Der hippe Friedhof

Die strenge Stausberg

Der hippe Friedhof

Friedhöfe interessieren mich seit meiner Kindheit. Das liegt sicher auch daran, dass meine Mutter aus einer Steinmetzfamilie stammte. Wenn mein Onkel Engelbert, der die Steinmetzhütte leitete, mir die Geschichte ganzer Familien über die Gestaltung alter Grabsteine erklärte, war ich fasziniert.

Leider geht aber immer mehr von unserer alten Friedhofskultur verloren: Die individuelle Steingestaltung nimmt ab, immer häufiger stößt man auf verwaiste Gräber, um die sich niemand mehr kümmert – und auch die ungenutzten Freiflächen werden zahlreicher. Liegt das nur an den immer kleiner werdenden Familien oder auch an der rasant zunehmenden Entchristlichung unserer Gesellschaft? Letztes Wochenende jedenfalls war ich in Dublin. Dort kann man erleben, wie man einen Friedhof und seine Geschichte für unsere Gegenwart „recycelt“ und damit gerade auch junge Menschen erreicht. In unmittelbarer Nähe der irischen Hauptstadt liegt der Friedhof Glasnevin, Magnet für eine ganze Nation. 1832 auf stattlichen 50 Hektar angelegt, liegen dort gut 1,5 Millionen Iren begraben, unglaubliche 200.000 individuelle Grabsteine geben davon Zeugnis. Im Rahmen einer Fachmesse für Museen, Konservierung und Kulturerbe (Exponatec) hatte ich schon vor einigen Jahren davon gehört, als man das Friedhofsmuseum von Glasnevin für seine attraktive Gestaltung auszeichnete. Seitdem wollte ich dorthin – und ich wurde nicht enttäuscht. Dabei ist es nicht nur das dazugehörige Museum mit seinem Museumsshop plus einem großem Restaurant, das Besucher nach Glasnevin zieht, sondern das konkrete Angebot zur „Online Genealogy“, das zum Magneten wird. Was ist damit gemeint? In Glasnevin hat man schon vor geraumer Zeit damit begonnen, die kompletten Archive aller dort bestatteten Toten zu digitalisieren. So ist das größte digitalisierte Friedhofsarchiv Europas entstanden. Und wenn man am Eingang des Museums sein Einlassticket erwirbt, erhält man, falls gewünscht, dazu eben noch einen Zettel mit einem individuellen Zugangscode. Über diesen „Genealogy Voucher“ loggt man sich in einen von mehreren Computern ein, die in einem dem Restaurant vorgelagerten Raum stehen. „Trace your ancestry“ steht in großen Lettern an der Wand: „Erforschen sie Ihren Stammbaum“. Ein genialer Einfall: Man kombiniert einen Friedhofsbesuch mit der eigenen Ahnenforschung, aber bitte digital! „Online Genealogy“ ist hip. Wir sollten das in Deutschland schleunigst kopieren! So werden Friedhöfe wieder spannend.

von Dr. Hildegard Stausberg

Quelle: welt.de

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