Newsletter 24. Juni 2022
Newsletter vom 24.06.2022
Ein „sensationeller“ Sieg der Stadt über Holzkohle-Grills an der Weidengasse? – Bitterer Abschied für Opernintendantin Birgit Meyer
Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,
kehrt endlich Ruhe ein am Eigelstein? Das wuselige Viertel hinter dem Kölner Hauptbahnhof ist bekannt für seinen Bevölkerungsmix, das Nebeneinander von Sündern und Heiligen, von unten und oben. Seit der Bürgerverein Eigelstein seinem Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) einen Hilferuf lieferte, erlebe ich das Viertel als gespalten. Trauriger Höhepunkt: Der Vorwurf, Holzkohlegrills in der Weidengasse verbreiteten „extrem giftige Gase.“ Nun liegt ein Gutachten vor, welches das städtische Umweltamt in Auftrag gegeben hat. Der Verein nennt es auf facebook einen „Durchbruch“, Andreas Hupke in der Kölnischen Rundschau (KR) „sensationell“. Als habe man einen mächtigen Gegner besiegt.
Das Wort „extrem giftig“ wird im Gutachten nicht belegt. Stattdessen heißt es: Es sind „schädliche Umwelteinwirkungen“ durch Geruch nachgewiesen. Diese sachliche Sprache ist anders als die des Bürgervereins, die aggressiv und polarisierend ist. Restaurantbetreiber wie Ali Bozkurt lenkten nun mir gegenüber demonstrativ ein. Sie wollten keinen Streit und das Ihre tun, um zu einem guten Miteinander zu kommen. Geruchsfilter würden installiert.
Laut KR will der Bürgerverein, was Aufgabe städtischer Ämter wäre: die Umsetzung des Gutachtens „eng begleiten“. Die Situation bleibt also schwierig. Zudem gibt es im Gegensatz zu Emissionen von Chemikalien für Gerüche keine quantitativen Analysemethoden. So steht es im Anhang 7 der „Technische Anleitung Luft“, auf der das Gutachten Weidengasse fußt. „Da Geruchsbelästigungen meist schon bei sehr niedrigen Stoffkonzentrationen und im Übrigen durch das Zusammenwirken verschiedener Substanzen hervorgerufen werden, ist ein Nachweis mittels physikalisch-chemischer Messverfahren äußerst aufwändig oder überhaupt nicht möglich. Hinzu kommt, dass die belästigende Wirkung von Geruchsimmissionen stark von der Sensibilität und der subjektiven Einstellung der Betroffenen abhängt,“ heißt es weiter in Anhang 7. Er erwähnt nicht, ob die Regeln überhaupt auf Imbissbuden und Grills anwendbar sind. Aufgeführt sind nur Großbeispiele wie Industrie, Landwirtschaft, Abfallentsorgung und Straßenverkehr. Der Weisheit letzter Schluss ist auch dieses Gutachten nicht.
Seit geraumer Zeit schaue ich genauer hin, was am Eigelstein geschieht, wie Bürgerverein und Bezirksbürgermeister im Schulterschluss unterwegs sind. Als gehöre das Viertel ihnen, spricht Andreas Hupke davon, dass alle Geschäftsleute hinter den Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stünden. Obwohl 300 Kritiker eine mehrsprachige Resolution unterzeichneten, kommen sie im Reden und Handeln der Politik nicht vor. Sie und ihre Existenzsorgen existieren politisch nicht. Da ist es hilfreich, dass eine Buch-Veröffentlichung des Kultursoziologen Prof. Dr. Wolf-Dieter Bukow zum Thema bevorsteht.
Wie bewertet man den Geruch von Döner und Kohlegrills in der türkisch geprägten Weidengasse?
Die Stadt Köln hat dazu ein Gutachten erstellen lassen, das zum Einbau von Filtern rät.
Foto: Peter Pauls
Kürzlich traf ich Dieter Endemann. Der frühere evangelische Pfarrer lernte Anfang der 90er Jahre Andreas Hupke in der Bürgerinitiative Eigelstein kennen. Deren Ziel war, die damalige städtische Sanierung so umsichtig zu gestalten, dass nicht ganze Bevölkerungsgruppen verdrängt würden. Heute äußert Endemann sich mitunter in Leserbriefen. „Mehr Entgegenkommen, mehr Verständnis für die Lebensgeschichte, das Lebensrecht und die Lebensbedingungen der Menschen mit Migrationshintergrund will beachtet sein“, schrieb er im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den Grills. Neben der Grundregel „Leben und leben lassen“ formuliert er Kernpunkte für das Zusammenleben von Kulturen: Gegenseitiger Respekt, aufeinander zugehen und miteinander reden.
Wie schwer Menschen es ohnehin miteinander haben, zeigt der Abschied, den die „KÖLNERINNEN“ Opernintendantin Birgit Meyer bereiteten. Er trug eine herbe Note. Für das Frauennetzwerk hatten Christine Kronenberg, Stefanie Haaks und Katharina Hamma eingeladen, Barbara Schock-Werner hielt die Abschiedsrede. Ohne Umschweife und direkt in der Ansprache, wie es ihre Art ist. „Seit ihrer Berufung als Intendantin wurde ihr versprochen, dass sie nach vielen Jahren der Provisorien das fertig gestellte Opernhaus wiedereröffnen dürfe,“ sagte die frühere Dombaumeisterin und kritisierte, dass Meyer nun gehen müsse. Deren größte Herausforderung habe eine starke Leistung hervorgebracht. Nachdem Büros und provisorische Spielstätten geräumt waren, stand Meyer mit 600 MitarbeiterInnen praktisch auf der Straße, als 2015 plötzlich die Wiedereröffnung der sanierten Oper platzte. In nur acht Wochen richtete das Opernteam das leere Staatenhaus so her, dass im November dort gespielt werden konnte. Zusätzlich werde sie die Oper, die sie mit vier Millionen Euro Schulden übernahm, lastenfrei übergeben. Trotz Pandemie und Exil-Quartier. Wäre man so derb mit einem Mann umgegangen?
Was Barbara Schock-Werner eine Schande für die Stadt und ein großes Versagen der Parteien nannte – nicht eine habe sich für Birgit Meyer eingesetzt – erregte Aufmerksamkeit auch über die Grenzen Kölns hinaus. Waren Eifersüchteleien und Unverträglichkeiten im Spiel, wie Schock-Werner es andeutete? Das habe ich auch so gehört. Tatsache ist, dass niemand sich vor die Intendantin stellte. Halt! Einer tat es schon. Gefühlt schon immer ist Hans Mörtter auf einer Linie mit Schock-Werner. Der scheidenden Birgit Meyer gebühre großer Dank für die Umsicht, mit der sie das Haus durch die herausfordernde Vergangenheit gesteuert habe, teilt der Südstadt-Pfarrer mit. Ihr diesen Dank durch die Umstände ihres Abschieds zu verweigern, sei einfach nur unanständig.
„Frauen an die Spitze“ und „Köln muss weiblicher werden“ hieß es im Wahlkampf von Henriette Reker für das Spitzenamt in dieser Stadt. War das nur eine gut klingende Plakatbotschaft? Wer der OB wohlgesonnen ist, wählt den Vergleich zu Angela Merkel. Die frühere Kanzlerin habe die Erwartung, eine große Schwester ziehe weitere Frauen nach, ebenso wenig erfüllt wie bisher die OB, sagen Gutmeinende.
Diese Sicht gestattet einen versöhnlichen Schluss. Vielleicht kommt ja noch etwas?
Erwartungsvolle Grüße sendet
Ihr
Peter Pauls
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