NEWSLETTER 27.10.2023

Seit der Flutkatastrophe 2021 hat sich viel getan. Doch das Ausmaß wird heute oft kleiner dargestellt, als es tatsächlich war.

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

an was denken Sie, wenn ich Ihnen folgende Orte nenne: Euskirchen, Schleiden und Bad Münstereifel. Na? Ok, zweiter Versuch: Ahrtal und Erftstadt-Blessem. Genau, die Flutkatastrophe 2021. Erftstadt und das Ahrtal stehen in der allgemeinen Berichterstattung oft symbolisch für dieses Verhängnis mit 184 Toten im gesamten Rheinland. Doch sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass auch viele andere Orte in der Umgebung genauso hart getroffen worden sind. 

Euskirchen wurde der unter die Fußgängerzone kanalisierte Veybach zum Verhängnis und flutete die Innenstadt. In Schleiden entwickelte sich die kleine Olef zum reißenden Strom. Und in Bad Münstereifel zerstörte die Erft die historische Altstadt. Die Folgen in der verschlafenen Kurstadt sind bis heute sichtbar. Zwei Jahre danach sind zumindest äußerlich die größten Schäden beseitigt. Doch beseitigt heißt nicht behoben: die Stadt hat ihr Aussehen an manchen Stellen stark verändert.

Wohl auch der zeitlichen Not geschuldet ist aus dem historischen Stadtkern teilweise urbanes Flair entstanden – mit Steinplatten statt Kopfsteinpflaster, grellen LED-Straßenlaternen statt warmem Licht aus Kronleuchtern und Stahlgeländern statt Ufermauern aus Stein. Hinzukommen die Häusersanierungen, die fachmännisch und modern durchgeführt worden sind. Für eine historische Altstadt mischt sich nun vieles mit Dingen, die dort vor drei Jahren noch nicht zu sehen waren.

Das wird nicht grundsätzlich negativ gesehen. Ganz im Gegenteil. Die Bürgermeisterin von Bad Münstereifel, Sabine Preiser-Marian, verweist darauf, dass der Ortskern barrierefreier geworden ist. Ob im Rollstuhl oder mit dem Kinderwagen: Im Vergleich zu den Zeiten mit Kopfsteinpflaster habe sich hier eine erhebliche Verbesserung ergeben. Und mit Blick auf den Um-, Auf- und Neubau der Altstadt fasst Preiser-Marian zwei Jahre nach der Flutkatastrophe zusammen: „Erstaunlich, was wir schon geleistet haben!“

Deshalb, mein Vorschlag: Machen Sie sich Ihr eigenes Bild! Fahren Sie hin, fast alle Gastronomiebetriebe haben seit diesem Monat wieder geöffnet. Dazu sind viele Geschäfte des Outlets wieder saniert. Der klassische Bummel mit Kaffee & Kuchen lohnt sich auch an kälteren Tagen, wenn Bad Münstereifel besonders seine zwei letzten Silben im Namen betont. Und ja: Heino ist noch da! Zwar schon lange nicht mehr mit seinem Café im Ortskern, dafür am Hang gelegenen Kurhaus. Für den Heino-Besuch brauchen also Sie etwas Puste. Oder Sie fahren gleich mit dem Auto hoch. Eine Zugverbindung wird es erst im kommenden Frühjahr wieder geben. Die Wiederaufbauarbeiten der Bahn dauern länger als geplant.

Während sich der Wiederaufbau in der letzten Phase befindet, ist die Aufarbeitung der Katastrophe für mich immer noch sehr unbefriedigend. Jüngst gab ein Gutachten über die Flut im Kreis Ahrweiler Aufschluss darüber, dass es vor allem an Organisation mangelte. Es hätten formalisierte systematische Abläufe gefehlt sowie ein Verwaltungsstab.

Nun hätte ich für diese Erkenntnis kein Gutachten gebraucht, aber wichtig ist es natürlich trotzdem, die Mängel im Katastrophenschutz in einem konkreten Fall aufzeigen zu können. Besonders auffällig: Die Kreise Ahrweiler und Euskirchen gehören zu den Gebieten mit vergleichsweise wenig Bevölkerung. Neben Euskirchen leben in Nordrhein-Westfalen nur in den Kreisen Olpe und Höxter noch weniger Menschen. War die Katastrophe also auch dem Umstand geschuldet, dass es strukturelle Probleme gab? 

Die Flutkatastrophe hat bereits dafür gesorgt, dass wieder Sirenen aufgebaut werden, die Alarmierung über das Handy funktioniert und regelmäßig Warntage abgehalten werden. Ob die Abläufe im Ernstfall heute besser wären als 2021? Da bin ich mir nicht sicher. Ich spüre im Ahrtal, in Euskirchen, Schleiden und Bad Münstereifel die dringende Sehnsucht, dass bei all dem Leid auch ein Erkenntnisgewinn sichtbar werden muss.

Zum Abschluss möchte ich noch auf den Poetry-Podcast von Susanne Hengesbach verweisen. Sie kümmert sich dieses Mal um die schönste Nebensache der Welt und hat trotzdem einen Trigger parat. Denn es geht darum, dass der FC am vergangenen Sonntag das Derby gegen Mönchengladbach (Anm. des Autors: endlich!) gewonnen hat, aber etwa 1.200 Polizistinnen und Polizisten das begleiten mussten – vom Steuerzahler bezahlt. Das muss ja nicht jedem gefallen…auch nicht jedem FC-Mitglied wie mir. HIER kommen Sie zur aktuellen Folge.

In diesem Sinne sendet Ihnen aufbauende Grüße

Ihr

David Rühl