NEWSLETTER 09.05.2025
Lärm in der Innenstadt: was wird da eigentlich gemessen? Womöglich grober Unfug. Ein Blick hinter die Kulissen, die selbst die Verwaltung nicht kennt
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
heute habe ich eine Geschichte für Sie, über die zwar viele reden, aber kaum einer bei dem Moment dabei war, der wirklich für das Verständnis wichtig ist. Es geht um Innenstadt-Plätze mit viel Lärm, wie den Brüsseler Platz. Sie wissen, dass das Verwaltungsgericht das generelle Verweilverbot dort im Eilverfahren erst einmal teilweise gekippt hat. Die Stadt erwägt deshalb ein anderes, milderes Verbot – ein „Alkoholkonsumverbot“ werde vorbereitet, heißt es. Viele glauben, die Stadt zeige damit nun Einsicht, dass ihre ursprüngliche Entscheidung zu hart gewesen sei und sie hätte lieber früher mildere Maßnahmen prüfen sollen – so wie es auch die Richter in der Entscheidung zu den Eilanträgen sagen.
Ich habe da so meine Zweifel… Denn das Urteil des Verwaltungsgerichts hat für mich einen Subtext. Und der lautet: die größte Schwachstelle sind nicht die Entscheidungen der Stadt sondern die Lärmmessungen selbst. Die Stadtverwaltung schreibt mir dazu, das Gericht habe nicht die Höhe der Messwerte angezweifelt. Allerdings sei künftig eine „Begleitung“ der Messung vor Ort gefordert worden. Ja, aber warum denn!?
Meine Sicht der Dinge beginnt vor längerer Zeit mit einem Spaziergang durch die Innenstadt. Mit einem Eis in der Hand genieße ich den Feierabend und mir fällt am Straßenrand ein parkender Bus auf, der auf seinem Dach eine Art Antenne stehen hat. Die Konstruktion ist insgesamt etwa vier Meter hoch. Doch es stellt sich heraus: es ist keine Antenne auf dem Dach, sondern ein Mikrofon.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich das Eis vor Lachen kaum im Mund halten konnte. Bald mache ich 30 Jahre lang Radio. Kein Profi käme auch nur entfernt auf die Idee, für gute Aufnahmen ein Metallstativ mit einem Mikrofon auf einen Resonanzkörper aus Metall zu stellen.
Jedes Geräusch fängt der Bus als Resonanzkörper auf, gibt es verstärkt über das Metallstativ weiter und überträgt so das Geräusch auf das Mikrofon – viel lauter als es tatsächlich ist. Mir war schon damals klar, dass mir das kaum einer glauben wird. Deshalb habe ich Fotos von dieser Lärmmessung Aufnahmekonstruktion gemacht und sie an Tontechnikerinnen verschiedener Funkhäuser geschickt. Auch diese antworteten mit Gelächter. Für alle war sofort ersichtlich: das kann nicht ernsthaft eine seriöse Messung oder Aufnahme einer Geräuschkulisse sein. Wochen später schickte mir eine dieser Technikerinnen ein Bild von der derselben Konstruktion an anderer Stelle in der Innenstadt. Es ist also Methode.
Viele Monate später äußert das Verwaltungsgericht seine Meinung dazu und kippt das Verweilverbot am Brüsseler Platz. In diesem Moment habe ich noch gar nicht an die Lärmmessung gedacht – bis in der Begründung des Gerichts diese zwei Sätze fallen: „Die Messungen zeigen vielmehr, dass die vom Geschehen ausgehenden Geräusche vor allem von Pegelausschlägen (lautes Rufen und Lachen, Schreie und lautes Klirren von Glasflaschen) geprägt sind. Die Messungen, die keine Angaben zur Ursache des Lärms enthalten, sind nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, um die von der Stadt behauptete Gesundheitsgefahr schon bei einfachen Unterhaltungen zu plausibilisieren.“
Und an der Stelle erinnere ich mich dann doch an das, worüber ich mich so amüsiert habe: Messungen aus der Innenstadt, zumindest einige, sind mutmaßlich nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Richter, die regelmäßig mit Lärmgutachten zu tun haben, empfinden die Messungen der Stadt Köln als nicht plausibel. Und da ich ja einmal bei einer solchen Messung dabei war, schließe ich mich dieser Auffassung durchaus an. Ausschläge beim Pegel entstehen vor allem dann, wenn der Resonanzkörper umso größer ist.
Übrigens: der geparkte Bus am Straßenrand war während der Messung menschenleer. Die Mitarbeiter des Ingenieurbüros saßen nebenan, in einem weiteren geparkten Auto. Warum, habe ich sie damals gefragt. Sie sagten, so solle verhindert werden, dass ihre Gespräche und Bewegungen im Wagen auf der Aufnahme zu hören seien. Keine Pointe.
Nur damit keine Missverständnisse entstehen: meine Beobachtungen beziehen sich auf Messungen am Rudolfplatz. Für den Brüsseler Platz wurde nach Angaben der Stadt eine andere Firma beauftragt. Auf meine Frage, ob denn die Stadt während der Messung auch einmal vor Ort dabei gewesen sei, heißt es: Nein. „Bei den beauftragten Firmen, handelt es sich um Gutachter mit entsprechender Expertise, so dass keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung erkennbar sind.“
Komisch ist es dann, dass die Richter fordern, dass künftige Messungen „begleitet“ werden sollen – und gibt der Stadt das Signal, mit den bisherigen Lärmgutachten rechtlich nicht durchzukommen. Auch der Kölner Presseclub bietet sich als „Begleitung“ für die nächsten Messungen gerne an. Und, ich habe sie schon gefragt: die beiden hauptberuflichen Tontechnikerinnen aus den Funkhäusern kommen auch.
Es grüßt Sie aufhorchend herzlich
Ihr
David Rühl
PS:
„Gute“ Nachrichten vermeldet auch die Volksbühne am Rudolfplatz, ein Partner des Kölner Presseclubs. Die Volksbühne legt nach sieben Jahren ihren Rechtsstreit mit Nachbarn bei und darf somit weiter bestehen. Zwar müssen die Veranstaltungen weiterhin spätestens 22 Uhr beendet sein, aber der Kulturbetrieb als Ganzes steht nicht mehr in Frage. Die Kosten für diese Erkenntnis liegen nach Angaben der Volksbühne bei 160.000 Euro. Da sieht man mal, was das kostet – auch wenn alles bleibt, wie es ist.