NEWSLETTER 15.11.2024

Über eine fehlende Planstelle in der Verwaltung,
das Elend mit dem Verkehr
und genetisch bedingte Abneigungen

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

vielfach fragen sich Kölnerinnen und Kölner, ob die Stadtverwaltung mit 24.000 Mitarbeitern nicht allzu üppig besetzt sei. Das könnte durchaus sein, denn die offensichtlichen Mängel in den Dienstleistungen für die Bürger ließen sich vermutlich auch mit weniger Personal hinbekommen. Dennoch gibt es gute Argumente dafür, dass eine Stelle fehlt: Die für einen Oberstadtdirektor. Also für jemanden, der hauptberuflich und einschlägig qualifiziert die Verwaltungsarbeit verantwortet, führt, strukturiert und – auch das – kontrolliert. Doch die früher übliche Doppelspitze wurde in Nordrhein-Westfalen vor langer Zeit schon abgeschafft. Will man es nett formulieren, könnte man sagen: Verbessert hat das die Arbeitsergebnisse nicht. Es hat die Liste von Klagen über zu lange Genehmigungsverfahren, die marode Infrastruktur, die öffentliche Ordnung und vieles mehr nur verlängert.

Bei jemandem, der das aus eigener Anschauung erlebt (und wohl auch erlitten) hat, rennt man mit so einem Thema offene Türen ein: Fritz Schramma. Der ehemalige Kölner OB plädiert für eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung: „Der Oberstadtdirektor hatte früher einen 16 Stundentag, ob er Rossa, Ruschmeier oder Heugel hieß. Der Oberbürgermeister aber auch“, rechnet er vor. „Wer beide Aufgaben wahrnehmen muss, der kann nicht den Anforderungen und Bedürfnissen einer Großstadt gerecht werden. Schrammas Vorstellung ist, dass Städte ab einer gewissen Größenordnung – also ab 500.000 oder 750.000 Einwohnern – zur Doppelspitze zurückkehren sollten.

Doch unabhängig davon läuft in der Rhein-Metropole vieles nicht nur wegen einer fehlenden Doppelspitze schlecht. Wer sich trotz ausgeprägter Heimatliebe in anderen Städten umsieht, entdeckt schnell, dass außer beim Karneval in Köln vieles schlechter läuft als anderswo. Ob die Verkehrssituation (Schramma: „Eine in großen Teilen nicht funktionierende KVB kommt noch dazu“), die Lage auf dem Wohnungsmarkt, der Zustand der öffentlichen Infrastruktur, die Sauberkeit oder die Sicherheit – so sehr kann man die Stadt nicht lieben, dass man über all die offensichtlichen Defizite hinwegsieht.

„Der Wohnungsmarkt hier ist eine Katastrophe“, sagt Fritz Schramma, „wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Da muss ein Programm her, da könnte auch die Stadt mehr tun“. Zwar hat gerade das IFO-Institut gemeldet, dass die Hälfte der Wohnungsbauunternehmen über Auftragsmangel klagt. Aber die Stadt könnte Flächen zur Verfügung stellen, Baulücken müssten geschlossen werden, Potenzial gebe es auch, wenn man höher bauen dürfte. Doch er sehe wenig Ambition in der Spitze der Stadt. Wo heute keine Wohnungen entstehen, kann morgen niemand wohnen. Das Ergebnis ist, dass Wohnen die neue soziale Frage geworden ist. So entsteht eine Situation, in der  sich Menschen, die die Funktionsfähigkeit einer Stadt garantieren – also bei Polizei, Pflegediensten, Krankenhäusern oder Schulen – genau dort keine Wohnung mehr leisten können. „Große Unternehmen in Ballungsräumen stellen ihren Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung. Die Stadt Köln ist auch ein großes Unternehmen und hat damit eine soziale Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern“, sagt Schramma.

Mit Kritik an der Kölner Politik hält Schramma sich zurück, über seine Nachfolgerin im Amt will er sich – nachvollziehbar – nicht äußern. Aber auch so ist offensichtlich: Dass die Ära Reker als erfolgreich gestaltetes Stück Stadtgeschichte gewertet werden wird, scheint so unwahrscheinlich wie ein Rosenmontagszug an Heiligabend. Zu glücklos agierte sie, zu unambitioniert wirkt gerade in heraufziehenden Krisenzeiten ihr Umgang mit der Wirtschaft, ihr Bemühen um Sicherung und Erhalt wichtiger Arbeitsplätze –  gemeint sind die jenseits der Stadtverwaltung. Auch die Hoffnung, sie könne als ehemalige Dezernentin die Arbeit der Behörde optimieren – vergebens. Was Kölnerinnen und Kölner, die ihre Aversion gegen Düsseldorf offensichtlich in den Genen haben, besonders schmerzt, ist ein Blick in die nördliche Nachbarstadt, wo der nicht immer populäre OB Joachim Erwin kraftvoll wirkte und jetzt Stephan Keller seine Sache nach allgemeiner Einschätzung sehr respektabel macht. Ihn hat Köln ziehen lassen, was nicht wenige bedauern.

Nun ist das Rennen um das höchste Amt der Stadt eröffnet. Leicht wird es dem oder der neuen OB allerdings nicht gemacht. Verbessern würde sich die Handlungsfähigkeit, wenn er selbst Dezernenten und Dezernentinnen ernennen könnte, es sind schließlich die wichtigsten Vertrauten. So kungelt sie der Rat aus und kann damit einen Oberbürgermeister quasi einmauern. „Ein OB muss mehr Gestaltungsspielraum haben“, so Schramma. Auch plädiert er für eine Verkleinerung des 90-köpfigen Rates: „Das größere München kommt mit erheblich weniger Ratsmitgliedern aus.“ Auch wenn Köln für seine Fans natürlich die schönste Stadt der Welt ist – nicht nur im Fußball kann München sich sehen lassen. Man muss aus Kölner Sicht allerdings auch sehen wollen.

Dazu gehört für eingefleischte Köln-Patrioten natürlich die Brauchtumspflege. Meine Kollegin Susanne Hengesbach hat sich dazu, noch ganz unter dem Eindruck der sehr konkreten Brauchtumspflege am 11. im 11., ihre ganz eigenen Gedanken gemacht. Hören Sie mal rein, es lohnt sich.

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz