NEWSLETTER 10.11.2023

Über mörderisches Prahlen,

einen Krieg der Werte und  

Lob für Henriette Reker 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

manchmal gibt es so etwas wie einen Schock nach dem Schock. Da schlachtet eine menschenverachtende Terrorgruppe wehrlose Kinder und Greise ab, vergewaltigt Frauen und stellt diese Taten mit Videos prahlerisch ins Netz, da verschleppt eine Mörderbande Unschuldige. Ein Schock sondersgleichen. Und was passiert? Dann scheint die Strategie der Terroristen aufzugehen, die Opfer – Juden und Jüdinnen – werden zu Tätern umetikettiert. Auch in Deutschland gehört die Straße den Sympathisanten der Hamas, werden die Schlächter beklatscht und die Abgeschlachteten verhöhnt. Zehntausende demonstrieren für Palästina und gegen Israel, fordern selbstbewußt die Errichtung eines islamistischen Kalifats in Deutschland. Vergleichsweise wenige Solidaritätsbekundungen gibt es hingegen für Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten. Das ist der zweite Schock. Wie, fragt man sich verstört, fühlt es sich in diesen Tagen an, Jüdin oder Jude zu sein in diesem Land?

Um das zu erfahren, habe ich mit Andrei Kovacs gesprochen. Ihn habe ich kennengelernt, als er 2021 erfolgreich die Veranstaltungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ organisiert hat. Auch für ihn war der 7. Oktober nicht nur ein Tag des Schreckens, er war eine Zäsur. Allerdings beeilt er sich mit einem Lob für die deutsche Politik und ihre Akteure: Die Aktuelle Stunde im Bundestag, Robert Habecks deutliche Worte, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, alle hätten unmissverständlich Position bezogen. Auch der Umgang in den Schulen mit dem Terroranschlag hat ihn positiv beeindruckt, sagt der Vater von drei schulpflichtigen Kindern.

Dennoch, für ihn gibt es seit dem Überfall der Hamas eine neue Zeitrechnung, das Datum nennt er Zäsur: „Ein Trauma, auch für die Juden in Deutschland.“  Das Leben sei unsicherer geworden, Übergriffe nähmen zu, Hakenkreuz-Schmierereien, Davidsterne an Häusern, um auf darin wohnende Juden hinzuweisen. Die öffentlich gezeigte Empörung, wie sie Antirassismus-Gruppen und Bündnisse gegen Rechtsextremismus wie „Arsch huh“ schnell und lautstark aktivieren können? Irgendwo zwischen Fehlanzeige und wenig wahrnehmbar. Die Enttäuschung darüber lässt Kovacs allenfalls zwischen den Zeilen erkennen.

Was ihn irritiert, ist der Umstand, dass von den knapp sechs Millionen hier lebenden Muslimen allenfalls zögerlich Solidarität mit den Opfern geübt wird. „Wo bleibt der Aufschrei“, fragt sich Kovacs. „Auch sie sind vielfach Deutsche, Teil der Gesellschaft.“ Schließlich schüre die Hamas mit ihren Untaten auch die Islamfeindlichkeit hierzulande. Für rechtsradikale und rechtsextreme Kräfte ist, da hat Kovacs wohl recht, der auf Demonstrationen zur Schau gestellte Israel-Hass ein willkommener Anlass, gegen Muslime zu hetzen. Neben dem sogenannten importierten Antisemitismus („Das gehört in etlichen Ländern der islamischen Welt zur Staatsräson“), gebe es auch hier immer noch mal subtilere, mal offenere Judenfeindlichkeit. Um nicht missverstanden zu werden, Kritik an Israels Regierung und ihrer Politik sei selbstverständlich möglich. Nicht aber die Aufforderung zur Auslöschung des Landes und seiner Bewohner. Natürlich erschüttert auch das Leid der Menschen in Gaza, das aber, soviel gehört zur Wahrheit, von der Hamas sowohl ausgenutzt als auch in großen Teilen verursacht ist.

Aber man weiß schon aus der Kindererziehung, Jammern hilft nicht, Handeln schon. Deswegen hat, unabhängig vom barbarischen Hamas-Terror, Andrei Kovacs den Verein „Jüdisches Leben in Deutschland e.V“ (www.jewlif.com) mitgegründet. Dieser paneuropäische Verein will den interreligiösen Austausch pflegen, das zivilgesellschaftliche Engagement stärken und einen positiven Beitrag gegen Rassismus und Antisemitismus in Europa leisten. Denn: „Wir erleben in der Welt gerade keinen Werte-Diskurs, wir erleben einen Werte-Krieg.“

Von den unerfreulichen Erscheinungen der Zeit zu den erfreulichen. Dem Poetry Podcast meiner Kollegin Susanne Hengesbach. Sie widmet sich diesmal, dreimal dürfen Sie raten, dem Weihnachtsgebäck. Das vermittelt offensichtlich ein so beruhigend-flauschiges Gefühl, dass es bereits im September in den Regalen von Rewe, Aldi und Co. liegt – während draußen bei 25 Grad plus der Biergarten mit kalten Getränken lockt. Hören Sie doch einfach mal rein, es lohnt sich.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz