NEWSLETTER 22.12.2023

„Wenn du in Köln nicht etwas selbst in die Hand nimmst, lässt du es am besten ganz bleiben!“ Erfahrungen eines kritischen Kölners

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

in Köln gibt es jetzt eine Art Weihnachtsfrieden. Es geht um das älteste Museum der Stadt, in dem Meister wie van Gogh, Cézanne, Renoir, Monet, Manet, Gauguin, Signac oder Munch hängen. Das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, benannt nach dem großen Kölner Sammler und dem Stifterpaar Corboud. Seinetwegen besitzt das Museum noch die umfangreichste Sammlung impressionistischer und neoimpressionistischer Kunst in Deutschland. Diese Schenkung der Corbouds im Jahr 2001 ist aber mit einer Bedingung verknüpft: den Bau einer repräsentativen Museumserweiterung, in der die Werke der Sammlung gezeigt werden können. Und es kam, wie es kommen musste, wenn die Stadt bauen will. Der Erweiterungsbau reiht sich in die Serie der Kölner „Ewigkeitsprojekte“ ein. Nach mehr als 20 Jahren mit Versprechungen an die Stifter, versäumten Planungen und Phasen der Tatenlosigkeit, wurde vergangene Woche endlich ein Meilenstein erreicht: Der Spatenstich für den lange versprochenen Erweiterungsbau ist im Frühjahr 2024.

Möglich gemacht hat es der Stifterrat Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, seit 2015 unter dem Vorsitz von Peter Jungen, eine der hartnäckigsten Persönlichkeiten Kölns. Der erfolgreiche Unternehmer war Strabag-Chef und Firmenkäufer der Treuhandanstalt. Mit 84 Jahren ist er immer noch ein international tätiger Investor und viel in der Welt unterwegs:  ob in China, USA oder Europa, ob im New Yorker Think Tank „The Center on Capitalism and Society“ oder als Vorstandsmitglied des traditionsreichen New York Philharmonic Orchestra. Sein Lebenslauf ist gespickt mit weiteren großen Namen der internationalen Wirtschaft und Kultur. Doch am beeindruckendsten meiner Meinung nach war, als er unternehmerische Verantwortung übernahm: 1990 erreichte Peter Jungen bei Saddam Hussein die Freilassung von 507 Strabag-Mitarbeitern aus der irakischen Geiselhaft. Er weiß also, wie man Verhandlungen erfolgreich zu Ende bringt.

Und hier in Köln? Auch hier entkommt kaum einer der Beharrlichkeit des Stifterrat-Chefs. Vor allem nicht die Verantwortlichen der Stadt. „Wir müssen Druck machen, weil sonst niemand reagiert. Nur mit Druck hast du in der Kölner Verwaltung eine Chance.“ Gewollt oder ungewollt – vor lauter Zuständigkeitszuschreibungen komme der städtische Apparat einer Verhinderungsverwaltung gleich, kritisiert er und stellt fest: „Die Arbeit der Behörden untereinander ist ein klassischer Fall von Selbsterwürgung.“

Die Verknotung in der Verwaltung auflösen und den Erweiterungsbau zusammen mit der anstehenden Generalsanierung des Wallraf-Richartz-Museums voranbringen, darum kümmert sich jetzt ein externer Projektmanager.  Nach langer zäher Kleinarbeit durchgesetzt vom Stifterrat.  Mit diesem Konzept hat Jungen bereits in New York gute Erfahrungen gemacht: Dort entstand der Neubau der Music Hall für das New York Philharmonic Orchestra innerhalb von knapp 3 Jahren. „Die Aufgabe einer Verwaltung ist es nicht unbedingt Museen selbst zu bauen, sondern den Bau zu ermöglichen und ihn dann zu erhalten,“ fordert Jungen und kritisiert damit auch den nachlässigen Umgang der Stadt mit ihrem Eigentum.

So wie bei der umfangreichen Sammlung aus dem Jahre 1824 mit Büchern, Handschriften und anderen historischen Dokumenten des Kölner Kunstsammlers Ferdinand Franz Wallraf. Sie gammelte seit Jahrzehnten an der Uni Köln vor sich hin und stand kurz davor zu Staub zu zerfallen. Eigentümerin: die Stadt Köln. Das hatte laut Peter Jungen niemand in der Verwaltung und im Rat auf dem Schirm, oder war es ihnen schlimmstenfalls egal?  Jungen jedenfalls nutzte seine politischen Kontakte und sein großes Netzwerk, um die benötigte Finanzierung von fast 4 Millionen Euro zu sichern und so die wertvollen Bücher vor dem Verfall zu bewahren.

Die Rettung der Wallraf-Bibliothek ist das beste Beispiel dafür, wie es in Köln funktionieren kann, wenn einer zielstrebig vorangeht. Peter Jungens Credo lautet: „Wenn du in Köln nicht selbst etwas in die Hand nimmst, lässt du es am besten ganz bleiben.“ Und so kümmert er sich auch noch um die Historische Bibliothek der Stadt Köln, die in der Universitätsbibliothek untergebracht ist. Ihr Zustand ist ebenfalls erbärmlich.  Eigentümerin ist wieder die Stadt.  Aber auch hier scheint die Rettung nahe, denn Jungen gelang es wieder Prominente, Mäzene, Paten bis hin zu Minister als Unterstützer zu gewinnen.

2024 könnte sogar der Pariser Louvre in Köln anklopfen. Denn Jungen schmiedet zurzeit mit der Oberbürgermeisterin ein Programm, mit dem der 200. Todestag des Kunstsammlers Ferdinand Franz Wallraf in der Stadt begangen wird. „Köln leidet darunter, dass es aus der Vergangenheit heraus kein Bild von sich hat. Es gibt keine Strategie, keine Vision wohin die Reise in Zukunft geht. Die Stadt braucht viel mehr Selbstvergewisserung und weniger Selbstbesoffenheit“, sagt er. Wo kommen wir her?  Was war der Grund für die Sonderstellung Kölns im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation? Das Wallraf-Jahr 2024 soll diese Ansätze den Kölnern näherbringen. Und dabei wählt der umtriebige Macher einen ungewöhnlichen Vergleich: „Die Bläck Fööss haben vielleicht mehr zur kulturellen Selbstvergewisserung von Köln beigetragen als irgendeine andere Institution nach Wallraf.“ Viele ihrer Balladen wie der Stammbaum sind auch historische Geschichten, findet Jungen, der – wen wundert’s – auch zur Band einen engen Draht hat.

Mit dem Spatenstich im Frühjahr ist der Bau der Museumserweiterung ein erhebliches Stück weiter – so optimistisch möchte ich es mal zusammenfassen. Mit Menschen wie Peter Jungen können wir es schaffen, dass sich in unserer Stadt etwas ändert –  und zwar zum Besseren. Die Arbeit mit ihnen ist sicherlich nicht immer einfach. Sie sind ein Stachel im Fleisch des Gewohnten. Aber ohne sie wäre Köln ein ganzes Stück ärmer. Ich bin mir sicher, wir werden von Peter Jungen bald noch viel zu hören bekommen, und dann wäre es mit dem Weihnachtsfrieden auch schon wieder vorbei.

In ihrem letzten Poetry-Podcast in diesem Jahr diskutiert Susanne Hengesbach ausnahmsweise nicht mit ihren Neffen Conrad oder Jan, sondern sie dichtet mehr oder minder klassisch. Das Ergebnis ist ein Kölner Weihnachtsgedicht. Den Link finden Sie wie immer hier

Im Namen des Vorstands des Kölner Presseclubs bedanke ich mich für Ihre Treue. Wir  wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein schönes Weihnachtsfest sowie einen guten Start ins neue Jahr. Den nächsten Newsletter gibt’s am 12. Januar 2024 mit Peter Pauls.

Mit weihnachtlichen Grüßen

Claudia Hessel