Newsletter 14. April 2022

Newsletter vom 14.04.2022

Vom steilen Aufstieg in den freien Fall:
Ursula Heinen-Esser und Anne Spiegel scheitern an sich selbst

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

mit zu den schärfsten Waffen der Diplomatie gehört es, ein ausländisches Staatsoberhaupt zur unerwünschten Person zu erklären. Der ukrainische Präsident Selenskij hat die ganze Zerstörungskraft dieses Instruments jetzt genutzt – ausgerechnet gegenüber Bundespräsident Steinmeier. Sicher, Gerhard Schröders ehemaliger Kanzleramts-Chef und spätere Außenminister Steinmeier steht für eine aus heutiger Sicht deutlich zu verständnisvolle Haltung gegenüber Putins Russland, er hat sich selbst als Bundespräsident noch für die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 eingesetzt. Dennoch: Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasoren und die Ausladung Steinmeiers spaltet die Einheit der Europäer.

Apropos Zerstörungskraft: Vermutlich ist die wirkungsvollste Zerstörung die Selbstzerstörung. Das zeigt das Beispiel der Kölner Unionspolitikerin Ursula Heinen-Esser, die in ihrem ganz offensichtlich erzwungenen Rücktritt vom Amt der Umweltministerin und dem Verzicht auf ein Landtagsmandat ihre langjährige – durchaus nicht erfolglose – Karriere geschreddert hat. Mit ihrem geradezu erschreckenden Mangel an Gespür und Einfühlungsvermögen, ihrer trotzigen Uneinsichtigkeit, fadenscheinigen Begründungen, die nur unter großem Druck zugegebene Wahrheit – Heinen-Esser bedient komplett das Zerrbild von einem Politiker-Typus, der im Amt nur einen persönlichen Vorteil, aber keinerlei Verpflichtung sieht. Freunde wie Feinde der bislang so trittsicheren Politikerin rätseln, warum Heinen-Esser so der Kompass abhandenkommen konnte. Aber vielleicht fragt sie sich das inzwischen selbst. Die Zeit dazu hat sie jetzt.

Für Ministerpräsident Hendrik Wüst und die CDU ist der von Heinen-Esser angerichtete Scherbenhaufen kurz vor der wichtigen Landtagswahl im größten Bundesland ein gewaltiger Schaden. Denn das mit Abstand wichtigste Ereignis der vergangenen Jahre, die Flutkatastrophe im Juli 2021 mit ihren vielen Toten, zerstörten Häusern und menschlichen Dramen, gehörte zu den Bewährungsproben der Politik, in der sie das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler rechtfertigen muss.

Ein Verhalten der zuständigen Umweltministerin, die auf dem Höhepunkt der schrecklichen Ereignisse, mit anderen Kabinettsmitgliedern auf Mallorca eine Sause feiert, ist nicht zu vermitteln, denn gleichzeitig wurden Leichen geborgen, standen Freiwillige und Hilfskräfte im schlammigen Wasser, um zu retten, was noch zu retten ist. Muss sich Hendrik Wüst angesichts solcher Pflichtvergessenheit nicht fragen, ob er nicht auch die anderen beteiligten Kabinettsmitglieder vor die Tür setzt, weil er sonst nicht als Ministerpräsident, sondern als leerer Anzug wahrgenommen wird?

Bundesweit überdeckt wird der Absturz Heinen-Essers von dem Rücktritt der Bundesfamilienministerin Anne Spiegel von den Grünen. Auch die mit übergroßem Amtshunger ausgestattete Politikerin befeuerte mit instinktlosem Verhalten, das mit Halb- und Unwahrheiten durchsetzten Erklärversuchen und einem in Deutschland bislang unvorstellbar desaströsen Medienauftritt sämtliche Vorurteile gegen die politische Klasse: Unfähig, uneinsichtig, amtsgeil. Für den Psychologen und Meinungsforscher Jens Lönneker hat die grüne Spitzenfrau das Maß beim Griff nach attraktiven Ämtern verloren. Sie habe sich zu viel aufgehalst und damit übernommen, statt etwas abzugeben.

Anne Spiegel – Erzwungener Rücktritt vom Amt.

Quelle: Tagesschau

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die heillos überforderte Anne Spiegel in keinerlei Hinsicht den Anforderungen eines politischen Spitzenpostens gewachsen ist, dann war es ihr, man muss es so nennen, jammernder Auftritt in der Tagesschau. Für Jens Lönneker habe sie mit ihrem öffentlichen Statement signalisieren wollen, sie sei angesichts der vielfältigen Aufgaben das Opfer, das sich für die Allgemeinheit aufgerieben habe: „Mitleid kann man da allerdings nur sehr bedingt entwickeln.“ Möchte man, fragt man sich in solchen Augenblicken, sein Schicksal gerade in krisenhaften Zeiten in so zitternde Hände legen? Klar ist nur: Mit diesem missratenen Versuch einer Selbstrettung ging die Karriere Anne Spiegels in den freien Fall über. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Anforderungen an politisches Spitzenpersonal gewaltig sind: Intellektuell, mental, charakterlich. Wer nicht aus diesem harten Holz geschnitzt ist, wird früher oder später scheitern. Wie jetzt Ursula Heinen-Esser und Anne Spiegel.

Ob sich das alles auf das Wahlverhalten auswirken wird? Bislang offensichtlich noch nicht, meint Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner. Im Bund hielte die SPD den Vorsprung vor CDU und CSU – trotz der nach wie vor schwachen Werte für Kanzler Olaf Scholz. Die Wahl von Friedrich Merz trage für die Union – zumindest bislang – keine Früchte. Bei einer Direktwahl läge Scholz mit 42 Prozent vor Merz, für den sich lediglich 18 Prozent der Stimmberechtigten entscheiden würden. Für eine Rolle als Hoffnungsträger definitiv zu wenig.

In diesem Sinne grüßt Sie nachdenklich, doch herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hir

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