NEWSLETTER 6.09.2024

15 Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs ist der Fall rechtlich abgeschlossen – ohne Urteil. Das bringt nur Verlierer hervor.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Sie kennen das Loch. Es hat sich im Gedächtnis vieler Kölner eingebrannt: die Vogelperspektive von der Einsturzstelle des Stadtarchivs am Waidmarkt. Das Unglück begann am 3. März 2009, 13:58 Uhr. Vorausgegangen waren gravierende Fehler beim Bau der U-Bahn, wie die Ermittlungen zeigen werden. In unmittelbarer Nähe sei eine 27 Meter tiefe Baugrube durch eine geborstene Schlitzwand mit Wasser und Sand vollgelaufen, heißt es später. Dem Archiv wurde auf diese Weise der Boden entzogen und es stürzte ein. Das Loch riss zwei Menschen in den Tod, eine Frau nahm sich später das Leben, im Loch verschwand Geschichte – unwiederbringliche Dokumente unserer 2.000 Jahre alten Stadt. Noch heute klafft es wie eine Wunde, die einfach nicht verheilen will. Die Trauer. Die Wut. Die Fassungslosigkeit. Ich spüre das alles heute noch wie damals.

Und nun kommt da vor wenigen Wochen, in der Hochphase der Sommerferien, folgende Meldung des Landgerichts Köln: Das Strafverfahren um den Archiveinsturz wird unter Auflagen vorläufig eingestellt – 15 Jahre nach dem Unglück. In der Begründung folgt ein Satz, den ich zwei Mal lesen musste. „Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ist gesunken.“ Das versteht manch‘ Kölner so, als wollten die Richter an der Luxemburger Straße die Geschichtsbücher umschreiben. Wie soll ein Interesse an diesem einschneidenden Ereignis derart gesunken sein?

Es ist vermutlich der Schlusspunkt eines juristischen Verfahrens, das mindestens als unglücklich bezeichnet werden darf. Ohne dem Gericht etwas Böses unterstellen zu wollen, so ist offensichtlich bei vielen Kölnern der Eindruck entstanden, dass dieser Prozess gar kein richtiger gewesen sei. Das liegt unter anderem an den umfangreichen Verfahrensregeln, der langen Prozessdauer, an einer fehlerhaften Urteilsbegründung und eben dieser fragwürdigen Wortwahl bei der Einstellung des Verfahrens, die dem allgemeinen Bauchgefühl widersprechen mag.

Dennoch mahne ich auch zu einem Perspektivwechsel: Neben den vielen Opfern des Einsturzes lohnt sich auch ein Gedanke über die vier Angeklagten. Sie werden wahrscheinlich nie ein Urteil erhalten. Sollten sie unschuldig sein, wären auch sie Verlierer dieses langjährigen Prozesses. Der schwerste Vorwurf in den Anklagen lautete: fahrlässige Tötung in zwei Fällen. Bauleitern und einer Aufsichtsperson wurde unterstellt, sie hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Auch ein Baggerfahrer und ein Polier saßen auf der Anklagebank. Die Beweisaufnahme ergab: Zwischenfälle an der Baustelle am Waidmarkt häuften sich. Schon vier Jahre vor der Katastrophe kam es zu ersten Fehlern, die letztendlich im Einsturz mündeten.

Viele Jahre nachdem die Anklage verlesen wurde, beginnt die erste Phase, die den Glauben an ein geordnetes Gerichtsverfahren erschüttern kann. Das Verfahren dauert schon so lange, dass die absolute Verjährung droht. Und: gegen zwei Anklagte werden keine Urteile fallen. 2018 wird einer von ihnen so krank, dass gegen ihn nicht mehr verhandelt werden kann. Und der andere? Er stirbt. Auch seine Akte wird geschlossen.

Kurz vor Ablauf der Frist fielen doch noch Urteile. Zwei Mal gab es Bewährungsstrafen wegen zweifacher fahrlässiger Tötung für einen Oberbauleiter und eine Aufsichtsperson der Verkehrsbetriebe. Für zwei Bauleiter lautete das Urteil: Freispruch. Stellen Sie sich das mal vor: nach fast zehn Jahren auf der Anklagebank, mit all den Vorwürfen und der öffentlichen Berichterstattung werden Sie freigesprochen! Wie muss man sich da fühlen?

Der rechtliche Teil dieses Unglücks könnte an dieser Stelle enden. Doch es wird noch dramatischer. Auch das Landgericht ist ein Verlierer – möglicherweise selbst verschuldet. Der Bundesgerichtshof hebt im Herbst 2021 alle vier Urteile auf. Sind die Freigesprochenen also doch schuldig und die Verurteilten unschuldig? Der Fall wird vom BGH, fast zwölf Jahre nach dem Einsturz, an das Landgericht Köln zurückverwiesen. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse seien nicht adäquat in die Urteile eingeflossen, heißt es aus Karlsruhe. Alles soll noch einmal aufgerollt werden.

Soweit kommt es nicht. 15 Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs stellte das Landgericht Köln den Prozess gegen die vier Anklagten nun ein. Die lange Verfahrensdauer hat ihren Teil zu dieser Entscheidung beigetragen. 15 Jahre Verfahren, ohne Urteil. Quasi „lebenslang“ auf der Anklagebank. Eine faktische Bestrafung, ohne bestraft zu werden.

Das Gericht sagt zur Begründung, abgesehen vom angeblich gesunkenen öffentlichen Interesse, das Unglück selbst sei durch das Strafverfahren „hinreichend aufgeklärt“ worden. Dem widerspricht die Initiative ‚Archivkomplex‘, die eine Petition gestartet hat und die Entscheidung als „Schlag ins Gesicht der Opfer“ bezeichnet. Die Petition richtet sich an den Präsidenten des Landgerichts, der das Verfahren wieder aufnehmen soll. Günter Otten von „Archivkomplex“ sagte mir, die Chancen seien wohl gering. Aber es gehe ihm auch nicht um Strafe, sondern um Aufklärung, angesichts dieses entsetzlichen Unglücks und seiner Folgen. Otten bezweifelt auch, dass die wirklich Verantwortlichen je angeklagt wurden.

Die Einstellung des Verfahrens kann ich nachvollziehen. Ein Gerichtsverfahren darf nicht 15 Jahre dauern und kann, gut abgewogen, vorläufig beendet werden. Die Belastung des Verfahrens muss für die Angeklagten berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite verstehe ich dem Wunsch nach weiterer Aufklärung – auch juristisch. HIER können Sie die Petition von „Archivkomplex“ unterschreiben.

Allen Opfern, Hinterbliebenen und Helfern, die Sache zu bewältigen und aufzuklären, wünsche ich weiterhin viel Kraft.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr
David Rühl

NEWSLETTER 30.08.2024

Wie parteiisch in Köln Politik gemacht wird und Bezirksbürgermeister Hupke auf einen falschen Weg geriet

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Zufälle häuften sich im Juni in Köln auf wundersame Weise. Zufällig klagten sechs BürgerInnen gegen Verkehrslärm auf der Luxemburger Straße. Zufällig hatte die Verwaltung eine Einschätzung zur Hand, ohne Gerichtsbeschluss und Lärmgutachten müsse auf diesem Haupteinfallstor nun Tempo 30 eingeführt werden. Zufällig standen Verkehrsdezernent Egerer neue Schilder zur Verfügung. Nicht zufällig erklärte Oberbürgermeisterin (OB) Reker in der Kölnischen Rundschau (KR), der Dezernent habe solche Schritte nicht mit ihr abzustimmen. Die KR-Kollegen fragten sie danach.

Die der Stadt übergeordnete Kommunalaufsicht setzte dem Spuk ein Ende. Das war kein Zufall. An einer Bundesstraße wie der Luxemburger darf auch der Mobilitätsdezernent nicht herumschrauben. Denn mehr als 300.000 Menschen pendeln täglich nach Köln. Mit Rad und Auto. Oder mit Bahn und KVB, die verlässlich unzuverlässig sind. Doch war das womöglich alles kein Zufall, sondern ein abgekartetes Spiel? Wird in Köln Politik in Hinterzimmern gemacht? Wissen wenige mehr, als wir wissen sollen?

Ein Vorfall machte mich nachdenklich. Ich erfuhr, der Bezirksbürgermeister Andreas Hupke habe einen Briefentwurf, der bereits seinen Namen in der Anrede trug, in einer Vereinsversammlung mitberaten. Später, der Brief an ihn war veröffentlicht, verwandelte der Vereinsfreund sich zurück in den vermeintlich unparteiischen Bezirksbürgermeister. Hupke begrüßte das Schreiben, zu dessen Formulierungen er selber beigetragen hatte.

Es ging um das Eigelstein-Viertel sowie den „Bürgerverein Eigelstein“, der eines sicher nicht tut: für alle Bürger dort zu sprechen. Schon wieder Eigelstein? Lesen Sie trotzdem weiter. Das nächste Mal könnte es um Sie selber gehen. Vor gut drei Jahren beriet der Bürgerverein in einer Video-Konferenz – es war Corona-Zeit – ein Schreiben. „Sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Hupke“ stand darüber. Spätestens jetzt hätte Andreas Hupke, Teil dieser Konferenz, sich verabschieden müssen. Das sagen Amtsverständnis und Anstand. Doch er blieb. Ich mochte es nicht glauben. Doch Hupke bestätigte, „an der vereinsinternen Videokonferenz mit beratender Stimme teilgenommen“ zu haben. Hier sein Wortlaut.

Nach der Beratung hieß der Entwurf „Hilferuf“.  In ihm wurde von „extrem giftigen Gasen“ durch Grills geschrieben, ohne dies zu belegen. Um Hilfe wurde unter anderem gerufen, weil „auswärtiges Publikum“ vor Restaurants auf dem Bürgersteig ansteht, bis es drankommt. Im Gegensatz zu Kölner Abendmeilen ist die Weidengasse übrigens bis auf eine Nachtbar alkoholfrei.

Als der Brief veröffentlicht wurde, war Hupke wieder als Bezirksbürgermeister unterwegs. In einem Artikel unseres Partners „24RHEIN“ begrüßte er den „Hilferuf“ und setzte einen drauf. „Da sind sechs Lokale auf einer Fläche von Briefmarkengröße“, zitiert die Autorin. Qualm der Lokale nennt er „Super-Feinstaub“. Der sei nicht nur geruchsbelästigend, sondern auch gefährlich. „Das halten die Menschen nicht mehr aus.“ Doch „die Verwaltung hat da keinen Willen.“ Ich muss hinzusetzen: Bis heute hat die Verwaltung keine Werte, die diese Behauptung rechtfertigen. Letztmalig teilte das im Mai 2024 Umwelt-Dezernent William Wolfgramm (Grüne) dem „lieben Andreas“ schriftlich mit. Korrigiert hat Hupke sich nicht. Welche Rolle die vielbefahrenen Bundesbahngleise im Feinstaubaufkommen an Weidengasse und Eigelstein spielen, ist unbeantwortet.  „Wer hier isoliert die türkischen Grills herausgreift, sucht einen Sündenbock, wie mir scheint. Ebenso frage ich mich, ob man eine gastronomische Kultur, die über Jahrzehnte gewachsen ist, aus dem Weg haben will, nur weil sie stört“, merkt Jochen Ott an, SPD-Fraktionschef im Landtag. Andernorts in Köln gebe es keine Klagen. Ott macht, seit schwarz-grün regiert, Konfrontation und mangelnde Bereitschaft zum Kompromiss aus, wie etwa Deutzer Freiheit oder die Gleuler Wiese zeigen.

Thomas Kemmerer ist in der Chefredaktion der Ippen Digital Zentralredaktion unter anderem für 24RHEIN zuständig. Auch ihn habe ich um seine Einschätzung gebeten. „Wenn Herr Hupke als Bezirksbürgermeister dabei war, als der „Hilferuf“ an ihn selbst erstellt wurde, ist das schon ziemlich bizarr. Amt und Anliegen müssen getrennt sein. Es grenzt an Manipulation und Missbrauch der Öffentlichkeit, dass Herr Hupke diesen Umstand im Gespräch mit unserer Reporterin verschwiegen hat,“ sagt er.

Das Doppelspiel ordnet, was bislang Fragen bei mir aufwarf. Es lässt einen verfilzten, von rigider Parteinahme geprägten Politikstil erkennen. Beispiel? Die Kunsthändlerin Antje Hegge sammelte als Reaktion auf den „Hilferuf“ 300 Unterschriften für einen mehrsprachigen Aufruf, in dem sie sich von der „konfrontativen Haltung“ des Bürgervereins abgrenzt. Sie schrieb an OB Reker sowie den Bezirksbürgermeister Hupke, und bat um Vermittlung in der polarisierten Stimmung des von Migranten geprägten Viertels. Die einzige Reaktion: Der Amtsleiter Innenstadt, Dr. Andreas Höver, forderte Hegge brieflich auf, das Gespräch mit dem Bürgerverein zu suchen. Andreas Hupke hat sich nie gemeldet.

Dabei gäbe es Grund genug. Die Situation ist verfahren, das Viertel gespalten. Das Umweltamt fordert die sofortige Stilllegung von Grills, in die zigtausende Euro in Abluftanlagen investiert wurden und die Wirte wehren sich mit Klagen. Die Stadt spricht von Geruch, der Bürgerverein von giftigen Gasen. Wer mit Existenzen spielt, wer Menschen indirekt unterstellt, andere zu vergiften, sollte sich nicht wundern, wenn die Stimmung kocht. Vermittlungsversuche des CDU-Fraktionsvorsitzenden Petelkau verliefen ergebnislos. Welche Aufsicht ist zuständig, wenn es ums Miteinander geht?

Themenwechsel. „Die überforderte Nächstenliebe“ heißt unsere Presseclub-Veranstaltung am Donnerstag, 26. September, 19.30 h, im Excelsior Hotel Ernst. Können wir die Welt noch mit Spenden retten? „Jede noch so kleine Hilfe verändert Leben“, sagt unser Gast Rebecca Trienekens. In Uganda/Ostafrika fördert die Unternehmerin ein Projekt, in dem junge Frauen über Monatshygiene aufgeklärt werden und lernen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Pfarrer Franz Meurer formuliert eine globale Aufgabe: Wir müssen alles zusammenhalten. In Köln und in der Welt. Das wird zunehmend schwierig. Und doch schafft der katholische Geistliche es, Zuversicht zu vermitteln. Malteser International – Douglas Graf Saurma spricht für das Hilfswerk – verändert Alltag von Flüchtlingen und Not-Leidenden. Im Süd-Sudan, dem Kongo oder Uganda konnte ich mich persönlich überzeugen. Vielleicht machen wir die Welt erklärbarer und können daraus Optimismus schöpfen.

Ich wünsche Ihnen Kraft in diesen Zeiten, die uns alle fordern.

Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 23.08.2024

Kölsch in der Krise. Warum es in Köln nicht mehr gut läuft

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ja, wir müssen reden. Mal nicht über die Domplatte, nicht über den Verkehr, nicht über die Opernbaustelle, sondern über das flüssige Kulturgut dieser Stadt: das Kölsch. Auch das läuft offenbar nicht mehr so richtig. Der Bierkonsum in ganz Deutschland sinkt stetig. 2023 verzeichneten deutsche Brauereien einen Rückgang der Bierverkäufe um 4,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Rückgang betrifft auch unser Kölner Nationalgetränk. Zwar schrumpft der Gesamtbiermarkt in Deutschland schneller als der Kölsch-Markt, aber auch dieser kann sich dem Abwärtstrend nicht entziehen. Das ist besonders bemerkenswert in einer Stadt, die normalerweise keine Gelegenheit auslässt, ihre kölschen Eigenheiten zu feiern und zu preisen: Kölsch, Kirche, Karneval. Dieser Spruch prägt seit vielen Jahren das Image dieser Stadt. Und jetzt das: Köln trinkt weniger Kölsch!

Die Lage ist offenbar sehr ernüchternd. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Kölner Brauereien ist jetzt deswegen eine gemeinsame Aktion für unser lokales Bier gestartet: „Kölsch verbindet“, steht auf den Plakaten, auf denen zwei Kölschstangen anstoßen – und das ohne eine Markennennung, wie sonst üblich in der Werbung. Den Initiatoren geht es um mehr als nur ein Bier, es geht um ein Stück Köln, um Tradition, um Zusammenhalt. Im Grunde offenbart die Kampagne aber, dass ein wichtiger Wirtschaftszweig in Köln an Prosperität verliert. Kaum einer weiß noch, dass „Kölsch“ erst 1997 als geografisch geschützte Bezeichnung anerkannt wurde, was den Kölner Brauern damals half, ihre Existenz zu sichern. Davor gab es jede Menge Wildwuchs auf dem Biermarkt. Heute, mehr als 25 Jahre später, ist das Glas wieder halb leer.

Wer aus Köln kommt, ist mit Kölsch aufgewachsen. Keine Familienfeier, keine Hochzeit, kein Geburtstag, sogar keine Beerdigung ohne Kölsch. Und die Kinder mittendrin. Zapften, reichten den Kranz rum oder durften auch schon mal probieren. Da ist die Liebe zum Kölsch quasi in der Kölner DNA. Eine Verbundenheit, die „Immis“ erst noch lernen müssen, vor allem die jüngeren. Diese Generation greift auf Partys eher zu Lifestyle-Getränken statt zum Kölsch. Das Problem ist aber offenbar nicht nur eine Generationenfrage.
Die Gastronomie kritisiert mehr: Es fehle an Würdigung, an Aufmerksamkeit, an einer angemessenen Bühne für die lokale Spezialität.

„Kölsch darf nur in Köln gebraut werden“, klärt Melanie Schwartz-Mechler auf. Die 41-jährige Kölnerin ist nicht nur Geschäftsführerin der traditionsreichen Brauerei zur Malzmühle, sondern auch im Vorstand des Kölner Brauerei-Verbandes. Für sie ist das Besondere an Kölsch seine Leichtigkeit. Das passe einfach gut zur lockeren Mentalität unserer Stadt. Denn nirgendwo fühlen sich Fremde so schnell willkommen wie im Kölner Brauhaus. Übrigens hat die Domstadt nach München die höchste Brauereidichte. „Heimat ist da, wo Kölsch nicht nur gesprochen, sondern auch getrunken wird, und das müssen wir wieder stärker herausstellen“, meint Melanie Schwartz-Mechler. „Das schaffen wir aber nur, wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen – von der Stadtspitze, über die Brauereien bis zum einfachen Kölschkneipen-Gänger.“

In diese Aufbruchsstimmung mischen sich aber auch einige kritische Töne, die das Verhältnis von Kölsch und der Stadt hinterfragen. Für sie ist die Identifikation mit Kölsch und dem dazugehörigen Brauchtum ein Indiz dafür, dass Köln in bestimmten Bereichen zurückbleibt – sei es in Bezug auf Innovation, Stadtentwicklung oder gar Sauberkeit. Wenn das tatsächlich zutreffen sollte, schadet die Kölschduselei auch wichtigen Standortfaktoren. München wird beispielsweise auch nicht über Weißbier oder Berlin über Berliner Weiße definiert, und Düsseldorf nennt sich gerne Landeshauptstadt und nicht die Stadt des Altbieres. Über die „Marke Köln“ sollte wieder ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden, finde ich. Denn Köln hat viele Herausforderungen, die weit über die Frage von Kölsch und Kölner Selbstverliebtheit hinausgehen. Probleme wie Infrastruktur, Bauen oder Verkehr resultieren aus unseren komplexen städtischen Strukturen. Deshalb ist für mich Kölsch eher ein kulturelles Symbol, das die Identität unserer Stadt prägt und weniger der „Sündenbock“ für die Probleme. Wer unsere lokale Spezialität unterstützen will, muss halt öfter zum Glas Kölsch greifen, statt zum Glas Wein.

An eine der vielen Herausforderungen unserer Stadt schließt unsere erste Podiumsdiskussion nach der Sommerpause am Donnerstag, den 12. September 2024, um 19:30 Uhr im Hotel Excelsior an: „Aus für die Wunschkonzerte in Köln? Wieviel Kultur kann sich die Stadt noch leisten?“

Es diskutieren mit mir: Stefan Charles, Kulturdezernent der Stadt Köln, Annette Imhoff, Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums, und Dr. Matthias Hamann, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums. Wir gehen der Frage nach, ob Projekte wie die Historische Mitte, die anstehende milliardenschwere Sanierung der Philharmonie und eine fertige Oper Köln nur noch Wunschkonzerte bleiben. Wie kommt es, dass ein privatgeführtes Museum jährlich mehr Besucher hat als alle städtischen Museen zusammen? Gleichzeitig lenken wir den Blick aber auch auf das, was gut läuft und was angesichts knapper Haushaltskassen in Köln kulturell überhaupt noch Zukunft hat. Zur Anmeldung geht’s hier: info@koelnerpresseclub.de

Ich freue mich auf Sie und grüße Sie herzlich,

Ihre
Claudia Hessel

NEWSLETTER 16.08.2024

Wie die AfD in Köln Politik beeinflusst, ohne einen Finger zu rühren, die SPD sich klein macht und ein Kunstwerk die Schwäche der Stadt widerspiegelt

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

grabe heute Nacht, wenn am Rhein der Vollmond aufgegangen ist. Dort wartet eine Kiste voller Erkenntnisse. Du findest sie aber nur, wenn Du nicht an ein Nilpferd denkst. Bis heute wurde die Kiste nicht entdeckt, denn die Grabenden dachten fortwährend: „Ich darf nicht an ein Nilpferd denken“.

Entschuldigen Sie, dass ich uns so ungewöhnlich aus der Sommerpause zurückmelde. Aber es ging mir darum auszudrücken, dass der Wunsch, etwas zu ignorieren, nicht linear umzusetzen ist. Im Gegenteil. Ich kann zwar äußerlich so tun, als ignorierte ich etwas. Doch beherrscht dieser Gegenstand zumindest innerlich das Denken und mitunter auch das Handeln. Der Anlass für diese Gedanken ist ernster, als es das Bild vom Schatzsucher vermuten lässt. Es geht um den Umgang mit der AfD.

Christian Joisten, SPD-Fraktionschef im Kölner Rat, machte sich in einer Mail an seine Fraktion Gedanken um das Jahrhundertprojekt Ost-West-Achse und darum, welche Rolle die AfD – sie ist im Rat mit vier von 90 Sitzen vertreten – dabei in Köln spielen könnte. Kern seiner Ausführungen: Seine Partei dürfe nicht „an einem Vorgang mitwirken, der ein >Wirksamwerden< der AfD überhaupt möglich macht“. Joisten ist in Sorge, die AfD könne Zünglein an der Waage sein und ein in geheimer Abstimmung herbeigeführtes Ergebnis für sich reklamieren. Mit diesem Argument will er den SPD-Vorschlag nicht weiterverfolgen. Der Spitzenpolitiker meldet damit seine Partei aus der Debatte um DAS Kölner Thema ab.

Joisten mutmaßt, wie die AfD entscheiden könnte, Joisten mutmaßt, wie sie sich öffentlich verkauft, Joisten weiß, wann sie „wirksam“ würde. Die AfD, mit der er nichts zu tun haben will, ist nicht nur fest in seinem Kopf verankert, er macht auch Entscheidungen seiner Partei von ihr abhängig. Eigentlich sollten die Bürgerinnen und Bürger Kölns diesen prominenten Platz im Kopf des Fraktionschefs einnehmen.

Folgte alle Politik in Köln diesen Regeln, könnten die Rechtspopulisten sich die Hände reiben. Sie hätten nicht nur die anderen zu ihren Bütteln gemacht, sie könnten sogar indirekt die politische Agenda bestimmen. Denn auch wenn wir in einer Angelegenheit nicht entscheiden, entscheiden wir dennoch, denn selbst Nichtstun ist eine Entscheidung. Der Verantwortung entgeht man nicht, indem man die Augen verschließt.

Wenn es einen gibt, der aus innerer Betroffenheit sensibel über den Umgang mit der AfD denkt, müsste es Dr. John Akude sein, afrodeutsches CDU-Mitglied im Kölner Rat. Doch der ist gelassen. „Die Interessen der Bürger müssen unsere Richtschnur sein“, sagt der 60jährige. Ein Abstimmungsverhalten in einer reinen Sachfrage – wie der eines Tunnels – von den Rechtspopulisten abhängig zu machen, erreiche eher das Gegenteil. „Das ist doch nur Wasser auf deren Mühlen.“ Eher sollte man schauen, welche Versäumnisse die Partei groß werden ließen und hier Abhilfe schaffen.

Was ist nur los mit der SPD? 2020 erzielte Andreas Kossiski, Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl, noch einen Achtungserfolg und zwang Henriette Reker in die Stichwahl. Danach zeigte die Partei ihm die kalte Schulter. Seither ist die SPD eher durch Beschäftigung mit sich selbst aufgefallen, als durch Gestaltungsvorschläge. OB-Kandidaten? Bisher Fehlanzeige. Vielmehr lote die Partei ein Bündnis mit den Grünen aus, um die parteilose Stadtkämmerin Dörte Diemert als OB-Kandidatin zu unterstützen, wird geraunt. Das Gerücht mag man nicht glauben. Denn zur programmatischen Eigenblockade träte dann noch der demonstrative Verzicht, das Spitzenamt dieser Stadt zu besetzen. Eine Partei ohne Anspruch. Wofür stünde sie noch? Für ein wenig Geklimper auf dem Klavier der Macht?

Dabei fällt der 2025 anstehenden OB-Wahl entscheidende Bedeutung zu. Wie in Deutschland nach den Jahren Angela Merkels, in denen konsequent verwaltet und nur im Notfall gestaltet wurde. In zentralen Fragen wie der Ost-West-Achse hänge die Stadt fest, erschöpfe sich im Klein-Klein und leide unter einer Verkehrspolitik, in der keiner zufrieden sei, egal ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer. Das sagt Paul Bauwens-Adenauer, als einflussreiches CDU-Mitglied ein Freigeist geblieben.  

Mit ihm sprach ich über die Debatte um die Skulptur „Standortmitte“. Zwei fünfzig Meter hohe Stelen, die in Köln und Bonn die erste Autobahn Deutschlands markieren und sie zum Kunstwerk machen. In Köln soll nicht nur eine verlängerte KVB-Trasse so eng an dem Objekt vorbeigeführt werden, dass es seiner Wirkung beraubt wird. Tatsächlich spiegelt das Objekt im Kleinen, was Bauwens-Adenauer im Großen an der Stadt kritisiert: fehlende Führung, fragmentarische, an den Augenblick geknüpfte Politik, Konzeptionslosigkeit, die im Ergebnis zu Beliebigkeit führt, von Plan oder Vision gar nicht zu reden.

Als die Stadt Köln dem Künstler Lutz Fritsch vertraglich das Urheberrecht für sein Werk zusicherte, lag bereits seit 16 Jahren ein Ratsbeschluss für die Erweiterung der Bahnlinie vor. Als die Planer die Verlängerung dann planten, nahmen sie die Standortmitte erst gar nicht wahr. Sie schufen Umstände, die eine – überdies attraktive – Umgehung der Kunst angeblich nicht mehr zulassen. Wer jetzt nach Verantwortung fragt, kennt Köln nicht. Schuld ist nie jemand. Am Ende des Tages regiert nur der Sachzwang, der in eigener Unterlassung wurzelt.

Es wäre hilfreich, wenn es gelänge, ihn abzuwählen.  

Herzlich grüßt mit guten Wünschen
Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 21.06.2024

Wie geht es mit dem Dom Hotel weiter? Über das Domumfeld, Kölner Stadtbild und einen neuen Eröffnungstermin

 

Sehr geehrte Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
 
am Kölner Roncalli-Platz pulsiert das Leben! Sommerkonzerte mit Starbesetzung, Prozession, Weihnachtsmarkt, politische Veranstaltungen und unendliche Touristenströme. Aber auf dem Platz, der nach einem Papst und nicht nach einem Zirkus benannt ist, liegt irgendwie kein Segen. Hiobsbotschaften häufen sich: Die „Historische Mitte“ ist Geschichte. Das Römisch-Germanische Museum bleibt noch mindestens fünf Jahre geschlossen und verlottert zusehends –  da nutzen auch die schön gestalteten Bauzäune wenig. In einigen Jahren müssen Museum Ludwig und Philharmonie saniert werden. Kurz: Kölns Zentrum rund um den Dom bleibt auf Jahre eine Dauer-Baustelle.Licht am Ende des Tunnels zeigte sich mir aber bei einer Baubesichtigung des legendären Dom Hotels mit dem Chef der Althoff-Gruppe.
 
Das Schlimmste ist überstanden. Wir sind auf der Zielgeraden. Es dauert weniger als ein Jahr bis wir eröffnen. Auch wenn es jetzt zu einer erneuten kleinen Verzögerung gekommen ist, das Warten lohnt sich,“versichert mir Thomas Althoff, der mit seinem Unternehmen das Fünf-Sterne-Plus-Hotel betreiben wird. Leider reiht sich auch das Dom Hotel ein in die Reihe der Großbauprojekte am Weltkulturerbe, deren Fertigstellung länger dauert als geplant. „Wir und auch die Stadt Köln müssen dem Investor sehr dankbar sein, dass er zwischenzeitlich nicht abgesprungen ist,“beteuert Althoff.
 
In Köln bauen – immer eine Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Als die Sanierung im Mai 2013 losging, sollte das Haus eigentlich 18 Monate später wieder öffnen. Es kam, wie es kommen musste: Der zweite Weltkrieg hatte dem Prachtbau aus wilhelminischer Gründerzeit, dem Hôtel du Dôme  –  wie es damals hieß –  schwer zugesetzt. Beim Wiederaufbau verwendeten die Arbeiter offenbar alles, was sie in die Finger bekamen, berichtet mir Thomas Althoff bei unserem Rundgang durch den Rohbau. Und genau diese gefrickelten Arbeiten der 50er Jahre sorgen heute für Probleme, heißt es. Wegen umfangreicher Baumängel zog die Versorgungskammer Bayern als Eigentümerin die Reißleine: Abriss statt Sanierung. Seit 2018 wird das Gebäude bis auf die denkmalgeschützte Fassade und das Treppenhaus also komplett neu gebaut. Ach, hätte man bei der Oper auch mal so stringent gehandelt, mag es jetzt manchem durch den Kopf gehen.
 
Zurück zur staubigen Baustelle, die ab 2025 ein Grandhotel sein wird. Mindestens 200 Arbeiter sind zur Zeit täglich zugange. Ganz oben gibt es einen fantastischen Blick auf die schönen Seiten Kölns. Auch die gibt’s. Vor allem der Dom ist zum Greifen nah. „So nah wie hier in Köln kommen Hotelgäste nirgendwo einem Weltkulturerbe,“ weiß Althoff.

 

Der Kölner Unternehmer, der unter anderem auch das Grandhotel Schloss Bensberg führt, hat keine Sekunde gezögert, als die Betreiber-Anfrage für ein Fünf-Sterne-Plus-Hotel kam. Die Bayerische Versorgungskammer hatte 2009 das gesamte Dom-Carré erworben. Dazu gehören neben dem Hotel noch das benachbarte Blau-Gold-Haus sowie zwei weitere neue Häuser: eines an der Straße Am Hof, das andere am Wallraf-Platz. Im Dom Hotel entstehen 130 Zimmer darunter 18 Suiten. Für den Hotelier geht ein Kindheitstraum in Erfüllung: „Schon als kleiner Junge stand ich mit meinen Eltern vor den goldenen Buchstaben am alten Eingang des Dom Hotels und fand es wunderschön,“ erinnert sich Thomas Althoff. Viele Jahre später ist er fast am Ziel. Nur wird das neue Dom Hotel nicht ganz so ausschauen, wie wir es zuletzt kannten.
 
Auf dem Dach befindet sich statt der historischen Kuppel eine Skybar mit Fensterfront und Außenterrasse. Das Restaurant kommt in die erste Etage. Über den Roncalli-Platz gelangen Gäste und Besucher zum Haupteingang. In Sachen Style und Einrichtung gibt es keine Experimente: Wir möchten zeigen, wie man Moderne an Tradition knüpfen kann,“ erklärt Althoff und ergänzt: Mit dem neuen Dom Hotel tragen wir zum guten Bild der Stadt bei.“
 
Da ist er mit seinem Anliegen nicht allein. Paul Bauwens-Adenauer als neuer Generalunternehmer für das gegenüberliegende Laurenz-Carré, kritisiert im Gespräch mit mir, dass sich auf dem „Kölner Präsentierteller“ über Jahre nichts getan hat – außer Baustellen einzurichten. Das neue Dom Hotel wird in seinen Augen ein Leuchtturm für Köln. Ein Gebäude, das aber auch ein entsprechend angemessenes Umfeld braucht. „Ein Platz wie der Roncalli muss für die Stadt höchste Priorität haben,“ fordert er. „ Das muss ein Ort werden, auf dem man sich gerne aufhält. Da wo der Fußgänger mal König ist und nicht immer der Radfahrer“, sagt der Enkel von Konrad Adenauer. Von weiteren verkehrstechnischen Überraschungen der Verwaltung kann auch das Hotel Excelsior in direkter Nachbarschaft ein Lied singen. Dem 5 Sterne Luxushotel  wurde erst die Gäste-Anfahrt erschwert und dann eine riesige Fahrradständerzone vor die Nase gesetzt. Einladend sieht das nicht aus.

„Ein wenig mehr Extraklasse würde Köln gut stehen. Gemeinsam mit den anderen Playern an diesem Ort gelingt das uns besser,“ ist sich Thomas Althoff sicher und verspricht gleichzeitig: „Das Dom Hotel wird ein Hotel für alle Kölner.“ Zum Tag der offenen Tür des Dom Hotels im nächsten Jahr sind jedenfalls alle eingeladen. Bis dahin fließt zwar bekanntlich noch viel Wasser den Rhein runter, aber ein schnelles Ende der Baustellen am Roncalli-Platz wünschen sich viele.  Ausnahme: Unser Dom. Der darf nie fertig werden, weil sonst Schlimmes droht – so der Volksmund. Die Eröffnung des Dom Hotels im Mai 2025 macht jedenfalls Hoffnung auf bessere Zeiten für unsere Stadtmitte.

Ich freue mich darauf.
 

Ihre
Claudia Hessel

NEWSLETTER 14.06.2024

Wie die Stadt Köln eine Technik verlernte und die Verwaltungsreform der Oberbürgermeisterin unberechenbar wurde

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

wären Sie auf einer einsamen Insel gestrandet, könnten Sie dann ein Feuer machen? Mit Reibung, Funkenflug oder Feuerstein? Wahrscheinlich nicht. Früher ging das. Aber die Kulturtechnik des Erzeugens von Feuer ist über die Jahrhunderte verloren gegangen.

Vom Verlust einer anderen grundlegenden Fähigkeit in nur wenigen Jahren habe ich durch die „Kölnische Rundschau“ (KR) erfahren. Die Verwaltungsreform war Kernanliegen der 2015 gewählten Oberbürgermeisterin (OB) Henriette Reker. Tenor: Erst müsse die Grundlage geschaffen werden, mit der Reker Köln dann von Grund auf zum Besseren verändern würde. Schlanker, effektiver, attraktiver sollte die Verwaltung werden mit Einsparungen von über 35 Millionen Euro, die im Etat 2016/2017 sogleich veranschlagt wurden.

Im März 2022 wurde das Projekt Verwaltungsreform offiziell beendet. Ende 2023 stellte das städtische Rechnungsprüfungsamt (RPA) in seinem nicht-öffentlichen Bericht fest, die Reform habe lediglich €2,7 Millionen Kostenminderung ergeben. Die Projektkosten jedoch berechneten die amtlichen Prüfer mit 38 Millionen Euro. In einer von der OB gezeichneten Stellungnahme reagierte die Stadt auf das dicke Minus: Das Design des Reformprozesses gestatte eine klare Abgrenzung von Reform und Normalgeschäft nicht und schließe damit auch eine Messung von Aufwand und Nutzen in Euro aus, hieß es. Was also 2016/2017 noch als feste Größe galt, war nun unberechenbar. So schnell kann die Kulturtechnik des Rechnens abhanden kommen.

Die Aussicht auf eingesparte €35 Millionen kam seinerzeit zur rechten Zeit. Sie rettete die verschuldete Stadt, nämlich vor einem Haushaltssicherungskonzept – die Kommunalaufsicht hätte sonst die Finanzen der Stadt übernommen und wäre der eigentliche Chef in Köln geworden. Sehr konkrete „Effizienzgewinne“ in Höhe von €5 Millionen für 2017 sowie €10 Millionen ab 2018 ff. stellten die Verwaltungsreformer in das Zahlenwerk ein, „da zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war“, an welcher Stelle es zu den Einsparungen kommen werde.

Die Formulierung suggeriere, dass es noch eine Klärung geben werde. “ Dies ist jedoch nicht erfolgt“, stellt das RPA lapidar zu dem Bilanztrick fest. Den KR-Artikel von Ingo Schmitz mit weiteren Aspekten lesen Sie hier.

Ist das Kontrollorgan RPA womöglich ein U-Boot aus den Tagen sozialdemokratischer Stadtführung? Nein. Formaljuristisch gehört es sogar zum Amt der Oberbürgermeisterin. Sie ernennt dessen Vorsitzenden und die Mitglieder des Gremiums, muss diese Personal-Entscheidungen aber vom Rat billigen lassen. Eigentlich müsste das RPA wegen seiner dennoch unabhängigen Haltung für Zivilcourage ausgezeichnet werden. Als Verwaltungsorgan weiß es, wovon es spricht, und kann den Finger aus tiefer Kenntnis in die Wunde legen. Hut ab, kann ich nur sagen. Landes- oder Bundesrechnungshof sind übrigens deutlich unabhängiger.

Die Verwaltung in toto möchte ich keinesfalls kritisieren. Persönliche Kontakte sind freundlich und einen Anruf bei der städtischen Info-Hotline kann ich jedem empfehlen, der sich vernachlässigt fühlt – so zugewandt sind die Mitarbeiterinnen. Doch höre ich viel von unbesetzten Stellen, Gehältern, die nicht konkurrenzfähig sind, und von Überarbeitung.

Insider rühmen belastbare Strukturen, wenn die Richtigen unter den rechten Umständen zusammenkommen – wie beim Neubau des Stadtarchivs etwa, das geräuschlos und sogar zügig entstand.  Doch geht es bei Reformen der Verwaltung darum, solche begünstigenden Strukturen zu systematisieren und zu verstetigen, damit sie eben nicht dem Zufall oder glücklichen Umständen unterworfen sind. Wenn die eigenen Kolleginnen und Kollegen vom Rechnungsprüfungsamt, also keine externen Controller, zu einem derart vernichtenden Urteil kommen, wäre ein wenig Nachdenklichkeit angesagt. In der städtischen Stellungnahme kann ich sie jedoch nicht finden. Sie watscht vielmehr die eigenen Leute ab. Einen weiteren Bericht der Kölnischen Rundschau dazu – die Stadt kommt hier zu Wort – habe ich hier verlinkt.

Warum ich erst jetzt mit dem Thema komme? Sieben Monate nach Erscheinen der Berichte? Weil ich mich wundere, dass die Politik das Thema bisher beiseitegelegt hat. Die SPD sprach von einem teuren Flop, die FDP von „glattem Scheitern“ und gab die Note 6. Mehr kam seither nicht. Nun versackt das Thema langsam in der Melange aus Wurstigkeit, Reizüberflutung und Fatalismus, die zum Leben in Köln gehört wie der Rhein. Daher erinnere ich daran und bin einig mit Konrad Adenauer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins sowie leidenschaftlich kritischer Zeitgenosse.

Ausgebliebene politische Konsequenzen des Stadtrates nennt Adenauer „skandalös“. Der Verwaltung dürfe man „die nichtssagende Äußerung, die >erfolgreich abgeschlossene< Reform habe Fortschritte gebracht, nicht durchgehen lassen.“ Kostenersparnisse sowie deren Berechnung habe sie klipp und klar darzulegen. Adenauer wörtlich: „Ich fordere im Sinne der kommunalen Demokratie, die Berichte des RPA zu veröffentlichen, wie es der Bundesrechnungshof tut.“

Es geht nicht nur um viel Geld in einer klammen Stadt, sondern auch darum, wie gut sie für die Bürger arbeitet. Ein Beispiel: Die digitale Bau-Akte. Gibt es sie? Für die Antwort muss man Radio Eriwan bemühen. Im Prinzip gibt es die digitale Bauakte. Doch berichten befreundete Architektinnen und Architekten, dass sie leider bei ihren aktuellen Projekten noch nicht zum Zuge kommt.

Glauben wir also an morgen. Dann wird vielleicht auch das Wetter besser.

Herzlich grüßt
Ihr

Peter Pauls

NEWSLETTER 07.06.2024

Die Einwohnerzahl Kölns soll in den nächsten Jahren weiter steigen. Wie seriös sind solche Prognosen?

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

seit jeher ist es der Wunsch der Menschheit, die Zukunft vorherzusagen. Was mit Feuerzeichen und Kaffeesatzleserei begann, setzte sich mit Bleigießen und Horoskopen fort. In der Moderne kam mit der Mathematik noch eine wissenschaftliche Variante hinzu: die Prognose.  Und einer dieser angesehenen und renommierten Prognosen prophezeit seit einigen Jahren, dass Köln weiter wachsen wird.

Doch ich sage es gleich: nur, weil das auf der einen Seite ein Bauchgefühl bestätigen mag und auf der anderen Seite logisch klingt, sollten wir grundsätzlich mit solchen Prognosen aus vielerlei Hinsicht vorsichtig sein. Die Studie, von der ich spreche, stammt von der Bertelsmann-Stiftung. In ihrem „Wegweiser Kommune“ rechnet sie regelmäßig für die kommenden 15 Jahre aus, wie sich denn jede kreisfreie Stadt oder jeder Kreis entwickeln dürfte. Ein Blick in die Vergangenheit verrät für Köln: die Vorhersage hat ziemlich gut gepasst.

2007 überschritt Köln die Marke von einer Million Einwohner. Ich habe etwas in den Archiven gekramt und fand heraus, dass 2010 schließlich die Prognose der Bertelsmann Stiftung so lautete, dass dies nicht nur so bleiben werde, sondern auch noch mehr als fünf Prozent im Jahr 2025 hinzukommen würden. Nun hat Köln laut Stadtverwaltung aktuell 1,089 Million Einwohner mit Erstwohnsitz.

Und so soll es auch weiter gehen. Einer neuen, vor wenigen Wochen erschienenen Prognose zufolge kommen bis 2040 noch einmal rund fünf Prozent hinzu, auf dann 1,14 Millionen Einwohner. Währenddessen nähme die Bevölkerung in ganz NRW aber insgesamt leicht ab. Sprich: die Flucht vom Land in die Stadt ginge weiter. Ich könnte jetzt gut nachvollziehen, wenn Sie sagen: Prima, diese Leute von der Bertelsmann-Stiftung haben es voll drauf und damit könnte dieser Newsletter sein Ende gefunden haben.

Im Vergleich zu anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist Köln aber ein schlechtes Beispiel, wenn es darum geht, die Treffsicherheit dieser Prognosen zu überprüfen. Denn ganz oft, so mein stichprobenartiges Ergebnis dieser Prognosen seit 2010, liegen die Vorhersagen ziemlich deutlich daneben. So hieß es, dass das Ruhrgebiet deutlich an Einwohnern verlieren werde. Jüngst ist Duisburg beispielsweise aber kräftig gewachsen und beheimatet nun mehr als eine halbe Million Menschen. Die Prognose für die Stadt an Rhein und Ruhr ist also nicht nur nicht eingetreten, sie ist komplett in die andere Richtung gegangen.

Auch im ländlichen finden sich deutliche Beispiele. Der Kreis Düren stellte sich auf eine Schrumpfkur ein, die nie kam. Dort wird demnächst die Marke von 300.000 Einwohnern geknackt. Und ein politischer Vertreter aus dem Kreis Höxter, einem recht dünnbesiedelten Kreis in Westfalen, lacht vor Kurzem laut im Radio über die Aussagen dieser Prognosen. Unvergessen bleibt für mich, wie Landrat Sticklen im Interview gut gelaunt betont, wie oft der Bevölkerungsschwund bei ihm schon angekündigt worden, aber nie eingetreten sei. Man habe günstigen Wohnraum, geringe Arbeitslosigkeit und eine gute Kinderbetreuung genutzt, um Menschen anzuziehen.

Mir ist dadurch noch einmal klar geworden: düstere Prognosen können über die Zeit gelassen hingenommen und mit Tatendrang gelöst werden. Und Journalisten sind gut beraten, wenn sie über Studien, Umfragen, Prognosen und Vorhersagen nicht alles ungefiltert nachplappern. Die Aussagekraft ist oft gering und ohne fundierte Einschätzung unbrauchbar. Das macht es gleichzeitig schwierig, in der notwendigen Kürze zu berichten. Köln ist nach meiner Einschätzung wahrscheinlich einfach einer der wenigen Treffer, die bei solchen Vorhersagen eben dazu gehören.

Da fällt mir zum Schluss noch ein Bühnenstück des emeritierten Kabarettisten Volker Pispers über Prognostiker ein: kommt ein Mann ins Restaurant und bestellt einen Teller Suppe. Neben ihm sitzt der Mitarbeiter eines Instituts, der ausrechnet, wie viel Suppe der Mann auf Grund seiner Bestellung in seinem Leben wohl noch essen wird. Als der Prognostiker seine Arbeit erledigt hat und geht, kommt der Teller mit der Suppe. Dass dem Mann das Gericht nicht schmeckt, spielt für die Statistik da aber schon keine Rolle mehr. Aber die Suppe, die der Mann nun in seinem Leben noch auslöffeln muss, die stand fest.

In diesem Sinne „bis neulich“ und herzliche Grüße

Ihr

David Rühl

NEWSLETTER 31.05.2024

Über Feindbilder, albernen Kulturkampf und die Lösung als Problem

  

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es gehört wohl zu den großen, manchmal gar tragischen menschlichen Schwächen, gegen die eigenen Interessen zu handeln. Bei Kindern mag das noch entschuldbar sein, weil sie die Folgen ihres Handelns noch nicht einschätzen können. Aber Erwachsene mit Anspruch auf Verstand? Sie sollten aus Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen können. Das gilt vor allem in Angelegenheiten, die die gesamte Gesellschaft betreffen, also für die Politik.

Ein Glücksfall in dieser Hinsicht ist mit Köln und dem Rheinland verbunden: Konrad Adenauer. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Barbarei der Nazi-Diktatur hatte er erkannt, dass es eine Zukunft für Deutschland nur in einem befriedeten, vereinten Europa geben kann. Das war eine Absage an jede Form von Nationalismus oder zur Rückkehr an den Nationalstaatsgedanken des 19. Jahrhunderts. Mutig und konsequent, gegen viele Widerstände hat er die Aussöhnung mit dem „Erbfeind“ Frankreich verfolgt, den europäischen Einigungsprozess vorangetrieben und das Land im Westen verankert.

Umso erschütternder zu sehen, dass heute vielfach wieder das Heil in einer Renationalisierung gesucht wird, Brüssel und die EU für Nationalisten von Höcke bis Wagenknecht als Feindbild herhalten müssen. Regierungschefs wie der Ungar Orban torpedieren mit ihrer zerstörerischen Blockade-Politik die Gemeinschaft, um dann höhnisch auf ein Versagen der EU zu verweisen. Es ist der schäbige Versuch, aus der Lösung ein Problem zu machen.

Das ist nicht nur perfide Geschichtsvergessenheit, es ist massiv gegen die Interessen der europäischen Völker. Denn geopolitisch, wirtschaftlich und – wie wir jetzt schmerzhaft erkennen  müssen – auch verteidigungspolitisch ist gemeinschaftliches Agieren für die Europäer zwingend. Selbst die beiden größten und potentesten Staaten der EU, Deutschland und Frankreich, sind den aktuellen und künftigen Herausforderungen nicht gewachsen. Es sind allenfalls europäische Regionalmächte, keine globalen Player.

Dass allerdings selbst im Land des großen Visionärs Konrad Adenauer das Erbe so fahrlässig verspielt wird, ist fast tragisch zu nennen. Auch geht man mit Lust in einen albernen Kulturkampf, statt sich für die Zukunft zu rüsten. Es geht, schlicht formuliert, um Überlebensfragen des Kontinents. Zentrale Faktoren sind Deutschland und Frankreich, wie es schon Konrad Adenauer erkannt hatte. Aber Verantwortung will auch übernommen werden. Schon Angela Merkel hat die Kraft-Achse vernachlässigt und Olaf Scholz scheint sie noch gar nicht entdeckt zu haben. Eine fatale Ignoranz.

Der Blick durch die nationale Brille reicht nur bis zur Landesgrenze. Das hat sich seit dem Umzug der Hauptstadt von Bonn nach Berlin noch einmal verschärft. „Der Nationalstaatsgedanke liegt in Berlin näher als in Bonn“, sagte mir Paul Bauwens-Adenauer vor Jahren in einem Gespräch. Für den Enkel des ersten Kanzlers hat der Hauptstadt-Wechsel eine starke Konzentration auf das Nationale zur Folge gehabt. „Dabei ist die Nationalstaatsidee spätestens 1945 Bankrott gegangen. Die Lehre für Europa war doch, der Nationalstaat ist nicht die Zukunft. Vor allem wir Deutschen sollten das gelernt haben.“ Deutschland müsse deshalb die treibende Kraft der europäischen Integration sein. „Europa ist das Wichtigste, nicht Deutschland.“

Das ist es auch – in den Sonntagsreden. Unter der Woche sind Brüssel und die EU eine Chiffre für bürokratisches Grauen, für Gleichmacherei, für Regulierungswut. Einer genaueren Betrachtung hält das nicht stand. Natürlich gibt es Fehlentwicklungen, auch Absurditäten. Aber statt die anzugehen und Europa im ureigensten Interesse weiterzuentwickeln, werden populistische Süppchen darauf gekocht. Ein Ergebnis ist, dass selbst die Wahlen zum EU-Parlament zu nationalen Testwahlen verzwergt werden. Statt gemeinsame Projekte ins Zentrum zu stellen, ist dieser Wahlkampf in seiner öden Unambitioniertheit an Tristesse kaum zu überbieten.

Dabei geht es auch um Weichenstellung für den Kontinent angesichts russischer Aggression, chinesischem Machtstreben, einer drohenden Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus. Wie wollen wir künftig leben in einer Welt mit ihren Herausforderungen durch Klimakrise, Migrationsdruck, der realistischen Gefahr durch weitere Pandemien? Wie sagte es Paul Bauwens-Adenauer: „Wir müssen davon wegkommen, Europa wie eine Erbengemeinschaft zu verwalten, wo jeder nur möglichst viel haben will. Europa ist eine Investitionsaufgabe.“

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz

NEWSLETTER 24.05.2024

Frust im Handwerk und beim Kunden durch das neue Heizungsgesetz.  Kölner Handwerksunternehmer über die große Verunsicherung  in der Bevölkerung

 

Sehr geehrte Mitglieder,

liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

fangen Sie schon an zu sparen? Aber nicht für den Urlaub im kommenden Sommer oder etwa für ein neues Auto. Wohnungseigentümer und Mieter bekommen es in diesen Wochen schwarz auf weiß: Die Heizkosten sind im vergangenen Jahr gestiegen, obwohl wegen des milden Winters eigentlich weniger verbraucht wurde. Es werden aber nicht nur hohe Nachzahlungen fällig. Mit schnellen Schritten nähert sich auch das Ende der alten Heizungsanlagen in unseren  Kellern. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist der Grund.  Darüber sprach ich kürzlich mit  einem Handwerkunternehmer, der seit 25 Jahren im Geschäft ist.  Denn die Handwerksbetriebe müssen an vorderster Front uns Kunden die Wärmewende der Regierung erklären und umsetzen. Ich ging mit vielen Fragen rein und kam mit noch mehr heraus. Ich weiß nur eins: es ist kompliziert und egal ob Mieter, Vermieter oder Eigenheimbesitzer – für jeden Geldbeutel wird’s teurer.

„Das lange Hickhack der Politik über das GEG macht den Kunden immer noch zu schaffen,“ sagt Marc Schmitz, Geschäftsinhaber und Obermeister der Innung Sanitär Heizung Klima Köln. „Es herrscht immer noch große Unsicherheit in der Bevölkerung.“ Nicht wenige hoffen sogar auf die nächste Wahl, wenn dadurch sich noch etwas an dem sogenannten Heizungsgesetz ändern würde.  Daran glaubt Marc Schmitz allerdings nicht. „Die Dekarbonisierung der Wärme ist der richtige Weg. Aber das Tempo und die geforderte Umsetzung nimmt die Menschen nicht mit.“ 

Die Wärme in Deutschland macht laut Bundesregierung mehr als 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus und verursacht einen Großteil des CO2-Ausstoßes.  Rund 80 Prozent der Wärme wird danach von fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl gedeckt. Von den ca. 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt fast jeder zweite mit Gas und knapp jeder vierte mit Heizöl. Fernwärme macht aktuell rund 14 Prozent aus, wird jedoch bisher ebenfalls überwiegend aus fossilen Brennstoffen gewonnen, heißt es. Und bis 2045 soll ganz Deutschland klimaneutral heizen. Was für ein ambitionierter Plan, meint nicht nur Marc Schmitz und wählt als Negativbeispiel den Wärmepumpentraum von Robert Habeck. Der Bundeswirtschaftsminister will, dass jedes Jahr 500.000 Wärmepumpen in Deutschland installiert werden. Bis 2030 sollten es sechs Millionen werden, damit die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral erzeugt werden kann „Nicht zu schaffen, Die Zahlen der Wärmepumpen sind rückläufig.“ sagt Marc Schmitz.  In 2023 waren es nur 356.000 Stück, die verbaut wurden, 100.000 weniger als im Vorjahr. Im ersten Quartal 2024 sind es sogar 46.000 Wärmepumpen weniger als im Vorjahreszeitraum. Vielleicht schreckt zunächst die hohe Investition von bis zu 25.000.- Euro Immobilienbesitzer ab und dann kommt der komplizierte Förderdschungel noch dazu. Den Hauptgrund für den Wärmepumpen-Ladenhüter sieht Marc Schmitz  aber in der starken Verunsicherung vieler Verbraucher. Seiner Meinung nach warten Immobilienbesitzer erst einmal die kommunale Wärmeplanung ab. „Es war ein Fehler, dass die Politik sich entschieden hatte, GEG und Wärmeplanung miteinander zu verzahnen“ kritisiert er, „da hat man den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.“ Bei der kommunalen Wärmeplanung müssen alle Kommunen mit über 100.000 Einwohnern ihre Planung bis spätestens 30. Juni 2026 fertig gestellt haben, die unter 100.000 Einwohner bis 30. Juni 2028. Köln wird wohl 2026 ready to go sein.  Bis dahin kann in Bestandsgebäuden im Grunde jeder heizen, wie er möchte.

„Die Kommunen verdonnern die Versorger zur Dekarbonisierung. Das wird für alle teuer“, sagt Schmitz. Ob die Netzbetreiber überhaupt finanziell in der Lage seien, alles von Elektro, Gas, Wasserstoff bis Fernwärme in der Straße zu vergraben, bezweifelt Marc Schmitz. Für die große Kölner Rheinenergie kein Problem, das kommunale Unternehmen investiert bis 2035 insgesamt ca. 3,8 Mrd Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien – dazu Fernwärmespeicher, Solarthermie-Anlagen, Groß-Wärmepumpen, Wasserstoff und dem Aufbau von „Power-to-Heat“-Kapazitäten. Geld, das an andere Stelle fehlen könnte, zum Beispiel bei der defizitären KVB. „Das alles muss bezahlt werden,“ warnt Marc Schmitz, „und derzeit ist kein Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme in Köln vorgesehen.“

Stimmt, denn die kommunale Wärmeplanung ist eine unverbindliche Fachplanung. Diese verpflichtet weder die Netzbetreiber zu Investitionen, noch die Gebäudebesitzer zur Nutzung der priorisierten Wärmequellen. Als negatives Beispiel nennt der Innungsmeister, wie es die Stadtwerke Düsseldorf im Frühjahr getroffen hat: „Dort wollte die Politik das Vorzeigeprojekt Fernwärme in der Friedrichstraße. „Nun hat man mindestens fünf Jahre eine Baustelle auf 900 m Länge und bis jetzt genau drei freiwillige Anschlüsse.“ So wurde es auf einer Fachverbandstagung  kommuniziert. Ob da die Kosten für einen Fernwärme-Hausanschluss abschrecken? Die können zwischen 8.000 und 10.000 Euro liegen und es gibt keine Garantie, dass die Fernwärme am Ende günstiger ist als die eigene Heizungsanlage.

Vieles liegt beim GEG noch im Unklaren, stellt Marc Schmitz fest, unter anderem die Frage nach der Betreiberpflicht bei der Sanierung von bereits bestehenden Gasanlagen. Um die Zuführung von regenerativem Gas wie in einem Stufenplan bis 2029 vorgesehen muss sich jeder Betreiber selbst kümmern. Ein Konzept dafür liegt laut Schmitz noch nicht vor.  Ebenso wenig, wie Wasserstoff als Wärmequelle für Hausbesitzer in Frage kommt. Wasserstoff  wird vorrangig für Industrie und Verkehr gebraucht. „In den nächsten 10 – 15 Jahren werden ich kaum Wasserstoff zur Verfügung haben, um ihn an die Geräte anzuschließen“, ist sich Marc Schmitz sicher.

Der  Obermeister der Innung will kein Politiker-Bashing betreiben. Er hätte sich von der Politik aber mehr Freiheiten für einen individuelleren Weg der Umsetzung des GEG gewünscht, statt immer neue Vorschriften. Das führe am Ende zu Frust im Handwerk und beim Kunden in jedem Heizungskeller.

Egal, wie Sie politisch oder ideologisch zur Klimarettung  stehen, billger wird’s nicht. Es ist in jedem Portemonnaie spürbar. Die Bundesregierung hat und wird den CO2-Preis für fossile Brennstoffe noch mehr erhöhen. Heizen wird teuer und betrifft jeden, der im Winter nicht im Kalten sitzen möchte. Da hilft es auch nicht, dass es die nächsten Monate  erstmal warm wird.

 

Ein hoffentlich sonniges Wochenende wünscht Ihnen

Ihre Claudia Hessel

NEWSLETTER 17.05.2024

Über Schokokekse, Verlagshäuser und Gesinnungsjournalismus

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

es hat etwas Befreiendes, sich von altem Gerümpel zu trennen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Manchmal jedoch stellt man hinterher fest, dass man auch Wertvolles entsorgt hat. Aber man kann aus einem Rührei kein gekochtes mehr machen oder, auf gut Kölsch: Wat fott es, es fott. Womit wir beim Thema Lokalpresse wären. Der nämlich geht es schlecht, genauer gesagt, sie ist todkrank. Es gibt ein Bündel von Ursachen, das Internet mit seiner Gratismentalität, das Wegbrechen des Anzeigenmarktes, die sog. Sozialen Medien von Facebook bis X, Missmanagement von Verlagsleitungen usw. Nun könnte man als überzeugter Marktwirtschaftler achselzuckend sagen, kein Ertragsmodell, keine Zukunft.

Aber so einfach ist das leider nicht. Information ist keine Ware wie, sagen wir mal etwas despektierlich, Schokokekse oder Grillzangen. Sie ist der Sauerstoff, den eine freie, demokratische Gesellschaft braucht. Und der wird angesichts des Zeitungssterbens knapper. Was aber passiert, wenn es immer wenige Lokal- und Regionalzeitungen für belastbare, unabhängige und professionell kuratierte Information sorgen, ihre Leserschaft mit relevanten News über Ereignisse, Personen und Hintergründe informieren und damit entscheidungsfähig machen?

Darüber habe ich mit dem Tiefenpsychologen und Marktforscher Jens Lönneker gesprochen, in dessen Rheingold-Salon der Kölner Presseclub immer mal wieder zu Gast sein darf. Er machte mich auf eine Studie aufmerksam, die den Zusammenhang zwischen fehlender Lokalpresse und der Wahl von Populisten und Extremisten belegt. Ähnliche Untersuchungen kannte ich schon aus den USA, wo 2017 Donald Trump vor allem in den Regionen erfolgreich war, wo es keine lokalen Medien mehr gab. Dort wie hier zeigt sich, dass ohne seriöse lokale Medien Menschen weniger über ihre Region wissen, sich weniger mit ihrer Gemeinde und der Gesellschaft insgesamt verbunden fühlen, misstrauischer gegenüber staatlichen Institutionen sind – und radikaler wählen.

Jens Lönneker hat auch eigene Forschung zur Medienakzeptanz gemacht. Zwar haben 75 Prozent der Befragten danach Vertrauen zu den etablierten Medien. Aber beachtliche 25 Prozent haben das nicht. Sie misstrauen in der Regel nicht nur traditionellen Medien, sie misstrauen oft auch dem politischen System insgesamt (Lönneker: „Medienkritik geht meist einher mit Systemkritik“). Es mutet paradox an, dass dann ausgerechnet dubiosen, unkontrollierten Internetquellen und Social-Media-Kanäle kritiklos geglaubt wird, die mit Fake News und Verschwörungstheorien das Netz fluten. Man könnte meinen, dass ein Teil der Bevölkerung vom Wissen zum Glauben konvertiert. Einen Schub hat diese Entwicklung offensichtlich mit der Flüchtlingskrise und der Corona-Pandemie erfahren.

Für Lönneker sind das Reaktionen auf Zukunftsängste und das Gefühl vieler Menschen, von Medien und Politik nicht mehr gesehen zu werden. „Die Menschen fühlen sich von der Komplexität der Verhältnisse überfordert, in ihren Nöten und Sorgen nicht mehr gesehen. Das führt zu Aggression gegen Medien, die als Teil des Systems wahrgenommen werden“, so Lönneker. Politische Profiteure sind radikale Parteien, die – statistisch belegt – besonders in zeitungsfreien Regionen reüssieren, also verkürzt: Wo das Lokalblatt geht, kommt die AfD.

Was also tun? Redaktionen schlägt Lönneker vor, noch deutlich stärker zuzuhören, Sorgen des Publikums ernst zu nehmen: „Wenn nahezu alle senden, ist Zuhören gefragt“. Das bedeutet natürlich den Verzicht auf bevormundenden Gesinnungsjournalismus, der oft als „Haltung“ ausgegeben wird. Wer predigen will, sollte Pfarrer werden, nicht Journalist. Wichtig sei auch, in der Berichterstattung konstruktiv zu bleiben, Perspektiven aufzuzeigen, um angesichts der zahlreichen Krisen Menschen nicht in fatalistische Angststarre zu treiben.

Das allerdings, muss man einwenden, funktioniert nur, wenn Verlage nicht nach kurzfristigem und kurzsichtigem betriebswirtschaftlichen Rendite-Kalkül geführt werden. Die auf eigenen, unabhängigen Journalismus setzen und nicht auf die Übernahme von Agenturmaterial und Pressetexten. Letztlich muss die Qualität des Produkts überzeugen, die Beiträge gut recherchiert sein. Gegenwärtig hat man den Eindruck, dass Verlage phantasielos an der Kostenschraube drehen, Redaktionen ausdünnen und nochmal Kasse machen wollen. Wirtschaftlich ist das kurzsichtig, gesellschaftlich fatal!

Dass es anders geht, zeigen kreative, verantwortungsvolle Verleger, die in Qualität investieren, Redaktionen gut ausstatten, zeigen, dass auch damit Geld zu verdienen ist – und gleichzeitig der Gesellschaft einen unschätzbaren Dienst erweisen. Die Politik ist ebenfalls gefordert, wenn es um die Sicherung des Qualitätsjournalismus geht. Der Rahmen muss stimmen, der Schutz vor Google, Facebook und X, dem vormaligen Twitter, muss gewährleistet sein. Eine freie Gesellschaft kann schließlich nicht ohne eine lebendige Presselandschaft funktionieren.

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz