NEWSLETTER 11.10.2024

Wir sind derzeit alle Eigentümer des größten Bordells der Stadt. Dahinter steckt ein Skandal – und kein Grund zur Freude.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

 

sollten Sie mit dem Gedanken spielen, das größte Bordell unserer Stadt kaufen zu wollen, dann habe ich eine schlechte Nachricht: Das „Pascha“ im Kölner Gleisdreieck ist derzeit unverkäuflich. Nicht, weil es so wertvoll sein könnte. Der Staat hat im Grundbuch einen Sperrvermerk eingetragen, es wurde praktisch beschlagnahmt.

Hintergrund sind Ermittlungen um einen Schleuser-Skandal. Der Fall dürfte derzeit einer der größten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sein. Es gibt mehr als 60 Beschuldigte, darunter Anwälte, Lokalpolitiker und Mitarbeiter in verschiedenen kommunalen Verwaltungen. Seit Monaten stecke ich in der Recherche in der Sache und staune, wie viele Wendungen und Dimensionen der Fall mittlerweile erreicht hat. Die Sicht der Ermittler lautet so: Sie hat in diesem Frühjahr durch eine Razzia mit mehr als 1.000 Polizeibeamten eine international agierende Schleuserbande zerschlagen. Diese soll reiche Menschen, vor allem aus China, eingeschleust haben – mit falschen Dokumenten, erfundenen Adressen und vielleicht auch ausgedachten Namen.

Neben den Hauptverdächtigen sollen auch Mitglieder der Firma in den Skandal verwickelt sein, die das „Pascha“ vor drei Jahren kauften. Für elf Millionen Euro. Für den Notar muss es wie ein normaler Vorgang ausgesehen haben. Vorausgegangen waren finanzielle Probleme des alten Eigentümers, die durch die Corona-Pandemie entstanden waren.

Um den möglichen Skandal zu verstehen, ist es wichtig, dass der Name „Pascha“ zwar geblieben, aber sich ansonsten in den vergangenen Jahren sehr viel in diesem Haus geändert hat. Aus dem Bordell könnte, so die Ermittler, viel mehr geworden sein: während unten, für alle sichtbar, alles wie immer abzulaufen scheint, ist unklar, was in den Etagen unter dem Dach geschieht. Immer wieder höre ich aus Kreisen der Polizei: „Es ist wie bei Siegfried & Roy.“ Wie der Trick funktioniert, das könnten viele erkennen, aber niemand schaue genau hin, weil der Blick woanders hingelenkt werde.

Eröffnet wurde das Haus im Januar 1972. Zuvor gab es in Köln keine organisierte „Vergnügung sexueller Art“, wie es die Stadt Köln in ihrer Satzung zur Vergnügungssteuer ausdrückt. Prostitution war Anfang der 1970er-Jahre in der Innenstadt an vielen Ecken zu sehen; der Anblick gehörte zum Alltag der Anwohner. Als Zentrum der Prostitution hatte sich die Kleine Brinkgasse, eine Abzweigung der Ehrenstraße, entwickelt. Anwohner schätzen aber nicht die kurzen Wege, sondern beschwerten sich zunehmend über das, was in ihrem Viertel geschah. Es hatte sich zum Rotlichtbezirk entwickelt. Die Stadt vergab schließlich eine Konzession und ein Betreiber konnte (ausgerechnet in der Hornstraße) ein „Eros-Center“, später in „Pascha“ umbenannt, mit 126 Einzelräumen auf zehn Etagen in Neuehrenfeld bauen – mitten im Gleisdreieck, wohl in der Hoffnung, dort falle es weniger auf. Ist es deshalb mittlerweile in einem „dezenten“ Rosa gestrichen?

Die mehr als 50-jährige Historie verdeckt, dass es mitten in der Corona-Pandemie einen großen Bruch gab, der Grundlage für den heutigen Schleuser-Skandal sein soll. Die neue Eigentümerin Jing Hu gründete laut Ermittlern eine Firma mit zwei Anwälten aus dem Kölner Raum, den beiden heutigen Hauptverdächtigen im Schleuser-Verfahren. Das eigentliche Ziel soll es nicht gewesen sein, den „Pascha“-Betrieb wieder aufzunehmen. Vielmehr sollte das nur eine Tarnung für ein krummes Geschäft sein, so die Erklärung aus Ermittlerkreisen. Der Betrieb wird jedenfalls nicht von den Eigentümern geführt, er wurde abgegeben. Wichtig für die Schleusungen seien die Etagen ganz oben gewesen.

Den Ermittlungsakten zufolge wurden die Firma und das „Pascha“ benutzt, um reiche Menschen aus China, arabischen Staaten und auch Indien nach Deutschland zu schleusen. Bis zu 360.000 Euro pro Person seien dafür geflossen. Eine Vermutung ist, dass das eingenommene Geld als Umsatz mit dem Bordellbetrieb verbucht wurde – das wäre klassische Geldwäsche. Und was für Menschen wurden da geschleust? An den angeblichen Wohnadressen im Rheinland konnten weder ich noch andere bislang jemanden vorfinden. Deshalb geht in verschiedenen Kreisen die Mutmaßung um, auch chinesische Spione könnten im neunten Stock des Hauses ein und aus gegangen sein. Von vielen Geschleusten fehlt jedenfalls jede Spur.

Einige von ihnen sollen in den obersten Etagen des „Pascha“ untergekommen sein. Dort befindet sich jetzt ein Hotel, das vom restlichen Betrieb im Gebäude strikt getrennt sei. Also versuchten Journalisten direkt mal eine Nacht dort zu buchen. Wer eincheckte, um zu recherchieren, der wurde auf besondere Weise empfangen. Auf dem Flur stand eine Puppe, die lachend den „Express“ in der Hand hielt und es gab als Angebot ein „Spion-Special“, inklusive Agentenfrühstück. Ich bin gespannt, ob das die Staatsanwaltschaft Düsseldorf als Einladung für einen Betriebsausflug verstehen könnte.

Sofern ich die Aktenlage durchblicke, ist der Ausgang noch unklar. Bislang ergeben sich viele offene Fragen, teils auch Widersprüche. Weder die Rolle der Beschuldigten erschließt sich auf Anhieb noch ist klar, ob die Vorwürfe gegen die mehr als 60 Beschuldigten wirklich mehr sind als nur ein Verdacht. Das „Pascha“ hat, wenn Sie mir den Scherz erlauben, auf jeden Fall einen Ruf verloren.

 

Somit verbleibe ich mit neugierigen Grüßen

 

Ihr
David Rühl