NEWSLETTER 14.02.2025
Kölner Azubis im vergammelten Berufskolleg – Offener Brief an die Oberbürgermeisterin
Liebe Mitglieder des Kölner Presseclubs,
liebe Freundinnen und Freunde,
gibt es in Köln eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, wenn es um den Schulbau geht? Während einige Schulen zügig saniert oder neu gebaut werden, kämpfen andere seit Jahren mit maroden Gebäuden, Platzmangel und unhaltbaren Zuständen. Besonders betroffen: handwerkliche Berufskollegs. Ein aktuelles Beispiel ist das Berufskolleg 10 in Köln-Porz. Seit Jahren steht ein Neubau im Raum – passiert ist: nichts. Der Unterricht von 1.200 Schülern musste auf verschiedene Standorte verteilt werden. Statt moderner Lernräume gibt es Modulbauten, oft ohne Werkstätten oder Labore
„Die berufliche Ausbildung scheint in der Stadt weder Priorität noch eine starke Lobby zu haben – mit fatalen Folgen für Schüler, Unternehmen und die gesamte Wirtschaft“, sagt Marc Schmitz, Obermeister der Sanitär-, Heizungs- und Klima-Innung (SHK) Köln, und bringt es auf den Punkt: „Die Stadt hat Millionen für den Schulbau eingeplant, aber die Berufsausbildung bleibt auf der Strecke.“
Der bauliche Zustand des Berufskollegs in Porz ist seit über 35 Jahren katastrophal. Marc Schmitz erinnert sich: „Schon während meiner Ausbildung dort hieß es: Ein Neubau muss kommen. Heute – Jahrzehnte später – ist es nur noch schlimmer geworden.“ Schimmel, Wasserschäden durch Rohrbrüche, fehlende Fluchtwege – unter solchen Bedingungen verliert jede Ausbildung an Attraktivität. Die Folge: „Viele junge Leute geben auf. Ich hätte auch keine Lust in so einer Bruchbude meine Ausbildung zu machen.“
Im Januar hatten drei Kölner Handwerksinnungen genug. Die SHK-Innung, die Schornsteinfeger-Innung, die Innung für Metalltechnik sowie der schulische Förderverein richteten einen offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Forderung: Den Neubau endlich beschleunigen. Doch ein Blick auf die Prioritätenliste der Stadt zeigt das Problem: Das Berufskolleg 10 steht – nach Angaben aus dem Rathaus – auf Platz 71 von 207 Schulbauprojekten. Drei andere Berufskollegs in Köln haben immerhin Sanierungspläne – mit Fertigstellungen für 2028 und 2031. Auch nicht gerade schnell.
Warum bleibt das Handwerk auf der Strecke? An fehlendem Geld kann es nicht liegen. 2017 beschloss der Stadtrat 745 Millionen Euro für den Schulbau, 2020 folgte eine Aufstockung auf 1,7 Milliarden Euro. Seit 2022 gibt es außerdem die Kölner Schulbaugesellschaft, die den Sanierungsstau weiter auflösen soll. Mit sichtbaren Erfolgen. Doch bei Kölner Handwerksbetrieben entsteht der Eindruck, dass sie als „zweite Wahl“ behandelt werden – mit negativen Auswirkungen für eine ganze Generation von Auszubildenden und für die Wirtschaft, erläutert Marc Schmitz: „Wenn hier die Bedingungen schlecht sind, entscheiden sich junge Menschen am Ende gegen eine Karriere im Handwerk.“
Mein Newsletter und Nachfragen bei der Stadt bringen offenbar Bewegung in die Sache. Die Kölner Schulbaugesellschaft, die die Projektverantwortung für den Neubau In Porz übernommen hat, reagiert auf den offenen Brief. Demnach laufen seit Januar Angebotsprüfungen – ein verbindliches Angebot werde frühestens im Mai erwartet. Die Fertigstellung sei für 2031/32 geplant. Bis dahin bleibe der Schulbetrieb auf zwei Standorte verteilt – mit provisorischen Lösungen. Und genau das macht den Handwerksbetrieben ernste Sorgen. Denn Provisorien in Köln – das wissen wir alle – werden oft zu Dauerlösungen.
Am heutigen Freitag soll Baudezernent Markus Greitemann nach Köln-Porz kommen. Er will sich mit der Schulleitung und der Schulbaugesellschaft abstimmen. Seine Aussage mir gegenüber klingt vielversprechend: „Das Berufskolleg ist für die berufliche Bildung in unserer Stadt von großer Bedeutung.“ Marc Schmitz freut sich, dass es endlich vorangeht, ist aber gleichzeitig skeptisch und sagt mir: „Wir halten den Druck auf dem Kessel aufrecht!“
Die Politik betont stets die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Doch solange junge Menschen in maroden Berufskollegs lernen müssen, bleibt das doch eine hohle Phrase. Gerade die technischen Handwerksberufe brauchen immer mehr Abiturienten. Aber wer würde seinem Kind eine Ausbildung empfehlen, wenn die Lernbedingungen so katastrophal sind? Ohne gut ausgebildete Handwerker ist die Energiewende ein leeres Versprechen. Denn Wärmepumpen, Solaranlagen und neue Heiztechnik installieren sich nicht von selbst.
Das letzte Wort hat Susanne Hengesbach, die sich mit einem jahrzehntelangen Ärgernis beschäftigt: In Köln wird viel über Aufenthaltsqualität diskutiert. Am Brüsseler Platz sollen Menschen am Wochenende abends nicht mehr verweilen – selbst dann nicht, wenn sie sich nur leise unterhalten. Susanne Hengesbach wirft in ihrem Poetry-Podcast „Verweilverbot“ die Frage auf, weshalb man dort nicht einfach die Hauptursache für den nächtlichen Lärm verbietet – den Alkohol auf der Straße. Den link finden Sie hier.
Viel Spaß beim Hören.
Es grüßt
Ihre Claudia Hessel