NEWSLETTER 3.11.2023

Über Rettungsversuche für eine Grünen-Ministerin,
Argumente gegen unbegründete Ängste
und den Besuch einer politischen Altersschönheit

 

 

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ob es tatsächlich ein Paralluniversum – außerhalb von Science-Fiction-Romanen – gibt, ist bislang nicht belegt. Belegt ist allerdings die Existenz von Paralluniversen in der Politik. Darin lässt sich die Wirklichkeit so lange bearbeiten, bis sie ins eigene Weltbild passt – und bei Wahlen hilfreich ist. Bei der Lösung drängender Probleme ist das, wen wundert’s, eher hinderlich.

Das gilt auch für ein Thema, das wie kaum ein anderes seit Jahren die Gemüter bewegt: Die Flüchtlings- und Integrationspolitik. „Alles unter Kontrolle“ lautet die Botschaft der Regierenden, „Chaos, Versagen, Unvermögen“ kommt es als Echo der Opposition zurück. Besonders heftig ist der Streit in Nordrhein-Westfalen, wo die zuständige Grünen-Ministerin Josefine Paul im Zentrum fundamentaler Kritik steht. Sie gilt mittlerweile selbst den eingeschworenen Anhängern der schwarz-grünen Koalition eher als Teil des Problems als Teil der Lösung. Schließlich ist die Kapazität der landeseigenen Flüchtlingszentren  weitgehend erschöpft, an möglichen Standorten von zusätzlichen Unterkünften formiert sich vehementer Widerstand. Daraufhin wollte die Ministerin die Geflüchteten an die Kommunen durchwinken .

Vielleicht eine naheliegende, aber keine gute Idee. Zumindest in den Augen der Städte und Gemeinden. Sie laufen Sturm gegen eine Politik, von der sie sich überfordert fühlen. Was also tun angesichts von gut 45.000 Geflüchteten allein in den ersten neun Monaten, die aus Syrien, Irak, Afghanistan und anderen Gegenden der Welt in Nordrhein-Westfalen Schutz suchen? Zusätzlich leben derzeit 225.000 Ukrainerinnen und Ukrainer im Land, die vor dem mörderischen Angriffskrieg ihre Heimat verlassen haben. Auch sie gilt es unterzubringen, zu betreuen und versorgen.

Jetzt soll eine überraschende Personalie die Situation retten und damit, gewissermaßen als Kollateralnutzen, auch eine im Feuer stehende Ministerin. Der Hoffnungsträger heißt Jürgen Mathies, ein Mann, der sich als Innenstaatssekretär und Polizeipräsident einen tadellosen Ruf erworben hat. Als Berater der Ministerin soll er helfen, die Migration in NRW besser zu steuern, Prozesse zu optimieren und vor allem für viele der dringend benötigten neuen Unterbringungsplätze zu sorgen.

Im Gespräch mit Jürgen Mathies macht er gleich klar, dass er sich nicht mit dem Asylkompromiss auf EU-Ebene oder den asylpolitischen Entscheidungen Berlins auseinandersetzen will, sein Zeil ist vielmehr, im Gespräch mit den unterschiedlichen Ebenen von Land bis Kommune die NRW zugewiesenen geflüchteten Menschen unterzubringen. Das setzt intensive Überzeugungsarbeit voraus, bei Städten, Gemeinden und nicht zuletzt Bürgern.

Ein zentraler Punkt, das wird im Gespräch mit Mathies klar, ist es, den Anliegern von Unterkünften ein realistisches Bild von der Sicherheitslage zu geben. „Die vielen Besorgnisse, die medial oder an Stammtischen diskutiert werden, sind so nicht begründet. Das ist zumindest meine Annahme und es gilt jetzt, das mit Daten und Fakten zu unterlegen“, sagt der frühere Polizeipräsident. Aber auch Mathies registriert, dass es eine gesellschaftliche Klimawende gegeben hat,  sich die Einstellung gegenüber Migranten gegenüber 2014 oder 2015 geändert hat. Deshalb setzt er auf Aufklärung durch belastbare Tatsachen, auf kontinuierliches Gespräch und Transparenz.

Im allgemeinen Interesse muss man ihm Glück wünschen bei seiner herausfordernden Aufgabe. Sein Ruf als ehrlicher Makler verschafft ihm die Glaubwürdigkeit und argumentative Durchschlagskraft, die nicht nur die schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf, sondern die Politik insgesamt, dringend benötigt. Für Josefine Paul ist Mathies vermutlich ein Glücksfall – und vielleicht ihr letzter Trumpf im Ärmel.

Ein Trumpf im Ärmel von Ministerpräsident Hendrik Wüst ist zweifellos sein Innenminister Herbert Reul. Reul, der inzwischen zur politischen Altersschönheit gereifte populäre Innenminister, ist am 23. November zu Gast im Kölner Presseclub, wo er sich den Fragen von Peter Pauls und mir, aber auch von Ihnen stellen wird.

Und hier noch ein Hinweis: In der neuen Episode Ihres Poetry Podcasts erörtert Susanne Hengesbach mit Ihrem Neffen Conrad  ein skandalöses Comeback und spricht über Dinge, die man hierzulande nicht sagen, nicht schreiben und auch nicht belächeln darf. Neugierig geworden? Na, dann hören Sie doch einfach mal rein, aber bitte ganz ernsthaft. Viel Vergnügen!

 

In diesem Sinne grüße ich Sie, herzlich wie stets,

Ihr

Michael Hirz