NEWSLETTER 8.12.2023

Warum Sie am Kölner Hauptbahnhof schlecht wegkommen und sich daran, unabhängig von Streiks, auch in absehbarer Zukunft nichts ändern wird.

Sehr geehrte Mitglieder,
liebe Freundinnen und Freunde des Kölner Presseclubs,

ich hatte sie 15 Jahre lang! Die „Black Mamba“. Damit ist nicht die Attraktion im Phantasialand gemeint, sondern umgangssprachlich die teuerste Fahrkarte, die sich ein Kunde bei der Deutschen Bahn kaufen kann: die BahnCard100. Damit können Sie ein Jahr lang jeden Zug nutzen – also zumindest die, die noch fahren. 15 Jahre BahnCard100. Wenn ich das erzähle, ernte ich entweder blankes Entsetzen oder pure Bewunderung. Zu welcher Fraktion gehören Sie?

Sie merken schon an der Formulierung „ich hatte“, dass es mit mir und der Bahn genauso schwierig geworden ist wie bei vielen anderen Kunden der Bahn, die unter den Verspätungen, Ausfällen und Serviceproblemen leiden. Auch wenn die Bahn erst seit der Corona-Pandemie so richtig schlecht geworden ist, so gab es schon beim Kauf meiner ersten Bahn-Dauerkarte im Jahr 2008 eine sehr schwache Konstante: den Kölner Hauptbahnhof.

Kaum ein Hauptbahnhof hat so viele verspätete Züge zu bieten, besagen Statistiken. Selbst die Bahn, die gerne mal bei der eigenen Erhebung von Verspätungen sehr einfallsreich ist, widerspricht den Aussagen nicht. Grob gesagt: etwa die Hälfte der Züge in Köln ist im Jahresschnitt unpünktlich oder kommt gar nicht. Im vergangenen Monat, wonach selbst bundesweit fast jeder zweite Fernzug verspätet war, dürfte Köln noch schlechter abgeschnitten haben. Unsere Stadt hinkt, wie in manch anderen Bereichen, auch im Bahnverkehr hinterher und bildet ein Bündnis mit der Bahn: beide sind nämlich Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Etwa 400.000 Fahrgäste steigen nach Angaben der Bahn jeden Tag allein am Hauptbahnhof und in Messe/Deutz ein und aus.Die Zah­len stei­gen jähr­lich“, teilt der Konzern sogar mit. Doch gewachsen ist nicht nur die Kundschaft, sondern auch die Zahl der Züge. Was nicht gewachsen ist: die Zahl der Gleise, Bahnsteige und Brücken. Und jetzt raten Sie mal, warum es bei den Kölner Bahnproblemen nicht besser wird. Die Zahl der Störungen wird eher zu- als abnehmen. Da bin ich mit nahezu allen Bahnexperten einig. Im Prinzip ist es ein physikalisches Grundgesetz.

Die Probleme sind so deutlich, dass nun wirklich etwas passieren soll. Aber es wird viele Jahre dauern, die Nachlässigkeiten zu beheben, die über genauso viele Jahre entstanden sind. Erst einmal die Technik: Köln bekommt ein neues Stellwerk, das effizienter arbeiten soll. Dieses Stellwerk kann aber nur im laufenden Betrieb gebaut werden.

Immer wieder – vor allem an Wochenenden – wird es deshalb in den kommenden Monaten zu Teilsperrungen am Hauptbahnhof kommen, weil Signalmasten aufgestellt, Weichen umgebaut und Kabel verlegt werden müssen. Die Bahn rechnet damit, dass Ende 2025 das neue Stellwerk die Arbeit aufnehmen kann.

Währenddessen sollen der Nahverkehr und die Infrastruktur für den Hauptbahnhof ausgebaut werden. Bereits heute ist das Dach für einen weiteren Bahnsteig gebaut – und steht quasi im Nichts. Ob aber Gleis 12 und 13 wirklich noch entstehen werden, ist weiter unklar. Eine abschließende Entscheidung oder ein konkreter Startschuss fehlen. Für S-Bahnen, Regionalexpress-Linien und den Rhein-Ruhr-Express RRX wäre dieser Bahnstieg sicher eine Entlastung. Das Problem mit den Verspätungen bliebe wahrscheinlich mit der Hohenzollernbrücke als Nadelöhr aber bestehen.

Und neben den Bauarbeiten am Hauptbahnhof dürfen notwendige Bauarbeiten auf den Strecken, die nach Köln führen, nicht vergessen werden. Bis 2030 will die Bahn mehrere Strecken generalsanieren. Darunter die Ruhrgebietstrasse zwischen Köln und Dortmund und die Strecke durch das Bergische Land bis Hamm. Auch bis nach Aachen soll es über mehrere Monate hinweg eine radikale Sanierung statt der bislang üblichen Flickerei geben. Und damit ist klar: am Kölner Hauptbahnhof wird es die nächsten Jahre leider erst einmal schlimmer, bevor es besser werden kann. Dabei schwingt das Gefühl mit, die Bahn scheitert zunehmend an der eigenen Komplexität.

Im Podcast von Susanne Hengesbach geht es dieses Mal um die Frage, warum mittlerweile auf nahezu jedem Gegenstand eine Botschaft stehen muss. Oder warum ist es kaum noch möglich ein Frühstücksbrettchen ohne Aufschrift zu bekommen? Oder einen Kaffeebecher, auf dem nichts Unsinniges geschrieben steht? Auch Kissen, Decken oder Nachthemden müssen heutzutage offenbar immer auch etwas mitteilen. Zum Podcast hier entlang:

In diesem Sinne sende ich Ihnen abfahrbereite Grüße

Ihr
David Rühl