NEWSLETTER 02.02.2024
Köln ruft die Wärme-Revolution aus: in Niehl entsteht die größte Wärmepumpe Europas und macht die Stadt damit zum Vorreiter der Wärmewende. Wie kann das sein? Ein Besuch vor Ort gibt Antworten.
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
was sich da an einem Wintertag bei Minusgraden in Niehl majestätisch aus dem großen Schornstein erhebt, sieht schon verdächtig aus: sehr viel heiße, flimmernde Luft. Rauch oder Dampf steigt aber keiner auf. Meine Vermutung: hier wird Gas verbrannt – und zwar nicht zu knapp. Und tatsächlich verheizt das Heizkraftwerk in Niehl ordentlich Gas, damit es in zehntausenden Kölner Haushalten schön warm ist; nicht nur im Winter in den Räumen, sondern auch das ganze Jahr das Leitungswasser.
Auf dem Kraftwerksgelände der Rheinenergie im Niehler Hafen soll nun ein Europa-Rekord aufgestellt werden: die größte Wärmepumpe des Kontinents. Es ist nicht nur ein Anfang vom Ende der Gasverbrennung, sondern direkt ein Meilenstein für die gesamte Energiewirtschaft erreicht. Die erste Ausbaustufe soll 150 Megawatt (MW) groß und 2027 startklar sein. Ein weiterer Ausbau ist angedacht, aber noch nicht im Detail bekanntgegeben. Zum Vergleich: Bislang könnte das Heizkraftwerk, das aus zwei Blöcken besteht, theoretisch mehr als 600 MW an thermischer Leistung abrufen, sollte die volle Power einmal gebraucht werden.
Um zu verstehen, warum ausgerechnet Köln nun die größte Wärmepumpe Europas baut, dürfen Sie sich zunächst einmal gut festhalten: Köln hat seine Potentiale nicht nur erkannt, sondern schöpft diese auch noch voll aus! Das Gelände könnte kaum besser für die sogenannte Wärmewende geeignet sein. Die Wärmepumpe nutzt: die Wärme des Rheinwassers, das Hafenbecken als Quelle, die gute Infrastruktur des Stromnetzes vor Ort, die unkomplizierte Nachbarschaft sowie Wasserstoffpipelines, die noch in Planung, aber grundsätzlich vielversprechend für die weitere Wärmeversorgung sind.
Die uns bevorstehende „Revolution“ der Wärmegewinnung beginnt zunächst jedoch auf einem leeren, asphaltierten Platz auf dem Kraftwerksgelände, direkt dahinter befindet sich ein Becken des Niehler Hafens. Auf diesem Platz, auf dem problemlos 100 Autos stehen könnten, soll die erste Baustufe der Wärmepumpe umgesetzt werden, also die 150 MW-Anlage. Es wird sich dabei nicht um eine einzelne Anlage handeln, sondern um mehrere, die aneinandergeschlossen sind. Als Wärmequelle, dient das Rheinwasser. Es wird aber nicht aus dem Flussbett gepumpt, sondern kann ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem Hafenbecken gesaugt und wieder in den Rhein zurückgeleitet werden – nur eben kälter als vorher. Die Wärme wird dem Rheinwasser dank der Wärmepumpe nach dem Kühlschrank-Prinzip entzogen und in das Verteilnetz gespeist.
Fernwärme ist nach Angaben der Rheinenergie besonders in den vergangenen zwei Jahren noch einmal sehr stark in der Nachfrage gestiegen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der anschließenden Energiepreiskrise gibt es so viele Kunden, dass das Netz in der Innenstadt nicht ausreicht und weiter ausgebaut werden muss. Allein um 150 Kilometer soll es in den nächsten Jahren wachsen. Die Fernwärme aus Niehl sorgt dabei vor allem dafür, dass in der Innenstadt noch Luft zum Atmen bleibt. Man stelle sich vor, jeder betreibe in der engen Bebauung auch noch seinen eigenen Ofen.
Doch nun zur Gretchenfrage, die bereits bei Habecks Heizungsgesetz große Wallungen auslöste: Woher kommt der Strom für die Wärmepumpe, die bald Europas größte sein soll? Dabei gibt es doch noch nicht einmal genügend Kapazitäten in der Innenstadt, um ein Elektroauto schnell zu laden. Der nächste Standortvorteil ist eine Höchstspannungsleitung von 380 Kilovolt, die genau zum Kraftwerk in Niehl führt. Die Leitung verläuft oberirdisch bis zum Umspannwerk in Leverkusen-Opladen und gelangt von dort unterirdisch zum Kraftwerk bzw. Wärmepumpe.
Aus diesem Grund wird die Pumpe je größer sie wird auch zunehmend das fossile Gas als Brennstoff ersetzen. Je mehr Ökostrom im Stromnetz ist umso grüner die Wärme, die aus Niehl verteilt wird. Durch Umrüstung könnten die beiden Gasblöcke, die bislang treue Dienste leisten, ebenfalls in Zukunft grün werden. Der Wasserstoff würde per Pipeline zum Standort Niehl gelangen. Wie genau, dass steht noch nicht fest. Ein entsprechendes Kernnetz wird bundesweit gerade erst geplant und voraussichtlich bis 2032 gebaut sein. Der Kraftwerksstandort Niehl könnte den Plänen zufolge aber möglicherweise sogar von mehreren Seiten gut an entsprechende Pipelines angebunden sein.
Und auch aus der Südstadt soll Unterstützung möglich sein, falls es im Kölner Norden für die Wärme einmal nicht reicht. Dort steht auch noch ein historisches Kraftwerk, das ursprünglich als Wasserwerk in Betrieb ging. Deshalb kann von dort Brunnenwasser für eine Wärmepumpe genutzt werden. Der Gasverbrauch in Niehl dürfte schon mit Inbetriebnahme der Wärmepumpe spürbar zurückgehen. Denn für die Warmwassererzeugung im Sommer reicht bereits die erste Baustufe aus, um ohne Gasverbrennung klarzukommen. Mit den kalten Tagen werden die beiden Gasblöcke aber noch benötigt.
„Wer Fernwärme in Köln nutzt, bekommt ein Stück Wärmepumpe direkt in die Wohnung“, freut sich Kraftwerksleiter Andreas Bauer bei meinem Besuch vor Ort. Eine mögliche Lärmbelästigung durch die größte Pumpe Europas dürfte im Niehler Hafen verhallen. Und auch den Ärger um die Bürokratie erledigt in dem Fall die Rheinenergie. Die Förderunterlagen seien vor wenigen Tagen bei den Behörden eingereicht worden. Jetzt kann Köln also hoffentlich bald ordentlich aufdrehen!
Nicht überall läuft es so rund wie bei der Planung einer großen Wärmepumpe. Susanne Hengesbach plädiert in ihrem Podcast dafür, das Kölsche Grundgesetz um einen Paragraphen zu ergänzen: m’r krit dat vun d’r Zick un för dat Jeld net hin. Mehr dazu in der neuesten Episode ihres Poetry- Podcasts.