NEWSLETTER 22.09.2023

Warum schlechte Nachrichten auch positive Botschaften transportieren und die Top-AthletInnen aus Köln unsere Unterstützung brauchen

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

finden Sie, dass wir von zu vielen schlechten Nachrichten umgeben sind? Von schrillen Anklagen bis hin zur satten Skandalisierung? Dass gefühlt jede zweite Meinungsverschiedenheit zum Eklat oder Zerwürfnis umgedeutet wird? Die Startseite meines Internet-Browsers ist reich an solch drastischem Geschehen und fordert meine Selbstbeherrschung immer wieder heraus. Bloß nicht den Überschriften auf den Leim gehen.

Das Verhältnis von negativen zu positiven Meldungen habe sich tatsächlich verändert, sagte mir kürzlich Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut „Forsa“. War es früher ein 1:1-Verhältnis, auf eine schlechte folgte eine gute Nachricht, hat sich das verändert: Heute kommen vier negative auf eine positive Meldung. Es steht 4:1 fürs Schlechte. Woher das kommt? Stark vereinfacht ist der digitale News-Wettbewerb verantwortlich. Geht der eine mit einer Nachricht raus, muss der andere nachziehen. Häufig holt die saftigste Formulierung die meisten Klicks. Alles muss schnell gehen und viele Menschen erreichen.

Nun lade ich Sie zu einer Betrachtung ein, die wie die Redewendung vom halb vollen oder halb leeren Glas funktioniert. Timur Oruz (28) spielt Hockey für Rot-Weiß-Köln, ist Weltmeister, Olympionike, Medizinstudent. Die Sportstadt Köln aber existiert für ihn nicht. Die Worte stünden nur für eine leere Hülse, sagt er. Warum? Weil Köln die eigenen Olympia-Kader (OK) Athleten nicht fördere. Gespräche darüber mit Politik und Stadt blieben so erfolglos, dass Oruz sich 2021 bei der Kölner Sportnacht nicht nur weigerte, gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin fotografiert zu werden. Er und 24 weitere Spitzen-Athletinnen und -Athleten schlossen sich zum eigenen Netzwerk zusammen, dem „Verbund Kölner Athleten e. V.“ 

Was Köln leisten solle? „Da muss man das Rad nicht neu erfinden,“ sagt Timur Oruz, „sondern nur nach Düsseldorf schauen.“ 80 Spitzensportler unterstütze die Stadt (inklusive des Nachwuchses) dort. Um welche Summen es geht? Um mittlere dreistellige Beträge im Monat. „Sport ist für uns Lebensinhalt“, sagen die Athleten auf ihrer Homepage. „Aber zahlt er auch den Lebensunterhalt? Wir brauchen Unterstützung.“  

Dieser Internet-Auftritt der Kölner ist so großartig, dass sich die Geschichte hier für mich ins Positive wendet. Die einzelnen Sportlerinnen und Sportler stellen sich offen vor, als würden sie nebenan wohnen. Klar, dass sie viele olympische Medaillen und nationale sowie internationale Titel erwähnen. Das sind einige. Doch auch persönliches wie eine Diabetes-Erkrankung oder Mobbing in der Schulzeit werden nicht ausgeblendet. Felix Streng holte Gold auf 100 Metern bei den Paralympics und blickt auf eine beeindruckende Erfolgsbilanz nicht nur im Sport. Mir fiel Nelvie Tiafack auf, weil er boxt, was ich auf bescheidenem Niveau auch tue. Geboren in Kamerun, Boxer im Superschwergewicht, Deutscher- und Europa-Meister, Sportsoldat. „Meine größten Vorbilder sind Mama und Mike Tyson“, sagt er. Leonie Fiebig, die in diesem Jahr den Weltmeistertitel im Zweierbob gewann, hatte eigentlich als Turnerin begonnen. Kurzum: Man lernt Menschen kennen, nicht glänzende Abziehbilder und versteht deren Wunsch nach Unterstützung und Zusammenhalt.  

Die SportlerInnen haben bereits Sponsoren gewonnen. Rewe, die PSD Bank und die Seitz Rechtsanwälte etwa. Und sie haben prominente Unterstützer wie Andreas Rettig, neuer Sportchef des deutschen Fußballbunds, oder Michael Reschke von Schalke 04. Doch eigentlich sollten sie alle Zeit und Energie auf den Sport richten und nicht auf Unterstützersuche gehen müssen. „Der große Tag naht. Paris 2024! Viele von uns gehen für Köln auf große olympische Medaillenjagd. Unsere Chancen stehen gut. Aber: Gemeinsam erreicht man mehr,“ lautet der Appell der Athleten.  

An einigen Stellen dieser Geschichte habe ich mich geärgert. Weil Düsseldorf es uns wieder zeigt. Aber viel öfter haben mich diese Lebensläufe beeindruckt, der Wille, Höchstleistung zu erbringen und sich nicht entmutigen zu lassen. Im Verhältnis 1:4, würde ich sagen. Auf einen Ärger kommen vier Erfolge. Wollen Sie die Quote noch steigern und die Sportler unterstützen? Dann nehmen Sie Kontakt auf 

Und unser Bedürfnis nach guten Nachrichten? Wir fordern sie zwar, lesen aber zuerst das Negative. Das ergaben vor Jahrzehnten schon Tests mit Zeitungslesern. Aber der Widerspruch störte niemanden, er war ein offenes Geheimnis. Wer mehr Drama wollte, kaufte eine Boulevardzeitung. Das permanente digitale Grundrauschen gab es nicht. Heute sind wir dauernd Online und auf Sendung. Im Dauerlesen digitaler Texte befinden wir uns in einem vorbewussten Zustand. „Dann finden dramatische Nachrichten mehr Beachtung“, hat Jens Lönneker herausgefunden, dessen „rheingoldsalon“ mediale Wirklichkeit untersucht. „Wer in der Frühstückspause Zeitung liest, ist die Ausnahme“, sagt der Psychologe. Dabei sei die Auseinandersetzung mit Texten in ausgedruckter Form intensiver als in elektronischer. Was uns das lehrt? Wir tragen selbst zu einer Misere bei, die wir beklagen. 

Für mich gilt: Unsere Kölner Top-Athleten können in beiden medialen Welten bestehen. Sie sind in jeder Hinsicht außergewöhnlich.  

Und Susanne Hengesbach? In der neuen Folge ihres Poetry-Podcasts spricht sie mit ihrer Freundin Silke darüber, was Frauen inzwischen alles an sich gerissen haben und was sie auch ohne Männer (besser) können . . . Hier klicken, dann wissen Sie mehr.

Herzlich grüßt

Ihr

Peter Pauls