NEWSLETTER 18.10.2024
Warum der Abriss des Kölner Justizgebäudes Geld sowie Vertrauen kostet und wie man in einer Schulsporthalle Zuversicht finden kann
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
wenn von einem Elefanten im Raum die Rede ist, bedeutet das, ein großes Thema werde nicht angesprochen. Aber was ist, wenn dieser Elefant aus drei gewaltigen Gebäudeflügeln in radialer Anordnung besteht, deren höchster Teil 24 Etagen umfasst und eine Höhe von 105 Metern aufweist? Dann muss das Schweigen ohrenbetäubend sein. So ist es mit dem Kölner Justizzentrum. Es gehört dem Land NRW. 1981 war es bezugsfertig. Nun soll es schon wieder abgerissen werden.
Darüber sprechen mag so gut wie niemand. Weder das Wirtschaftsministerium von Vize-Ministerpräsidentin Neubaur (Grüne) möchte sich äußern, noch wollten Justizminister Limbach (Grüne) oder der NRW-Bau- und Liegenschaftsbetrieb an unserer Podiumsdiskussion („Abriss um jeden Preis“) teilnehmen. „Das Thema wird wie eine heiße Kartoffel behandelt,“ kritisiert Jörg Frank vom BUND. Der frühere Fraktionsgeschäftsführer der Kölner Grünen verweist darauf, dass die Stadt sich den Abrissplänen widersetzen kann. Sie hat die Planungshoheit und offiziell den Klimanotstand ausgerufen.
Bei einem Abriss geht graue Energie verloren, die zur Herstellung der Baustoffe wie Beton, Stahl und Steine, für ihren Transport, Lagerung und den Bauprozess aufgewendet werden muss. Jeder Privatmann, der einmal ein Haus gebaut hat, pflegt die Immobilie, setzt sie instand oder modernisiert sie. Kein Wunder. Er arbeitet mit eigenem, meist selbst verdientem Geld. Das unterscheidet ihn von der öffentlichen Hand. Die arbeitet mit Steuern und Abgaben. Häufig handelt sie nach der Regel: bauen, verkommen lassen, abreißen, neu bauen, wieder verkommen lassen . . .
Bildmächtiger als mit dem Abriss dieses Hochhauses lässt sich die Verschwendung von Ressourcen kaum ausdrücken. Mein Respekt gilt daher dem Beigeordneten der Stadt Köln für Planung und Bauen, Markus Greitemann, dass er die Abrisspläne auf unserem Podium am Dienstag, 29.Oktober, 19.30 h, im Excelsior Hotel Ernst, Trankgasse 1-5, 50667 Köln, argumentativ vertritt. Andere ducken sich weg, er sitzt aufrecht.
Immerhin ließ der Landesbaubetrieb wissen, dass Abriss oder Sanierung des Gebäudes geprüft wurden. Die Alternativen wurden „hinsichtlich Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Nutzerfreundlichkeit, möglicher Risiken und weiterer Aspekte verglichen und bewertet. Die Kernsanierung erhielt in diesem Variantenvergleich unter Berücksichtigung aller relevanten Kriterien die geringste Punktzahl, ein Neubau die höchste„, schreibt die Behörde. An diesem Punkt war auch der BUND angelangt. Doch als er tiefer gehen wollte, mauerte der Betrieb mit einer erstaunlichen Begründung: Bei der Bekanntgabe weiterer Informationen seien nachteilige Auswirkungen auf die Baumaßnahme „Justizzentrum Köln“ zu befürchten. Darf eine Behörde die Öffentlichkeit so parteiisch unterrichten?
Dabei könnte man begründen, warum die Justiz es schwer hat in diesem Haus. Es ist, wenn ich die Kritik zusammenfasse, unterdimensioniert, dysfunktional, veraltet und nicht zu modernisieren. Die Aufzüge sind ein Flaschenhals. Aktentransport ist ein Geduldsspiel. Warum nicht E-Mail? Weil unzureichende Stockwerkhöhen keine Zwischenböden für elektronische Übermittlung zulassen. Dass sich vor Jahren eine Fünf-Tonnen-Betonplatte aus der Außenverkleidung löste, ist auch erwähnenswert. Aber warum lässt man die Justiz nicht ziehen und baut das Haus für den Wohnungsmarkt um? Pläne dafür liegen vor, Investoren stehen bereit – wie im Nachbargebäude, wo früher die Arbeitsagentur residierte. Dieses wird nun von einem privaten Bauträger für einen besonderen Mieter hergerichtet: Die Kölner Justiz will hier arbeiten, wenn ihr Justizgebäude abgerissen wird. Sie sehen – die Angelegenheit ist höchst komplex. Der Landesregierung hat es vermutlich nur die Sprache verschlagen.
Zum Schluss eine Geschichte, die Zuversicht schafft. Sie ist zu klein, um für Schlagzeilen zu sorgen. Doch ist sie so groß, dass sie für mich bedrückende Weltnachrichten beiseiteschob. Ein Mädchen-Handballteam des Longericher SC, 2018 gegründet mit acht- und neunjährigen Kindern, hat sich trotz Corona und eingeschränkter Hallennutzung Jahr um Jahr in die Handball-Jugend-Bundesliga vorgearbeitet. In den USA würde man einen Film darüber drehen. Hier machte mich eine Spendenbitte auf den Durchmarsch aufmerksam. Erfolg hat einen Preis, lernte ich. Der Bus zum Spiel nach München, Berlin, Hamburg oder Kassel kostet, die Nacht in der Jugendherberge auch, erklärte mir Martin Brozek, der mit Dirk Külker einer der Geburtshelfer des Handball-Wunders im Kölner Norden ist.
Sieht man sich den Erfolg näher an, kommt der Stoff zum Vorschein, der unsere Gesellschaft zusammenhält: Ehrenamt, Teamleistung, extra Wege gehen, für seine Kinder da sein, Freude über Siege, aber auch Niederlagen akzeptieren lernen. Er setzt sich aus sehr viel Arbeit zusammen, darunter tausende Trainings- und Fahrstunden, aus Lehrgängen, Eltern- und Helferarbeit. So lernten in den unteren Spielklassen Eltern, die Zeitnehmeruhr zu bedienen. Auf der kleinen Tribüne der Sporthalle in Longerich treffen sich bei Wettkämpfen zuschauende Familien am kleinen Erfrischungsbuffet, das ein anderer Nimmermüder aufbaut. So wächst die Gemeinschaft und keimt der Erfolg.
Zur Kreismeisterschaft gab es noch eine Torte mit der Aufschrift „Dreamteam“. Jahre später – die Mädchen sind jetzt junge Frauen – gibt es harte Medaillen zur westdeutschen Meisterschaft. Hier finden Sie die Spendenbitte mit Fotos von Thomas Schmidt, hier erfahren Sie mehr über die Mannschaft, die zu den Top-Teams des deutschen Jugendhandballs gehört. Saison-Ziel des „kleinen Dorfvereins“ (Martin Brozek), ist die Endrunde der Deutschen Meisterschaft. Ich wünsche ihr viel Erfolg!
Und noch eine gute Nachricht: Susanne Hengesbach ist kraftvoll mit ihrem Poetry Podcast zurückgekehrt. Vor 50 Jahren sang der deutsche Liedermacher Reinhard Mey: „Es gibt keine Maikäfer mehr.“ Heutzutage schriebe er wohl eher das Lied: „Es gibt keine Weinkönigin mehr“. Von der Rodung der deutschen Sprache und dem bis zur Absurdität fortgesetzten Angleichungsbestreben hierzulande handelt ihr neuestes Stück JUNGFERNstieg. Sie können hier reinhören.
Ein freundlich-herbstliches Wochenende wünscht Ihnen
Ihr
Peter Pauls