NEWSLETTER 2.06.2023

Wie die Verkehrswende in Köln das Klima vergiftet und zum Machtkampf wird – Der Poetry-Podcast: Radfahrer auf die Autobahn?

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Verkehrswende in Köln? Da fliegen die Fetzen. Geht es noch um Verkehr? Oder nur um die Macht, ums Rechthaben? Eine Text-Auswahl aus den Tageszeitungen: Autofreiheit spaltet Deutz, Eigelstein erhitzt die Gemüter, Verkehrswende mit Hindernissen, Vergiftete Stimmung im Viertel. Betroffene, ob dafür oder dagegen, sprechen von Dorfposse, Geschäftsschädigung, Anfeindungen. Was ist nur los?

Nicht allein Köln strebt eine „Verkehrswende“ an. Läuft sie hier aber besonders holprig? „Das ist leider so“, bestätigt Prof. Dr. Roman Suthold. Durch politischen Druck auf die Verwaltung gehe Tempo vor Sorgfalt in der Umsetzung von „Verkehrsversuchen“, ergänzt der Leiter des Bereichs „Verkehr und Umwelt“ beim ADAC in NRW. Das führe zu Fehlern. Gipfel sei der verkehrspolitische Irrgarten auf der Venloer Straße, der bundesweit Spott fand. „Dabei“, so Suthold weiter, „ist die Grundidee richtig.“ Nur sei die Stadt zu hektisch vorgegangen.  Politik, mahnt der Verkehrsexperte, solle sich nicht einmischen, sondern nur den Rahmen vorgeben. Die konkreten Maßnahmen aber müsse die fachlich geschulte Verwaltung umsetzen. Vergleichbar sei das mit einem Krankenhaus. Dieses bereitzustellen, sei ein politischer Beschluss. Doch in den Operationssälen müsste ärztliches Fachpersonal bestimmen. Stellen Sie sich nur vor, ein Politiker wollte Ihnen die Mandeln herausnehmen.

Die Politik dominiert die Verkehrswende, konkret: Die Grünen. Wundern muss das nicht. Es handelt sich ja um ein Kernthema. Was mich erstaunt, ist die handwerkliche Umsetzung. Durchsetzen um jeden Preis. Hau-Ruck und mit dem Kopf durch die Wand. Das ist nicht Kommunalpolitik, das ist Machtkampf.  Aufgefallen ist mir das erstmals am Eigelstein. Die örtlichen Geschäftsleute hätten „zu hundert Prozent hinter der Idee gestanden, den Eigelstein autofrei zu machen“, zitierten die Medien Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne). Das stimmt aber nicht: Es gab eine Gegenresolution mit 300 Unterschriften.

Ende April erschien in Kölner Zeitungen der Artikel „Eigelstein erhitzt die Gemüter“. Er berichtet von einer CDU-Versammlung mit Anwohnern und Gewerbetreibenden. Darin nennt ein Polizist den Eigelstein einen „rechtsfreien Raum“ für Schnell-Radler. Es sei heute gefährlicher als früher, als dort noch Autos fuhren. 30 Geschäfte stünden vor dem Abgrund, klagt eine Einzelhändlerin. Kein Mensch komme mit Bus und Bahn zum Einkaufen. Der Rewe-Markt indes macht gute Erfahrungen. „Keine Einbußen, steigende Kundenzahlen.“

Kurz darauf wendet Kölns Grünen-Parteichef Stefan Wolters fernab der Wirklichkeit die dortige Lage ins Gegenteil. Nach der Reduzierung des Autoverkehrs habe sich die Kaufkraft am Eigelstein verbessert, die Befürchtungen von Händlern seien nicht eingetreten, phantasiert er. Wäre ich Betroffener, ich würde jedes Vertrauen in solche Politik verlieren – ob das Parteibuch nun für grün, schwarz, gelb oder rot steht.

Die Vertrauensbasis sei dahin, sagt auch Verkehrsexperte Suthold. An der Deutzer Freiheit ist erlebbar, wohin das führt. Betroffene, die ihre Existenz in Gefahr sehen, holen sich juristischen Beistand. Sie sehen keinen anderen Weg, dieser Politik beizukommen, von der sie sich ignoriert sehen.

Zur Wirklichkeit auf Kölner Straßen gehört mittlerweile ein harter Ton. Darüber legt sich wie eine verbergende Decke das abstrakte Vokabular des Dezernats für Mobilität. Darin ist von Verkehrsversuchen die Rede, Lupenräumen und Labormaßnahmen, die „modellier- und skalierbar“ bleiben. Das klingt, als sei die Verkehrswende eine technische Angelegenheit, in der man nur die richtigen Knöpfe drücken muss. Aber so ist es nicht allein. Man muss miteinander sprechen, statt nur neue Verbotsschilder aufzustellen.

Der Stadt Köln habe ich Fragen zur Verkehrswende gestellt. Die Antworten können sie hier nachlesen. Ich habe einiges aus ihnen gelernt. Zusammengefasst: Die „Verkehrsversuche“ sind eher Experimente und erfolgreich dann, wenn die verkehrspolitischen Ziele der Politik erreicht sind. Die Stadtverwaltung gibt sich zudem Mühe, Bürgerbeteiligung umzusetzen. Digitale Befragungen, Handzettel in Briefkästen, Versammlungen. Zwar sehe ich hier eine jüngere, digital versierte und gut vernetzte Klientel im Vorteil, die stadtweit und nicht nur im betroffenen Veedel für lokale Anhörungen mobilisiert – doch die Anstrengung ist erkennbar.

Warum dennoch so viele Bürger von den Maßnahmen überrascht sind? Vielleicht, weil sie erschöpfende Arbeitstage hinter sich haben? Oder weil sie nicht mehr an ihre Einflussmöglichkeiten glauben? Wie es ist, kann es jedenfalls nicht weitergehen. Ein Unfall und eine gewalttätige Auseinandersetzung der einzelnen Verkehrsteilnehmer ist hier nur eine Frage der Zeit,“ fürchtet der Chef des Excelsior Hotels Ernst, Georg Plesser. Die momentane Situation sei geschäftsschädigend. „Unsere Gäste sind trotz von uns bereitgestellter Information verwirrt.“

Und nun? Laut städtischer Erhebung lassen immer mehr Kölner das Auto schon mal stehen. Guten Willen gibt es also bei den Bürgern, die sich dennoch wie irregeleitete Heranwachsende behandeln lassen müssen. Die neue Verkehrsordnung wird uns – Kosten eine halbe Million Euro – musikalisch nahegebracht, als ginge es um gute Laune und nicht um eine Notwendigkeit. Dass viele ihr Auto brauchen, weil sie pendeln oder der ÖPNV in Köln keine Alternative bietet, wird scheinbar nicht zur Kenntnis genommen.

Wie so häufig, vermisse ich Führung in der Stadt, eine Autorität, die zusammenführt. Zumindest die „Verkehrsversuche“ sind vorläufig eingestellt. Aber was, wenn erstmal das große Ganze dran ist? Geht es dann vielleicht um abgestimmte Lösungen und Konsens? 

Mobilität einmal anders: Eine ganze Fahrspur allein für Rettungsfahrzeuge oder die Pannenhelfer? Ist das wirklich nötig oder ist die kaum genutzte „Standspur“ angesichts sich verändernder Mobilitätsformen und Fortbewegungs-Präferenzen verzichtbar? Das überlegt, schelmisch wie stets, Susanne Hengesbach in ihrem neuen Poetry-Podcast. Im Gespräch mit ihrem Neffen Conrad wirft sie die Frage auf: Autobahn frei für Fahrradfahrer?

Danke vielmals! So kann der Verkehr uns am Ende doch noch ein Schmunzeln abringen.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 26.05.2023

KI und Chat GPT verändern die Arbeitswelt radikal – Sind wir darauf vorbereitet? Nein, sagt ein renommierter Kölner Digitalexperte

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

dies hier ist mein eigener Text. Warum erwähne ich das? Weil Sie in naher Zukunft nicht mehr sicher sein können, aus welcher Feder ein Artikel stammt. Der schreibende Konkurrent von uns Journalisten heißt ChatGPT.  Jeder kann es nutzen und damit komplizierte Matheaufgaben lösen, Texte, Präsentationen, Hausaufgaben, Drehbücher oder Doktor-Arbeiten schreiben lassen. Was daraus folgt, ist absehbar: Die neue KI-Technologie wird wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Auswirkungen für uns alle haben – ob wir wollen oder nicht.

Der berühmte Geist ist aus der Flasche. Aber es ist kein Märchen mehr. Und ein Zurück gibts nicht, meint der Kölner Karl-Heinz Land, Buchautor und Digitalexperte. Über Chancen und Herausforderungen der KI sprach ich mit ihm im Video-Call. „Wir haben es mit dem Dampfmaschinen Moment der Digitalisierung zu tun“, sagt er. „Die Technologie hat das Potenzial, die Welt erneut radikal zu verändern. Die KI ist die neue Antriebsfeder der Wirtschaft. Die Produktivität wird erheblich steigen und das BIP um 7-10 % nach oben gehen.“

Ökonomisch und ökologisch bietet Künstliche Intelligenz durch die Automatisierung eine ganze Reihe von Vorteilen. Monotone und zeitraubende Routinearbeiten beispielsweise werden von KI-Programmen übernommen „Unser Problem wird aber kein Technisches sein, wir werden ein Zeitproblem bekommen. Die Veränderung mit KI wird so schnell passieren, dass Gesellschaft und Wirtschaft sich kaum anpassen können.“, prophezeit Land.

Nach seinen Schätzungen stehen weltweit 200 bis 300 Millionen Arbeitsplätze auf der Kippe.Jobs wie Buchhalter, Journalisten, Juristen, Dolmetscher, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Versicherer – 30 bis 40 % der heutigen Büroarbeiten werden ersetzbar, und zwar in naher Zukunft.“ Eine Herausforderung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft. Was passiert, wenn so viel Arbeitsplätze wegfallen? Wer zahlt dann noch in unsere Sozialsysteme ein, wenn alles automatisiert wird? Und wer partizipiert an dieser neuen Wertschöpfung? „Darauf sind wir in Deutschland nicht vorbereitet,“ sagt Land und ergänzt: „Ich fürchte, unsere Politik hat die komplette Tragweite der neuen Technik überhaupt noch nicht verstanden.“

Und nicht nur diese Entwicklung bereitet Kopfschmerzen. Auch der sinnvolle Umgang mit KI und Chat-Programmen macht vielen Sorgen.  Was ist wahr und welcher Information kann ich noch vertrauen? Eigentlich ein Job von uns Journalisten. Ach ja, das soll der ChatGPT-Kollege übernehmen. Der „Geister, die ich rief“- Moment ist da.  Selbst der Erfinder von Chat-GPT, Sam Altman, warnen davor, dass die Sache mit KI und ChatGPT völlig schief gehen kann. Altman schlägt in den USA die Gründung einer Regierungsbehörde vor, die alle KI-Modelle auf den Prüfstand stellen soll. Denn tatsächlich gibt es bislang keinen transparenten Einblick in den Aufbau und in die Datengrundlage von Chat GPT. Das Programm lernt von Daten, mit denen es gefüttert wird. Und kommen aus dem World Wide Web. „Bei dem Datenmüll, der im Netz ist, habe ich mehr Sorgen vor der menschlichen Dummheit als vor künstlicher Intelligenz.“ konstatiert Land und fordert wie viele, eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Erzeugnisse. Ob ein Text, Bild, Musik oder ein Video durch KI erstellt – und damit aus dem Werk eines anderen Menschen im Netz -, muss auf den ersten Blick erkennbar sein. Diese Transparenz dient auch dem Urheberrecht. „Künstliche Intelligenz sollte wir immer nur unterstützend verwenden“, meint Land, „sie sollte uns nicht komplett ersetzen. Bei einer Steuererklärung mit Chat GPT wäre er noch sehr vorsichtig und schlägt eine kollaborative Methode vor: „Die KI bereitet vor, der Steuerberater prüft. Nur das Vieraugenprinzip zwischen Mensch und Maschine wird uns weiterbringen.“

Auf die Frage, wie digital die Stadt Köln aufgestellt ist, lacht er: „Wir sind hochgradig ineffizient. Köln ist zu bürokratisiert. Es gibt so viele nichtdigitalisierte Prozesse. Eine echte digitale Vision für die Kölner Verwaltung würde den Bürger in den Mittelpunkt stellen und den Service um ihn herum. Erst dann hätten wir in Köln einen Bürgerservice, der 24/7 erreichbar ist.“ Für die Stadt Köln plant er zurzeit einen KI-Kongress. Damit auch Köln vorbereitet ist auf das, was kommt und uns hoffentlich nicht überrollt. Die schöne neue Welt darf nicht zum Alptraum werden.  

Fest steht, der Flaschengeist ist längst entwichen. Jetzt gilt es, ihn rasch zu kontrollieren. Und wenn‘s tröstet: ChatGPT kann vieles, aber wirklich „intelligent“ ist das Programm und seine KI dahinter nicht. Es fällt ihm offenbar schwer, Sinnzusammenhänge  zu entdecken. Das ist und bleibt wahrscheinlich noch lange Zeit eine menschliche Domäne. Hoffentlich.

So wie die Poetry-Podcastreihe von  Susanne Hengesbach. Sie reimt noch selbst – gekonnt und humorvoll. Fans nennen ihre Alltagsgeschichten bereits  „Wilhelm Busch reloaded“. In der neuen Folge (Link) nimmt sie uns mit in den Urlaub, der zum Griff ins Klo wird. Wie ChatGPT dieses Erlebnis wohl erzählt hätte? Bestimmt nicht so lustig.

 

Also viel Spaß beim Hören und sonnige Pfingsten wünscht Ihnen

Ihre Claudia Hessel

 

 

NEWSLETTER 19.05.2023

Wie Köln aufs Ehrenamt und einen Sportverein pfeift – Wir gratulieren dem Excelsior Hotel Ernst zum 160-Jährigen – Demokratie im Supermarkt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

stille Helden kommen sympathisch rüber. Zumindest im Film finden Sie Aufmerksamkeit und es kommt zu einem glücklichen Ende. Die Wirklichkeit ist meist anders. Da wird der Leise mit seinen Argumenten nicht gehört. Wenn er geduldig ist, Verständnis zeigt und Vertrauen hat in Institutionen, kann das sogar ein Nachteil sein. Die Jahre gehen dahin und unversehens stellt sich die Existenzfrage. Das ist die Erfahrung der Ehrenamtler des RSV Rath/Heumar, eines mehr als 100 Jahre alten Sportvereins am Rande dieser Stadt, jedoch „mitten im Dorf“, wie die Rather selbst sagen.

Aufmerksam wurde ich, weil der Verein nun an die Öffentlichkeit geht. Rund 100 Mitglieder, vom Steppke bis zum Vorsitzenden Hans-Georg Offermann (66), protestierten jüngst mit den Schlachtrufen des RSV vor dem Kölner Rathaus. Im Karnevalszug marschierten die Mitglieder demonstrativ neben einem Sarg aus Sperrholz. Wer den Verein an einem Regentag besucht, versteht das: Der Asche-Sportplatz steht dann unter Wasser. Seit Jahren ist sein Zustand desolat. Wechselt das Wetter, drohen Spielabbrüche. Obendrein ist die Pacht gekündigt. Die Zahl der Mitglieder sank in zehn Jahren von 1200 auf 550.   

Dennoch ist das Gelände am Wochenende Treffpunkt für ganze Familien. Kinder lernen hier, was ein Handy nicht bieten kann: ein Team zu bilden, zu verlieren, aufzustehen und beim nächsten Mal zu gewinnen, andere zu respektieren oder sich einzuordnen, kurzum – sie lernen fürs Leben. An der frischen Luft sind sie außerdem.

Die Vereinsspitze hat über die Jahre alles richtig gemacht. Hans-Georg Offermann und Vize Gerd Gran sind sortierte und realistische Gesprächspartner. Vereinsheim und Umkleiden atmen Kostenbewusstsein. Rücklagen wurden gebildet, um bei Arbeiten Eigenanteile beisteuern zu können. Sogar ein umsetzungsfertiger Rettungsplan mit dem Pachtgeber wurde entwickelt, der mit einem Bauprojekt neue Sportanlagen finanzieren will. Bislang nicht mit Ruhm bekleckert hat sich jedoch die Kölner Politik.  

Fußball ist eine Integrationsmaschine. Das weiß ich von Salvatore Saporito, der an der Spitze von Borussia Kalk steht. Sein Vater zog aus einem Dorf in Sizilien nach Köln, wo er Arbeit in der Chemischen Fabrik Kalk fand. Heute ist Salva erfolgreicher Manager. Kalk hat er verlassen, doch Vorsitzender der Borussia ist er geblieben. „Wir haben 28 Nationen im Verein, 90 Prozent haben Migrationshintergrund“, berichtet er. Wenn er von seinen Jugendmannschaften spricht, wie sie sich entwickeln und Herausforderungen auch außerhalb des Spielfelds annehmen, leuchten seine Augen. Fußball spricht alle Sprachen, steht auf der Internetseite von Borussia Kalk.

Das muss stimmen. Denn der eher beschauliche Dorfclub RSV Rath-Heumar und die raue Borussia aus Kalk sind gute Nachbarn und Partner, wie auch Viktoria Köln. „Wir haben schon früher immer gerne in Kalk gespielt. Da war Feuer drin“, erzählt Hans-Georg Offermann. Aber: „Unsere Mitgliederstruktur ist anders.“ Doch auch Rath-Heumar spiegelt die aktuelle Entwicklung. „Im Karnevalszug sind Türken, Inder, Griechen, Italiener und Ukrainer mitgegangen.“

Anfang des Jahres schrieb gar der Fußball-Verband Mittelrhein wegen des TSV Rath-Heumar an die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Von einer „verheerenden Signalwirkung für das Ehrenamt, auch weit über die Stadtgrenzen von Köln hinweg“, ist in dem Schreiben zu lesen, vom Wert des Engagements, das in Köln auf €925 Mio. beziffert wird (https://www.ehrenamtatlas.de). Aber eigentlich weiß man das.

In seinem Plädoyer verweist Dr. Christos Katzidis, Präsident des Fußballverbands, auf die praktische Sozialarbeit von Vereinen, auf die Vermittlung von Werten. „Wenn das verloren geht, bröckelt der Zusammenhalt in der Gesellschaft.“ Dann wird es richtig teuer für die Stadt. Hoffen wir, dass diese Geschichte ein Happy End findet. Denn nun hatte der RSV Rath/Heumar einen Termin im Rathaus, der ein wenig Zuversicht gab. Schade, dass die Leisen erst laut werden müssen. Aber dieses Spiel dürfen sie nicht verlieren.   

Nun zu einem besonderen Ort: Dem Excelsior Hotel Ernst. Vor 160 Jahren, 1863, nahm es seinen Betrieb auf. „Zwei Jahre nach dem Wallraf-Richartz-Museum“ und „zu Füßen des Doms“, notierte Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeinen gedankenvoll, nachdem er eine Veranstaltung des Kölner Presseclubs im Gobelin-Saal besucht und dabei nebenbei eine Kölner Dreifaltigkeit markiert hatte, die uns stolz macht.

Denn im „Excelsior“ finden seit 20 Jahren unsere großen Veranstaltungen statt, dank unserer Ehrenpräsidentin Hildegard Stausberg, die einst die Bande knüpfte. Hier haben wir kürzlich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst interviewt oder Lionel Souque, Chef der Rewe Group, haben auch wir als „Presseclub“ erleben dürfen, dass dieses Haus gleichermaßen für Tradition wie Innovation steht. Sein klassischer Rahmen gibt Halt, wenn uns die Themen der Zeit zu schaffen machen, der Stil des Hauses bietet Orientierung.

Als im Zuge der Corona-Maßnahmen auch diese Institution gleichsam stillgelegt wurde, versorgte sie die Kölner umso verlässlicher mit Gänsen für die Vor-Weihnachtstage und versicherte ihrem Publikum, dass sie lebt, was nicht selbstverständlich war – zu viele gingen damals vom Markt. Auch wir vom Kölner Presseclub mussten uns bangen Fragen stellen und rückten näher an die, die wir leichthin Partner und Sponsoren nannten und die sich in diesen Tagen als Freunde, manche auch als Retter erwiesen.

Ganz sicher – das Excelsior Hotel Ernst ist für die meisten kein Ort für alle Tage. Es ist ein besonderes Haus und es bedarf eines Anlasses, es aufzusuchen – eine Feier, ein festliches Essen, ein besonderes Beisammensein. Oder eine unserer Veranstaltungen. Am Sonntag, 21. Mai, von 12 bis 18 h aber ist Tag der Offenen Tür. Dann ist das Excelsior sich selbst Anlass genug. Mittags wird von Eigentümer Charles Roulet und Hotelchef Georg Plesser eine gewaltige Geburtstagstorte angeschnitten, der Verkaufserlös dient einem guten Zweck.

Susanne Hengesbach macht sich derweil ihre eigenen Podcast-Gedanken darum, das Wahlalter herabzusetzen. Sollten bereits Kleinkinder den Einkauf bestimmen und vor den Supermarkt-Regalen entscheiden, was gekauft werden soll? Ist das gewissermaßen die Minimalform von Demokratie? Und wenn nicht – was ist es dann? Hören Sie selbst ….

Vielleicht sehen wir uns im Excelsior? Ein sonniges Wochenende wünscht Ihnen

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 12.05.2023

Vom Gendern, Raubkunst und einem bemerkenswerten Auftritt Hendrik Wüsts

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ob im Ukraine-Krieg ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt klug ist, darf man mit Fug und Recht bezweifeln. Aber beim gegenwärtig tobenden Kulturkampf täte zumindest eine Feuerpause mal ganz gut. Die Schauplätze dieses Kampfes heißen nicht Verdun oder Stalingrad, sie heißen Gendergerechtigkeit, Cancel Culture und sogenannte Wokeness. Da geht es dann um Rassismus und Feminismus, um Bevormundung und politische Korrektheit.      Auch wenn es, gottlob, keine Toten gibt, dieser Krieg um Worte und Haltungen wird mit erbitterter Härte geführt – und er eskaliert weiter, er polarisiert und spaltet die Gesellschaft.

Wie so vieles ist auch dieses Phänomen ein Exportartikel der USA. Geradezu meisterlich hat es der frühere (und nach eigener Einschätzung nie abgewählte) US-Präsident Donald Trump verstanden, diesen Konflikt zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen anzuheizen und dann auf einer so entstandenen vulgär-populistischen Erregungswelle ins Weiße Haus zu surfen. Links gegen Rechts, Provinz gegen Metropole, Alt gegen Jung, Schwarz gegen Weiß – das Konzept scheint praxistauglich. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn auf der anderen Seite des politischen Spektrums, bei Linken und Linksliberalen, genauso geholzt wird, wenn ein Regulierungsfuror tobt, der im Namen höherer Gerechtigkeit immer neue Vorschriften und Verbote schafft, wenn ein neues Jakobinertum eine ganze Gesellschaft mit ihrem Tugendterror überziehen will. Als gäbe es nichts Wichtigeres, über das sich zu streiten lohnt: Die Energiewende, der Fachkräftemangel, das Gesundheitswesen, unsere Verteidigungsfähigkeit undundund.

Zerrieben wird zwischen diesen polarisierten Gruppen eine bürgerliche Haltung, die von Maß und Mitte gekennzeichnet ist. Die abwägt, Argumente anhört, nachdenkt, bevor sie handelt. Die Fakten prüft, bevor sie eine eigene Meinung entwickelt. Insofern war es ermutigend, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst bei seinem Gespräch im Kölner Presseclub vor einem neuen Kulturkampf warnte, vor Hass und Unversöhnlichkeit. Weder das Gendern noch die deutsche Arbeitsmoral machten ihm Angst, bekannte er, und erteilte einschlägiger Wehleidigkeit und Defätismus eine deutliche Absage. Er plädierte für eine Gelassenheit, die nicht eifernd über jedes Stöckchen springt, dass ein Heißsporn ihr hinhält. Auch widerstand er bei Publikumsfragen der Einladung zu populistischen Ausfällen, blieb souverän, liberal und weltoffen.

Diese Gelassenheit wäre zu empfehlen beim Umgang mit der – ja, man muss es so nennen – kolonialen Raubkunst in unseren Museen. Kaum waren die ersten Benin-Bronzen, die auch zum Bestand des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums gehörten, an den Staat Nigeria zurückgegeben worden, übertrug offensichtlich der nigerianische Präsident die Eigentumsrechte an den König von Benin. Der will, so heißt es, in Benin-City ein Museum für diese Kunstschätze errichten. Ein kulturpolitisches Fiasko für die grüne Außenministerin, die maßgeblich an der Restitution mitgewirkt hat? Na ja, man muss kein Fan von Annalena Baerbock sein, um zu erkennen, dass es sich bei der Rückgabe dieser Artefakte zuallererst um das kulturelle Erbe anderer Länder und Völker handelt – über das sie jetzt wieder souverän verfügen können.

Allerdings nährt die plötzliche Begeisterung für diese koloniale Beute den Verdacht, dass es letztlich mehr um neue Munition im Krieg der Weltanschauungen geht, weniger um die Kunstwerke, die zuvor – vorsichtig formuliert – nicht gerade Gegenstand höchster öffentlicher Wertschätzung und Fürsorge waren. Dann schmerzt auf einmal auch der drohende Verlust von Gegenständen, von deren Existenz man zuvor kaum etwas wußte. Selbst der als eher konservativ beschriebene Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parziger, betont, dass die Rückgabe in der Sache gerechtfertigt und die Abwicklung richtig sei („Die Plünderung durch die Briten war eindeutig Unrecht“) und warnt vor Unterstellungen, die Benin-Bronzen würden unsachgemäß behandelt.

Man sollte meinen, mit der Sicherung und Bewahrung europäischer Kulturgüter gebe es ein genügend großes Betätigungsfeld. Vielleicht sollte man erst das eigene Erbe in Ordnung halten, bevor man auf fremdes Anspruch erhebt. Eines sollte aber auf keinen Fall zum zu pflegenden Kulturgut werden: Der emotional aufgeladene Kulturkampf.

Und last but not least: Am Sonntag wird – wie jedes Jahr – Muttertag gefeiert. Falls Sie das für selbstverständlich halten, sollten Sie den Poetry Podcast von Susanne Hengesbach hören. Spätestens dann wissen Sie, in bewegten Zeiten wie diesen ist gar nichts mehr selbstverständlich.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 05.05.2023

Der bittersüße Weg zur Klimaneutralität – wie ein engagiertes Kölner Traditionsunternehmen von der Politik ausgebremst wird

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

bitte nicht schmunzeln, heute schreibe ich über Zuckerrübenschnitzel. Wer hätte gedacht, dass die Zukunft eines wichtigen Industriezweiges auch von Zuckerrübenschnitzeln abhängt. Es geht um die eigenständige Energieversorgung der Zuckerindustrie und damit auch um einen Marktführer: das Familienunternehmen Pfeifer & Langen aus Köln, deren Verpackung mit den markanten zwei Dom-Zuckerhüten in fast jedem Haushalt zu finden ist. Da steht zwar mittlerweile Diamant-Zucker drauf, aber wir alle sind mit Kölner-Zucker großgeworden. Und jetzt wird’s bitter für die Süßmacher aus Köln.

Doch von vorne: Mit der Zuckerrübe begann am 19. April 1870 die erfolgreiche Geschichte des Kölner Familienunternehmens Pfeifer & Langen: Würfelzucker, Gelierzucker – alles Erfindungen der Gründungsväter Valentin Pfeifer und Eugen Langen und ihrer nachfolgenden Generationen. Darüber hinaus war Langen maßgeblich an der Entwicklung des Ottomotors in Deutz und der Wuppertaler Schwebebahn beteiligt. So viel kurz zum historischen Exkurs. Bis heute ist das Unternehmen in Familienhand und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  in Europa. Der Gesamtumsatz im Jahr 2021 betrug rund 975 Millionen Euro.  An sechs Standorten in Deutschland und weiteren zehn Werken in Europa wird alles rund um den Zucker produziert. Von der erdigen Rübe auf dem Feld bis zum weißen Zucker im Kuchen oder Kaffee wird viel Energie benötigt. Und bei den aktuellen Preisen ist es nachvollziehbar, dass sich das energieintensive Unternehmen unabhängig von fossiler Energie machen will, nicht zuletzt um wettbewerbsfähig zu bleiben.

„Wir könnten sofort Zucker klimaneutral produzieren, wenn die Rahmenbedingungen dies zuließen.“ sagt mir der Geschäftsführer Michael Schaupp im Gespräch am Firmensitz im Kölner Stadtteil Junkersdorf.  „Aus 50% – 70%  der Rübenschnitzel, die bei der Zuckergewinnung immer als Reststoffe anfallen, kann genug Biogas erzeugt werden, um den Energiebedarf aller Werke vollständig zu decken.“

Klingt gut, wo ist das Problem? Das lag zunächst in Brüssel. Dort wurde zwei Jahre lang bis April dieses Jahres die Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, RED III, erarbeitet. Darin sollten u.a. auch Zuckerrübenschnitzel als emissionsfrei eingestuft werden, damit sie ohne CO²– Abgabe zur klimaneutralen Energieerzeugung herangezogen werden können. Das hat in Teilen geklappt,  aber wie immer steckt der Teufel im Detail.

„RED III ist ein Bürokratiemonster.“ sagt Michael Schaupp.  Schon seit Jahren steht die Bagasse als fortschrittlicher, also emissionsfreier, Energieträger drin. Bagasse fällt als Reststoff an, wenn in Brasilien, Indien oder Thailand Zuckerrohr verarbeitet wird. Sie ist vergleichbar mit  Rübenschnitzeln der heimischen Zuckerindustrie. Und jetzt wird es völlig absurd: Würde Pfeifer & Langen Reststoffe zur Energiegewinnung aus Brasilien mit 10.000 km Transportweg verwerten, wären keine CO²-Zertifikate nötig und die Bagasse ist auch steuerlich bessergestellt als Erdgas. Die Wege der EU-Vorschriften sind manchmal unergründlich…

Ein solches Greenwashing kommt aber für das Kölner Familienunternehmen nicht in Frage. „Wir stehen zu unserem Ziel, klimaneutral zu werden und achten darauf, woher der Energieträger für unsere Fabriken kommt.“ versichert Schaupp. Er fordert die Gleichbehandlung von Reststoffen bei der Zuckerproduktion, denn sonst drohen Wettbewerbsnachteile für die heimische Zuckerindustrie, fürchtet der Geschäftsführer: „Wir kämpfen hier auf allen politischen Ebenen für ein Grundnahrungsmittel. Und das muss in Deutschland und in Europa verfügbar sein.“ Und am Ende auch bezahlbar, denn unsere Lebensmittelkosten werden nach Einschätzung von Experten auf hohem Niveau bleiben.

Noch ist bei der EU nicht alles verloren:  So haben mir die Europa-Abgeordneten Dr. Markus Pieper (EVP) und Tiemo Wölken (SPD) auf meine Nachfrage mitgeteilt, dass nach jetzigem Sachstand die Richtlinie RED III den EU-Mitgliedstaaten Spielraum gibt, Zuckerrübenschnitzel als emissionsfreien Biokraftstoff anzuerkennen.

Nun ist die Bundesregierung am Zug. Es geht jetzt um die Umsetzung der europäischen Richtlinie in deutsches Recht. Angesichts der bisherigen Ampel-Politik ist allerdings Zweifel angebracht, dass diese Chance für die deutsche Zucker-Industrie aufgegriffen wird. Denn auch an den aktuellen Überlegungen für ein Werbeverbot von zuckerhaltigen Lebensmitteln wird meines Erachtens deutlich, dass das Grundnahrungsmittel Zucker in der Bundesregierung offenbar nicht hoch angesehen ist. Mag sein, dass der Mensch nun mal bei Zucker schwach wird und 34 Kilo pro Jahr laut WHO zu viel sein mögen, aber der Grund des möglichen Werbeverbots ist, dass Kinder am Ende weniger Süßigkeiten essen sollen. Eigentlich eine Erziehungsaufgabe von Eltern und nicht vom Staat. Und da wird nun bei einem Werbeverbot alles in einen Topf geworfen mit Konsequenzen für viele – angefangen von der Werbeindustrie bis hin zu den Zuckerproduktherstellern. Werbeverbot für Süßes? Michael Schaupp ist sauer: „Das ist –  überspitzt formuliert – ein staatliches Diktat, was ich essen soll und was nicht. Wo leben wir eigentlich?“ 

Von Zuckerrübenschnitzel als fortschrittlicher Energieträger bis Werbeverbot für Süßes – die heimische Rübe muss ganz schön viel Politik aushalten. Hoffentlich schmeckt sie am Ende nicht bitter….

Mit süßen Grüßen wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende

 

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 28.04.2023

Warum die Sanierung der Kölner Zentralbibliothek wichtig ist – Ein gereimtes Prosit auf unser gefährliches Kulturgut Alkohol

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ein öffentliches Bauwerk in Köln sanieren? Es gibt hinreichend Gründe, auf eine solche Ankündigung mit Schnappatmung zu reagieren. Dennoch halte ich es für eine gute Nachricht, dass die Verwaltung für die Zukunft der Kölner Zentralbibliothek nur eine Option kennt: Die Sanierung. Das entnahm ich der Kölnischen Rundschau

Meine Einstellung mag blauäugig sein. Aber dieser Schritt ist eine demonstrative Abkehr von der Politik des Abrisses, die das Kölner Justizgebäude treffen soll. Es ist 42 Jahre alt und mit 23 Stockwerken gut hundert Meter hoch und Teil des Zyklus von bauen, verkommen lassen, abreißen, neu bauen, wieder verkommen lassen . . .  Wem ernst ist mit der Vermeidung von Treibhausgasen, der vergrößert nicht Schuttberge. „Unsere Häuser sind die Rohstofflager von morgen“, erklärt Andreas Grosz vom KAP-Forum. „Die Zukunft des Bauens liegt im Bestand.“ Dass Neubaupreise ins Unermessliche steigen werden, weiß man. Die Zinsen sind nicht mehr niedrig, die Neubauregeln grenzen ans Unerfüllbare, Anlagekapital fließt in andere Bereiche, die lohnender geworden sind.

Auch eine andere Frage scheint mir beantwortet: Wer trägt, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen, den Oberverantwortungshut? Das hatte meine Kollegin Claudia Hessel in unserem Newsletter vom 10. März gefragt. Die Antwort lautet: Ein Generalunternehmer (GU). Er bekommt viel Geld für Verantwortung und Haftung (ca. € 24 Mio.).

Zwar würde ein Teil von mir sich eine öffentliche Debatte wünschen über Sanierung oder Abriss ebenso wie über die Frage, wie eine moderne Bibliothek heute aussehen könnte. Aber ein anderer, Köln erfahrener Teil, sähe dem mit Grauen entgegen. Leicht schwemmt parteiübergreifende Schaufensterpolitik fort, was eine Debatte ausmachen sollte: In Ruhe Argumente wägen, nachdenken, womöglich Kompromisse suchen. Wenn es an Moderation fehlt, gewinnen Stimmungen und Gruppendynamik schnell die Oberhand.

Richtig ins Geld geht mittlerweile der prozessuale Zeitverbrauch. 2018 sollte die Sanierung der Bibliothek noch € 81,15 Millionen (Mio.) betragen, heute werden € 58,64 Mio. und damit 71 Prozent mehr fällig. Vielleicht hätte man damals auch einen kühnen Neubau umsetzen können (ohne das Bestandsgebäude abzureißen), wie es die „Oodi“-Bücherei in Finnlands Hauptstadt Helsinki ist (hier verlinkt), die Inkarnation eines urbanen Medien- und Kommunikationszentrums. Rund € 100 Mio. hat dieses Traumhaus 2018 gekostet. Aber auch die Kölner Zentralbibliothek kann sich sehen lassen. Unter Führung von Dr. Hannelore Vogt wuchs sie zur größten und besucherstärksten Kulturinstitution der Stadt, sagte mir Stefanie Ruffen, die baupolitische Sprecherin der FDP.

Sie wies ferner darauf hin, die Sanierung der einfach strukturierten Zentralbibliothek sei mit der unserer komplexen Oper überhaupt nicht vergleichbar. „Überraschungen müssten sich im Rahmen halten.“ Warum Sanierungen häufig so problematisch seien, fragte ich die Politikerin und Architektin. Weil alle Vorschriften am Standard von Neubauten ausgerichtet seien, antwortete sie. Historische Gebäude müssten auf den Jetzt-Standard gebracht werden. Gälte das auf dem Feld für Oldtimer, müssten diese mit allen heute üblichen Standards ausgerüstet sein wie ABS, Spurhalteassistent, Knautschzonen oder elektronischen Helfern.

Hoffen wir mit Anton Bausinger, dass eine Mehrheit im Kölner Rat der Sanierungsvorlage folgt. Seit mehr als 20 Jahren ist er Vorsitzender des Fördervereins Stadtbibliothek, denn Büchereien liegen ihm am Herzen. „Es ist sicher eine teure Entscheidung und dennoch die deutlich günstigere sowie schnellere.“ Gleichzeitig drängt der CDU-Politiker: „Es ist an der Zeit, dass Projekte in unserer Stadt aus der Diskussion genommen und einfach umgesetzt werden.“ Politische Führung. Das wäre was.

Reinhard Angelis vom Bund deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) nennt die Sanierung „wunderbar.“ In einem zweiten Schritt, so rät er, solle die Stadt den benachbarten öffentlichen Raum bewerten mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum, der Volkshochschule und der ehemaligen Kaufhof-Verwaltung. „Wenn Köln dieses Potential nutzt, bekommt es mehr als eine sanierte Bibliothek.“ Einen neuen Stadtraum oder eine Kölner Antwort auf das finnische Oodi vielleicht? Was für eine schöne Perspektive.  

Nun zu Susanne Hengesbach. Sie hat wieder gereimt – ein Prosit, auf unser liebstes Kulturgut . . . oder die Frage: Weshalb wir Kölsch nicht als Einstiegsdroge bezeichnen und Whiskey-Flaschen keine Banderolen haben, die vor dem gesundheitsgefährdenden Konsum von Alkohol warnen. Den Podcast finden Sie hier.  Wie immer, macht er ein wenig nachdenklich. Das kann bei diesem Thema nicht schaden.

Ich wünsche uns allen ein sonniges Wochenende!

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 21.04.2023

Vom grünen Zeitgeist, Hobby-Fliegern und Bürgerferne

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

auch eine weitgehend entchristlichte Gesellschaft wie die unsere sollte gelegentlich mal die Kirche im Dorf lassen.  Ja, wir haben gerade jede Menge Krisen, von der Energieversorgung bis zum Klima, und täglich scheinen neue dazu zu kommen. Aber sind das immer gleich endzeitliche Katastrophen? Der Unterschied zwischen Krise und Katastrophe ist schließlich der, dass wir auf Krisen mit Handeln reagieren können, eine Katastrophe aber macht hilflos. Das Ergebnis sind Resignation und im Extremfall Verzweiflung. Beides führt aber nicht zu einer Lösung, sondern wird zum Teil des Problems.

Deshalb ist es keine gute Idee, im Zusammenhang mit der Erderwärmung von einer Klimakatastrophe zu sprechen. Gerade hat der Weltklimarat IPCC einen Bericht vorgelegt, der zwar den Ernst der Lage beschreibt, der jedoch gleichzeitig aufzeigt, mit welchen Maßnahmen die Menschheit dem Klimawandel entgegenwirken kann. Dazu gehört natürlich, zügig aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Gas auszusteigen. Das bringt die deutschen Grünen in Erklärnot: Die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke am letzten Wochenende bedeutet, dass 15 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich freigesetzt werden – pro Jahr. Wohlgemerkt: Es geht nicht um eine Neuauflage der Atom-Debatte, das Thema ist durch. Es geht um eine befristete Laufzeitverlängerung von technisch einwandfreien Reaktoren.

Überhaupt zeigt der grüne Lack der Partei Kratzer. Aktuell rangiert die Partei laut Forsa bei 17 Prozent. Das ist weit entfernt von früheren Höhenflügen und dem Traum von einer grünen Volkspartei. Für Forsa-Chef Manfred Güllnerhaben sich die einstigen Shootingstars Robert Habeck und Annalena Baerbock entzaubert, die Grünen werden wieder stärker als Verbots- und Gängelungspartei gesehen, die aus ideologischen Gründen ein ganzes Volk umerziehen will: Ob Gendern oder Verkehrspolitik, ob Heizungstausch oder Einwanderungspolitik – der Widerstand gegen grüne Positionen wächst. Aus der grünen Wohlfühl-Partei mit ihrem Versprechen einer kuscheligen Zukunft ist eine Zumutungspartei geworden. Das weltliche Heilsversprechen ist eben nicht umsonst zu haben. Da der Zeitgeist ein scheuer Geselle ist, könnte es sein, dass er sich schon intensiv nach einem neuen Zuhause umsieht – und Grün zu einer blassen Farbe wird.

Doch wo könnte dieses neue Zuhause liegen? Die SPD, die bundesweit keine 20 Prozent mehr schafft und im einstigen Kernland Nordrhein-Westfalen nur noch eine Erinnerungsgröße ist? Kaum. Bei Lindners Liberalen? Die kämpfen darum, nicht in die politische Todeszone von weniger als fünf Prozent abzurutschen. Die Linke? Gibt sich alle Mühe, von einer Partei zur Sekte zu mutieren. Bleibt die Union. Sie erreicht zwar knapp 30 Prozent, aber angesichts des Unmuts über die Ampel-Koalition kann das nicht beeindrucken. Für Manfred Güllner hat das Akzeptanzproblem der CDU einen Namen: Friedrich Merz. Die versprochene Erneuerung der Partei werde vom Wähler nicht gesehen und die Vertrauenswerte des CDU-Chefs lägen „bei allen Wahlberechtigten und bei Anhängern der CDU deutlich unter denen, die Merkel kurz vor der letzten Bundestagswahl erhalten hatte – und zudem noch deutlich unter denen des derzeit nicht sonderlich populären Kanzlers.“ Es scheint so, als ob der passionierte Hobby-Flieger Merz in diesem Leben nicht mehr zu einem Höhenflug in der Beliebtheit ansetzen könnte.

Die dauerhafte Schwäche ihres Vorsitzenden lenkt den Blick auf die zweite Reihe der CDU, und da sticht neben Daniel Günther vor allem Hendrik Wüst, der NRW-Ministerpräsident, heraus. Der hat zwar, wie Güllner sagt, vor allem davon profitiert, dass die SPD im Land sich quasi aufgelöst hat. Aber seine CDU käme, wären jetzt Landtagswahlen, auf beachtliche 38 Prozent und seine persönlichen Popularitätswerte sind hoch. Doch ein inhaltliches Profil lässt der smarte Münsterländer noch nicht erkennen, er meidet die Auseinandersetzung und wirkt deshalb wie eine Projektionsfläche für alle. Eine Bewährungsprobe wartet auch mit der nächsten Kommunalwahl auf Wüst. Wird er die Basis der Partei geschlossen und motiviert aufstellen? In einer Metropole wie Köln überhaupt mit einer eigenen Kandidatin oder eigenen Kandidaten antreten? Auch darf man gespannt sein, wie belastungsfähig seine schwarz-grüne Koalition ist. Hält sie zum Beispiel, wenn es um die Energiewende, Verkehrspolitik oder andere kritische Fragen geht?

Um ein genaueres Bild von Hendrik Wüst zu bekommen, haben wir ihn in den Kölner Presseclub eingeladen. Am Donnerstag, 4. Mai, wird er im Gespräch mit Peter Pauls und mir  Rede und Antwort stehen. Eine gute Gelegenheit, einen unmittelbaren Eindruck von einem aussichtsreichen Hoffnungsträger der CDU zu bekommen – freuen Sie sich darauf.

Eindruck vermittelt auch die Stadtverwaltung und ihre Abfallwirtschaft. Der zunehmenden Vermüllung haben sie – und dafür kann man sie nicht genug loben! –  den Kampf angesagt. Doch so bürgernah die Absicht ist, so bürgerfern ist die Ankündigung. Dazu hat sich Susanne Hengesbach in ihrem Poetry Podcast so ihre Gedanken gemacht. Doch hören Sie selbst:

 

Viel Vergnügen!

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 31.03.2023

Quoten, Männer-Macht und Feminismus – wie auch die Arbeitswelt sich wandelt

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

lassen Sie mal in einer Gesprächsrunde die Begriffe alte weiße Männer, Feminismus und Quote fallen – sofort ist eine aufgeregte Debatte im Gange. Liegt es daran, dass wir eine Zeit von großen gesellschaftlichen Umbrüchen erleben? Wenn die klassische Rolle von Mann und Frau hinterfragt und das traditionelle Konzept Familie gekippt wird oder sogar die Zuschreibungen von Geschlechtern zur Diskussion stehen? Auch unser Verhältnis zur Arbeit wandelt sich extrem. So stellt die Elterngeneration erstaunt fest, dass ein Teil der Generation Z – also jene, die um die Jahrtausendwende geboren wurden – sich nicht im Job abrackern will. Unternehmen klagen, dass junge Leute schon vor Beginn des ersten Praktikums nach dem Urlaubsanspruch fragen. Und sie machen Feierabend – egal, was im Betrieb gerade noch los ist. Herzblut, Leidenschaft, Brennen für den Job – das vermissen die Älteren. Softe Faktoren wie Work-Life-Balance, sinnstiftende Arbeit und Chancengleichheit sind die neuen Themen der Berufswelt.

Mit Chancengleichheit für berufstätige Frauen hat sich die Autorin und Journalistin Mirijam Trunk beschäftigt. Sie ist mit 31 Jahren bereits auf der obersten Managementebene des Kölner Senders RTL angekommen und zählt zu den jüngsten Führungskräften Deutschlands. Ihr erstes Buch, „Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte“, ist gerade erschienen und direkt auf der Spiegel-Bestsellerliste gelandet.

„Die Welt, in der wir gerade leben, ist immer noch eine Arbeitswelt, die von Männern für Männern gemacht wurde.“ Die Kölner Autorin Miriam Trunk über Chancengleichheit
Foto: @ RTL Deutschland

Das Buch beginnt mit einer schlechten Nachricht: Es gibt keine Chancengleichheit in Deutschland. Auch im Januar 2023 sind laut Statistischem Bundesamt immer noch rund 70 Prozent der deutschen Führungskräfte Männer. Nur jede 3. Führungskraft ist eine Frau. Grundsätzlich sieht es für Frauen düster aus:  Ein Drittel von ihnen landet wegen der Teilzeitfalle in der Altersarmut. Oder sie geraten, wie die Hälfte aller verheirateten Frauen, in finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann.

„Die Welt, in der wir gerade leben, ist immer noch eine Arbeitswelt, die von Männern für Männern gemacht wurde. Die schlechte Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf ist eine große Hürde, die Frauen auf ihrem Weg durch das Berufsleben bremst. In Deutschland tragen Frauen deutlich weniger zum Familieneinkommen bei als in den meisten anderen Ländern“, stellt Mirijam Trunk fest. Aber auch in den Unternehmen selbst gibt es festgefahrene Strukturen: „In deutschen Vorständen herrscht immer noch das Prinzip der Homosozietät: Gleich und gleich gesellt sich gern, man ist gerne unter sich. Mit einer Minderheit, die unter 30 Prozent vertreten ist – und dazu zählen Frauen nun mal – ändert sich eine Kultur nicht.“

Und Führungsposition ist nicht gleich Führungsposition, konstatiert Trunk. „Schaut man sich die Bereiche an, für die Frauen in den Vorständen der 169 börsennotierten deutschen Unternehmen bisher verantwortlich sind, drängt sich der Gedanke auf, dass es so etwas wie Frauenzonen in Unternehmen gibt.“ Von 86 Frauen, die 2021 in einem Vorstand waren, unter insgesamt 734 Vorstandsposten, waren 24 Finanz- und 22 Personalvorstand. „Frauen landen oft in diesen Stabsfunktionen. Das Kerngeschäft bleibt Männersache. Frauen dürfen zwar auf dem Vorstandsschiff mitfahren, aber nur selten auf der Brücke stehen.“

Ihre eigenen Erfahrungen untermauert Mirijam Trunk mit Berichten anderer Führungsfrauen aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Sie selbst bezeichnet sich als Feministin, sieht aber die aktuelle Entwicklung kritisch: „Der Begriff Feminismus hat ein Imageproblem. Viele denken, er richte sich gegen Männer, hätte etwas Militantes, sei eine Art der Verbotskultur. Moderner Feminismus steht für Intersektionalität und Chancengleichheit und schaut auf Strukturen.

Sind „alte weiße Männer“ der Grund, warum Frauen auf dem Weg nach oben ausgebremst werden – oder werden sie selbst benachteiligt? „Ich sehe nicht, dass Männer diskriminiert werden, das geben die Zahlen einfach nicht her“, sagt Mirijam Trunk, „aber den Begriff „alte weiße Männer“ lehne ich ab, denn er ist altersdiskriminierend. Grundsätzlich sind Männer für mich absolut kein Feindbild. Denn auch immer mehr Männer wehren sich gegen stereotype Denkmuster und gegen systemische Hürden. Der Begriff „alte weiße Männer macht Fronten auf, statt in eine konstruktive Richtung zu lenken. Chancengleichheit erfordert eine breite Gesellschaftsdebatte. Selbst Väter von Töchtern spüren diese Ungerechtigkeit und somit wird es auch zu einem Väterproblem.“

Insgesamt war es ein vielschichtiges Gespräch mit meiner RTL-Kollegin, die vieles und vor allem Strukturen in Frage stellt. Typisch für ihre Generation Y.  Englisch Why, auf Deutsch warum – was sinnbildlich für den hinterfragenden Charakter der Millennials stehen soll.

Aber für die Zukunft ist ebenso entscheidend, wie die Generation Z den gesellschaftlichen Wandel vorantreibt. Bringen diese jungen Leute aus ihrem Selbstverständnis heraus die Chancengleichheit gleich mit, dann braucht es dafür keine Quote. Und führt Work-Life-Balance nicht auch zu besseren Arbeitsbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Vielleicht müssten wir dann nicht 132 Jahre auf die Gleichstellung von Männern und Frauen warten, wie der Gender Gap Report 2021 dies errechnet hat. Jetzt kommt es auch auf erfolgreiche weibliche Vorbilder wie Mirijam Trunk an. Eine, die konstruktiv Kritik am männerdominierten Wirtschaftsleben übt, gemeinsame Lösungen vorschlägt und nicht nur draufhaut – auf die alten weißen Männer.

Nach der Osterpause meldet sich der Presseclub am Mittwoch, 19.04.2023, mit einem Gesprächsgast zurück, der von Köln aus ein gewaltiges Handelsreich überblickt. Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group, hat für 2022 beeindruckende Zahlen vorgelegt. Die Umsätze stiegen um gut zehn Prozent auf fast 85 Milliarden Euro. Wir sprechen mit ihm über Lieferketten, Teuerungsraten, die Versorgung der Menschen – und vielleicht auch den 1. FC Köln, dessen Spieler das Rewe-Logo auf der Brust tragen. Melden Sie sich jetzt am besten schon an (info@koelner-presseclub.de).

Live aufgenommen für den Kölner Presseclub: Der Poetry-Podcast von Susanne Hengesbach.
Foto: Sanna Nübold

Möchten Sie gezielt an Ihrer Stimmung arbeiten und sie verbessern? Dann hören Sie in den neuen, live aufgenommenen Poetry Podcast von Susanne Hengesbach rein (klicken Sie auf play). In „Das Teflon-Prinzip“ stellt sie ihren Neffen Conrad und eine besondere Form von „Hirntraining“ vor, von dem wir alle profitieren könnten. Unsere Laune bessert sich dadurch. Sofort ausprobieren!

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine schöne Osterzeit wünscht Ihnen

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 24.03.2023

Von Zauberkünstlern, Energiepolitik und der Gnade des genauen Blicks

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Dr. Nicole Grünewald, Präsidentin der IHK Köln
Foto: Brincker

 

das natürliche Biotop der Zauberkünstler und Magier ist das Varieté. Dort sorgen sie mit ihren Kunststücken für Staunen und gute Laune. Aber es gibt sie auch in der Politik. Da werden bei Parteitagen zwar keine schwebenden Jungfrauen gezeigt, aber da wird schon mal mit schillernden Visionen die Vertreibung aus dem Paradies rückgängig gemacht. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn es um die Energiepolitik geht. Der mühsam ausgehandelte ambitionierte Kohleausstieg 2038 wurde kurzerhand nochmal vorgezogen auf 2030 – das ist nicht übermorgen, das ist morgen!

Nicht machbar, unrealistisch, wird nicht kommen. Das ist das Urteil nicht nur einschlägiger Lobbyisten, man hört es auch zunehmend von Entscheidern in den betroffenen Branchen. Gerade erst hat IHK-Präsidentin Nicole Grünewald im Kölner Presseclub vorgerechnet, dass nach ihrer Berechnung die Hälfte der benötigten Energie im Rheinischen Revier fehlt, wenn 2030 der hiesige Bergbau nur noch in den Geschichtsbüchern  zu finden ist. Was heißt das angesichts der Tatsache, dass sichere und günstige Energie die Region zu einer der wohlhabensten Europas gemacht haben? Was heißt das für einen der bedeutendsten Chemiestandorte, dessen wichtigster Rohstoff Energie ist?  Für Metallverarbeitung, Fahrzeugbau, Industriebetriebe?

 

Um das klar zu sagen: Kein Mensch bei Verstand bezweifelt noch den Klimawandel. Die Versäumnisse beim Aufbau der Erneuerbaren Energie rächen sich und zwingen zu entschlossenem Handeln. Dazu braucht es kraftvollen Optimismus und Visionen einer Zukunft ohne fossile Energieträger. Aber es braucht auch Verlässlichkeit und Vertrauen. Und das wird zum knappen Gut. Schließlich darf ein überhasteter Strukturwandel die Gesellschaft und ihre ökonomische Basis nicht zerlegen. Es muss nach dem Aus für Kohle und Atom zuverlässigen Ersatz geben. Doch der Zubau mit Windenergie, Photovoltaik, Biomasse und Co. verläuft schleppend, die benötigten Gaskraftwerke gibt es überwiegend nur auf dem Papier.

Bald Geschichte – Bagger im Braunkohle-Tagebau

Große wie der Spezialchemiekonzern Lanxess mit seinen rund 14.000 Mitarbeitern haben schon angekündigt, nur noch an anderen (ausländischen) Standorten in neue Anlagen zu investieren. „Schon vor dem Ukraine-Krieg waren die Energiepreise hier dreimal so hoch wie in den USA“, sagt Lanxess-Chef Matthias Zachert in einem Interview. Das habe man durch Technologie-Vorsprung kompensieren können, aber das sei jetzt nicht mehr möglich. „Energie ist ein regionaler Kostenfaktor. Wenn Sie hier produzieren, aber in den USA oder China absetzen, dann sind Sie nicht mehr wettbewerbsfähig.“

Wie Zachert beklagen auch viele Mittelständler nicht nur die unkalkulierbare künftige Versorgungssicherheit bei der Energie. Sie monieren ebenfalls die im Vergleich zu anderen Ländern überlangen und komplizierten Genehmigungsverfahren. Das derzeit massive Werben der USA, die mit hohen Subventionen, günstigen Steuersätzen und kurzen Genehmigungsverfahren locken, entwickelt in einer solchen Situation eine gefährliche Verführungskraft.

Mit besonderen Herausforderungen sind die rund 400 Dienstleister und Zulieferer der Braunkohleindustrie konfrontiert. Der nochmals vorgezogene Kohleausstieg hat sie kalt erwischt. Das erläuterte Meike Jungbluth von der Roskopf-Unternehmensgruppe, bei der Veranstaltung im Kölner Presseclub.  Die Chefin des Aachener Familienunternehmens mit ihren ca. 170 Mitarbeitern muss im laufenden Betrieb jetzt kurzfristig nach komplett neuen Geschäftsmodellen suchen. Das Vertrauen in Politik und Bürokratie ist überschaubar: Sie setzt auf eigene Kraft und Selbsthilfe, indem sie gemeinsam mit der RWTH Aachen ein Netzwerk der Dienstleister im Revier gegründet hat. Motto des Zusammenschlusses: „Die Kohle geht, die Kompetenz bleibt.“

Es scheint zunehmend, als bewohnten Politik und Wirtschaft unterschiedliche Welten. Während in der einen von einer sanften Zukunft in Frieden und Wohlstand geschwärmt wird, sind in der anderen Skepsis und Abwanderungsgedanken zu Hause – und die Befürchtung, das Rheinische Revier könne zum Ruhrgebiet 2.0 werden. Vielleicht sollte man an die Kurt Schumacher zugeschriebene Erkenntnis erinnern: Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.

Die alltägliche Wirklichkeit im Blick hat meine Kollegin Susanne Hengesbach. Es sind oft die kleinen Dinge, die uns ziemlich genau Auskunft geben über den Zustand der Gesellschaft. Diese Gnade des genauen Blicks, die Fähigkeit, im Kleinen das große Ganze zu erkennen, zeigt Susanne Hengesbach wieder in ihrer neuen Podcast-Folge.

Wenn Sie den live gesprochenen Poetry-Slam hören wollen:

 

Prädikat: Unbedingt hörenswert!

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

Newsletter 17.03.2023

Warum ich nie Bauer sein möchte und wir über unser tägliches Brot sprechen sollten – Bühne frei für Susanne Hengesbach und ihren Poetry-Podcast

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

auf keinen Fall würde ich Bauer sein wollen. Das steht sowieso nicht zur Debatte. Diese jähe Erkenntnis überkam mich jedoch erst, als ich mit Jens Lönneker über die deutsche Landwirtschaft und deren Dilemmata sprach.

Was der Psychologe und Geschäftsführer von „rheingold salon“ erklärte, sagt mindestens so viel über uns Konsumenten aus wie über den Gegenstand seiner Forschung, die Bäuerinnen und Bauern in diesem Land. Corona und die Folgen des Ukraine-Krieges konfrontierten uns mit leeren Supermarkt-Regalen. Doch tatsächlich entstand nie gefährlicher Mangel, abgesehen von Mehl vielleicht. Aber da waren Verbraucher am Werk, denen die Sicherungen durchgebrannt sind.

In dieser Situation müsste eigentlich einer Berufsgruppe, die das Land versorgt und es buchstäblich satt macht, Dank, Wärme und Zuneigung zuteilwerden. Doch so war es, anders als in Frankreich etwa, nicht. Wir Menschen außerhalb der Landwirtschaft dankten statt den Bauern dem Handel dafür, dass die Regale nicht dauerhaft leer blieben. Mehr noch: Die Landwirte fühlten sich angegriffen und schon vor den Krisen häufig abgestempelt als Verweigerer von Tierwohl und Nachhaltigkeit. Daher bat deren Verband Jens Lönneker und sein Team um Hilfe.

Der „rheingold salon“ deckte einige Fakten auf: Bauern sind modern, effizient, sie arbeiten mit Drohnen (um Rehkitze vor Mähmaschinen zu retten), pflegen die Landschaft, aber sie schweigen darüber. Wir Verbraucher wollen zwar, dass es den Tieren, die wir essen, zu Lebzeiten gut geht. Dafür bezahlen möchte die überwiegende Mehrheit der Konsumenten aber nicht. Wir wollen übrigens auch alternativ erzeugte Energie, aber sie soll günstig sein. Und wir glauben unerschütterlich an den nächsten Lebensmittelskandal und ebenso, dass er nicht uns betrifft. Wir hätten gerne Qualität zum Discounter-Preis.

Die Krisen, die auf uns lasten, haben unseren Blick geschärft. Selbstverständliches ist nicht mehr selbstverständlich. Wer unter welchen Bedingungen unser täglich Brot produziert – darüber wollen wir vom Kölner Presseclub diskutieren am Dienstag, 28. März, 19.30 h im Excelsior Hotel Ernst, Trankgasse 5, 50667 Köln. Auf dem Podium sprechen miteinander: Susanne Schulze Bockeloh, Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes, Arndt Klocke (MdL-Grüne), langjähriger NRW-Fraktions- und Parteivorsitzender, sowie Jens Lönneker, Mit-Autor des Buches „Zukunfts-Bauer“.

In der Diskussion kommen wir nicht nur Missverständnissen, sondern auch eigener Widersprüchlichkeit auf die Spur. „Heutzutage ist es nicht mehr nötig, ein in sich konsistentes Verhaltensmuster aufzubauen“, hat Lönneker erkannt. Wer sich heute fürs Klima auf die Straße klebt, fliegt morgen nach Asien und fühlt den Widerspruch nicht.

Susanne Hengesbach trägt vor – ein Poetry-Slam zur Altersdiskriminierung. Foto: Martina Goyert

Der Handel inszeniert sich gekonnt. „Die von Rewe versorgen mich und setzen sich der Gefahr von Infektionen aus“, wurde den Psychologen gesagt. Die Bauern sind zu still. Da es kaum noch alltägliche Berührungspunkte zur Landwirtschaft gibt, reifen Vorurteile. Vielleicht sogar auf beiden Seiten? Wir werden darüber sprechen. Denn es geht um nicht weniger als um unser tägliches Brot. Früher war es so wenig selbstverständlich, dass es Bestandteil des Gebetes war, das jeder kennt, des „Vaterunser“.

Szenenwechsel: Artikel von Susanne Hengesbach (kurze Vita hier) haben Sie sicher schon im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gelesen. Unvergessen, wie die Kollegin vor vielen Jahren telefonisch in einem Edel-Restaurant reservierte, dort als Rockerbraut in Lederkluft aufkreuzte und aufschrieb, wie sich das Personal – nach meiner Erinnerung – tapfer schlug. Ihre Serie „Zwei Kaffee, bitte“ hat Kultcharakter: Sie lädt auf der Straße wildfremde Menschen ein und lässt sie darüber berichten, was sie bewegt.

Neulich schickte sie mir eine Sprachdatei und bat mich um eine Einschätzung. Als ich hörte, was sie in wenigen Minuten zur Altersdiskriminierung sagt und wie sie es bitter und böse und dann wieder heiter vorträgt, war ich begeistert. Wenn Sie auf „Play“ klicken, hören Sie den Poetry-Slam von Susanne Hengesbach und erfahren mehr über meine hochgeschätzte Kollegin. Ich zum Beispiel wusste nicht, dass sie Jura studiert hat und nur der Sprache wegen in den Journalismus wechselte. Gut, dass sie es getan hat.

 

An einer Stelle sagt sie zum Thema Alter: „Was das betrifft, würd‘ ich gern Influencerin sein, aber mit Ü 60 nimmt mich kein Schwein“. Nun – das widerlegen wir gerne.

Wenn die Sonne dieser Tage zwischen den Regen- und Schneeschauern einen ihrer kurzen Auftritte hat, verheißt sie Frühling. Hoffen wir, dass sie bald Ernst macht.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls