NEWSLETTER 12.04.2024

„Ihr da oben – wir da unten“ am Kölner Eigelstein – Ein Riss geht durch das Viertel

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

Rührei kann man nicht mehr trennen, ein Omelett nicht in ein Ei zurückverwandeln. Die schlichte Alltagsweisheit kommt mir in den Sinn, wenn ich lese, dass die Stadt anstrebt, fünf Holzkohlegrills in der Weidengasse stillzulegen. Die Nachricht kommt für mich überraschend. Die Wirte kooperierten und bauten freiwillig Reinigungsfilter ein, zu denen ihnen von Umweltamt und Bürgerverein Eigelstein (BV) dringend geraten wurde. Insgesamt muss ein sechsstelliger Euro-Betrag investiert worden sein. Nun aber geht es um die Existenz, weil amtliche Stilllegung droht und auch der BV Klagen ankündigt. Dabei hatte er noch vor gut einem Jahr geschwärmt: „Weidengasse schreibt Geschichte“. Köln sei Vorreiter in ganz Deutschland. In der Kölnischen Rundschau meldete der Verein an, den Vorgang „eng begleiten“ zu wollen. Verflogen sind die Superlative.

Es schmerzt zu sehen, wie das Eigelstein-Viertel zerfällt und der eigentlich zu lösende Streit um Holzkohlegrills zum polarisierenden Symbolthema gerät – ob einem persönlich die Grills nun stinken oder nicht. Manchen stinkt im übertragenen Sinn auch der Bürgerverein, der eigentlich ehrenamtliche Arbeit leistet, die Respekt verdient und der doch immer wieder über das Ziel hinausschießt. Nicht nur, wenn es um Grills geht.

Im Viertel fällt mir auf, wie selbst gestandene Zeitgenossen den Unmut des Vereins nicht wecken wollen und daher nicht zitiert werden möchten. Was sind die nächsten Schritte, sollten die Restaurants schließen müssen? Das fragen viele verunsichert.  Leider gibt es für dieses angespannte Klima keine Filter oder Messgeräte. Die Nadeln würden kräftig ausschlagen. Nicht von ungefähr spricht der Kölner Jochen Ott, Chef der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, von einem „schäbigen Spiel, das auf dem Rücken hart arbeitender Menschen ausgetragen wird.“   

Die Hauptkombattanten sind symbolisch wie in einer Versuchsanordnung arrangiert. In einer Top-Etage eines mehrstöckigen Wohnhauses wohnt die Spitze des Bürgervereins. Auf der dazu gehörenden üppigen Dachterrasse werden die Facebook-Fotos mit dem Kölner Dom im Hintergrund entstanden sein. Auf ihnen macht der Verein Rauchschwaden aus. Sie werden dem Grillrestaurant zugeschrieben, dessen Rückfront am Boden der schönen Aussicht in einem Hinterhof liegt. Der Wirt rackert unermüdlich, wie ich weiß. Er soll nun Ziel einer Zivilklage sein. Der Buchtitel „Ihr da oben – wir da unten“ von Bernt Engelmann und Günter Wallraff kam mir in den Sinn, als ich mir die Lokalität anschaute.

Den Kern des Konflikts nenne ich das Eigelsteinsche Paradoxon. Der Bürgerverein sagt, die Kohlegrills würden giftige Gase verbreiten. Das Umweltamt widerspricht dem. Amtlich thematisiert wird nun Geruch, der aber nichts über Gesundheitsgefahren sagt, die es aber ohnehin offiziell nicht gibt. Wer gewinnt, wenn der Streit vor Gericht geht? Niemand, vom Umweltamt abgesehen, das das stete Klagen des Bürgervereins offenbar nervt und nun an das städtische Rechtsamt übergeben kann. Eingeschritten wird übrigens nur, wo es Beschwerden gibt, wie die Stadt einräumt. Um Gesundheit kann es also nicht gehen. 

„Die Situation in der Weidengasse hat sich komplett verhakt und kennt nur Verlierer,“ meint der CDU-Politiker Florian Weber, Vorsitzender des Ortsverbands Innenstadt-Nord. Der Eigelstein stehe für ein friedliches Miteinander. Eine Weidengasse ohne die türkischen Restaurants sei für ihn nicht vorstellbar. Nun gehe ein tiefer Riss durchs Viertel.

Mannheim sei Modellstadt für Holzkohlegrills, sagten im Januar 2020 unisono Bürgerverein, Bezirksbürgermeister Hupke (Grüne) und ein Verkäufer kommerzieller Filteranlagen, der praktischerweise gleich mit dabei war. Ein Facebook-Eintrag zeigt das. Eine kleine Gesandtschaft war eigens an Rhein und Neckar gefahren. Danach glaubte man Bescheid zu wissen.

Tatsächlich leisteten die Filter in Mannheim gute Arbeit, wie meine Freundin Lale Akgün jetzt im Gespräch mit Yilmaz Akilmak, einem Mannheimer Restaurantchef, hörte. 70 Prozent der Geruchspartikel seien herausgefiltert worden. Doch habe die Anlage keine Zulassung vom Land gehabt – die Regeln wechseln je nach Region. Daher habe sie abgeschaltet werden müssen. Eine zugelassene und empfohlene Anlage mit höherer Reinigungskraft von 95 Prozent wiederum koste € 100.000,– und weitere € 3000,– Unterhalt pro Monat. Das aber gäbe sein Betrieb nicht her, sagte der freundliche Gastronom.

Nun lebt man in Mannheim wieder filterlos, berichtete Lale Akgün weiter aus dem Gespräch. Was bedeutet das für Köln? Eine Stilllegungsverfügung sei angesichts der Existenzgefährdung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, zumal die Stadt hier lediglich mit einer Geruchsbelästigung argumentiert, sagt die Kölner Rechtsanwältin Dr. Stefanie Beyer, die zwei Wirte vertritt. So taugt Mannheim, wenn nicht als Vorbild, so doch zumindest als Mahnung. Es kann immer noch schlechter kommen.

Nun wird es heiter. Die neue Episode aus Susanne Hengesbachs Poetry-Podcast-Reihe „Da reim‘ ich mir was drauf . . .“ hat den selbsterklärenden Titel ERWISCHT! Im Gespräch mit der Freundin wird etwas aufgedeckt, was viele Frauen kennen dürften! Mehr müsse man da im Vorfeld nicht zu sagen, meint die Autorin. Es lohnt sich reinzuhören! Auf mein Bitten hat Susanne mich schließlich lauschen lassen. Unbedingt hier klicken, kann ich nur sagen.

Am Wochenende erwartet uns ein Hauch von Frühling. Genau weiß man das zwar nicht. Aber ich hoffe es.

Erwartungsvolle Grüße sendet

Ihr

Peter Pauls