeloh. Doch ein niedriger Preis sei für die meisten immer noch das wichtigste Kaufargument. So würden zum Beispiel 80 Prozent des Schweinefleischs durch Rabattaktionen verkauft. Und auch 80 Prozent des Tierfleischs stammen aus der niedrigsten Tierhaltungsstufe. Zwanzig Jahre lang hätten wir mit dem Mantra von „Geiz ist geil“ verbracht, so Arndt Klocke. Das gelte leider nicht nur für die Elektrobranche, sondern auch für Lebensmittel. Das müsse in Zukunft anders laufen. In anderen Ländern werde sehr viel mehr für Kartoffeln und Wurst ausgegeben und mehr auf Qualität geachtet. Wer Tierwohl wolle, müsse dafür auch tiefer in die Tasche greifen. Bullerbü mit Discounterpreisen, so die Meinung aller, sei eine unrealistische Wunschvorstellung.

Warum nicht andere, positive Geschichten über die Landwirtschaft erzählen und den Kontakt mit den Verbrauchern suchen, so der Vorschlag von Jens Lönnecker. Die Technik mache es längst möglich, dass zum Beispiel Schädlingsbekämpfung punktgenau erfolgen könne oder Erdbeeren im „vertical farming“ Prinzip angebaut werden. Das spare Wasser. Die Landwirte seien bereit für die nötige Veränderung, glaubt Susanne Schulze-Bockeloh. Aber dazu bräuchten sie die Unterstützung der Politik, setzt Arndt Klocke hinzu. Die müsse Fördermöglichkeiten bieten und dabei nicht nur in kurzen Zyklen denken. Und es brauche auch die Unterstützung der Gesellschaft, denn wenn das Image so schlecht sei, dann mache das alles keinen Spaß.

Hinzu komme die schlechte humanitäre Situation. Afganistan ist eins der ärmsten Länder der Welt. 23 Millionen Menschen leiden inzwischen an Hunger, Familien geben ihre Kinder weg, weil sie sie nicht mehr ernähren können. Und nun liegen die Temperaturen teilweise bei minus 34 Grad. Der kälteste Winter seit fünfzehn Jahren. Das Land ist abhängig von internationalen Geldern, von denen niemand weiß, wo sie wirklich ankommen.

Journalistin Shikiba Babori telefoniert fast täglich mit Freundinnen und Bekannten in Afghanistan. Von Mal zu Mal veränderten sich die Stimmen ihrer Gesprächspartnerinnen. Die Hoffnungslosigkeit sei extrem. Die Möglichkeit zum zivilen Ungehorsam werde zwar gelegentlich genutzt, aber in der Regel würde Demonstrationen sofort niedergeknüppelt.

„Nachdem die Sowjets raus waren, hat das Interesse des Westens aufgehört.“ Das Land sei in Vergessenheit geraten. Dabei könne man durch Hingucken und Berichterstattung Veränderung bewirken. „Wir könnten genug wissen, wenn wir es denn wollten“ so Babori. „Aber wegen des Kriegs in der Ukraine ist Afghanistan aus dem Fokus geraten“. Grundsätzlich dürfe man aus Afghanistan berichten, wenn man denn nur wollte.

Details

Datum:
28. März, 2023
Zeit:
19:30 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667

Details

Datum:
28. März, 2023
Zeit:
19:30 - 23:00

Veranstaltungsort

Excelsior Hotel Ernst
Trankgasse 1-5
Köln, 50667