Newsletter 14. Januar 2022

Newsletter vom 14.01.2022

Wir haben die Welt so wenig im Griff wie Corona – Das Klimpern des schnellen Euro gehört auch zur Pandemie

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mir kommt es vor, als habe jemand ein gewaltiges Netz über unsere Gesellschaft geworfen, das Corona heißt. Denn die Pandemie geht einher mit einem Netzwerk an Regeln und Einschränkungen, die bis in die feinsten Verästelungen unseres Alltags reichen und die ich – geimpft, geboostert, maskiert und gutwillig – im Detail gar nicht immer überblicke. Immerhin darf ich künftig wieder zum Frühsport ins Studio. In der Covid-19-Ökonomie ist (m)eine Booster-Impfung dort so viel wert wie ein aktueller Test.

Die, die diese Regeln machen, haben eine Bedeutung bekommen, die sie lange nicht mehr hatten, sagt Jens Lönneker vom Rheingoldsalon. Er ist Partner unseres Presseclubs und ich befrage den Psychologen gerne über gesellschaftliche Prozesse. Selten besaß Politik eine solche Alltagsrelevanz, die unmittelbar und überall spürbar ist – auf dem Wochenmarkt oder an der Supermarktkasse, in Schauspiel, Oper und Fußballstadion. „Das Thema ist einfach latent vorhanden,“ sagt Lönneker. Über die Jahreszeiten hinweg ebenso wie in der Breite der Gesellschaft prägt es unser Leben.

Oder das Hänneschen Theater. Dort hat der SPD-Politiker Karl Lauterbach eine Art kölschen Ritterschlags erfahren. Bereits vor einem Jahr geisterte er um den Karnevalszug herum, der 2021 aus Corona-Gründen auf Puppengröße geschrumpft war. Mittlerweile zum Minister befördert, muss der Kölner Bürger Lauterbach sich milden, aber treffenden Spott gefallen lassen. Er kenne wohl den anderen Bazillus dieser Stadt nicht, den karnevalistischen, ruft ihm dort der Sitzungspräsident zu und Lauterbach murmelt, der stehe nicht in seinen Unterlagen. Fast wie im richtigen Leben. Ein Wirkungstreffer für den Politiker mit Kölner Wahlkreis.

Was macht all das mit uns im bald dritten Pandemie-Jahr? Des Menschen Glaube an die eigene Allmacht sei durch Corona und die Folgen des Klimawandels erschüttert, antwortet Jens Lönneker. Wir haben die Welt eben nicht im Griff. Zahlen des Forsa-Instituts von Manfred Güllner untermauern das. Im „Themenradar“ des Instituts ist das Corona-Virus mit Abstand vorn, von 75 Prozent der Befragten benannt. Felder wie Energie und Atomausstieg hingegen kommen nur auf zehn Prozent. Da wundert es nicht, dass die Deutschen laut Forsa ihr größtes Vertrauen den Ärzten (87 Prozent) und Universitäten (79 Prozent) schenken.

Mein persönliches Vertrauen in den medizinischen Sektor und seine Ausläufer jedoch ist strapaziert worden. Wie es dazu kam? Sonntags ließ ich mich in Köln-Rodenkirchen testen, da ich für eine Nachmittagsveranstaltung ein negatives Resultat vorweisen musste. Doch das Ergebnis traf auch nach Stunden nicht ein, so dass ich mich – anderswo – ein zweites Mal testen ließ. Einen Tag später aber kam dann doch noch per E-Mail das ursprüngliche Testergebnis. Es sieht amtlich aus, ist versehen mit dem Landeswappen Nordrhein-Westfalens sowie dem drohenden Hinweis: „Wer dieses Dokument fälscht oder einen nicht erfolgten Test unrichtig bescheinigt, macht sich nach § 267 StGB der Urkundenfälschung strafbar.“

Diesen Passus haben die Betreiber der Teststation offenbar nicht verinnerlicht, denn die ganze, mir um fast einen Tag verspätet zugestellte Bescheinigung ist – freundlich formuliert – unrichtig. Als Testdatum ist dort nicht der Testtag „Sonntag“ sondern der Zustellungstag „Montag“ angegeben. Vermutlich werden solche falschen Bescheinigungen in dreistelliger Zahl verschickt worden sein. Denn vor dem Testzentrum hatte sich eine lange Warteschlange gebildet und die Mitarbeiter notierten – wegen ihres ausgefallenen Computersystems – alle Namen per Hand auf Notizzetteln. So kam ich an eine amtlich aussehende, jedoch falsche Bescheinigung. Ihr eigentlicher Nutzen kann nur darin bestanden haben, dem ausführenden Institut sein Honorar zu sichern. Im ungünstigsten Fall hat ein inzwischen Infizierter dank solcher Fehlleistung Dritte angesteckt.

Das NRW-Gesundheitsministerium, auf den Fall angesprochen, teilte wortreich mit, dass es im Grunde nichts mitzuteilen hat. Offenbar kann oder will es einen solchen Fall nicht einordnen. Und auch die verantwortliche Testfirma Covid19Center wusste wenig Erhellendes zu erklären: Meine Reklamation sei eingegangen und ansonsten dürfe man aus datenschutzrechtlichen Gründen keine weiteren Informationen geben. Bei solcher Laschheit wundert die offenbare Goldgräberstimmung nicht, die man in dem einen oder anderen hastig eingerichteten Testzentrum vermutet. Ist das nicht von Beginn an auch eine leise Begleitmusik der Pandemie gewesen? Das Klimpern des schnellen Euro?

Wie es weitergehen mag? Selbst Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird das nicht wissen, obwohl seine Autorität als Stockpuppe ihm Kult- und trügerisch kölschen Ewigkeitsstatus verliehen hat. Lassen Sie mich daher eine einigermaßen haltbare Einschätzung formulieren: Nach der Impfung ist vor der Impfung. Irgendwann vielleicht wird sie Routine – wie die Grippeschutzimpfung.

Mit dieser Erkenntnis melden wir uns aus der Winterpause zurück und wünschen Ihnen ein möglichst gesundes sowie sorgenfreies neues Jahr 2022.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls

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