Newsletter 02. Oktober 2020

Newsletter vom 02.10.2020


Berlin ist nicht Weimar und Köln nicht Washington – beides zum Glück!

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Berlin ist nicht Weimar und Köln nicht Washington – beides zum Glück! Denn so abstoßend das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und seinem Herausforderer war, so zivilisiert und sachlich fair ging es bei der Stichwahl um die Oberbürgermeister-Wahl zu. Jetzt sind in Köln die Würfel gefallen und Henriette Reker ist mit einem sehr auskömmlichen Ergebnis im Amt bestätigt worden. Damit ist auch für ein grün-schwarzes Bündnis im Rat eine perspektivische Basis gelegt.

Aber bevor wir uns allzu selbstgefällig auf die Schultern klopfen – wozu es in der Stadt durchaus eine gewisse Neigung gibt – sollten wir genauer hinschauen: Nur etwas mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten hat sich zur Stimmabgabe aufraffen können. Das heißt nichts anderes, als dass die Oberbürgermeisterin auf das Votum von lediglich 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt stützen kann. Das ist ein Armutszeugnis! Die Stadt hat massive Probleme, von der Verkehrssituation über die Verwaltung bis zur Wirtschaftsförderung. Alle müssen dringend angegangen und gelöst werden. Spätestens seit der Kommunalwahl hat sie ein weiteres.

Daran sind, klar, die Parteien nicht unschuldig. Auch das oft wenig charismatische Personal, das zur Auswahl steht, ist es nicht. Es liegt oft schlicht daran, dass kommunale Politik als eine lästige Dienstleistung gesehen wird, nicht als Einladung zum bürgerschaftlichen Engagement. Hier sind wir alle gefragt, nur so kann eine lebendige Demokratie funktionieren – sie braucht aktive Demokraten, nicht träge Konsumenten.

Allerdings gibt es durchaus die Bereitschaft, sich einzumischen und sich für Projekte (oder auch gegen geplante) einzusetzen. Das gilt vor allem für den Umweltschutz. Das bekommt der 1. FC zu spüren, der sein Trainingsgelände erweitern will – allerdings auf Kosten des Grüngürtels. Hier wird es spannend sein zu sehen, wie das ehedem schwarz-grüne und jetzt grün-schwarze Bündnis in dieser Frage zueinander findet. Die Union, die im Rat für die Erweiterung des FC-Geländes gestimmt hatte, muss sich vorhalten lassen, das Erbe Konrad Adenauers zu schänden, der der Stadt mit dem Grüngürtel ein dauerhaftes und unbezahlbares Geschenk hinterlassen hat. Möglicherweise hat die CDU diese Liebe zum FC mit einer Niederlage bei der Kommunalwahl im Bezirk Lindenthal erkauft.

Übrigens war es auch Adenauer, der vor rund 90 Jahren Ford nach Köln geholt hat. Auch diese Hinterlassenschaft bekommt zunehmend Kratzer. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Ford als erster Autoproduzent in Deutschland Staatshilfe beantragt hat. Ein Alarmzeichen. Auch hier geht es vordergründig um Corona-Folgen, aber letztlich um eine Strukturkrise, die nicht zuletzt mit verschärften Klima-Auflagen zusammenhängt. Für eine Branche, die in einem grundstürzenden Transformationsprozess ist, kann dies das Aus bedeuten. Ford-Chef Gunnar Herrmann hadert entsprechend mit den politischen Vorgaben, die er für existenzbedrohend hält. Tatsächlich mehren sich die Stimmen, die Elektroautos noch weit entfernt von der Marktreife sehen. Aber was heißt das, wenn gleichzeitig Verbrennungsmotoren wegen strenger Abgasgesetze auf die Verbotsliste geraten? Gunnar Herrmann glaubt nicht an den zeitnahen Erfolg lokal emissionsfreier Elektroautos. Wäre das richtig, ginge das zu Lasten des Umsatzes, des Gewinns und der Arbeitsplätze. Auch das wird Auswirkungen auf Köln haben. Es zeigt sich einmal mehr, wie europäische und lokale Politik zusammenhängen, wie wichtig es für uns ist, sowohl aufs Rathaus als auch auf Bundestag und Brüssel zu schauen.

Merke: Umweltschutz und Wirtschaft müssen zusammen gedacht werden, das eine geht nicht ohne das andere, Wirtschaft nicht gegen Umwelt und Umwelt nicht gegen Wirtschaft. Das eine wie das andere darf nicht aus ideologischen Gründen absolut gesetzt werden. Eine Politik, die das Verhältnis richtig austariert, wird der Komplexität gerecht und erfolgreich sein. Andernfalls wird sie fürchterlich scheitern. Das gilt in Köln wie in Brüssel.

In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und hoffe, Sie bleiben gesund,

Ihr

Michael Hirz

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