NEWSLETTER 8.3.2024

Wie sich durch ARD-Arithmetik ein Millionenbetrag auf ein Fünftel reduziert und der WDR in Sachen Filmhaus am liebsten recht hat

 

 Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs, 

im Sommer 2025 könnte der WDR in Köln – endlich – sein saniertes „Filmhaus“ in Betrieb nehmen. 13 Jahre, nachdem die Betriebserlaubnis aus Brandschutzgründen befristet wurde. In der Chefetage müsste Erleichterung herrschen, wenn die avisierten und rasant gestiegenen Kosten von €240 Mio. reichen. Intendant Tom Buhrow wird dann nicht mehr an der Spitze stehen, da er Ende 2024 vorzeitig aus dem Amt scheiden will. Wer weiß, wer dann rote Bänder zur Eröffnung durchschneidet und was er oder sie zu sagen hat. 

Bereits jetzt muss man feststellen, dass diese Sanierung WDR und öffentlich-rechtlichen Rundfunk Ansehen gekostet hat. Früh sprach die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (sie verteilt die Rundfunkbeiträge an ARD und ZDF), von „erheblichen Transparenzdefiziten“, warf dem Sender vor, das Projekt „regelwidrig“ zu betreiben und bezweifelte dessen Wirtschaftlichkeit. Jüngst merkte zusätzlich der NRW-Rechnungshof „gravierende Versäumnisse“ an. Aus der vorläufigen Sperrung von €69,1 Mio. der Sanierungskosten machte die KEF wegen ihrer Bedenken nun eine dauerhafte. Sie zieht die Gelder zurück.  

„Diese erhöhen entsprechend die anrechenbaren Eigenmittel der ARD“, heißt es in der KEF-Fachsprache. Negativ formuliert: Der ARD fehlen nun diese €69,1 Millionen zur Finanzierung all ihrer neun Rundfunkanstalten. Da auf den WDR rund ein Fünftel des ARD-Gesamtetats entfällt, belasten ihn auch die gesperrten Millionen nur anteilig. Mit rund €14 Millionen schlägt der KEF-Schritt in Köln zu Buche. Der Rest verteilt sich auf die anderen Sender. Wie bei einem Abendessen zu neunt, nach dem die Rechnung geteilt wird. Die Austern und den Champagner, die einer unbedingt haben musste, zahlen am Ende alle. Es kann aber auch anders gehen. Als der WDR einmal kräftig und überplanmäßig sparte, wurden der ARD Mittel gestrichen und alle Sender bekamen weniger. Sparen kann nach dieser Binnenlogik bedeuten, dass man wohl zu viel Geld bekommen hat.  

Und die €69,1 Millionen, die dem Sender nun fehlen? Muss er sie selbst bezahlen, wie manche mutmaßen? Das hat der WDR offenbar nicht vor. Laut aktuellem Bericht beantragte er bei der KEF, in 2025 einen Kredit über €69,9 Millionen aufzunehmen (dazu ist er verpflichtet). „Selber zahlen“ passte am ehesten, würde er sich im laufenden Betrieb einschränken, wie das ein Großteil der Gesellschaft in ähnlicher Situation tun müsste. Doch verbietet sich der Terminus nach meiner Einschätzung ohnehin, denn für alle Versäumnisse steht die Vielzahl derer gerade, die den Rundfunkbeitrag zu zahlen haben. Vielleicht verwehrt die KEF den Kredit? Dann müsste der WDR ans Eingemachte.

Als besonders kritikwürdig hält die KEF fest, dass der WDR €24,2 Mio. der gesperrten Mittel dennoch ausgegeben hat. Das wird auch von Insidern gerügt. Aber mit seinem Namen dafür stehen möchte niemand. Der Sender ist so groß, dass man es sich mit ihm nicht verderben will.

 

Und dann gibt es die „Wir“-Tendenz. Sie beschreibt ein mauscheliges Miteinander von Aufsichtführenden und Akteuren des öffentlich-rechtlichen Systems. Viele glauben, die Sender schützen zu müssen und übersehen, dass sie sie erst recht angreifbar machen, wenn sie Fehler unter den Teppich kehren. Sie können den aktuellen KEF-Bericht übrigens hier selber nachlesen. Oben rechts auf dem PC ist eine Suchmaske, die sehr nützlich ist.

Seit fast fünf Jahren beschäftige ich mich mit dem Filmhaus und eines zieht sich durch die Jahre: Die Unbeweglichkeit dieses großen Rundfunksenders, dessen Programme ich als Kind und Heranwachsender gebannt verfolgt habe, der nach wie vor zu meinem Tag gehört und den ich als seriöse Nachrichtenquelle schätze. Mitunter grenzt sie an Rechthaberei Einrichtungen gegenüber, die zum gleichen System gehören wie er selbst. „Nicht nachvollziehbar“, nennt der Sender deren Kritik. Ausführlich kommt er zu Wort, wenn Sie hier klicken. Auch große Institutionen könnten mitunter zu kleinen Gesten fähig sein – Verständnis äußern, zumindest etwas einräumen oder gar ein Versäumnis zugestehen. 

Vielleicht deshalb hat man sich bei der KEF entschlossen, Bauvorhaben der öffentlich-rechtlichen Sender in einer Tabelle vergleichbar zu machen. Der Quadratmeter Nutzungsfläche kostet demnach im WDR-Filmhaus €16.283 (Sanierung) gegenüber €6.349 (Neubau), die der Bayrische Rundfunk für ein Haus mit ähnlichen Anforderungen ausgibt. Übrigens übertrifft ein Projekt in den Quadratmeterkosten Nutzung das Filmhaus: Es ist das Kölner Haus des Deutschlandfunks mit €16.799. Hier steht eine Sanierung unter Bedingungen des Denkmalschutzes an. Zurzeit wird sie mit €290 Mio. Kosten kalkuliert.

Eine Menge Geld? Ja. Und doch werden für WDR-Filmhaus und Deutschlandfunk in Köln in etwa nur halb so viel aufgewendet, wie insgesamt für die Sanierung von Oper und Schauspiel. Ein Milliardenspiel in Köln, das einen schwindlig machen kann.  

Sie werden gern „die oft verkannte Wirtschaftsmacht“ genannt und sind ein Lieblingsmotiv der Apotheken-Umschau: Unsere sogenannten Silver Ager – aktiv, fit, unternehmungslustig und zahlungskräftig. Frauen wie Rita Zimmermann, die nach vierzig Jahren Vollzeitarbeit von nicht mal €1000 leben, bildet hingegen kaum jemand ab. Altersarmut ist in unserer Gesellschaft ein Tabu-Thema, über das ungern gesprochen wird. Susanne Hengesbach hingegen tut dies in ihrem neuen Poetry-Podcast besonders eindringlich und berührend. Bitte hören Sie hier ihren Beitrag zum Weltfrauentag mit dem Titel: Altersarmut.

Nachdenkliche Grüße sendet
Ihr

Peter Pauls